OGH 5Ob16/72f

OGH5Ob16/72f28.3.1972

SZ 45/35

Normen

ABGB §431
ABGB §943
ABGB §1432
Notariatszwangsgesetz §1 Abs1 litd
ABGB §431
ABGB §943
ABGB §1432
Notariatszwangsgesetz §1 Abs1 litd

 

Spruch:

"Wirkliche Übergabe" einer Liegenschaft iS des § 943 ABGB und des § 1 Abs 1 lit d NZwG durch Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beschenkten, gleichgültig, ob die Liegenschaft auch körperlich übergeben wurde oder nicht

Ist das eine Liegenschaft betreffende formlose Schenkungsversprechen durch bücherliche Einverleibung des Beschenkten erfüllt worden, dann kann nicht mehr auf Rückübertragung des Eigentumsrechtes wegen fehlender Notariatsaktsform geklagt werden

OGH 28. 3. 1972, 5 Ob 16/72 (OLG Wien 4 R 125/71; LGZ Wien 27 Cg 44/71)

Text

Die Klägerin hat die Liegenschaft EZ X als deren bücherliche Eigentümerin mit einem nicht in Form eines Notariatsaktes errichteten Schenkungs- und Übergabsvertrag vom 29. 4. 1965 je zur Hälfte dem Beklagten und ihrer Nichte Waltraud S übertragen. Dabei hat sie sich und einer Schwester Fruchtnießungs- und Benützungsrechte vorbehalten. Die vereinbarten Rechte, insbesondere auch das Miteigentumsrecht des Beklagten, wurde vereinbarungsgemäß verbüchert.

Mit der am 12. 2. 1971 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung dieses Vertrages hinsichtlich der obgenannten Liegenschaft, soweit er sich auf Vereinbarungen zwischen den Streitteilen beziehe, sowie die Einwilligung des Beklagten zur Einverleibung (Rückübertragung) ihres Eigentumsrechtes an der ihm bücherlich zugeschriebenen Hälfte der Liegenschaft. Dies deshalb, weil der Schenkungsvertrag nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form errichtet worden sei und eine wirkliche Übergabe an den Beklagten iS des § 843 ABGB nie erfolgt sei.

Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung, weil der Liegenschaftsanteil, wie auch im Vertrag festgehalten, tatsächlich übergeben worden sei. Es habe auch im Einvernehmen mit der Miteigentümerin Waltraud S die Nutzung und Betreuung des Grundstückes stattgefunden. Zudem handle es sich nicht um einen Schenkungsvertrag, weil die bedungenen Gegenleistungen den Wert der "Schenkung" erreichten.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen, weil die unbestrittenermaßen durchgeführte Verbücherung des Miteigentumsrechtes des Beklagten auf Grund des entgegen der Formvorschrift des § 1 NZwG abgeschlossenen Vertrages vom 29. 4. 1965 die wirkliche Übergabe iS des § 943 ABGB darstelle und sohin der Formmangel des Vertrages irrelevant sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte im wesentlichen aus, die gegenständliche Klage stelle sich nach ihrem Inhalt als Löschungsklage iS des § 61 GBG dar und werde in dieser Richtung (Unwirksamerklärung und Löschung der bekämpften grundbücherlichen Eintragung zugunsten des Beklagten) im fortgesetzen Verfahren zu modifizieren sein. Gemäß § 1 Abs 1 lit d NZwG sei zur Gültigkeit einer Schenkung "ohne wirkliche Übergabe die Errichtung eines Notariatsaktes erforderlich. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes werde dieser Mangel auch nicht durch die tatsächliche Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beschenkten im Grundbuch saniert, weil es hiefür an einem gültigen Erwerbstitel gemäß § 431 ABGB fehle. Nur die Verjährung der Löschungsklage gemäß § 61 GBG würde die Unanfechtbarkeit der Eintragung bewirken. Der Anfechtung wegen mangelnden Titels zufolge ungültigen Schenkungsvertrages stehe auch § 1432 ABGB nicht entgegen. Es könnten aber auch ideelle Liegenschaftsanteile mit Belastung durch ein Fruchtgenußrecht des Schenkers "wirklich", das heißt körperlich, übergeben werden. Sohin bedürfe es zur Gültigkeit einer Schenkung nicht unter allen Umständen eines Notariataktes iS des § 1 Abs 1 lit d NZwG. Es sei daher zu klären, ob die Klägerin dem Beklagten, wie in P V des Vertrages vom 29. 4. 1965 erklärt, auf eine gemäß § 312 ABGB zum Besitzerwerb erforderliche Art die Liegenschaftshälfte physisch übergeben habe. Die Nichtigkeit der grundbücherlichen Eintragung könne auch durch die Rechtskraft des Bewilligungsbeschlusses des Grundbuchsgerichtes nicht geheilt werden. Nach den bisher behaupteten und hervorgekommenen Umständen könnten Art und Umfang der bedungenen Gegenleistung der Liegenschaftsübereignung an den Beklagten noch nicht den Charakter einer Schenkung nehmen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht auf, über die Berufung der Klägerin unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrund neuerlich zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im Vordergrund der Erwägungen steht das Problem, ob es nach Erfüllung eines Schenkungsversprechens, dem es mangels Einhaltung der zwingenden Formvorschrift des § 1 Abs 1 lit d NZwG an der Gültigkeit fehlte, in Gestalt der vereinbarungsgemäßen Verbücherung des Miteigentumsanteiles des Beschenkten noch zu einer allein auf diesen Formmangel gestützten Rückforderung des Geschenkes kommen kann. Richtig ist nun, daß die Einverleibung im allgemeinen für sich allein den Eigentumsübergang noch nicht bewirkt. Voraussetzung hiefür ist unter anderem ein objektiv gültiger Titel. Der Mangel eines solchen bewirkt Nichtigkeit der Einverleibung, die von dem in seinem bürgerlichen Rechte Verletzten mit der Löschungsklage geltend gemacht werden kann (Klang[2] II 356). Wenn bei einer Schenkung ohne wirkliche Übergabe kein Notariatsakt aufgenommen wurde, so ist der Vertrag ungültig, weil § 1 NZwG diese Rechtsfolge ausdrücklich anordnet. Grundsätzlich kann auch die Berufung auf diesen Formmangel nicht gegen die guten Sitten verstoßen, weil das allgemeine Interesse an der Einhaltung des Formzwanges der Vertragstreue vorgeht (vgl Stanzl in Klang[2] IV/1, 616). Wie das Berufungsgericht an sich richtig erkannt hat, ist der Formmangel aber durch die spätere wirkliche Übergabe der Sache heilbar.

Was unter "wirklicher Übergabe" iS der Bestimmungen des § 943 ABGB, § 1 Abs 1 lit d NZwG bei Schenkungsverträgen zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. Lehre und Rechtsprechung gehen dahin, daß vom Formzwang solche Fälle ausgenommen sind, in denen zum Schenkungsvertrag noch ein anderer, von diesem verschiedener, als Übergabe erkennbarer Akt hinzukommt. Dieser Akt muß sinnfällig nach außen bemerkbar und so beschaffen sein, daß aus ihm der Wille des Geschenkgebers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Geschenkten zu übertragen (Stanzl in Klang[2] IV/1, 612; 1 Ob 299/71). Der Ausdruck "wirkliche Übergabe" bedeutet daher nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsvertrages. Demnach stellen sich als wirkliche Übergabe zunächst einmal alle Formen der körperlichen Übergabe sowie der Übergabe durch Zeichen udgl (mit Ausnahme der Besitzauftragung) dar. Die gleiche Wirkung tritt aber auch mit der Verbücherung ein (SZ 23/383), sodaß sowohl körperliche Übergabe als auch bücherliche Übertragung die Schenkung unanfechtbar machen (SZ 32/108). Bei Liegenschaften ist die in § 431 ABGB erwähnte Übertragung des Eigentumsrechtes durch Verbücherung die Übergabe iS des § 425 ABGB. Daraus folgt, daß jedenfalls die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beschenkten den Abschluß des Notariatsaktes entbehrlich macht, dies ohne Rücksicht darauf, ob zusätzlich eine körperliche Übergabe im oben dargelegten Sinne erfolgt ist (7 Ob 179/64; Stanzl aaO 616). Diese Auffassung wird der § 1 Abs 1 lit d NZwG inneliegenden Schutzabsicht des Gesetzgebers durchaus gerecht. Jemand, der in einem schriftlichen Vertrag unter Beisetzung seiner beglaubigten Unterschrift versichert, die körperliche Übergabe eines geschenkten Liegenschaftsanteiles in den physischen Besitz des Beschenkten sei schon erfolgt, und der überdies in die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beschenkten einwilligt und damit alle Voraussetzungen für eine Übergabe durch Grundbuchseintragung iS des § 431 ABGB schafft, womit das Schenkungsversprechen tatsächlich erfüllt wird, schließlich auch den ihm zugestellten Beschluß über die Bewilligung der grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beschenkten unangefochten läßt, kann nicht nach Jahren unter Hinweis auf den Formmangel bezüglich des bereits erfüllten Schenkungsversprechens die Rückgabe der geschenkten Sache begehren. Insofern ist wohl hier auch zwischen dem Mangel eines gültigen Titels iS der Ausführungen in Klang[2] II 356 - dort nämlich, wo es sich um das Fehlen einer vertraglichen Grundlage zwischen den Parteien überhaupt handelt - und dem bloßen Vorliegen eines zwar diese Parteienvereinbarung zunächst mit der Sanktion der Ungültigkeit bedrohenden Formmangels iS des § 1 Abs 1 lit d NZwG zu unterscheiden. Entscheidend erscheint, ob durch die Eintragung die materielle Rechtslage verletzt wurde, was allerdings hier nicht auf die durch den Formmangel bewirkte Ungültigkeit des Titelvertrages abzustellen ist, sondern auf die dem Parteiwillen entsprechende Vereinbarung. In diesem Sinne kann also im Falle der Erfüllung des formlosen Schenkungsversprechens in Gestalt der erwirkten bücherlichen Eigentumseinverleibung des Beschenkten nicht mehr mit Klage auf Rückübertragung des Eigentumsrechtes an der geschenkten Liegenschaft vorgegangen werden (vgl SZ 20/254).

Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, daß die grundbücherliche Möglichkeit einer Rückforderung bei irrtümlicher Annahme einer rechtlichen Verbindlichkeit zu einer Leistung iS des § 1432 ABGB bei Fehlen der Schutzwürdigkeit Ausnahmen findet. So kann der Leistende nicht zurückfordern, wenn die gezahlte Schuld nur aus Mängel der vorgeschriebenen Form eines Geschäftes ungültig gewesen ist. Gerade im Falle einer Schenkung ohne wirkliche Übergabe soll doch die gesetzliche Formvorschrift auch gegen Übereilung schützen. Dies kann aber nicht so weit gehen, daß ein Recht auf Rückgabe einer schon erbrachten Leistung damit zu begrunden wäre (vgl Wilburg in Klang[2] VI 460).

Der Rekurswerber hat einen Großteil seiner Ausführungen der Behauptung gewidmet, es liege im gegenständlichen Falle ein Schenkungsvertrag, der der Einhaltung der in § 1 Abs 1 lit d NZwG vorgeschriebenen Form bedurft hätte, gar nicht vor. Richtig ist dazu, daß nur dann, wenn sich die Parteien einig sind, eine Sache werde ohne Gegenleistung und nicht in Erfüllung einer Verpflichtung überlassen, Schenkungsabsicht und damit Schenkung gegeben ist, wogegen ohne Schenkungswillen eine Schenkung nicht in Betracht kommen kann (JBl 1971, 197; Stanzl in Klang; IV/1, 589). Dafür, daß eine Schenkungsabsicht im vorliegenden Fall gefehlt hätte, weil die Leistung aus einer rechtlichen, moralischen oder sittlichen Verpflichtung oder einer Anstandspflicht zugesagt worden wäre, fehlen alle Behauptungen. Die beklagte Partei hat dazu vorgebracht, es liege, wenn überhaupt, höchstens ein gemischter Schenkungsvertrag vor, weil die bedungene Gegenleistung - teils bereits tatsächlich erbracht, teils hinsichtlich zu kapitalisierender künftiger Leistungen - den Wert der Schenkung erreiche. Eine Klärung des diesbezüglichen Sachverhaltes ist aber nicht erfolgt. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hingewiesen, daß die bedungenen Gegenleistungen im Vergleich zu üblichen Übergabsverträgen mit Leistung des Unterhaltes wesentlich geringer gehalten wären. Sie erschöpfen sich nach dem Schenkungs- und Übergabsvertrag darin, die Übergeberin und ihre Schwester im Krankheitsfalle anständig zu versorgen, für eine gute ärztliche Betreuung aufzukommen und im Bedarfsfalle ihre Unterbringung in einem Krankenhause zu veranlassen. Dabei sollen entstehende Kosten die Übernehmer aber nur so weit belasten, als sie nicht durch die Pension der Übergeberin und ihrer Schwester gedeckt sind. Dies spricht auch bei Berücksichtigung der Wertverminderung der übertragenen Liegenschaft durch die vorbehaltenen Wohnungs- und Nutzungsrechte eher für eine unentgeltliche Übereignung und damit eine Schenkung. Im Hinblick auf die dargelegte Rechtsauffassung kann die weitere Überprüfung auch dieser Frage aber dahingestellt bleiben, weil auch in diesem Falle dem Klagebegehren keine Berechtigung zukommen kann.

Aus all diesen Erwägungen ist die Rechtssache in Stattgebung des Rekurses an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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