OGH 11Os83/11g

OGH11Os83/11g14.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Einwagner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Roman H***** und Tanja B***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagter sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 21. Februar 2011, GZ 10 Hv 154/10h‑64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallserkenntnis und im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Roman H***** und Tanja B***** jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A I.), der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (A II.) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (A III.), Roman H***** überdies des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (B), des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2 StGB (C I.) und der Vergehen (richtig: des Vergehens) des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (C II.) schuldig erkannt.

Danach haben ‑ zusammengefasst und soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung ‑ am 28. September 2010

A. Roman H***** und Tanja B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken in Bruck an der Mur

I. mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nina R***** (auch als Gewahrsamsträgerin der L***** GmbH [US 16]) mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe die im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) genau bezeichneten fremden beweglichen Sachen weggenommen, indem Roman H***** ein Messer mit einer Klingenlänge von 10 cm gegen Nina R***** richtete, sie zur Übergabe der Kellnerbrieftasche sowie des Schlüssels für die Handkasse aufforderte und sie im Lagerraum einsperrte, wobei Tanja B***** währenddessen im Thekenraum Aufpasserdienste verrichtete und sodann gemeinsam mit Roman H***** die Raubbeute verpackte und aus dem Sportwetten‑Cafe E***** verbrachte;

II. sich mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz unbare Zahlungsmittel, nämlich die Kreditkarte‑Visa und die Bankomatkarte der Nina R*****, durch Wegnahme anlässlich der zu Punkt A I. genannten Tat verschafft;

III. im Zuge der zu Punkt A I. geschilderten Tat den Führerschein und die e-card der Nina R*****, mithin Urkunden über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich zum Nachweis der Lenkerberechtigung und eines aufrechten Versicherungsverhältnisses zu verhindern;

B. Roman H***** in Bruck an der Mur die im Wettcafe E***** installierte Videoaufzeichnungsanlage durch Einschlagen beschädigt (Schaden zum Nachteil der L***** GmbH, 1.854 Euro);

C. Roman H***** in Mürzzuschlag

I. mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz die im Urteilsspruch näher bezeichneten fremden beweglichen Sachen, unter anderem Suchtgift, teilweise durch Aufbrechen eines Behältnisses dem Jochen D***** und dem Marco Ro***** weggenommen (C I. 1. bis 3.);

II. durch die zu C I. 1. genannte Tat vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich mehrere Tramal‑50‑mg‑Tabletten mit dem Wirkstoff Tramadol erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Roman H***** aus Z 4, 5 und 5a sowie von Tanja B***** aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Roman H*****:

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung mehrerer in der Hauptverhandlung am 21. Februar 2011 gestellter Beweisanträge (ON 63 S 37 f).

Die Vernehmung des Dr. Herbert Z***** zum Beweis dafür, dass der Konsum der von Roman H***** angegebenen Medikamente bei ihm keine letale Folgen hätte, sondern lediglich Zurechnungsunfähigkeit bewirke, wurde vom Schöffengericht zu Recht abgelehnt, weil der Beschwerdeführer nicht darlegte, aus welchem Grund die Beweisaufnahme das dem Gutachten des Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. Manfred W***** entgegen stehende Ergebnis erwarten lasse. Das bloße Verlangen des Beschwerdeführers auf Einholung neuer Befunde und Gutachten, um die vom Sachverständigen gezogenen Schlüsse zu überprüfen, zielt auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 und 351).

Ebenso erfolgte die Abweisung des Antrags auf Beiziehung eines weiteren, im täglichen Umgang mit Suchtgiftkranken spezialisierten Sachverständigen, der auch Erfahrung mit der Verträglichkeit von Suchtmitteln und Benzodiazepinen habe, zu Recht. Ein durch § 281 Abs 1 Z 4 StPO garantiertes Überprüfungsrecht hat der Beschwerdeführer nämlich nur dann, wenn er in der Lage ist, einen der in § 127 Abs 3 erster Satz StPO angeführten Mängel von Befund oder Gutachten aufzuzeigen und das dort beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos geblieben ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351; RIS-Justiz RS0117263). Mit bloßer Kritik am Unterlassen einer körperlichen Untersuchung des Beschwerdeführers wird ausschließlich die allein dem Sachverständigen obliegende Methode der Befundaufnahme in Frage gestellt, aber kein in § 127 Abs 3 erster Satz StPO beschriebener Mangel von Befund oder Gutachten dargetan. Damit wurde auch kein gesetzlicher Grund für die Beiziehung eines anderen Sachverständigen angesprochen (vgl RIS-Justiz RS0097355).

Da bei Prüfung eines Antrags stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist, sind die im Rechtsmittel nachgetragenen Argumente als Versuch einer Antragsfundierung prozessual verspätet und somit unzulässig (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).

Die Tatrichter leiteten die konstatierte Zurechnungsfähigkeit aus dem planvollen, teilweise auch durch Videoaufzeichnung dokumentierten Vorgehen des Roman H***** ab, der das Opfer, um einen Vorsprung vor der Exekutive zu haben, in den Automatenraum lockte und aufforderte, die Videoaufzeichnungen zu löschen, sowie gezielt Gegenstände zusammen suchte (US 19 f). Die Einwände gegen diese denkgesetzlich möglichen Schlussfolgerungen stellen sich der Sache nach als unzulässige Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung dar. Soweit sich die Mängelrüge nicht an der Gesamtheit dieser Entscheidungsgründe orientiert, verfehlt sie die Anfechtungskriterien (RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394).

Entgegen dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) hat sich das Erstgericht mit der Verantwortung des Beschwerdeführers ebenso auseinandergesetzt wie mit den Angaben der Zeugin Andrea Ho***** und auch formal einwandfrei dargelegt, weshalb es sich von der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers überzeugt zeigte (US 17 und US 20). Indem die Mängelrüge die solcherart gewürdigten Beweisergebnisse lediglich anders bewertet, verkennt sie den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen.

Soweit die Beschwerde in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene Verfahrensergebnisse, wie die Angaben der Christa G***** releviert, verfehlt sie den gesetzlichen Bezugspunkt (§ 258 Abs 1 StPO; Ratz, WK‑StPO Rz 421).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit Verweis auf die von den Tatrichtern als widerlegt erachtete Darstellung des Beschwerdeführers (US 17 ff) keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Tanja B*****:

Das gewollte Zusammenwirken, die Billigung des Messereinsatzes und das Leisten von Aufpasserdiensten leiteten die Tatrichter aus dem alleinigen Aufenthalt der Tanja B***** im Thekenbereich und insbesondere daraus ab, dass sie Roman H***** beim Einpacken der Raubbeute half und (obwohl sie vom Messereinsatz wusste) sich daran beteiligte, diese aus dem Lokal zu verbringen (US 14, 24 f). Dem Vorbringen (Z 5 vierter Fall) zuwider sind derartige Überlegungen aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Unvollständig im Sinne Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO ist ein Urteil genau dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (vgl auch Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 43; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 421).

Mit Blick auf das konstatierte gemeinsame Einpacken und Verbringen der Beute vom Tatort kommt der Annahme der Leistung von Aufpasserdiensten keine entscheidende Bedeutung zu.

Im Übrigen bedurfte es der Erörterung der von der Zeugin R***** zum Ausdruck gebrachten Besorgnis um Tanja B***** wegen des Gebots zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und auch deshalb nicht, weil diese Aussagepassagen den Urteilsannahmen nicht entgegen stehen. Gleiches gilt für einzelne Videosequenzen, aus denen sich ergeben soll, dass die Beschwerdeführerin das Lokal verlassen wollte, es letztlich aber unterließ.

Die Geltendmachung materieller Nichtigkeit hat stets unter Zugrundelegung des gesamten Urteilssachverhalts zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0099810).

Demnach verfehlt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) eine gesetzeskonforme Ausrichtung, weil sie die zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen des Erstgerichts (US 15) bestreitet und - nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung - durch eigene Beweiswerterwägungen ersetzt.

Dass die zur objektiven und subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen (US 15, 12 ff und 14) den Schuldspruch nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB nicht tragen können, wird zwar behauptet, aber nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet. Damit entzieht sich das Vorbringen einer meritorischen Erwiderung (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 588).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) in isolierter Betrachtung einzelner Feststellungen argumentiert, der Raub sei mit dem Einsperren der Zeugin R***** im Lagerraum beendet gewesen, verfehlt sie erneut die Ausrichtung am Verfahrensrecht.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Qualifikation des bewaffneten Raubes demjenigen Beteiligten zugerechnet wird, der entweder selbst die Waffe beim Raubüberfall verwendet oder die Verwendung einer Waffe durch einen anderen Beteiligten kennt und billigt, wobei die Zustimmung zum Waffeneinsatz auch konkludent sowie auch während der Tatausführung erfolgen kann (Eder‑Rieder in WK2 § 143 Rz 14). Derjenige, der in Kenntnis des Waffeneinsatzes und unter Ausnützung desselben am Abtransport der Beute vom Tatort, demnach an der Wegnahme mitwirkt (sukzessive Mittäterschaft), setzt eine Ausführungshandlung und haftet somit als unmittelbarer Täter (Fabrizy in WK2 § 12 Rz 30 und 31).

Weiters ist anzumerken, dass § 27 Abs 1 SMG in Hinsicht auf Erwerb und Besitz ein‑ und desselben Suchtgiftquantums lediglich eine strafbare Handlung begründet (vgl 13 Os 168/08t). Demnach ist dem Angeklagten Roman H***** zu II. nur ein Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG anzulasten, wobei der Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil iSd § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO darstellt (vgl Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 23). An die insoweit fehlerhafte Subsumtion ist das Berufungsgericht bei der Entscheidung über die Berufungen nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, von einer nicht geltend gemachten, dem Angeklagten Roman H***** zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit betreffend das Einziehungs‑ und das Verfallserkenntnis (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO):

Gemäß § 26 Abs 1 StGB wurde die Einziehung des sichergestellten Messers des Roman H***** sowie nach § 20 Abs 1 StGB der Verfall der zu A I. „erlangten Gegenstände“, und zwar der Uhr und des Gliederarmbands angeordnet.

Zum Einziehungserkenntnis:

Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Delikstauglichkeit des Gegenstands an (RIS‑Justiz RS0121298). Davon kann bei einem Messer ohne Hinzutreten besonderer Eigenschaften in der Regel nicht die Rede sein (vgl RIS‑Justiz RS0082031; Ratz in WK2 § 26 Rz 13). Feststellungen dazu als (notwendige) Grundlage der Gefährlichkeitsprognose hat das Erstgericht (US 29) nicht getroffen (Ratz, WK‑StPO § 285i Rz 4).

Zum Verfallserkenntnis:

Die Anwendbarkeit der Bestimmungen über vermögensrechtliche Anordnungen richtet sich nach dem Zeitpunkt, zu dem die Straftat begangen wurde, auf die sich die vermögensrechtliche Maßnahme bezieht. Mit Blick auf den vor dem 1. Jänner 2011, demnach vor dem Inkrafttreten des BGBl I 2010/108 (sKp) gelegenen Tatzeitpunkt ist ein Günstigkeitsvergleich vorzunehmen. Die durch das strafrechtliche Kompetenzpaket (sKp) geänderten Regeln über den Verfall sind gemäß §§ 1, 61 StGB auf vor ihrem Inkrafttreten begangene Taten nur dann anzuwenden, wenn die Gesetze, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren. Beim Günstigkeitsvergleich ist streng fallbezogen in einer konkreten Gesamtschau der Unrechtsfolgen zu prüfen, welches Gesetz in seinen Gesamtauswirkungen für den Täter vorteilhafter wäre (vgl RIS‑Justiz RS0119545). Nach der Gesetzeslage vor dem sKp, die auf das Strafrechtsänderungsgesetz BGBl 1996/762 zurückging, standen als vermögensrechtliche Maßnahme die Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB) und der Verfall (§ 20b StGB) zur Verfügung. § 20 Abs 1 StGB idF vor dem sKp sah eine Feststellung des Ausmaßes der Bereicherung grundsätzlich nach dem „Nettoprinzip“ vor, wonach die zugeflossenen Vermögenswerte um den vom Täter dafür gemachten Aufwand zu vermindern waren und somit ausschließlich der Gewinn des Täters umfasst war (vgl Fabrizy, StGB10 § 20 Rz 2). Die frühere, einen schuldrechtlichen Anspruch des Staates normierende Abschöpfung der Bereicherung (§ 20a StGB aF) wurde durch eine neue, primär gegenstandsbezogene Verfallsbestimmung (§ 20 StGB) ersetzt, die nicht mehr vom Netto-, sondern vom Bruttoprinzip ausgeht, sodass allfällige „Aufwendungen“ bei der Berechnung außer Betracht bleiben. Nur wenn die Vermögenswerte nicht sichergestellt oder beschlagnahmt wurden, hat das Gericht nach geltender Gesetzeslage einen Geldbetrag zu bestimmen (Wertersatzverfall), der den nach § 20 Abs 1 und Abs 2 StGB erlangten Vermögenswerten entspricht (§ 20 Abs 3 StGB). Gemäß § 20a Abs 3 StGB (idgF) ist vom Verfall abzusehen, wenn dem zu erwartenden Ertrag ein unverhältnismäßiger Verfahrensaufwand gegenüber steht. Demgegenüber sah § 20a Abs 2 Z 3 StGB idF vor dem sKp auch eine Härteklausel vor, wonach von der Abschöpfung teilweise oder ganz abzusehen war, wenn die Zahlung des Geldbetrags das Fortkommen des Bereicherten unverhältnismäßig erschweren oder unbillig hart treffen würde. Nach § 20a Abs 1 StGB (aF) war die Abschöpfung unter anderem dann ausgeschlossen, wenn der Bereicherte zeitgleich (wenn auch nicht rechtskräftig, vgl zur alten Rechtslage Fuchs/Tipold in WK2 [2007]§ 20a Rz 14) zur Befriedigung von zivilrechtlichen Ansprüchen aus der Tat verurteilt wurde (Adhäsionserkenntnis). Durch § 20a Abs 2 Z 2 StGB idgF wird der Ausschluss beschränkt, und zwar auf jene Fälle, in denen die Vermögenswerte bereits zur Befriedigung oder Sicherstellung zivilrechtlicher Ansprüche herangezogen wurden. Da sich das frühere Recht für den Angeklagten in seiner Gesamtauswirkung demnach als günstiger erweist, gelangt dieses zur Anwendung. Mit Blick auf den hinsichtlich der Raubtat konstatierten Schaden der L***** GmbH in der Höhe von 4.500 Euro (US 16), einer Schadensgutmachung von 2.985,49 Euro (US 17) sowie eines zugunsten der Geschädigten ergangenen Adhäsionserkenntnisses über 1.514,51 Euro (US 6) lassen sich dem Ersturteil derzeit keine zur Abschöpfung einer Bereicherung nach § 20 Abs 1 Z 1 StGB (idF vor BGBl I 2010/108) tauglichen Feststellungen entnehmen (Z 11 StPO).

Da der Berufung des Angeklagten lediglich ein gegen die Strafe gerichteter Anfechtungswille zu entnehmen ist, war die das Verfalls‑ und Einziehungserkenntnis betreffende Nichtigkeit (Z 11) bereits vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (§§ 285e erster Fall, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), weil dem Berufungsgericht zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung der die Aussprüche betreffenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO zugunsten des Angeklagten verwehrt ist (vgl 14 Os 83/10b; 14 Os 59/10y; Ratz, WK‑StPO § 294 Rz 10 und § 295 Rz 7).

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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