OGH 1Ob29/12i

OGH1Ob29/12i1.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. F***** B*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Land Steiermark, vertreten durch Mag. Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in Graz, 2. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien, Singerstraße 17-19, wegen 216.337,35 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2011, GZ 6 R 38/11x-69, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 8. Juni 2011, GZ 10 Cg 67/09b-59, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Im Übergabsvertrag vom 22. 3. 2000 ist der Kläger als Übernehmer einer landwirtschaftlichen Liegenschaft ausgewiesen. Am 11. 4. 2005 verstarb der Übergeber ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung. Gesetzlicher Erbe war dessen Halbbruder. Eine Verbücherung des Übergabsvertrags zu Lebzeiten des Übergebers war unterblieben. Der gesetzliche Erbe wies die Liegenschaft in seiner Vermögenserklärung als Bestandteil des Nachlasses aus. Der Kläger wurde dem Verlassenschaftsverfahren bis zu seinem Antrag auf Zustellung des Einantwortungsbeschlusses vom 9. 11. 2005 nicht beigezogen. Dem dagegen im Anlassverfahren erhobenen Rekurs des Klägers gab das Rekursgericht Folge und ordnete die Prüfung an, ob eine tatsächliche Übergabe der Liegenschaft an den Kläger erfolgt sei.

Über Berufung des Klägers gegen die negative Entscheidung der Grundverkehrsbezirkskommission vom 30. 6. 2005 erteilte die Grundverkehrslandeskommission mit Bescheid vom 15. 12. 2005 dem Übergabsvertrag die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Bereits davor hatte der gesetzliche Erbe nach Einantwortung des Nachlasses die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 22. 11. 2005 veräußert. Die erforderliche Genehmigung war von der Grundverkehrsbezirkskommission mit Bescheid vom 12. 12. 2005 erteilt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der Amtshaftungsklage gegenüber den beklagten Rechtsträgern durch das Erstgericht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erheblichen Rechtsfragen gemäß § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine unrichtige, jedoch vertretbare Rechtsauffassung selbst dann keinen Amtshaftungsanspruch zu begründen vermag, wenn sie von der höheren Instanz nicht gebilligt wird (RIS-Justiz RS0049955 [T9]; Schragel, AHG³ Rz 159 mwN). Eine bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände vertretbare Rechtsanwendung mag zwar rechtswidrig sein, stellt aber kein Verschulden im Sinne des § 1 Abs 1 AHG dar (RIS-Justiz RS0050216 [T1]). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0110837).

2.1 Der Kläger behauptet eine unvertretbare Rechtsansicht der Grundverkehrsbezirkskommission, weil er ein geeigneter Bewerber nach § 8 stmk Grundverkehrsgesetz gewesen sei. Dabei lässt er das vom Berufungsgericht hervorgehobene Tatsachensubstrat unberücksichtigt, wonach er im Verfahren vor der Grundverkehrsbezirkskommission nie dargelegt habe, er wolle selbst als Landwirt bzw Nebenerwerbslandwirt auf der Liegenschaft tätig werden. Die Entscheidung der Grundverkehrslandeskommission beruhte auf von ihm in seiner Berufung vorgebrachten neuen Tatsachen und Beweisen, ohne dass er einen Verfahrensfehler der Behörde erster Instanz behauptet hätte. Bei dieser Sachlage ist die Annahme der Vertretbarkeit der Entscheidung der Grundverkehrsbezirkskommission durch die Vorinstanzen keineswegs im Sinn einer krassen Fehlbeurteilung korrekturbedürftig (1 Ob 101/04s; 1 Ob 113/06h; vgl 1 Ob 86/10v ua).

2.2 Eine Schädigung durch die Dauer des dem abweisenden Bescheid der Grundverkehrsbezirkskommission zugrunde liegenden Verfahrens im Vergleich zum Verfahren über die Genehmigung des vom Erben abgeschlossenen Vertrags hat der Kläger in erster Instanz nicht geltend gemacht. Ein Eingehen auf eine solche Neuerung ist dem Obersten Gerichtshof verwehrt (RIS-Justiz RS0037612 [T3]).

3.1 Wird - wie hier durch die Zweitbeklagte - der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens erhoben, ist zu prüfen, ob derselbe Nachteil auch durch ein rechtmäßiges Verhalten hätte eintreten können (Schragel aaO Rz 155). Erfolgreich ist eine solche Einrede, wenn das alternative Verhalten nicht bloß nur vertretbar, also nicht schuldhaft, sondern auch richtig und demnach rechtmäßig ist (RIS-Justiz RS0022889).

3.2 Ob eine Sache in das Inventar (bzw in die Vermögenserklärung nach § 170 AußStrG) aufzunehmen ist, bestimmt sich gemäß § 166 Abs 2 AußStrG ebenso wie nach § 97 Abs 1 AußStrG 1854 nach dem Besitz und nicht nach dem Eigentum des Erblassers im Zeitpunkt des Todes (RIS-Justiz RS0007860 [T4]; 1 Ob 2/99x mwN; vgl auch 7 Ob 17/07m und 3 Ob 124/10x). Eine Liegenschaft, die der Erblasser nach der Verfassung einer verbücherungsfähigen Vertragsurkunde dem Dritten tatsächlich übergeben hat, gehört nicht zum Nachlass (RIS-Justiz RS0007860 [T2]).

3.3 Der (bäuerliche) Übergabsvertrag kann entgeltliche und unentgeltliche Elemente enthalten (RIS-Justiz RS0012971). Der Kläger qualifiziert den von ihm geschlossenen Vertrag selbst als gemischte Schenkung. Bei überwiegender Unentgeltlichkeit ist bei einem solchen Vertrag nach einhelliger Auffassung die Formvorschrift des § 943 ABGB iVm § 1 Abs 1 lit d NotAktG zu beachten (Bollenberger in KBB³ § 943 Rz 2 Schubert in Rummel, ABGB³ § 943 Rz 6 je mwN). Im Revisionsverfahren, ist dazu nur noch strittig, ob eine wirkliche Übergabe der Liegenschaft an den Kläger erfolgte. Zur wirklichen Übergabe einer Liegenschaft gemäß § 943 ABGB ist die bücherliche Einverleibung nicht erforderlich; es genügt die Verschaffung des faktischen Besitzes (Bollenberger aaO Rz 6; Schubert in Rummel aaO Rz 2; Binder in Schwimann³ § 943 Rz 19; ähnlich RIS-Justiz RS0011228). Dazu bedarf es regelmäßig eines nach außen bemerkbaren Aktes, aus dem der Wille des Geschenkgebers klar hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (RIS-Justiz RS0011383; vgl auch 9 Ob 149/04a = SZ 2005/12 = NZ 2006/82).

3.4 Wie die Übergabe zu erfolgen hat, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl RIS-Justiz RS0018975; zuletzt 4 Ob 151/11a). Sie kann auch in der Übergabe aller Verwaltungsunterlagen (die die Bewirtschaftung einer Liegenschaft ermöglicht) liegen (4 Ob 560-572/89 = NZ 1991, 11; vgl auch 1 Ob 2/99x). Der Kläger beruft sich auf Punkt III des Übergabsvertrags, wonach die Liegenschaft durch Aushändigung von Urkunden und Dokumenten übergeben worden sein soll, tritt jedoch der Ansicht des Berufungsgerichts, diese Vertragsklausel sei zwar formal Bestandteil des schriftlichen Vertrags, in Wahrheit habe aber ein solcher Vorgang nicht stattgefunden, nicht entgegen. Damit ist für den Kläger auch aus der Berufung auf die in einer Grundbuchssache ergangene Entscheidung 5 Ob 21/94 nichts gewonnen, die eine solche Beurkundung als kürzelhafte Wiedergabe eines faktischen Vorgangs für die Einverleibung des Eigentums genügen lässt.

3.5 Die Frage, ob die Notwendigkeit eines Übereilungsschutzes des Schenkers ausgeschlossen werden kann, wie der Kläger meint, und daher allenfalls Besitzauftragung genügt (so 2 Ob 274/01k = JBl 2002, 451 [E. Wagner]), kann hier offen bleiben, weil sich der Kläger in erster Instanz auf einen solchen Besitzerwerb (nach § 428 ABGB) nicht berufen hat. Dass ein Besitzkonstitut vorgelegen wäre, ist auch aus den Feststellungen der Tatsacheninstanzen nicht abzuleiten.

3.6 Selbst wenn, wie der Kläger zumindest andeutet, die Unentgeltlichkeit des Vertrags nicht überwiegen sollte, wäre für ihn nichts gewonnen. Es würde sich nichts daran ändern, dass er bis zum Tod des Übergebers keinen Besitz an der Liegenschaft erlangt hätte. Ein in diesem Fall ausreichendes Besitzkonstitut (§ 428 ABGB) hat er - wie erwähnt - nie geltend gemacht.

3.7 Dass die Vorinstanzen insgesamt davon ausgingen, dass die Liegenschaft im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch in dessen (Sach-)Besitz war, begründet damit keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Daher ist auch deren Auffassung nicht zu beanstanden, dass ein rechtmäßiges Alternativverhalten zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätte.

4. Soweit der Kläger Feststellungen der Vorinstanzen angreift, ist darauf zu verweisen, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist (RIS-Justiz RS0042903 [T5]). Auch kann eine vom Berufungsgericht bereits verneinte Mangelhaftigkeit (hier die geltend gemachte Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens) in dritter Instanz nicht mehr angefochten werden (RIS-Justiz RS0042963; RS0043086).

5. Das außerordentliche Rechtsmittel des Klägers ist daher zurückzuweisen, ohne dass es noch einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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