Spruch:
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Sind gesetzliche Bestimmungen nicht vollkommen eindeutig und enthalten sie Unklarheiten über die Tragweite des Wortlauts, kommt es bei der Beurteilung des Organverschuldens darauf an, ob bei pflichtgemäßer Überlegung die getroffene Entscheidung als vertretbar bezeichnet werden kann, wobei die in diesem Zusammenhang vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung zu berücksichtigen ist (RIS-Justiz RS0049951, EvBl 1977/16, SZ 52/56, SZ 56/93 uva). Für die Frage der Amtshaftung ist nicht wie in einem Rechtsmittelverfahren zu prüfen, ob die in Betracht kommende Entscheidung oder das zu beurteilende Organverhalten richtig war, sondern ob die Entscheidung bzw das Verhalten auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung beruhte; nur die Abweichung von einer klaren Gesetzeslage oder ständiger Rechtsprechung, die nicht erkennen lässt, dass sie auf einer sorgfältigen Überlegung beruht, begründet regelmäßig einen Verschuldensvorwurf (SZ 74/133, 1 Ob 98/00v ua). Eine bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände vertretbare Rechtsauffassung mag zwar unrichtig - und damit rechtswidrig - sein, ist das zur Begründung eines Amtshaftungsanspruchs erforderliche Verschuldenselement zu verneinen (ÖA 1992, 90, SZ 65/94, SZ 68/191 uva).
Nach § 353 Z 2 StPO kommt eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens in Betracht, wenn der Verurteilte neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung ... zu begründen. Mit der Wortfolge "geeignet erscheinen" verwendet das Gesetz einen unbestimmten, im Rahmen der Rechtsanwendung näher zu konkretisierenden Begriff, sodass es nicht zweifelhaft sein kann, dass diese Verfahrensvorschrift eine nicht vollkommen eindeutige gesetzliche Bestimmung im Sinne der dargelegten Judikatur ist. Amtshaftungsansprüche kämen daher nur in Betracht, wenn die mit dem Wiederaufnahmeantrag befassten Instanzen des Strafverfahrens dem Kläger in unvertretbarer Auslegung des § 353 Z 2 StPO die Wiederaufnahme verweigert hätten.
2. Zutreffend verweist der Revisionswerber darauf, dass nach herrschender Judikatur das über einen Wiederaufnahmsantrag entscheidende Gericht Anträge des Wiederaufnahmswerbers nicht ablehnen darf, wenn die Ablehnung solcher Anträge durch das erkennende Gericht den Nichtigkeitsgrund des § 281 Z 4 StPO zu begründen geeignet wäre (RIS-Justiz RS0099446). Bei Prüfung der Frage, ob einem neuen Beweismittel die Eignung zukommt, zu einer für den Wiederaufnahmswerber günstigeren Sachverhaltsbeurteilung zu gelangen, ist in der Regel nicht anders vorzugehen als bei der Relevanzprüfung von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung; dabei ist im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens eine Beurteilung des Beweiswertes eines (angebotenen) neuen Beweismittels unzulässig (RIS-Justiz RS0101243).
Andererseits hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die nach diesen Grundsätzen im jeweiligen Einzelfall anzustellende Eignungsprüfung auch die wesentlichen früher erhobenen Beweisergebnisse in die Beurteilung mit einzubeziehen habe, wobei es auf der Hand liege, dass dabei ein Mindestmaß an Beweiswürdigung bzw an Wertungen unvermeidbar ist (12 Os 43/01). Eine starre Regel für die Eignung neuer Tatsachen und Beweise zur Änderung der Beweislage lässt sich nicht aufstellen (EvBl 1955/235 = RZ 1955, 106). Wo mit einem verlässlichen Resultat schon nach Art der beantragten Beweise zufolge allgemeiner Lebenserfahrung nicht zu rechnen ist, sei vom Antragsteller auch die Anführung jener besonderen Umstände zu fordern, kraft derer im konkreten Fall (wider aller Erfahrung) das Gegenteil erwartet werden könne (12 Os 134/85). Von einer grundsätzlich unzulässigen Vorwegnahme der Beweiswürdigung kann nur dann nicht gesprochen werden, wenn das angebotene Beweismittel unabhängig von anderen Verfahrensergebnissen schon nach den Denkgesetzen oder nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung unter keinen Umständen geeignet wäre, die ihm zugedachte Beweiskraft zugunsten des Angeklagten zu entfalten (11 Os 22/92). Im Anlassverfahren wurde der Wiederaufnahmeantrag des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel hätten dann nicht die Eignung, die Statthaftigkeit der Wiederaufnahme zu begründen, wenn sie sich bei der Prüfung im Zusammenhang mit den früher erhobenen Beweisen als aussichtslos zeigten. Ein "Beweisthema" sei dan unerheblich, wenn es sich als ungeeignet erweise, die dem Gericht durch die Gesamtheit der bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern. Für eine (weitere) Beweisaufnahme müsse aufgrund einer gewissenhaften Würdigung der gegebenen Sachlage ernstlich ein Anlass vorliegen und von einer solchen Beweisaufnahme ein in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht derart ins Gewicht fallendes Ergebnis zu erwarten sein, dass die damit notwendig verbundenen Nachteile einer in unangemessener Breite zerfließenden Verhandlung überwogen würden. Die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens könne wegen der damit bewirkten Durchbrechung der materiellen Rechtskraft nur ausnahmsweise statthaft sein. "Geeignet" im Sinne des § 353 Z 2 StPO bedeute daher nicht bloß "denkbar", sondern fordere das Vorliegen einer konkreten Wahrscheinlichkeit der Auswirkung auf den Verfahrensausgang. Die Bewertung durch das Wiederaufnahmegericht könne, dürfe und müsse sich gelegentlich sogar bei Beurteilung der Eignung dem Beweiswürdigungsprozess eines Erkenntnisgerichts umso mehr nähern, je mehr die sorgfältige und gewissenhafte Prüfung der Beweismittel auf ihre Beweiskraft sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang vor dem Wiederaufnahmegericht und dem Tatgericht auf denselben erkenntnispsychologischen Vorgang hinauslaufe, ohne dass deshalb die Eignungsprüfung unzulässig würde. Werde ein Wiederaufnahmeantrag erst lange Zeit nach dem Tatgeschehen gestellt, müsse die mit dem Verlauf der Zeit sinkende Möglichkeit, den wahren Sachverhalt mit Sicherheit feststellen zu können, auch im Rahmen der Eignungsprüfung nach § 353 Z 2 StPO berücksichtigt werden. Angesichts der bereits gewonnenen Beweise käme dem schriftlichen Geständnis der (zwischenzeitig verstorbenen) Mutter des Klägers, den Mord selbst begangen zu haben, nicht die Eignung zu, ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Schuldspruchs zu erwecken. Auch die (nunmehrigen) Erinnerungen der Ehegattin des Klägers über dessen angebliche Rückkehr am Tattag seien bereits bei objektiver Betrachtung der Eignung, eine andere Lösung der Tatfrage herbeizuführen, mit solchen Unsicherheiten behaftet, dass sie die Urteilsgrundlage keineswegs erschüttern könnten; schon die Unsicherheiten über die genaue Tatzeit bzw den Tatort ließen eine allfällige Zeitdifferenz von einer halben Stunde mangels Erheblichkeit für die Lösung der Schuldfrage als nicht geeignet erscheinen, einen für den Kläger günstigeren Verfahrensausgang zu begründen.
Dafür, dass es nicht allein auf die bloß "abstrakte Eignung" des neuen Beweismittels, allenfalls eine abweichende Sachverhaltsfeststellung zu bewirken, ankommen kann, spricht schon der deutlich erkennbare Wille des Gesetzgebers, die Wiederaufnahme des Strafverfahrens nur ausnahmsweise eintreten zu lassen, insbesondere wenn das neue Beweismittel geeignet ist, die Urteilsgrundlagen zu erschüttern (RZ 1958, 56), also objektiv Anlass zu (ernsten) Zweifeln an der Richtigkeit der verurteilenden Entscheidung bietet. Andernfalls hätte es der Verurteilte ohne Weiteres in der Hand, die Wiederaufnahme des Strafverfahrens - und die bei schweren Delikten damit verbundene Durchführung eines aufwändigen Geschworenenverfahrens - zu bewirken. Auch seine (neue) Behauptung, er könne sich nun besser an die damaligen Geschehnisse erinnern und diese seien anders abgelaufen, als er im ursprünglichen Prozess angegeben habe, wäre nach der Rechtsauffassung des Revisionswerbers ausreichender Anlass für eine Bewilligung der Wiederaufnahme. Gleiches müsste etwa für die Aussage des Verurteilten, eine andere - allenfalls nicht auffindbare oder gar verstorbene - Person habe ihm erklärt, die Tat begangen zu haben, oder für den Brief einer für eine unmittelbare Verrechnung nicht zur Verfügung stehenden Person, in dem dem Verurteilten ein Alibi bestätigt wird, gelten. Dass in derartigen Fällen bereits das über den Wiederaufnahmeantrag erkennende Gericht im Wege einer von den Grundsätzen allgemeiner Lebenserfahrung getragenen Plausibilitätsprüfung zu einer Abweisung des Antrags gelangen kann, steht mit den gesetzlichen Bestimmungen über die Wiederaufnahme nicht in Widerspruch. Bis zu welcher Grenze diese Plausibilitätsprüfung zu gehen hat, ist typischerweise einzelfallabhängig und kann kaum generalisiert werden.
Hat das Berufungsgericht nun unter Hinweis auf die zu 12 Os 43/01 ausgesprochene Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs die Ansicht vertreten, die Auffassung der Gerichte des Anlassverfahrens, die nun hervorgekommenen neuen Beweise seien vor dem Hintergrund der bereits vorher im Strafverfahren hervorgekommenen Beweislage nicht geeignet, ernste Zweifel an der Richtigkeit der strafrechtlichen Verurteilung zu erwecken, weshalb eine Wiederaufnahme nicht in Betracht gekommen sei, erweise sich als zutreffend, so kann darin weder ein Abgehen von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Eignung neuer Beweismittel noch eine krasse Fehlbeurteilung des Einzelfalls gesehen werden, die aus Gründen der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Ist aber die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die von den Organen des Anlassverfahrens geäußerte Rechtsansicht sei vertretbar, im obigen Sinn nicht wegen unrichtiger Lösung einer erheblichen Rechtsfrage zu beanstanden, so kommt es auf die Richtigkeit der Entscheidungen über den Wiederaufnahmeantrag nicht an. Daran, dass eine unrichtige und unvertretbare Entscheidung über einen Wiederaufnahmeantrag zu Amtshaftungsansprüchen führen kann, kann kein Zweifel bestehen, sodass auch insoweit - entgegen der Auffassung des Klägers - eine erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt.
3. Der Vorwurf vorsätzlich rechtswidrigen Handelns der Entscheidungsorgane im Anlassverfahren, denen die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sehr wohl bekannt gewesen sei, die aber von ihr absichtlich abgewichen seien, weil sie unter Missachtung der Grundsätze des Wiederaufnahmsverfahrens und unter Vorwegnahme der dem Erkenntnisgericht vorbehaltenen Beweiswürdigung dem schriftlichen Geständnis keinen Glauben schenken und damit die Schuld des Klägers ein für allemal bestätigen wollten, geht schon deshalb ins Leere, weil die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht in erster Linie an der in der Entscheidungsbegründung offengelegten Argumentation zu messen ist. Erweist sich diese - auch unter Berücksichtigung der von der Judikatur entwickelten allgemeinen Grundsätze - als vertretbar, kann von einem "vorsätzlich rechtswidrigen Handeln" nicht gesprochen werden.
4. Der vom Revisionswerber behauptete Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wegen Verletzung des § 499 Abs 2 ZPO liegt, wie der erkennende Senat geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang keineswegs ausgesprochen, dass im Anlassverfahren eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung geübt worden wäre. Vielmehr hat es dem Erstgericht aufgetragen, bei der Frage der Eignung der neuen Beweismittel auch die "relevante Beweislage im Strafverfahren" zu berücksichtigen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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