OGH 14Os59/10y

OGH14Os59/10y18.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Stuhl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael W***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 14. Jänner 2010, GZ 40 Hv 205/09k-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael W***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A/1 bis 3) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (B) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (C), der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB (D) und nach § 207a Abs 3 StGB (E) sowie der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (F) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit für das Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren und die amtswegige Maßnahme von Bedeutung - in Salzburg

(A) mit unmündigen Personen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar

1) im Jahr 2007 mit seinem am 8. Oktober 2001 geborenen Sohn Artit W***** durch Einführen seines Penis und Ejakulieren in dessen Mund;

2) im Jahr 2005 mit seiner am 23. November 1999 geborenen Tochter Djan W***** durch Einführen seines Penis in deren Mund;

C) von 2005 bis 28. Mai 2009 durch die unter Punkt A angeführten Handlungen mit mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Personen, nämlich (unter anderem) seinen Kindern Artit und Djan W*****, geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

E) bis zum 25. Juni 2009 pornographische Darstellungen mündiger minderjähriger und unmündiger Personen (richtig:) sich verschafft, indem er sie aus dem Internet heruntergeladen sowie auf seinen Laptops und seinem Mobiltelefon gespeichert hat.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) kritisiert der Beschwerdeführer die beweiswürdigende Auseinandersetzung mit einzelnen Passagen von Zeugenaussagen, wonach die zu A/1 und 2 inkriminierten Übergriffe in seiner (erst später von ihm bezogenen) Wohnung stattgefunden hätten (vgl Artit W*****: ON 43 S 12 und Djan W*****: ON 22 S 17), als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall). Die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen aufgrund des in der Hauptverhandlung - vorliegend mittels Vorführung der Ton- und Bildaufnahmen über die kontradiktorischen Vernehmungen (ON 61 S 20) - gewonnenen persönlichen Eindrucks ist als solche einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen (RIS-Justiz RS0106588). Weshalb im Übrigen die kritisierten tatrichterlichen Überlegungen, gerade Kinder würden sich an Details des Tatgeschehens (wie Tatzeit und -ort) oft nicht so genau erinnern, zudem befinde sich die später bezogene Wohnung des Beschwerdeführers im selben Haus wie jene der Mutter der Opfer (US 13 f), Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungswerten widersprechen sollen (vgl RIS-Justiz RS0116732), legt die Rüge nicht dar. Ein „Widerspruch“ zwischen Beweisergebnissen und getroffenen Feststellungen kann aus Z 5 (dritter Fall) schließlich nicht geltend gemacht werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer nicht geltend gemachten, dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit betreffend das Einziehungserkenntnis (§§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall, 285e erster Satz, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Einziehung setzt nämlich nach § 26 Abs 1 StGB voraus, dass diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an, die in Ansehung der Datenträger (der sichergestellten Notebooks und des Mobiltelefons), auf welchen das zum Schuldspruch E inkriminierte pornographische Bildmaterial gespeichert war (vgl US 21), grundsätzlich zu bejahen ist. Selbst in einem solchen Fall ist dem Berechtigten angemessen Gelegenheit zu geben, diese besondere Beschaffenheit (vorliegend etwa durch Löschen dieser Daten) zu beseitigen (RIS-Justiz RS0121298; Ratz in WK² § 26 Rz 6 und 15). Feststellungen dazu oder zu einer fehlenden Möglichkeit der Beseitigung enthält das Urteil nicht (Ratz, WK-StPO § 285i Rz 4).

Diese Nichtigkeit (Z 11 zweiter Fall) war bereits vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen, weil die Berufung des Angeklagten mangels Erklärung (bei der Anmeldung oder der Rechtsmittelausführung), ob sie sich gegen den Strafausspruch, eine der vorbeugenden Maßnahmen (nach §§ 21 Abs 2 oder 26 Abs 1 StGB) oder das Adhäsionserkenntnis richtet, als unzulässig gemäß § 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO zurückzuweisen war (RIS-Justiz RS0100042; Ratz, WK-StPO § 294 Rz 10 und § 296 Rz 5). Dem Berufungsgericht ist aber in einem solchen Fall, in welchem es (dann nur mehr) über eine zum Nachteil des Angeklagten erhobene Berufung zu entscheiden hat, wegen der Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte eine (amtswegige) Wahrnehmung einer den Sanktionsausspruch oder (wie hier) eine vorbeugende Maßnahme betreffenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO zu Gunsten des Angeklagten nicht möglich (Ratz, WK-StPO § 295 Rz 14; vgl RIS-Justiz RS0119220).

Der Kostenausspruch, der sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte