OGH 12Os134/85

OGH12Os134/8519.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.September 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Horak, Dr. Hörburger und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Anton A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach § 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 18. Dezember 1984, GZ 16 Vr 288/83-136, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anton A (zu A) des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach § 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z. 1 StGB, (zu B) des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach § 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z. 1 StGB und (zu C) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB schuldig gesprochen. Dem Urteilsspruch zufolge hat er

A) die unten angeführten Personen durch gefährliche Drohungen,

und zwar mit dem Tod und mit Entführung, zu Handlungen zu nötigen versucht, die sie und andere am Vermögen schädigen sollten, wobei er mit dem Vorsatz gehandelt hat, durch das Verhalten der Genötigten sich unrechtmäßig zu bereichern, nämlich

1) am 28.September 1982 in Aichern, Gemeinde Edt bei Lambach, Brigitte B durch die Drohung, den Kindern werde etwas passieren, wenn sie nicht Geld hinterlege;

2) am 10.November 1982 in Marchtrenk Margit C durch die Drohung, er werde ihre zwei Kinder umbringen, wenn sie nicht 1.500 S bezahle;

3) in der Zeit vom 29.Jänner 1983 und 7.Februar 1983 in Zell am Moos Alois und Rosalinde D durch die Drohung, er werde Frau und Kinder umbringen, wenn Alois D nicht 100.000 S bezahle;

4) am 3.Februar 1983 in Ulrichsberg Elisabeth E durch die Drohung, er werde ihr das Kind wegnehmen, wenn sie nicht die bestehenden Schulden ihres verstorbenen Mannes bezahle;

B) die unten angeführten Personen durch gefährliche Drohungen,

und zwar mit dem Tod, mit Brandstiftung und mit Entführung, zu Handlungen zu nötigen versucht, nämlich

1) in der Zeit vom 15.September 1982 bis 17.September 1982 in Lambach Elfriede F durch die Drohung, ihrem Sohn werde es so ergehen wie G (der am 12.September 1982 von bisher unbekannten Tätern in Edt bei Lambach ermordet worden ist), wenn sie nicht ihren Finger in ihren Geschlechtsteil stecke und dabei stöhne;

2) am 18.Oktober 1982 in Marchtrenk Margit C mit der Drohung, ihre Kinder zu entführen, wenn sie sich vor dem Telefon nicht selbst befriedige und stöhne;

3) am 18.Oktober 1982 und 25.Oktober 1982 in Marchtrenk Gertrude

H mit der Drohung, ihr Kind würde weg sein, sie würde es zum letzten Mal schreien hören, wenn sie sich nicht beim Telefon selbst befriedige;

4) am 18.Oktober 1982 in Marchtrenk Brigitte I durch die Drohung, er würde ihr Kind holen, wenn sie sich nicht vor dem Telefon niederhocke und selbst befriedige;

5) am 19.Oktober 1982 bis Ende November 1982 in Marchtrenk Helga

J durch die Drohung, er werde ihr Kind entführen, ihren Sohn und sie umbringen, wenn sie nicht Aktfotos mache und sich selbst befriedige;

6) am 2.November 1982 und 6.November 1982 in Marchtrenk Sophia

K durch die Drohung, ihr Kind werde getötet, wenn sie sich nicht niederknie, ihm ihren Geschlechtsteil beschreibe, sich selbst befriedige und stöhne;

7) anfangs November bis Ende November 1982 in Schachenreith, Gemeinde Weibern, Elfriede L durch die Drohung, der Hof werde brennen, wenn sie sich nicht von ihm 'fingerln' ließe;

8) am 6.November 1982 ebendort Monika L durch

die Drohung, sie werde getötet, wenn sie nicht ihren Finger in den Geschlechtsteil stecke und reibe;

9) am 8.November 1982 in Riedau Ingrid M durch die Drohung, ihr Kind werde umgebracht, wenn sie sich nicht zwischen die Beine greife und ins Telefon stöhne;

10) am 13.November 1982 in Wallern a.d. Trattnach Barbara

N durch die Drohung, sie werde Weihnachten nicht mehr erleben, wenn sie seinen Anweisungen nicht folge, insbesondere einen Spiegel zwischen die Beine nehme und sich selbst befriedige;

11) am 27.Jänner 1983 in Frankenburg Helga O durch die Drohung, das Kind werde ermordet, wenn sie nicht einen Spiegel nehme, ihren Geschlechtsteil beschreibe und sich selbst befriedige;

12) am 7.Februar 1983 in Ulrichsberg Christine P durch die Drohung, ihr Kind werde entführt, wenn sie sich nicht einen Spiegel hole;

13) in der Zeit vom 1.März 1983 bis 22.März 1983 in Wallern a.d. Trattnach Elfriede Q durch die Drohung, er werde sie und ihre Tochter umbringen, wenn sie nicht einen Spiegel hole und sich selbst befriedige;

14) am 19.März 1983 in Grammastetten Sylvia R durch die Drohung, er sei der Hackenattentäter von Wien, und sie solle ihm ihre Brüste und ihren Geschlechtsteil beschreiben und die Finger zwischen die Beine stecken;

15) am 19.März 1983 in Grammastetten Brigitte R durch die Drohung, er werde von ihrer Tochter ablassen, wenn sie einen Finger zwischen die Beine steckt;

C) die unten angeführten Personen mit dem Tod gefährlich

bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:

1) am 22.September 1982 in Bad Schallerbach Anita

S durch die Drohung, sie solle tun, was er ihr sage, sonst ginge es ihr wie dem Buben in Lambach (Andreas G);

2) am 22.September 1982 in Bad Schallerbach Sylvia

S durch die Drohung, sie solle machen, was er sage, sonst ginge es ihr wie dem Buben in Lambach (Andreas G);

3) Ende Oktober 1982 bis 7.Februar 1983 in Marchtrenk Brigitte

T durch die Drohung, er werde ihre Tochter umbringen;

4) am 13.November 1982 in Lambach Silvia U durch die Drohung, er sei der Mörder des Andreas G, und ihre Kinder seien die nächsten;

5) am 13.November 1982 in Lambach Renate U durch die Drohung, sie werde Weihnachten nicht mehr erleben;

6) am 29.November 1982 in Dorf an der Pram Sieglinde V, geborene W, durch die Drohung, sie werde Neujahr nicht überleben;

7) am 30.Dezember 1982 in Marchtrenk Inge X durch die Drohung, er werde sie umbringen;

8) am 27.Jänner 1983 in Frankenburg Martina Y durch die Drohung, sie müsse tun, was er verlange, sonst werde sie getötet;

9) am 27.Jänner 1983 in Vöcklabruck Veronika Z durch die Drohung, sie komme dran, sie werde umgebracht;

10) am 27.Jänner 1983 in Vöcklabruck Mag. Inge AA durch die Drohung, es werde ihrem Kind genauso ergehen wie dem Buben in Stadl-Paura (gemeint Andreas G).

Dieser Schuldspruch wird vom Angeklagten mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Strafausspruch mit Berufung angefochten.

Mit dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags auf Einvernahme der Zeugen Hermann AB und Erwin AC, durch die bewiesen werden sollte,

daß der Angeklagte zu dem in der Anklage angegebenen Zeitpunkt gearbeitet hat und deswegen nicht telefonieren konnte, und er immer mit diesen Herren beisammen war (Band IV S. 119).

Das Schöffengericht hat diesen Antrag mit der im Urteil nachgeholten Begründung abgewiesen, daß es sich um keine direkten Zeugen der Entlastung oder der Belastung handle und die Durchführung kurzfristiger Telefongespräche auch vom Arbeitsplatz aus möglich gewesen sei, zumal im Bereich des Arbeitsplatzes Telefonanschlüsse zur Verfügung standen; die beantragten Zeugen hätten sicherlich nur bestätigen können, daß sie am Vorfallstag mit dem Angeklagten an der Arbeitsstelle waren, kurze Zeiträume der Abwesenheit wäre ihnen nach so langer Zeit nicht mehr erinnerlich gewesen (Band IV S. 182 und 202 f.).

Rechtliche Beurteilung

Im Ergebnis ist die Verfahrensrüge nicht berechtigt. Zwar ist es, wie die Beschwerde an sich richtig ausführt, unzulässig, eine vorgreifende Beweiswürdigung vorzunehmen und derart einem angebotenen Beweismittel von vornherein den Beweiswert abzusprechen. Das Gericht hat aber zu prüfen, ob durch die Aufnahme des Beweises das damit vom Antragsteller angestrebte Ergebnis überhaupt erzielt werden kann und inwieweit letzteres geeignet ist, die dem Gericht durch die Gesamtheit der ihm bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern. Wo mit einem verläßlichen Resultat schon nach der Art der beantragten Beweise zufolge allgemeiner Lebenserfahrung nicht zu rechnen ist, muß vom Antragsteller, damit sein Begehren relevant ist, auch die Anführung jener besonderen Umstände gefordert werden, kraft derer im konkreten Fall (wider alle Erfahrung) das Gegenteil erwartet werden kann (Mayerhofer-Rieder 2 § 281 Z. 4 StPO ENr. 83). Erfahrungsgemäß ist eine verläßliche Rückerinnerung an Jahre zurückliegendes, alltägliches, arbeitsbedingtes Zusammensein mit anderen Personen nach Tag und Stunde in der Regel ausgeschlossen, sofern eine solche Erinnerung nicht mit besonderen markanten Ereignissen verknüpft war. Der Angeklagte hätte daher in seinem Beweisantrag anführen müssen, aus welchen besonderen Gründen im vorliegenden Fall eine Erinnerung seiner Arbeitskollegen darüber zu erwarten ist, daß sie an einem bestimmten Tag oder an bestimmten Tagen ständig am Arbeitsplatz mit ihm zusammen waren und ausschließen könnten, daß er sich auch nur für kurze Zeit zur Führung von Telefongesprächen entfernt hat. Derartige Umstände hat aber der Angeklagte bei Stellung des Beweisantrags in keiner Weise dargetan, sodaß durch die Abweisung dieses - schon nach der Formulierung sehr unbestimmten - Antrags Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt wurden.

Mit seiner auf § 281 Abs 1 Z. 5 StPO gestützten Beschwerde rügt der Beschwerdeführer das Urteil als widersprüchlich begründet, weil es einerseits feststellt, daß die Zeugen nicht mehr mit hundertprozentiger Sicherheit die Stimmen identifizieren konnte, andererseits aber davon ausgeht, daß im wesentlichen die Stimme des Angeklagten auch von diesen Zeugen identifiziert und zum Teil auch in der Hauptverhandlung wieder erkannt wurde (Band IV S. 201). Weder eine siebzigprozentige noch eine neunzigprozentige Wahrscheinlichkeit der Täterschaft des Angeklagten, wie sie der Sachverständige Dr. AD annehme, reiche aus, um mit notwendiger Sicherheit einen Schuldspruch zu fällen. Wenn aber die Ergebnisse zweier Beweisarten für sich allein nicht ausreichen, um mit der im Strafverfahren notwendigen Sicherheit einen Schuldspruch zu fällen, können sie zusammengenommen auch nicht ausreichen, weshalb die Annahme der Täterschaft des Angeklagten unzureichend begründet sei. Das Schöffengericht hat die Feststellung, daß der Angeklagte in den im Spruch angeführten Fällen der Anrufer war, aufgrund der Aussage zahlreicher Zeugen, die die Stimme des Angeklagten noch bei ihrer Vernehmung vor der Polizei identifizieren konnten und diese zum Teil auch in der Hauptverhandlung wiedererkannt haben, im Zusammenhalt mit den Gutachten der Sachverständigen Doz.Dr. Günter AD (der mit einer siebzig- bis achtzigprozentigen Wahrscheinlichkeit die Sprachproben des Angeklagten identifizierte) und Dr. Werner A. AE (der mit achtzig- bis neunzigprozentiger Sicherheit zur überzeugung kam, daß der Angeklagte der Sprecher war) getroffen. Es hat auch darauf verwiesen, daß sich der Angeklagte im Laufe der Voruntersuchung geweigert hat, ein direktes Gespräch mit den Sachverständigen zu führen. Damit haben aber die Tatrichter ihre Beweiswürdigung zureichend und in einer mit den Denkgesetzen nicht im Widerspruch stehenden Weise begründet (Bd. IV S. 200 ff.). Was der Angeklagte dagegen vorbringt, läuft insgesamt lediglich auf eine unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes hinaus, ohne Begründungsmängel dartun zu können.

Die auf § 281 Abs 1 Z. 5 StPO gestützte Beschwerde ist somit nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils nach § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt und teils nach § 285 Abs 1 Z. 2 StPO als offenkundig unbegründet sofort in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.

über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

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