OGH 5Ob21/94

OGH5Ob21/941.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Maria S*****, vertreten durch Dr.Reinhard Schuster, Rechtsanwalt in Hainburg an der Donau, wegen Vormerkung des Eigentumsrechtes in EZ ***** Grundbuch *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Angelika R*****, vertreten durch Dr.Rudolf Tobler und andere Rechtsanwälte in Neusiedl am See, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 28.September 1993, AZ 46 R 2037/93, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hainburg an der Donau vom 12.November 1990, TZ 1880/90, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrte aufgrund eines Schenkungsvertrages die Vormerkung ihres Eigentumsrechtes ob den im grundbücherlichen Eigentum der Leopoldine K*****stehenden Hälfteanteile an der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****. Der Schenkungsvertrag vom 18. September 1990 ist kein Notariatsakt, sondern wurde von einem Rechtsanwalt verfaßt. Punkt III. des Vertrages lautet: "Die Übergabe und Übernahme des gegenständlichen Hälfteanteiles in den Besitz der Geschenknehmerin ist bereits erfolgt. Die Geschenknehmerin hat den Hälfteanteil betreten und auch in Nutzung genommen, sodaß sämtliche Besitzesvorteile aber auch die Besitzesnachteile bereits auf die Geschenknehmerin übergegangen sind." In Punkt X. des Vertrages bedingt sich die Geschenkgeberin das lebenslängliche unentgeltliche Wohnrecht an bestimmten Räumlichkeiten aus; mit der Verbücherung des Wohnrechtes erklärt sich auch der zweite Hälfteeigentümer Alfred S***** einverstanden. Punkt XI. enthält die Aufsandungserklärungen der Vertragsteile.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Vormerkung. Sein Beschluß konnte Leopoldine K***** am 20.November 1990 laut Bericht des Zustellers nicht zugestellt werden, da sie nicht schreibfähig war. Am 1. Juni 1993 beantragte Angelika R*****, die Erbin nach Leopoldine K*****, die Zustellung des Beschlusses und erhob sodann hiegegen Rekurs. Sie brachte vor, daß der Schenkungsvertrag vom 18.September 1990 ungültig sei, weil es sich hiebei nicht um einen Notariatsakt handle und der Übergabsakt nicht klar umrissen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als S 50.000 (dies entspricht dem aktenkundigen Einheitswert des Hälfteanteils) und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs im Hinblick auf die klare Sach- und Rechtslage nicht zu. Es gelangte nach Hinweis auf die im Judikat 142 alt und SZ 23/383 dargestellte Rechtslage zum Ergebnis, im Hinblick auf den Umstand, daß die Geschenknehmerin bei Verfassung des Schenkungsvertrages vom 18.September 1990 auf der gegenständlichen Liegenschaft bereits wohnhaft gewesen sei, komme der Schenkungsvertrag dem Erfordernis des § 943 ABGB hinsichtlich der Übergabe in ausreichender Weise nach.

Gegen diesen Beschluß richtet der außerordentliche Revisionsrekurs der Angelika R***** mit dem Antrag, die Entscheidung der Vorinstanz dahin abzuändern, daß der Vormerkungsantrag der Geschenknehmerin abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist im Sinne des § 126 Abs 2 GBG iVm § 14 Abs 1 AußStrG zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob und inwieweit es zum Nachweis der "wirklichen Übergabe" bei zu verbüchernden Schenkungsverträgen der Anführung konkreter Übergabsakte bedarf, fehlt; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 26 Abs 1 GBG können Einverleibungen und Vormerkungen nur aufgrund von Urkunden bewilligt werden, die in der zu ihrer Gültigkeit vorgeschriebenen Form ausgefertigt sind.

Gemäß § 943 ABGB erwächst dem Geschenknehmer aus einem mündlichen, ohne wirkliche Übergabe geschlossenen Schenkungsvertrag kein Klagerecht; dieses Recht muß durch eine schriftliche Urkunde begründet werden. Gemäß § 1 Abs 1 lit d NZwG bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsaktes. Eine "wirkliche Übergabe", also ein neben dem Schenkungsvertrag als Übergabe erkennbarer weiterer Akt, liegt dann vor, wenn er sinnfällig nach außen erkennbar und so beschaffen ist, daß aus ihm der Wille des Geschenkgebers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen. Der Ausdruck "wirkliche Übergabe" bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens. Bei Liegenschaften genügt zur wirklichen Übergabe die außerbücherliche Übergabe (SZ 50/101; NZ 1991, 11;

Schubert in Rummel2, Rz 1 und 2 zu § 943 ABGB mwN). Dies gilt auch bei ideellen Anteilen (JBl 1960, 492; RZ 1979/17; EvBl 1985/117;

Schubert aaO Rz 2).

Als für eine "wirkliche Übergabe" unzureichend wurde in der Rechtsprechung die Erklärung angesehen, daß die physische Übergabe bzw Übernahme des Schenkungsvermögens mit der Unterfertigung des Vertrages als erfolgt gelte, weil es sich dabei nicht um einen anderen, vom Vertrag verschiedenen, zu diesem hinzukommenden Akt handle, sondern die Erklärung mit dem Vertrag zusammenfalle (SZ 38/227; NZ 1973, 103; NZ 1984, 234). Hingegen wurde die Auffassung vertreten, daß der Schutz des Schenkers vor übereilten Schenkungen, wie ihn § 1 Abs 1 lit d NZwG vorsehe, auch dadurch erreicht werden könne, daß im Schenkungsvertrag die körperliche Übergabe der geschenkten Liegenschaft an den Beschenkten als bereits erfolgt bekundet und in die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechts eingewilligt werde; damit würden alle Voraussetzungen für eine Übergabe durch Grundbuchseintragung geschaffen (SZ 45/35; NZ 1991, 11).

Zur Frage, ob es im Grundbuchsverfahren beim urkundlichen Nachweis der bereits erfolgten Übergabe der Darstellung konkreter Übergabsakte bedarf, liegt eine reichhaltige, aber uneinheitliche Rechtsprechung von Rekursgerichten vor (vgl MGA GBG4 § 26/E 45, für ideelle Anteile E 58 ua). Im Hinblick auf den Charakter des Grundbuchsverfahrens als eines reinen Urkundsverfahrens erschöpft sich der "Nachweis" der Übergabe freilich - wie Hofmeister, NZ 1984, 117, aufgezeigt hat (vgl auch Schubert aaO Rz 2) - in mehr oder weniger ausführlichen Urkundenfloskeln (vgl etwa im vorliegenden Schenkungsvertrag die Wendung, die Geschenknehmerin habe "den Hälfteanteil betreten"). Die Anführung konkreter Übergabsakte trägt zum Schutz des Geschenkgebers vor Übereilung nichts wesentliches bei. Der erkennende Senat ist daher der Auffassung, daß darauf verzichtet werden kann und daß ein Hinweis in der Vertragsurkunde darauf genügt, daß die "wirkliche Übergabe" (als kürzelhafte Wiedergabe eines von den Parteien so verstandenen faktischen Vorgangs) bereits erfolgt ist. Auch insoweit besteht bei der Schenkung ideeller Liegenschaftsanteile kein Grund für eine abweichende Beurteilung (vgl auch Hofmeister, NZ 1989, 230).

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß bereits der erste Satz des Vertragspunktes III. zur Darlegung einer "wirklichen" (außerbücherlichen) Übergabe ausreicht, weshalb es keines Notariatsaktes bedurfte. Auf die Bedeutung des im Vertragstext folgenden Satzes muß demnach nicht mehr eingegangen werden.

Der vom Rekursgericht als ausschlaggebend angesehene Umstand, daß im Schenkungsvertrag als Anschrift der Geschenknehmerin die gegenständliche Liegenschaft aufscheint, reichte für sich allein nicht aus, um die Erlangung von (Mit)Gewahrsame durch die Geschenknehmerin annehmen zu können. Eine (allenfalls auf eine familienrechtliche Beziehung zum zweiten Hälfteeigentümer zurückzuführende) Wohnmöglichkeit im Hause war mit einer Sachherrschaft über die geschenkten Hälfteanteile nicht gleichzusetzen.

Der Rechtsmittelwerberin ist noch entgegenzuhalten, daß sich aus der Vertragsurkunde keineswegs ergibt, es bestünden im auf der Liegenschaft errichteten Haus (nur) zwei getrennte Wohneinheiten, von denen die eine die Geschenkgeberin, die andere die Geschenknehmerin gemeinsam mit ihrem Ehegatten Alfred S***** bewohnt habe. Abgesehen davon ist zwischen dem geschenkten Hälfteanteil an der ganzen Liegenschaft und den Räumlichkeiten, auf die sich das Wohnrecht bezog, zu unterscheiden, weshalb die Untergerichte nicht vom Vorliegen eines Besitzkonstituts - das für eine "wirkliche Übergabe" nicht ausgereicht hätte (Schubert aaO Rz 1 mwN) - ausgehen mußten.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

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