OGH 3Ob8/12s

OGH3Ob8/12s22.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei S*****Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die verpflichtete Partei H ***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (32.000 EUR sA), über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 6. Oktober 2011, GZ 22 R 204/11y-38, womit infolge Rekurses der betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 20. Juli 2011, GZ 5 E 1737/11w-17, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Partei wird gemäß § 78 EO in Verbindung mit § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende (nun: betreibende) Partei und die beklagte (nun: verpflichtete) Partei schlossen am 8. November 2011 vor dem Landesgericht Wels einen Vergleich mit folgendem Punkt 1.:

„Die beklagte Partei ist schuldig, ab sofort im geschäftlichen Verkehr die Behauptung zu unterlassen, sie sei 'eines der führenden österreichischen Großhandelsunternehmen für Herrenmode', wenn dies objektiv unrichtig ist, und/oder inhaltsgleiche Angaben zu machen, insbesondere im Internet, insbesondere auf der Website www.h *****.at.“

Mit ihrem am 16. Juni 2011 eingebrachten Antrag begehrte die betreibende Partei die Bewilligung der Unterlassungsexekution gemäß § 355 EO. Suche man im Internet mit der Suchmaschine Google nach dem Suchbegriff „h*****“ finde man an fünfter Stelle der ersten Seite des Suchergebnisses einen Link zur Website der I*****, einem Online Marketing-Unternehmen. Auf dieser Seite werde unter anderem (kostenpflichtig) professionelle Pressearbeit im Internet angeboten. Bei Verfolgung des Links erscheine ein online Pressetext mit folgendem Inhalt: „H*****, ein führendes, österreichisches Großhandelsunternehmen für Herrenmode, vertreibt hochwertige Markenware von Jeans, Polos, Jacken bis zu Business-Anzügen, Sakkos und Mäntel“. Für diese professionelle Pressedienstleistung seien ca 195 EUR bezahlt worden, wobei es nur durch ein aktives Tun der verpflichteten Partei zu einem Eintrag auf dieser Website komme. Daraus folge, dass die verpflichtete Partei durch die Veröffentlichung der nach wie abrufbaren Pressetexte eine dem Vergleich ausdrücklich widersprechende Behauptung aufstelle.

Mit Strafanträgen vom 30. Juni, 4. Juli, 5. Juli, 6. Juli, 7. Juli, 8. Juli, 11. Juli, 12. Juli, 13. Juli, 14. Juli, 15. Juli, 18. Juli, 19. Juli und 20. Juli 2011 begehrte die betreibende Partei unter Behauptung identer Verstöße der verpflichteten Partei gegen das Unterlassungsgebot an diesen Tagen jeweils die Verhängung weiterer Geldstrafen.

Mit Beschluss vom 20. Juli 2011 wies das Erstgericht sowohl den Exekutionsantrag als auch die Strafanträge der betreibenden Partei ab. Es stellte fest, dass am 7. November 2008 auf der Internetseite www.i *****.at ein kostenpflichtiges Inserat platziert wurde, in dem ua angeführt wird, dass die verpflichtete Partei „ein führendes, österreichisches Großhandelsunternehmen für Herrenmode“ sei, wobei dieses Inserat (zumindest) bis 20. Juli 2011 im Internet abrufbar war.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass Gegenstand der beantragten Exekution nach § 355 EO ein negatives, passives Verhalten der verpflichteten Partei sei, die eine bestimmte Handlung nicht setzen solle. Im vorliegenden Fall werde jedoch ein aktives Tun, nämlich die Beseitigung eines Internet-Inserats begehrt, weshalb die auf die Durchsetzung einer Unterlassung gerichteten Anträge der betreibenden Partei abzuweisen seien. Dazu komme, dass das betreffende Inserat mehr als zwei Jahre vor dem gegenständlichen Vergleich geschaltet worden sei. Aus dem gewählten Wortlaut des Vergleichs („ab sofort“) ergebe sich bei objektiver Betrachtung, dass dieser auf die Zukunft gerichtet sei, sodass sich ein derartiger Beseitigungsanspruch (für vor dem Vergleich gesetzte Handlungen) aus dem Exekutionstitel nicht ableiten lasse.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der betreibenden Partei dahin Folge, dass es die Unterlassungsexekution bewilligte und eine Geldstrafe von 1.000 EUR verhängte. Wegen der in den 14 Strafanträgen behaupteten weiteren Zuwiderhandlungen gegen das Unterlassungsgebot verhängte das Rekursgericht Geldstrafen von 1.000 EUR je Strafantrag, insgesamt daher 14.000 EUR. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Derjenige, der durch einen Gesetzesverstoß einen Störungszustand geschaffen habe, störe so lange weiter, als dieser Zustand nicht beseitigt sei; die Pflicht zum Handeln folge aus dem vorangegangenen Fehlverhalten. Behebe der Verpflichtete den dem Verbot widersprechenden, schon vor Schaffung des Titels veranlassten Dauerzustand - hier in Form eines Inserats auf der Internetplattform www.i *****.at - nicht durch ein aktives Tun, handle er dem Unterlassungsgebot zuwider. Der betreibende Gläubiger könne in diesem Fall Exekution nach § 355 EO führen. Dass es dem Verpflichteten an der Möglichkeit einer Einflussnahme auf den Veröffentlicher des Werbetextes fehle, könne von der verpflichteten Partei mit Impugnationsklage geltend gemacht werden. In gleicher Weise müsse der Verpflichtete im Wege der Klage nach § 36 EO geltend machen, dass er ohne sein Verschulden den von ihm veranlassten Dauerzustand nicht - im Sinne einer Beseitigung der Störungsquelle - beenden habe können.

Der Bewilligung der Unterlassungsexekution stehe nicht entgegen, dass der Vergleich vom 8. November 2010 keine rückwirkende Unterlassungsverpflichtung der verpflichteten Partei vorsehe, dass der titelwidrige Interneteintrag bereits vom 7. November 2008 stamme und dass dieser auch nicht auf einer eigenen Internetseite der verpflichteten Partei aufscheine. Bestehe das Zuwiderhandeln der verpflichteten Partei gegen den Exekutionstitel darin, dass sie den titelwidrigen Zustand nicht beseitigt habe, könne von der betreibenden Partei aus diesem Grund an jedem Tag, an dem der verbotene Zustand weiter bestanden habe, neuerlich ein Strafantrag gestellt werden.

Auch wenn der titelwidrige Interneteintrag über einen Zeitraum von zumindest drei Wochen aufrecht geblieben sei, könne nicht von einer besonderen Hartnäckigkeit des Zuwiderhandelns der verpflichteten Partei gegen den Exekutionstitel ausgegangen werden, zumal sie die dem Exekutionstitel unmittelbar zugrundeliegende wettbewerbswidrige Handlung, nämlich die inkriminierte Behauptung auf ihrer eigenen Website, jedenfalls abgestellt habe und der betreibenden Partei auch zwischen den einzelnen Strafanträgen nicht die Exekution nach § 355 EO bewilligt worden sei. Das fortgesetzte Zuwiderhandeln beruhe offensichtlich auf einem Irrtum über den Umfang der Unterlassungsverpflichtung. Weiters sei der wirtschaftliche Nutzen der verpflichteten Partei aus ihrem Zuwiderhandeln auf einer fremden Website nur als gering einzustufen. Unter Berücksichtigung der Art und Schwere des Zuwiderhandelns und des nur geringen Nutzens sei die Verhängung einer Geldstrafe von (nur) je 1.000 EUR gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs macht die verpflichtete Partei keine erhebliche Rechtsfrage geltend.

1. Die betreibende Partei hat in ihrem Exekutionsantrag und in den Strafanträgen den Verstoß der verpflichteten Partei gegen die titelmäßige Verpflichtung (durch die aufrechte Veröffentlichung der zu unterlassenden Behauptung auf einer Website) ausreichend konkretisiert (vgl RIS-Justiz RS0004808); eine Verpflichtung, das Zuwiderhandeln zu bescheinigen oder zu beweisen, besteht nicht (RIS-Justiz RS0000709 [T12]; vgl auch RIS-Justiz RS0000762).

2. Nach der Rechtsprechung beinhaltet ein tituliertes Unterlassungsgebot im Anwendungsbereich des § 15 UWG auch das Gebot, den titelwidrigen Zustand zu beseitigen (RIS-Justiz RS0079549, RS0079555), unabhängig davon, ob die „Störquellen“ bereits vor Schaffung des Titels vorhanden waren (RIS-Justiz RS0004490 [T10]; RS0079560 [T7]). Dass die Unterlassungsverpflichtung auf einem (auslegungsbedürftigen) Prozessvergleich beruht, der keine ausdrückliche Beseitigungsverpflichtung enthält, ändert nichts an der Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung, weil mangels gegenteiliger Behauptungen davon auszugehen ist, dass sich die betreibende Partei nur mit einem solchen Vergleich zufrieden gibt, der ihr inhaltlich nicht weniger bietet als ein Unterlassungsurteil (4 Ob 158/11f).

3. Wer einen - dem Unterlassungsgebot zuwiderlaufenden - Störungszustand geschaffen hat, stört weiter, solange dieser Zustand nicht beseitigt ist. Die Unmöglichkeit der Beseitigung des bestehenden Zustands ist nicht mit Rekurs, sondern mit Impugnationsklage (§ 36 EO) geltend zu machen (3 Ob 215/02t = SZ 2002/178; zuletzt 3 Ob 220/11s; 3 Ob 198/02t = RIS-Justiz RS0079555 [T5] = RS0079560 [T14]).

4. Die Ansicht der verpflichteten Partei, es liege kein Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung vor, sondern ein einziges Zuwiderhandeln durch das Einstellen des Werbetextes auf der Website, lässt außer Acht, dass dann, wenn eine Beseitigung notwendig ist, um dem Unterlassungsgebot zu genügen, diesem durch die bloße Untätigkeit zuwider gehandelt wird (3 Ob 215/02t = SZ 2002/178 = RIS-Justiz RS0004413 [T4, T5]).

5. Nach der Rechtsprechung gibt es nach Vollstreckbarkeit des auf Unterlassung lautenden Exekutionstitels keinen Zeitraum, in dem die verpflichtete Partei sanktionslos dem Titel zuwiderhandeln könnte. Auch der Exekutionsbewilligungsantrag ist bereits ein Strafantrag, mit dem eine Vollzugsstufe beginnt. Es sind daher aufgrund weiterer Strafanträge für Zuwiderhandeln nach Einbringen des Antrags auf Exekutionsbewilligung, aber vor Bewilligung der Exekution, Strafen zu verhängen (RIS-Justiz RS0013515).

6. Welche Geldstrafe im Einzelfall zu verhängen ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die Bemessung von Geldstrafen wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0012388). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.

7. Die Einvernahme der verpflichteten Partei zum Antrag auf Bewilligung der Unterlassungsexekution und zu weiteren Strafanträgen ist nicht zwingend vorgeschrieben und bleibt dem Ermessen des Gerichts anheimgestellt (3 Ob 168/99y = SZ 72/194 = RIS-Justiz RS0113232).

8. Richtig ist, dass Neuerungen, die für die Strafhöhe von Bedeutung sind, im Revisionsrekurs vorgebracht werden können, wenn die verpflichtete Partei - wie hier - vorher noch nicht gehört und Strafanträgen erst im Rekursverfahren stattgegeben wurde (RIS-Justiz RS0110233). Die von der verpflichteten Partei geltend gemachten Umstände, die auf die stärkere Berücksichtigung des geringen Verschuldens hinauslaufen, sind nicht geeignet, eine Reduktion der Strafhöhe zu erreichen, hat doch bereits das Rekursgericht gerade das geringe Verschulden bei der Strafbemessung in den Vordergrund gerückt.

9. Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage ist der außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Partei zurückzuweisen.

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