OGH 10ObS7/12w

OGH10ObS7/12w13.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Bassler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Mag. Elfriede Stadler, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Oktober 2011, GZ 12 Rs 152/11a-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. Mai 2011, GZ 16 Cgs 199/10y-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie unter Einschluss der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile wie folgt zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die Invaliditätspension über den 31. Juli 2010 hinaus bis 30. November 2011 weiterzugewähren, und zwar ab 1. August 2010 in Höhe von monatlich 607,47 EUR und ab 1. Jänner 2011 in Höhe von monatlich 614,76 EUR unter Anrechnung allenfalls bereits erbrachter Zahlungen auf die zuerkannte Leistung.

Das darüber hinausgehende Klagebegehren auf Gewährung einer über den 30. November 2011 hinausgehenden unbefristeten Invaliditätspension wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin übte den von ihr erlernten Beruf einer Tischlerin vom 30. 8. 1999 bis 21. 11. 2008 aus. Vom 22. 11. 2008 bis 22. 5. 2009 bezog sie aus dieser Tätigkeit Krankengeld, vom 23. 5. 2009 bis 4. 9. 2009 Urlaubsabfindung/Urlaubsentschädigung. Seit 5. 9. 2009 ist sie beim selben Dienstgeber geringfügig als Tischlerin beschäftigt. Dieses Dienstverhältnis ist nach wie vor aufrecht. Die Tätigkeit einer Tischlerin ist der Klägerin nicht mehr zumutbar, weil hiedurch ihr Leistungskalkül überschritten wird. Es kommen für sie auch keine Verweisungstätigkeiten in Betracht, die mit ihrem eingeschränktem Leistungskalkül vereinbar wären.

Der Klägerin war die Invaliditätspension vom 1. 6. 2009 bis 31. 7. 2010 befristet gewährt worden.

Mit Bescheid vom 28. 7. 2010 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 12. 5. 2010 auf Weitergewährung der Invaliditätspension über den 31. 7. 2010 hinaus ab.

Im Verfahren erster Instanz wurde erörtert, dass die Klägerin im Zuge des „vorherigen“ Sozialrechtsverfahrens ihr Dienstverhältnis zunächst aufgelöst habe, dann allerdings zum selben Arbeitgeber unmittelbar wiederum ein Dienstverhältnis auf geringfügiger Basis eingegangen sei. Der Vertreter der beklagten Partei brachte dazu vor, dass eine Tätigkeit im erlernten Bereich der Invaliditätspension entgegenstehe. Die Klagevertreterin entgegnete, dass eine solche Tätigkeit lediglich den Anfall hindere.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Anspruch der Klägerin auf Weitergewährung der Invaliditätspension über den 31. 7. 2010 hinaus bis zum 30. 11. 2011 dem Grunde nach zu Recht besteht, die Leistung jedoch erst nach Beendigung ihrer Tätigkeit als Tischlerin anfällt. Das darüber hinausgehende Klagebegehren auf Gewährung einer über den 30. 11. 2011 hinausgehenden unbefristeten Invaliditätspension wurde abgewiesen. Das Erstgericht traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und stellte weiters fest, dass mit einer kalkülsrelevanten Besserung des Gesundheitszustands frühestens in sechs Monaten zu rechnen ist. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, die Klägerin sei invalid iSd § 255 Abs 1 ASVG. Da eine Verbesserung des Leistungskalküls bei adäquater Behandlung frühestens in sechs Monaten möglich sei, bestehe der Pensionsanspruch befristet bis 30. 11. 2011 zu Recht, hingegen sei das Mehrbegehren auf unbefristete Gewährung der Invaliditätspension über den 30. 11. 2011 hinaus abzuweisen. Da seit 30. 8. 1999 ein ununterbrochenes Dienstverhältnis als Tischlerin vorliege - wenngleich seit 5. 9. 2010 nur mehr in Form eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses - falle die Pension erst nach vollständiger Beendigung der Tätigkeit als Tischlerin an.

Das Berufungsgericht gab der lediglich gegen den Ausspruch über den Leistungsanfall gerichteten Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vorliege, ob die Leistungsanfallvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit iSd § 86 Abs 3 Z 2 ASVG anlässlich eines Weitergewährungsantrags neuerlich zu überprüfen ist. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 für den Anfall der Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit zusätzlich die Aufgabe der Tätigkeit erforderlich sei, aufgrund welcher der (die) Versicherte als invalid (berufsunfähig, dienstunfähig) gelte. Die Fortsetzung der Berufstätigkeit, auch wenn sie nur mehr geringfügig ausgeübt wird, bewirke eine Hemmung des Leistungsanfalls; nicht aber das Weiterbestehen einer Pflichtversicherung für die Zeit des (fiktiven) Zeitraums des Bezugs von Urlaubsentschädigung und Urlaubsabfindung. Da die Klägerin am Stichtag 1. 6. 2009 Urlaubsentschädigung bzw Urlaubsabfindung bezogen habe, sei die Invaliditätspension angefallen. Dies verhindere aber nicht, dass im Falle eines Weitergewährungsantrags neuerlich die Leistungsanfallsvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit zu prüfen sei. Dass durch die Weitergewährung kein neuer Stichtag ausgelöst werde und etwa das Vorliegen eines Berufsschutzes zum ursprünglichen Stichtag zu prüfen sei, spreche nicht gegen diese Ansicht, da die Hemmung des Anfalls den Pensionsanspruch selbst nicht berühre, sondern lediglich den Leistungsfluss hinausschiebe. Durch die (wie auch im konkreten Fall) kurzfristige formale Lösung des Arbeitsverhältnisses könnte der Versicherte den Zweck der Hemmung des Anfalls der Versicherungsleistung unterlaufen. Dass der Gesetzgeber diese Umgehungsmöglichkeit während des laufenden Pensionsbezugs insofern toleriere, als die Wiederaufnahme der Beschäftigung keinen Entziehungsgrund darstelle, bedeute nicht, dass dies über den Zeitraum der Befristung hinaus gelten solle. Es würde der gesetzgeberischen Zielvorstellung widersprechen, dürfte die Aufgabe der bisherigen Tätigkeit des (der) Versicherten anlässlich eines Weitergewährungsantrags nicht neuerlich geprüft werden. Ein Verfahrensmangel infolge Nichterörterung der Tatsache der Beendigung des Dienstverhältnisses vor dem Stichtag 1. 6. 2009 liege nicht vor, weil diese Tatsache aus dem vom Erstgericht festgestellten Zeitraum des Bezugs von Urlaubsabfindung und Urlaubsentschädigung ohnehin hervorgehe. Außerdem komme es nicht nur auf den Anfall der befristet gewährten Pension an, sondern auch darauf, ob sich die Beschäftigung der Klägerin zum Zeitpunkt der Weitergewährung auf den Anfall der weiter gewährten Pension auswirke.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass festgestellt werde, die Invaliditätspension falle über den 31. 7. 2010 hinaus weiter an; eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und berechtigt.

Die Revisionswerberin macht im Wesentlichen geltend, die Leistungsanfallbestimmungen für die Invaliditätspension bezögen sich nur auf den erstmaligen Anfall der Leistung, nicht aber auf den Leistungszeitpunkt der einzelnen Pensionsleistungen. Eine spätere Wiederaufnahme der Tätigkeit führe nicht zum Wegfall der Leistung. Es entspreche der bisherigen Rechtsprechung, dass im Fall der Weitergewährung dauernde Invalidität bereits von Beginn an vorgelegen sei und weiter bestehe, wenn die Voraussetzungen weiterhin erfüllt seien. Die Weitergewährung sei nicht als neuerlicher „erstmaliger“ Anfall der Leistung zu qualifizieren, weshalb auch die Voraussetzungen des § 86 Abs 3 Z 2 dritter Satz ASVG nicht neuerlich erfüllt sein müssten. Die Ansicht, auch für die Weitergewährung der Invaliditätspension sei eine gesonderte Prüfung nicht nur der Anspruchsvoraussetzungen der (weiter-)bestehenden Invalidität, sondern auch des Anfalls der Leistung vorzunehmen, sei verfehlt. Wie sich aus § 254 Abs 6 ASVG über die Teilpension ergebe, entspreche es den Intentionen des Gesetzgebers, Bezieher von Invaliditätspensionen wieder ins Erwerbsleben zu integrieren. § 86 Abs 3 Z 2 dritter Satz ASVG sei zur Vermeidung von Missbräuchen ungeeignet; die Differenzierung zwischen der bisherigen versicherten Tätigkeit und anderen Tätigkeiten sei unsachlich. Durch den unsachlichen Ausschluss von der Möglichkeit des Anfalls der Invaliditätspension werde überdies das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum verletzt. Es werde angeregt, ein Normprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten.

Dazu ist auszuführen:

1.1. Schon im Berufungsverfahren war nicht strittig, dass die Klägerin zu dem für die befristete Leistung maßgeblichen Stichtag (1. 6. 2009) die (materiellen und formellen) Leistungsvoraussetzungen für die begehrte Invaliditätspension erfüllte (§§ 223 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2, 254 Abs 1, 255 Abs 1 ASVG) und aufgrund ihres körperlichen Zustands Invalidität auch nach Ablauf der ursprünglichen Befristung über den 31. 7. 2010 hinaus bis zum 30. 11. 2011 weiter besteht. Somit ist ihr Anspruch auf Invaliditätspension - das Leistungsverhältnis - zum Stichtag 1. 6. 2009 entstanden (§ 85 ASVG). Das Leistungsverhältnis ist die Grundlage für die Gewährung der Leistung (10 ObS 331/92, SSV-NF 7/8).

1.2. Soweit eine Leistung für einen bestimmten Zeitraum gebührt, wie etwa eine Pension, bedarf es noch der Festlegung, ab welchem Zeitpunkt diese Leistung zusteht. Das Gesetz bezeichnet diesen Zeitpunkt als Anfall der Leistung (§ 86 ASVG). Soweit nichts anderes bestimmt ist, fallen die sich aus den Leistungsansprüchen ergebenden Leistungen mit dem Entstehen des Anspruchs an (§ 86 Abs 1 ASVG). Gesetzliche Bestimmungen können aber dazu führen, dass der Leistungsanfall vom Zeitpunkt des Entstehens des Leistungsverhältnisses abweicht (10 ObS 331/92, SSV-NF 7/8; Schrammel in Tomandl, SV-System 8. ErgLfg 147). Eine Invaliditätspension fällt mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen an, wenn dieser Zeitpunkt auf einen Monatsersten fällt, sonst fällt sie mit dem der Erfüllung der Voraussetzungen folgenden Monatsersten an, sofern die Pension binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen beantragt wird (§ 86 Abs 3 Z 2 erster Satz ASVG). Wird der Antrag auf die Pension erst nach Ablauf eines Monats nach Erfüllung der Voraussetzungen gestellt, so fällt die Pension mit dem Stichtag an (§ 86 Abs 3 Z 2 zweiter Satz ASVG).

Für den Anfall der Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ist seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl I 1996/201 zusätzlich die Aufgabe der Tätigkeit, aufgrund welcher der (die Versicherte als invalid, (berufsunfähig, dienstunfähig) gilt, erforderlich, es sei denn der (die) Versicherte bezieht ein Pflegegeld ab Stufe 3 nach § 4 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze (§ 86 Abs 3 Z 2 dritter Satz ASVG). Werden dem (der Versicherten) medizinische oder berufliche Maßnahmen der Rehabilitation gewährt, und sind ihm (ihr) diese Maßnahmen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner (ihrer) Ausbildung sowie der von ihm (ihr) bisher ausgeübten Tätigkeit zumutbar, so fällt die Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit erst an, wenn durch die Rehabilitationsmaßnahmen die Wiedereingliederung des (der) Versicherten in das Berufsleben nicht bewirkt werden kann (§ 86 Abs 3 Z 2 vierter Satz).

1.3. Im vorliegenden Fall ist nur strittig, ob die für den Zeitraum 31. 7. 2010 bis 30. 11. 2011 befristet zugesprochene Invaliditätspension als angefallen iSd § 86 Abs 3 Z 2 dritter Satz ASVG anzusehen ist.

Nach den Gesetzesmaterialien zum Strukturanpassungsgesetz 1996 (Erläut RV 72 BlgNR 20. GP 247) dient § 86 Abs 3 Z 2 dritter Satz ASVG der Vermeidung vom Missbräuchen. Es soll verhindert werden, dass neben dem Bezug einer Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit die bisherige Tätigkeit weiterhin ausgeübt wird (RIS-Justiz RS0116849). Die Neuregelung verfolgt somit offenbar den Zweck, Versicherte vom Leistungsbezug auszuschließen, die zwar objektiv nicht in der Lage sind, ihrer versicherten Tätigkeit nachzugehen, aber auf Kosten ihrer Gesundheit oder aus Entgegenkommen ihres Arbeitgebers ihre bisherige Berufstätigkeit fortsetzen. Die Aufgabe der Berufstätigkeit ist vom Gesetzgeber allerdings nicht als besondere Leistungsvoraussetzung (wie etwa nach der früheren Regelung des § 254 Abs 1 ASVG in der Fassung SRÄG 1991) konzipiert. Die Fortsetzung der bisherigen Berufungstätigkeit bewirkt vielmehr eine Hemmung des Leistungsanfalls (siehe oben Pkt 1.2.). Wird die Erwerbstätigkeit aufgegeben, fällt die Leistung an (RIS-Justiz RS0116850; Schrammel in Tomandl, SV-System, 8. ErgLfg 149). Wird sie hingegen nicht aufgegeben, ist bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen ein Zuerkennungsbescheid zu erlassen mit der Feststellung, dass die Pension (vorläufig) nicht anfällt. Die Aufgabe der Tätigkeit, aufgrund derer ein Versicherter als invalid gilt, ist somit nicht (mehr) Anspruchs- sondern Anfallsvoraussetzung (10 ObS 317/02v, SSV-NF 16/122). Die Entstehung des Anspruchs auf Invaliditätspension (die Entstehung des Leistungsverhältnisses) und der Anfall der Invaliditätspension sind gesondert zu prüfen (RIS-Justiz RS0084313 [T3]).

1.4. Maßgeblich für den Anfall der Pension ist im Sozialrechtsverfahren der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Zu beurteilen ist, ob der Versicherte im Zeitraum bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz seine Tätigkeit, aufgrund welcher er als invalid gilt, iSd § 86 Abs 3 Z 2 ASVG aufgegeben hat (RIS-Justiz RS0116851). Ist dies zu verneinen, ist die Invaliditätspension bis dahin nicht angefallen (10 ObS 30/02p).

1.5. Eine spätere Wiederaufnahme der Tätigkeit bewirkt nicht mehr den Wegfall der Leistung, weil sich die Leistungsanfallbestimmungen nur auf den erstmaligen Anfall der Leistung, nicht aber auf den Leistungszeitpunkt der einzelnen Pensionsleistungen beziehen (RIS-Justiz RS0116852). Ist eine Pension somit angefallen, ist eine Überprüfung der Voraussetzungen ihres Anfalls nicht neuerlich - bezogen auf einen späteren Zeitpunkt - vorzunehmen.

1.6. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach dem Anfall kann jedoch zur Umwandlung der Invaliditätspension in eine Teilpension führen (§ 254 Abs 6 ASVG; Atria in Sonntag, ASVG2 §§ 85, 86 Rz 59; Sonntag in Sonntag aaO § 254 Rz 10). Durch die Gewährung von Teilpensionen wird sichergestellt, dass eine Geldleistung aus der Sozialversicherung, die den Zweck hat, weggefallenes Erwerbseinkommen zu ersetzen, nicht ungeschmälert neben einem über der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Erwerbseinkommen bezogen werden kann (10 ObS 18/07f, SSV-NF 21/14).

1.7. Einen Einfluss auf den Stichtag hat die Fortführung oder Aufgabe der Erwerbstätigkeit nicht.

1.8. Für den Anfall maßgeblich ist die vollständige Aufgabe der bisherigen Tätigkeit, aufgrund derer der Versicherte als invalid bzw berufsunfähig gilt. Die Aufgabe dieser Tätigkeit setzt eine formale Lösung des Arbeitsverhältnisses, also eine Beendigung des Dienstverhältnisses oder die Ausübung einer anderen Erwerbstätigkeit, wenn auch im gleichen Betrieb (Änderungskündigung) - voraus (10 ObS 152/02d, SSV-NF 16/121; 10 ObS 149/06v, SSV-NF 20/71). Der Bezug einer Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung (nunmehr Urlaubsersatzleistung) hindert den Leistungsanfall nicht. Einer formalen Beendigung des Dienstverhältnisses ist eine bloß faktische Nichtausübung der Tätigkeit, zB aufgrund eines längeren, ununterbrochenen Krankenstands oder Urlaubs nicht gleichzusetzen (10 ObS 317/02v, SSV-NF 16/122). Das bisherige Beschäftigungsverhältnis darf jedenfalls soweit nicht weiter bestehen, als es eine idente Tätigkeit zum Gegenstand hat. Auch eine geringfügige Beschäftigung mit identem Inhalt wie die aufzugebende Tätigkeit steht dem Anfall der Invaliditätspension entgegen (10 ObS 173/03v, SSV-NF 18/89). Die Ausübung anderer Erwerbstätigkeiten hindert den Anfall der Invaliditätspension hingegen nicht. So wurde der Standpunkt vertreten, dass bei einem Angestellten, der als Computertechniker berufsunfähig ist, die Berufsunfähigkeitspension erst ab dem Zeitpunkt anfällt, ab dem er seine Arbeitstätigkeit als Computertechniker aufgegeben hat; die Ausübung einer anderen Erwerbstätigkeit (zB als Buchhalter) hindert den Anfall der Berufsunfähigkeitspension nicht (Choholka ua Strukturanpassungsgesetz 1996 - Änderungen im Sozialversicherungsrecht, SozSi 1996, 471 ff [478]). Der Umstand, dass der Versicherte keine kalkülsüberschreitenden Tätigkeiten mehr verrichtet, seine bisherige Berufstätigkeit jedoch ansonsten fortsetzt, reicht hingegen für eine Aufgabe der Tätigkeit, welche zum Anfall der Pension führt, nicht aus (10 ObS 149/06v).

2.1. Ebenfalls durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 BGBl I 1996/201 kam es zu einer Änderung des § 256 ASVG. Pensionen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit sind seither grundsätzlich befristet für die Dauer von längstens 24 Monaten zuzuerkennen. Besteht nach Ablauf der Frist die Invalidität bzw Berufsunfähigkeit weiter, so ist die Pension auf Antrag für jeweils längstens 24 weitere Monate zuzuerkennen. Aufgrund eines innerhalb drei Monaten nach dem Wegfall gestellten Antrags auf Weitergewährung ist das Fortbestehen der Invalidität nach Ablauf der Frist zu prüfen (§ 256 Abs 1 ASVG).

2.2. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 256 ASVG (abgedruckt in Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG 104. ErgLfg Anm 1 zu § 256) ergibt sich, dass im Hinblick auf die nicht vorhersehbare Weiterentwicklung medizinischer Behandlungsmethoden sowie die Unsicherheit medizinischer Langzeitprognosen der Grundsatz der befristeten Zuerkennung von Pensionen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit den Pensionsversicherungsträgern eine flexiblere Zuerkennungspraxis bei Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-, Dienstunfähigkeits-)pensionen ermög-lichen solle. Durch die auf Antrag erfolgende Weitergewährung der Pension komme es bei Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit zu keiner Verschlechterung in den Rechten des Leistungsbeziehers. In der Vergangenheit zutage getretene Schwierigkeiten beim Entzug von unbefristet zuerkannten Pensionen aufgrund des Wegfalls der Arbeitsunfähigkeit würden jedoch in Hinkunft nicht mehr auftreten.

Auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage, ob die neu eingeführte Leistungsanfallvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit anlässlich eines Weitergewährungsantrags neuerlich zu überprüfen ist, wird weder in den zu § 86 Abs 3 Z 2 ASVG noch zu § 256 ASVG vorhandenen Gesetzesmaterialien direkt Bezug genommen.

2.3. Dagegen spricht zunächst, dass es sich bei einem Verfahren über die Weitergewährung einer befristet zuerkannten Invaliditätspension um einen letztlich einheitlichen Versicherungsfall handelt, dessen Voraussetzungen durch den für die befristete Leistung maßgeblichen Stichtag bestimmt werden. Es ist daher ausschließlich zu diesem (ursprünglichen) Stichtag festzustellen, ob Invalidität noch, erstmals oder wieder gegeben ist. Bezogen auf diesen (ursprünglichen) Stichtag ist zu beurteilen, ob Invalidität unter allen in § 255 ASVG genannten Voraussetzungen eingetreten ist. Es ist daher auch beispielsweise das Vorliegen von Berufsschutz zum ursprünglichen Stichtag zu prüfen (RIS-Justiz RS0105152). Andere Anspruchsvoraussetzungen wie beispielsweise die Erfüllung der Wartezeit sind nicht mehr zu prüfen. Die zum Stichtag geltende Rechtslage ist der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zugrunde zu legen (vgl jüngst 10 ObS 156/11f mwN).

Liegt aber bei Fortbestehen der Invalidität über die Befristung hinaus ein (einheitlicher) Versicherungsfall der Invalidität vor und ist die Invaliditätspension infolge Auflösung des Dienstverhältnisses zu dem für die befristete Leistung maßgeblichen Stichtag (1. 6. 2009) angefallen, kann eine spätere Wiederaufnahme der Tätigkeit nicht mehr den Wegfall der Leistung bewirken, weil sich die Leistungsanfallbestimmungen nur auf den erstmaligen Anfall der Leistung, nicht aber auf den Leistungszeitpunkt der einzelnen Pensionsleistungen beziehen (RIS-Justiz RS0116852; Schrammel in Tomandl, SV-System, 8. ErgLfg 149). Für diesen Rechtsstandpunkt lässt sich weiters ins Treffen führen, dass es nach den Gesetzesmaterialien durch die befristete Zuerkennung nicht zu einer Verschlechterung in den Rechten des Leistungsbeziehers kommen soll. Ist die befristet zuerkannte Invaliditätspension infolge Aufgabe der bisherigen Tätigkeit iSd § 86 Abs 3 Z 2 ASVG bereits angefallen, würde das Erfordernis einer (neuerlichen) Überprüfung dieser Leistungsanfallvoraussetzung im Weitergewährungsverfahren im Vergleich zur unbefristeten Zuerkennung aber gerade eine solche Verschlechterung in den Rechten des Leistungsbeziehers bewirken.

Ist die befristet zuerkannte Invaliditätspension infolge Aufgabe der bisherigen Tätigkeit bereits angefallen, hat demnach eine neuerliche Überprüfung dieser Leistungsanfallvoraussetzung anlässlich eines Weitergewährungsantrags zu unterbleiben.

3. Ausgehend von der dargelegten Rechtsansicht erweist sich die Revision der Klägerin als berechtigt, sodass auf ihre weiteren Ausführungen über verfassungsrechtliche Bedenken nicht mehr eingegangen werden muss. Da somit anlässlich eines Weitergewährungsantrags keine neuerliche Überprüfung der Leistungsanfallvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit vorzunehmen ist, war auszusprechen, dass der Klägerin die Invaliditätspension in der zuletzt zuerkannten Höhe auch über den 31. 7. 2010 hinaus bis zum 30. 11. 2011 weiterzugewähren ist. Die Höhe der Invaliditätspension ergibt sich aus dem im Anstaltsakt erliegenden Bescheid vom 10. 8. 2011 (Stk 308) mit 607,47 EUR ab 1. 8. 2010 und 614,76 EUR ab 1. 1. 2011. Gegen die Höhe dieser Pensionsleistung wurden im Verfahren keine Einwendungen erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte