OGH 3Ob240/11g

OGH3Ob240/11g18.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Parteien 1. M*****, Angestellte, und 2. W*****, Angestellter, beide *****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichteten Parteien 1. Republik Österreich (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Wien 1, Stubenring 1), und 2. L***** GmbH, *****, beide vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, über den Revisionsrekurs der betreibenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. November 2011, GZ 46 R 466/11m-68, womit infolge Rekurses der verpflichteten Parteien der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 25. August 2011, GZ 69 E 1567/03p-65, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Parteien wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die verpflichteten Parteien sind aufgrund eines vollstreckbaren Anerkenntnisurteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 1. März 2002, GZ 22 Cg 110/01k-9, schuldig, es zu unterlassen, die Liegenschaft der Kläger in Wien 22 durch das Eindringen von Fußbällen zu beeinträchtigen.

Ausgangspunkt war, dass damals die erstverpflichtete Partei Eigentümerin und die zweitverpflichtete Partei Fruchtgenussberechtigte der der Liegenschaft der betreibenden Parteien benachbarten Grundstücke waren, auf denen Fußplatzplätze bestehen. Die erstverpflichtete Partei hat die Grundstücke im Jahr 1979 an einen Sportverein vermietet; die zweitverpflichtete Partei ist in den Pachtvertrag eingetreten. Mit einem 2005/2006 abgeschlossenen Kaufvertrag hat die erstverpflichtete Partei die Grundstücke an die zweitverpflichtete Partei verkauft. Schließlich hat die zweitverpflichtete Partei die Grundstücke mit Kaufvertrag vom 13. Juni 2008 an die Stadt Wien verkauft, wobei im Kaufvertrag auf den mit dem Sportverein geschlossenen Mietvertrag aus dem Jahr 1979 Bezug genommen wird, nicht aber auf die titulierte Unterlassungsverpflichtung.

Aufgrund des Anerkenntnisurteils war den betreibenden Parteien mit Beschluss des Rekursgerichts vom 18. Juli 2003 (ON 5) die Unterlassungsexekution bewilligt worden. Nach Zuwiderhandlungen gegen den Exekutionstitel hat das Erstgericht bereits mehrfach Geldstrafen gegen die verpflichteten Parteien verhängt.

Am 3. August 2011 stellten die betreibenden Parteien den Antrag auf Verhängung einer weiteren (höheren) Geldstrafe über die verpflichteten Parteien wegen neuerlichen Zuwiderhandelns, nämlich dreimal im Herbst 2008, zehnmal im Jahr 2009 und je achtmal in den Jahren 2010 und 2011 (ON 61).

Nachdem die verpflichteten Parteien in ihrer Äußerung beantragt hatten, den Strafantrag - im Hinblick auf den zwischenzeitigen Eigentümerwechsel und dessen Konsequenzen - abzuweisen, in eventu eine geringere Geldstrafe zu verhängen (ON 63), brachten die Betreibenden in ihrer Stellungnahme (ON 64) vor, dass sich aus dem Kaufvertrag nicht ergebe, dass die Käuferin (Stadt Wien) auf die Verpflichtung gegenüber den betreibenden Parteien hingewiesen worden oder dass eine Übertragung dieser Verpflichtungen erfolgt sei, weshalb die Passivlegitimation der verpflichteten Parteien weiterhin gegeben sei; ihnen obliege es, durch geeignete Maßnahmen die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung zu bewirken. Das Erstgericht gab dem Antrag der betreibenden Parteien statt und verhängte über die verpflichteten Parteien eine Geldstrafe von je 3.000 EUR. Die betreibenden Parteien hätten im Strafantrag ein weiteres Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel schlüssig und konkret behauptet; das Erlöschen des Unterlassungsanspruchs wäre mit Oppositionsklage geltend zu machen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Parteien hinsichtlich der Verstöße ab dem Jahr 2009 Folge, reduzierte die verhängte Geldstrafe auf je 2.000 EUR und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands bei jedem Verstoß 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteige. Den Revisionsrekurs ließ es im Hinblick auf ein Abweichen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung (3 Ob 13/95) zu.

Die betreibenden Parteien selbst hätten im Strafantrag darauf hingewiesen, dass den verpflichteten Parteien an den Grundstücken, von denen die zu unterlassenden Emissionen ausgingen, kein Eigentums- und Fruchtgenussrecht mehr zustehe, sondern dass die Grundstücke nun im Eigentum eines Dritten, nämlich der Stadt Wien, stünden. Eine verpflichtete Partei treffe eine nach § 355 EO zu vollstreckende Verhinderungspflicht, wenn Dritte mit ihrem Wissen von ihr Rechte ableiten und im Rahmen deren Ausübung mangels einer Aufklärung über die ihr obliegende Unterlassungspflicht dieser zuwiderhandeln. Begebe sich eine verpflichtete Partei freiwillig der Möglichkeit, Einfluss in Richtung der geschuldeten Unterlassung zu nehmen, müsse sie sich Zuwiderhandlungen gegen den Exekutionstitel auch dann zurechnen lassen, wenn sie im konkreten Fall die Zuwiderhandlung rechtlich nicht mehr verhindern habe können, weil sie sich der Einflussmöglichkeit begeben habe.

Im konkreten Fall hätten die Verpflichteten die Grundstücke, von denen die Emissionen ausgingen, an einen Dritten veräußert, der im Wege einer Einzelrechtsnachfolge Eigentümer geworden sei. Damit stehe es allein in der Disposition des neuen Eigentümers, ob und welche Vorkehrungen er zur Verhinderung künftiger Emmissionen setzen wolle. Die verpflichteten Parteien hätten keine Möglichkeit mehr, selbst Vorkehrungen dafür zu treffen, dass weitere Störungen der Betreibenden durch Eindringen von Fußbällen auf ihr Grundstück verhindert würden. Würden die verpflichteten Parteien weiterhin für das als Erfolgsverbot formulierte Unterlassungsgebot einstehen müssen, wäre dies eine zeitlich völlig unbegrenzte Haftung, sogar im Fall mehrfacher Weiterveräußerung der Grundstücke. Dies widerspreche aber dem Grundsatz, dass für die Verhängung von Beugestrafen ein Verschulden des Verpflichteten am Zuwiderhandeln vorliegen müsse, auch wenn es im Strafantrag nicht behauptet werden müsse. Das Ergebnis einer zeitlich unbeschränkten Unterlassungsverpflichtung auch nach Veräußerung der Sache ließe sich weder mit dem willensbeugenden noch mit dem repressiven Charakter der Geldstrafen begründen. Allenfalls könnte man einen letztmaligen Verstoß gegen das titelmäßige Unterlassungsgebot darin erblicken, dass die verpflichteten Parteien die Grundstücke veräußert hätten, ohne die Unterlassungsverpflichtung vertraglich auf die Käuferin zu überbinden. Ein derartiger Titelverstoß sei aber nicht Gegenstand des Strafantrags.

Betreffend die drei Verstöße im Jahr 2008 sei die Geldstrafe neu mit 2.000 EUR (je verpflichteter Partei) zu bemessen.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Parteien mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

In ihrem Rechtsmittel bringen die betreibenden Parteien vor, dass sich zwar aus § 9 EO die nunmehrige (zusätzliche) Passivlegitimation der Stadt Wien ergebe, aber die Unterlassungsverpflichtung der verpflichteten Parteien nach wie vor aufrecht sei. Diese hätten (im Kaufvertrag) keine ausreichenden Maßnahmen getroffen, um die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung (zusätzlich zum Übergang nach § 9 EO) soweit wie möglich sicherzustellen. Es wäre Sache der verpflichteten Parteien darzutun, dass sie alles vorgekehrt hätten, um dem Unterlassungsgebot nachzukommen, was aber nicht geschehen sei.

Dazu wurde erwogen:

1. Bestreitet ein Verpflichteter, dass der behauptete Sachverhalt rechtlich ein Zuwiderhandeln gegen ein titelmäßiges Unterlassungsgebot darstellt, steht ihm dafür nur der Rekurs zur Verfügung; bestreitet er hingegen, den als Zuwiderhandlung behaupteten Sachverhalt verwirklicht zu haben, kann er gegen einen Strafbeschluss Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben (RIS-Justiz RS0123123).

Im vorliegenden Fall haben die betreibenden Parteien selbst den Kaufvertrag vorgelegt und sich in ihrem Strafantrag darauf bezogen. Die verpflichteten Parteien sind dem Strafantrag nicht auf der Tatsachenebene entgegengetreten, weshalb sie zutreffenderweise gegen den Strafbeschluss des Erstgerichts Rekurs erhoben haben.

2. Bei der Unterlassungsexekution nach § 355 EO soll mit der Verhängung von Strafen ein titelkonformes Verhalten erzwungen werden. Anders als bei der Exekution nach § 354 EO stellt die einzelne Bestrafung zwar eine Ahndung des Verstoßes dar; die Willensbeugung erfolgt aber gerade dadurch, dass der Verpflichtete weiß, dass bei jedem Zuwiderhandeln eine Beugestrafe verhängt werden kann. Die Strafe soll also einerseits das geschuldete Verhalten im Zeitraum nach Verhängung der Strafe erzwingen, sie soll aber auch der gesetzlichen Strafdrohung Gewicht verschaffen und damit schon in dem vor der Verhängung liegenden Zeitraum das Zuwiderhandeln unterbinden (3 Ob 12/93 = SZ 66/74; RIS-Justiz RS0010057; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner § 355 EO Rz 45). In diesem Sinn haben die Strafen auch repressiven Charakter (RIS-Justiz RS0010057 [T6]).

Voraussetzung für die Verhängung von Strafen ist immer ein Verschulden des Verpflichteten an der Zuwiderhandlung (3 Ob 76/72 = SZ 45/84; 3 Ob 185/94 = SZ 68/151; RIS-Justiz RS0085147). Dabei ist zu beachten, dass den Verpflichteten gegebenenfalls auch eine Handlungspflicht treffen kann, um künftige Verstöße zu verhindern (RIS-Justiz RS0079555, RS0079560).

3. Im vorliegenden Fall berufen sich die verpflichteten Parteien darauf, dass ab der Veräußerung der Grundstücke, von denen die Emissionen ausgehen, kein ihnen zuzurechnender Verstoß vorliegt, der eine neuerliche Strafverhängung rechtfertigt.

3.1. Die Einzelrechtsnachfolge auf Verpflichtetenseite ist nach der Exekutionsbewilligung eingetreten. Da § 234 ZPO auf diesen Fall nicht anzuwenden ist (RIS-Justiz RS0001333), kann ein Rechtsübergang im Exekutionsverfahren nach § 9 EO berücksichtigt werden, soweit er nicht der Natur des Exekutionsverfahrens widerspricht (Jakusch in Angst 2 § 9 EO Rz 9, 11). Im vorliegenden Fall ist es allerdings nicht zu einem solchen - von § 9 EO geforderten - „Übergang“ des Anspruchs auf eine neue verpflichtete Partei gekommen; dieser würde eine Gesamtrechtsnachfolge oder eine privative Schuldübernahme voraussetzen (RIS-Justiz RS0000290 [T3], RS0108514 [T2]).

3.2. In der Entscheidung 3 Ob 13/95 (= SZ 68/11 = ecolex 1995, 351 [G. Kucsko] = RIS-Justiz RS0036056) hat der Oberste Gerichtshof zu einer Unterlassungsverpflichtung mehrerer Personen ausgesprochen, dass in diesem Fall jede von ihnen verpflichtet ist, weitere Handlungen dieser Art zu verhindern; begibt sich ein Verpflichteter freiwillig der Möglichkeit, dies zu tun, muss er sich Zuwiderhandlungen gegen den Exekutionstitel auch dann zurechnen lassen, wenn er im konkreten Fall die Zuwiderhandlung rechtlich nicht mehr verhindern konnte, weil er sich der Einflussmöglichkeit begeben hat; sein - für die Verhängung einer Beugestrafe erforderliches - Verschulden liegt dann darin, dass er die für ihn zunächst gegebene Möglichkeit der Einflussnahme freiwillig aufgegeben hat (ebenso 3 Ob 2/01t; 3 Ob 172/01t und 3 Ob 262/09i, jeweils mit Abgrenzung zur Entscheidung 3 Ob 281/98i). G. Kucsko hat zu der Entscheidung 3 Ob 13/95 kritisch angemerkt, dass sie zu einem sehr speziellen Einzelfall ergangen sei und nur vorsichtig verallgemeinert werden könne. Sei beispielsweise eine GmbH gemeinsam mit dem aktiv an einem Wettbewerbsverstoß beteiligten Geschäftsführer in Anspruch genommen worden und scheide dieser später gänzlich aus dem Unternehmen aus, werde man ihm kaum eine fortdauernde Haftung für weitere Wettbewerbsverstöße der GmbH, zu der er keinerlei Verbindung mehr habe, auferlegen können.

3.3. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die verpflichteten Parteien als (vormalige) Grundstückseigentümer bzw Fruchtgenussberechtigte zur titelmäßigen Unterlassung verpflichtet sind. Angesichts der Vermietung der Grundstücke an einen Fußballverein ab dem Jahr 1979 haben sie die Emissionen nie selbst herbeigeführt; vielmehr waren ihnen diese nur aufgrund ihrer dinglichen Position zuzurechnen; es lag auch an ihnen, auf der Grundlage der vertraglichen Beziehung zum mietenden Sportverein die Emissionen zu unterbinden. Mit der Veräußerung der Grundstücke, von denen die im Titel verbotenen Emissionen ausgehen, an einen Dritten mitsamt Überbindung des Mietvertrags (Hinweise darauf, dass die Veräußerung etwa in rechtsmissbräuchlicher Absicht im Hinblick auf die titulierte Unterlassungsverpflichtung geschehen ist, gibt es nicht) ist diese Möglichkeit für die verpflichteten Parteien ebenso weggefallen wie die Möglichkeit, auf die Nutzung und Gestaltung der Grundstücke Einfluss zu nehmen; es liegt nun allein am neuen Eigentümer, Vorkehrungen zur Verhinderung der Emissionen auf das Nachbargrundstück zu setzen. Eine Grundstücksveräußerung kann nicht per se als eine - ein Verschulden begründende - freiwillige Aufgabe einer Einflussmöglichkeit angesehen werden.

Selbst wenn man in der fehlenden Überbindung der Unterlassungsverpflichtung auf den Käufer ein Verschulden erblickte, könnte damit die Zulässigkeit weiterer Strafbeschlüsse nicht begründet werden:

Die Unterlassungsexekution nach § 355 EO hat zwar auch repressiven Strafzweck, primär aber Beugezweck (RIS-Justiz RS0010057). Die Strafe wird für verschuldete Titelverstöße in der Vergangenheit verhängt, das wäre also hier für die Aufgabe der Einflussmöglichkeit. Wegen dieses Sachverhalts kann in der Zukunft nicht nochmals und wiederholt ein nur mit dem Strafzweck begründeter Strafbeschluss erlassen werden (in diesem Sinn zutreffend das Rekursgericht). Die Unmöglichkeit titelgemäßen Verhaltens ab dem Jahr 2009 steht aufgrund des erstinstanzlichen Parteienvorbringens fest. Der Beugezweck von Strafen kann nicht mehr erreicht werden.

4. Die zu bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts steht im Ergebnis auch nicht im Widerspruch zur zitierten Vorentscheidung 3 Ob 13/95. Dort ging es erkennbar um einen einzigen Titelverstoß, den die verpflichtete Partei deshalb zu vertreten hatte, weil sie sich aufgrund gesellschaftsrechtlicher Vorgänge ihrer Einflussmöglichkeiten auf einen Dritten begeben hatte. Dass wegen dessen Verhaltens weitere Strafbeschlüsse zulässig sein könnten war nicht Entscheidungsgegenstand. Die Bejahung der Zulässigkeit der Exekutionsführung beruhte schon auf dem repressiven Charakter der Strafe.

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