OGH 11Os22/92-6 (11Os23/92-6, 11Os28/92-6)

OGH11Os22/92-6 (11Os23/92-6, 11Os28/92-6)24.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.März 1992 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Friedrich, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kohout als Schriftführer, in der Strafsache gegen Martin F***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und 4, zweiter Fall (§ 81 Z 1 und 2) StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 28.März 1990, AZ 9 a E Vr 508/89 (S 143), das Urteil dieses Gerichtes vom selben Tag, GZ 9 a E Vr 508/89-15, und das Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 17. Dezember 1990, AZ 21 Bs 484/90, nach Anhörung des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. Strizik, in öffentlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der (Beweisanträge abweisende) Beschluß des Einzelrichters des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 28.März 1990, AZ 9 a E Vr 508/89 (S 143), das Urteil dieses Gerichtes vom selben Tag, GZ 9 a E Vr 508/89-15, und das Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 17.Dezember 1990, AZ 21 Bs 484/90 (ON 31 im Akt 9 a E Vr 508/89 des Kreisgerichtes Krems an der Donau), verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 3 StPO, das letztgenannte Urteil - jeweils in Verbindung mit dem § 489 Abs. 1 StPO - auch in den Vorschriften der §§ 468 Abs. 1 Z 3, 281 Abs. 1 Z 4 StPO und des § 473 Abs. 2 StPO.

Gemäß dem § 292, letzter Satz, StPO werden 1./ das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 28.März 1990, GZ 9 a E Vr 508/89-15, welches im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, Martin F***** habe die Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen, nachdem er sich, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzte, obwohl er vorhergesehen hatte, daß ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeuges, somit eine Tätigkeit bevorstand, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet war, in der rechtlichen Unterstellung der Tat unter die Qualifikation nach dem zweiten Fall des § 88 Abs. 4 (§ 81 Z 1 und 2) StGB und im Strafausspruch sowie 2./ das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 17.Dezember 1990, AZ 21 Bs 484/90, - welches im übrigen gleichfalls unberührt bleibt -, soweit der Berufung des Angeklagten Martin F***** gegen die angeführten Aussprüche im Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 28.März 1990 nicht Folge gegeben wurde, aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 28.März 1990, GZ 9 a E Vr 508/89-15, wurde Martin F***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und 4, zweiter Fall (§ 81 Z 1 und 2), StGB schuldig erkannt. Ihm wurde zur Last gelegt, er habe am 15.Juli 1989 in Feuersbrunn auf der Bundesstraße 34 als Lenker eines Kombinationskraftwagens durch unvorsichtige Fahrweise, nämlich mangelhafte Beobachtung des Fahrbahnverlaufes, wodurch er auf die linke Fahrbahnhälfte geriet und dort mit dem entgegenkommenden, von Herwig B***** gelenkten PKW zusammenstieß, Herwig B***** fahrlässig unter besonders gefährlichen Verhältnissen am Körper schwer verletzt, und zwar einen Bruch des linken Oberschenkels und mehrere Rißquetschwunden und Prellungen, verbunden mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, zugefügt, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzte, obwohl er vorhergesehen hatte, daß ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeuges, somit eine Tätigkeit bevorstand, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet war.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war der Angeklagte am 14. Juli 1989 ab ca. 6.00 Uhr früh wach, hatte von ca. 6.30 Uhr bis Mittag als Maurer bei seinem Dienstgeber (unter Einhaltung der üblichen Frühstückspause) und dann nach Einnahme des Mittagsessens bis gegen 18.00 Uhr oder 18.30 Uhr gleichfalls als Maurer bei seinem Schwager K***** in Oberstockstall gearbeitet. Hierauf lenkte er den eigenen PKW mit Roman L***** als Fahrgast nach Hadersdorf. Dort hielt er sich bei L***** von 19.15 Uhr bis gegen 22.00 Uhr auf und ging sodann mit ihm gemeinsam in das Bahnhofsgasthaus, wo er bis 23.30 Uhr blieb. In der Folge suchte er - nach seinen Angaben wieder mit Roman L***** - die im selben Ort befindliche Diskothek bis etwa 0.15 Uhr des 15.Juli 1989 auf. Anschließend zog sich der Beschuldigte, der bis dahin die Arbeitskleider getragen hatte, in L***** Wohnung um, ließ in der Nähe seinen PKW stehen und wurde von Helmut L***** in dessen PKW nach Krems in ein Nachtlokal mitgenommen, wo er sich in Gesellschaft der Brüder L***** bis gegen 2.00 Uhr früh aufhielt. Nach der Rückkehr mit diesen Begleitern nach Hadersdorf trat er von dort aus mit seinem PKW etwa ab 2.30 Uhr früh die Heimfahrt in Richtung Kirchberg am Wagram an. In der Zeit zwischen dem Arbeitsschluß bei K***** - "jedenfalls ab 19.15 Uhr" (vgl. jedoch die oben getroffene Feststellung zur Dauer der Arbeit) - bis zur Heimfahrt aus Hadersdorf hatte er nach der Feststellung des Erstgerichtes alkoholische Getränke in einer solchen Menge und Konzentration zu sich genommen, daß er auf dieser Heimfahrt nicht nur wegen seiner Übermüdung (durch Wachbleiben ab etwa 6.00 Uhr früh des Vortages zwölfstündige schwere körperliche Arbeit und achtstündige die Aufmerksamkeit beanspruchende Freizeitaktivitäten), sondern zusätzlich auch durch Alkoholisierung fahruntüchtig war; dies in solchem Grade, daß er bei Annäherung an die Unfallstelle durch Zusammenwirken der totalen Übermüdung und des Blutalkohols in einen sogenannten Sekundenschlaf fiel. In diesem Zustand hielt der Beschuldigte seiner Fahrgewohnheit entsprechend das Lenkrad nur mit der linken Hand und geriet hiedurch nach links auf die Gegenfahrbahn, wodurch es zum im Spruch beschriebenen Verkehrsunfall mit den dort angeführten Verletzungsfolgen kam.

Das Erstgericht stellte ferner fest, daß der Beschuldigte Alkohol im Bewußtsein konsumiert hatte, seinen PKW auch auf der Heimfahrt wieder zu lenken, und jedenfalls ab Mitternacht durch körperliche Anzeichen (Brennen der Augen, deutlich verlangsamte Reaktion und allgemeines Müdigkeitsgefühl) erkannt hatte, daß er übermüdet war.

Die Feststellungen zur Alkoholisierung wurden vom Erstgericht (laut AS 179) vor allem auf die Zeugenaussagen des Gendarmeriebeamten Wolfgang K***** (AS 106 ff) und des Rettungsfahrers Thomas S***** (AS 138 ff) über die Wahrnehmung von Alkoholgeruch aus dem Mund des Beschuldigten nach dem Unfall gestützt; in diesem Zusammenhang berief sich das Erstgericht auch auf das Gutachten des technischen Sachverständigen Dr. Herbert F*****, demzufolge keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, daß der Alkoholgeruch von beim Unfall ausgetretener Scheibenwaschflüssigkeit herrühren könnte (AS 131 f). Überdies wurde in der Urteilsbegründung (AS 181) darauf hingewiesen, daß der Beschuldigte die Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholwertes verweigert hatte (AS 11), und daß der verkehrspsychologische Sachverständige als eine der möglichen Erklärungen für das fahrtechnische Fehlverhalten des Beschuldigten neben der Übermüdung eine "sehr starke Alkoholisierung" anführte (AS 137). Das Erstgericht erachtete daher die jeglichen Alkoholkonsum vor der Tat in Abrede stellende Verantwortung des Beschuldigten für widerlegt; die Aufnahme der weiteren - vom Angeklagten beantragten - Beweise sah es als überflüssig an.

Bei diesen Beweisen handelt es sich um die Einvernahme der Zeugen Walter K*****, Helmut und Roman L***** sowie Maria F*****, die von der Verteidigung in der Hauptverhandlung am 28.März 1990 zum Beweis dafür, daß der Beschuldigte in der Nacht und am Tag vor dem Unfall keinen Alkohol getrunken habe, beantragt, vom Erstrichter jedoch abgelehnt worden war (AS 142, 143). Die Abweisung der Beweisanträge war damit begründet worden, daß zur alkoholbedingten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit des Beschuldigten "objektivierbare Verhandlungsergebnisse" vorlägen und die zum Beweis der Alkoholabstinenz vor dem Unfall angebotenen Zeugenaussagen "keinerlei relevante Erweiterung der Beweisaufnahme" böten.

Die Unterlassung dieser Beweisaufnahmen wurde vom Beschuldigten im Rahmen der von ihm wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe erhobenen Berufung unter dem Gesichtspunkt des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO geltend gemacht (AS 220); überdies wurde in der Schuldberufung die Ergänzung des Beweisverfahrens durch Einvernahme der betreffenden Zeugen vor dem Rechtsmittelgericht beantragt (AS 222).

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 17.Dezember 1990, AZ 21 Bs 484/90, wurde dieser - in der mündlichen Berufungsverhandlung unter Wiederholung der schriftlichen Anträge vorgetragenen (AS 232) - Berufung (ebenso wie der Berufung des Privatbeteiligten Herwig B***** gegen die Verweisung auf den Zivilrechtsweg) nicht Folge gegeben. Das Berufungsgericht erblickte in der Abweisung der Beweisanträge keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Angeklagten, weil das Erstgericht die Alkoholisierung des Angeklagten "auf Grund seiner Atemluft und seiner Weigerung zur Blutabnahme", sohin auf Grund von Beweisergebnissen festgestellt habe, die durch allfällige Angaben der beantragten Zeugen, wonach der Angeklagte "(zumindest während ihrer Anwesenheit)" keinen Alkohol getrunken habe, nicht entkräftet werden könnten (AS 236); es hielt daher auch eine Wiederholung oder Ergänzung des Beweisverfahrens für nicht erforderlich (AS 237).

Rechtliche Beurteilung

Die Abstandnahme von der Durchführung der vom Angeklagten angebotenen Entlastungsbeweise steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß dem § 3 StPO haben alle im Strafverfahren tätigen Behörden die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen. Wenn unter Hintansetzung dieses Grundsatzes, dessen Beobachtung durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist, während der Hauptverhandlung über einen vom Beweisthema her für die Entscheidung über die Schuld oder für den anzuwendenden Strafsatz bedeutungsvollen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt oder ein Zwischenerkenntnis gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefällt wurde, verwirklicht dies - auch im Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes (§ 489 Abs. 1, letzter Satz, StPO iVm § 468 Abs. 1 Z 3 StPO) - den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 4 StPO. Soweit sich diese Vorschriften auf Entlastungsbeweise und hierauf abzielende Anträge des Angeklagten (Beschuldigten) beziehen, dienen sie der Durchsetzung seines Anspruches darauf, daß im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK seine Sache "in billiger Weise gehört" werde (fair trial), insbesondere aber des ihm durch Abs. 3 lit. d dieser Konventionsbestimmung gewährleisteten Rechtes, die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter den selben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken. Ein zum Vorteil eines Angeklagten gestellter Beweisantrag (über eine rechtserhebliche Tatsache) darf daher nicht allein deshalb abgewiesen werden, weil das Erstgericht auf Grund anderer Beweise schon zur Annahme eines gegenteiligen Sachverhaltes gelangte (EvBl. 1980/42; EvBl. 1981/177); hierin läge eine - grundsätzlich unzulässige (EGr 78 bis 87 zu § 281 Z 4 StPO in Mayerhofer-Rieder3) - Vorwegnahme der Beweiswürdigung, von der nur dann nicht gesprochen werden könnte, wenn das angebotene Beweismittel unabhängig von anderen Verfahrensergebnissen schon nach den Denkgesetzen oder nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung unter keinen Umständen geeignet wäre, die ihm zugedachte Beweiskraft zugunsten des Angeklagten zu entfalten (vgl. insbes. aaO ENr. 79, 80, 83).

Hievon kann jedoch bei den strittigen Beweisanträgen - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - nicht ausgegangen werden; hätte doch der damit bezweckte Nachweis einer vollkommenen Alkoholabstinenz des Beschuldigten in den letzten (rund) 14 Stunden vor dem Unfall nach der Aktenlage (vgl. hiezu die Verantwortung des Beschuldigten AS 93 unten bis AS 95 Mitte iVm den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen AS 176 über seine Tätigkeit und seine Begleitung am Tag und am Vortag des Unfalls) durch die angebotenen Beweismittel an sich sehr wohl erbracht werden können. Denn es wäre darnach möglich gewesen, daß sich die unter Beweis gestellten Wahrnehmungen der beantragten Zeugen - entgegen einer vom Berufungsgericht (AS 236 oben) andeutungsweise, aber ohne jede Begründung (in einem Klammerausdruck) vertretenen Auffassung - (nach Lage des Falles durchaus plausibel) auf den gesamten maßgebenden Zeitraum erstreckten. Die Ablehnung dieser Beweisaufnahme mit dem Hinweis auf "objektivierbare" Verhandlungsergebnisse - worunter das Erstgericht ersichtlich allein die (den Angeklagten belastenden) Aussagen der Zeugen K***** und S***** über den wahrgenommenen Alkoholgeruch sowie die Angaben über die Verweigerung der Blutabnahme verstand, zumal eine unfallsaktuelle Alkoholisierung im verkehrspsychologischen Gutachten nicht objektiviert werden konnte (AS 134, 142) - verletzte daher infolge Abwertung der Überzeugungskraft noch nicht durchgeführter Entlastungsbeweise, somit durch vorgreifende Beweiswürdigung zu Lasten des Angeklagten die Verteidigungsrechte.

Diese dem Erstgericht unterlaufene - vom Angeklagten mit Berufung geltendgemachte - Urteilsnichtigkeit nach den §§ 489 Abs. 1, letzter Satz, 468 Abs. 1 Z 3, 281 Abs. 1 Z 4 StPO hätte das Berufungsgericht, wenn es schon von der Möglichkeit der Urteilsaufhebung (§§ 470 Z 3 oder 475 Abs. 1 StPO) nicht Gebrauch zu machen gedachte (§ 476 StPO), jedenfalls zur - überdies auch auf Grund der Anträge in der Schuldberufung gebotenen - Ergänzung (durch die im Sinn des § 473 Abs. 2 StPO notwendige Einvernahme neuer, nämlich der vier bisher erfolglos beantragten Zeugen) und Wiederholung der Beweisaufnahme in der Berufungsverhandlung (siehe abermals § 476 StPO) veranlassen müssen. Die ohne ergänzende Beweisaufnahme ergangene Entscheidung, mit welcher der Berufung des Angeklagten jeglicher Erfolg versagt wurde, verstieß daher nach Lage des Falles - jeweils in Verbindung mit dem § 489 Abs. 1 StPO - gegen die Vorschriften der §§ 468 Abs. 1 Z 3, 281 Abs. 1 Z 4 StPO und des § 473 Abs. 2 StPO, vor allem aber, ebenso wie die Vorgangsweise des in erster Instanz entscheidenden Einzelrichters, gegen die in § 3 StPO begründete (zur Sicherung eines "fair trial" im Sinn des Art. 6 EMRK unerläßliche) Pflicht, auch die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände zu berücksichtigen.

Da eine materielle Benachteiligung des Angeklagten durch das gemäß § 281 Abs. 1 Z 4 StPO nichtige Urteil des Einzelrichters, aber auch durch das Urteil des Berufungssenates, welcher weder das Vorliegen dieses geltendgemachten Nichtigkeitsgrundes noch die Relevanz der in der Berufungsverhandlung selbst (neuerlich) gestellten "Beweisanträge" erkannte, nicht auszuschließen ist, sind konkrete Maßnahmen im Sinn des letzten Satzes des § 292 StPO erforderlich. Sie beschränken sich allerdings, der Beschwer des Angeklagten entsprechend, auf jene Aussprüche, welche die Qualifikation der Tat nach dem zweiten Fall des § 88 Abs. 4 StGB (und demgemäß auch die Strafe) betreffen. Eine Aufhebung nur insoweit, als sich diese Qualifikation auf die Verwirklichung des in § 81 Z 2 StGB bezeichneten Falles gründet, kommt dabei schon deshalb nicht in Betracht, weil im ersten Rechtsgang die - nunmehr neuerlich einer Überprüfung zu

unterziehende - alkoholisierungsbedingte Beeinträchtigung des Angeklagten auch zur Begründung der Qualifikation der Tatbegehung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Z 1 StGB) herangezogen wurde (siehe insbesondere AS 182 letzten Absatz). In diesem Zusammenhang wird im zweiten Rechtsgang zu berücksichtigen sein, daß der Unrechtsgehalt der Fahrlässigkeitstat einerseits bei einer gegenüber der Gefahrenerhöhung infolge Alkoholisierung signifikant untergeordneten zusätzlichen Beeinträchtigung infolge Ermüdung schon durch die Anwendung der Spezialnorm des § 81 Z 2 StGB (SSt. 53/23), andererseits bei Konsum einer bloß minimalen Alkoholmenge, die im Vergleich zu den übrigen gefahrenerhöhenden Umständen nicht ins Gewicht fällt, durch Unterstellung allein unter die Qualifikation der Z 1 dieser Gesetzesstelle hinreichend abgegolten sein könnte (Kienapfel BT I3 § 81 StGB RN 46 b).

Der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher stattzugeben und gemäß dem § 292 StPO wie im Spruch zu erkennen.

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