OGH 5Ob92/08b

OGH5Ob92/08b14.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragsteller Johann P*****, vertreten durch Dr. Martin Leitner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Rudolf M*****, 2. Maria R*****, 3. Franz G*****, 4. Gernot F*****, 5. Christine D*****, 6. Bertha M*****, 7. Elfriede H*****, 8. Herbert H*****, 9. Brigitta H*****, 10. Dr. Gabriela W*****, 11. Walter R*****, 12. Ali Yilmaz Y*****, 13. Gertrud B*****, 14. Josef H*****, 15. Andreas K*****, 16. Oliver M*****, 17. Hedwig R*****, 18. Gabriele B*****, 19. Andrea S*****, 20. Gerhard P*****, 21. Helene L*****, 22. Erika V*****, 23. Martin G*****, 24. Helga W*****, 25. Günther B*****, 26. Anna Z*****, 27. Hildegard Z*****, 28. Maria H*****, 29. Karoline G*****, 30. Irene K*****, 31. Peter A*****, 32. Christine W*****, 33. Sandor M*****, 34. Zdena M*****, 35. Erich W*****, 36. Hedwig W*****, 37. Gertrude H*****, 38. Walter H*****, 39. Adolf P*****, 40. Helga P*****, 41. Patricia S*****, 42. Helmut H*****, 43. Karola H*****, 44. Mag. Helene S*****, 45. Elisabeth P*****, 46. Otto P*****, 47. Wolfgang K*****, 48. Manfred F*****, 49. R***** GmbH, 50. Stefan Z*****, 51. Roman H*****, 52. Ing. Elias M*****, 53. Ancuta M*****, 54. Brigitte K*****, 55. Klaus K*****, 56. Melih Fatih M*****, alle ***** unter Beteiligung der S***** AG, *****, diese vertreten durch Dr. Rudolf Fuchs, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 4 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Februar 2008, GZ 40 R 217/07v‑53, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Der Antrag der S***** AG auf Zuspruch von Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des vom Antragsteller bekämpften Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer sind Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten an den beiden Aufzügen der Liegenschaft, die sich seit ihrer Errichtung im Baujahr 1970 in einem sicherheitstechnisch unveränderten Zustand befinden. Eine Anhebung des sicherheitstechnischen Standards der Aufzüge aufgrund der Anforderungen des Wiener Aufzugsgesetzes war unbedingt erforderlich und konnte allein durch Reparaturmaßnahmen der nunmehrige sicherheitstechnische Standard nicht erreicht werden.

Gegenstand der Beschlussfassung war aus diesem Anlass weiters die Erhöhung des Instandhaltungsfonds um 0,124 EUR auf 0,85 EUR pro Nutzwert und Monat.

Beide Vorinstanzen wiesen die Beschlussanfechtung durch den Antragsteller ab.

Der Antragsteller vermeint in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs einen Widerspruch der Entscheidungen der Vorinstanzen mit der höchstgerichtlichen Entscheidung 5 Ob 116/07f zu erkennen, übersieht dabei aber, dass diese Entscheidung die Durchsetzbarkeit des Individualrechts eines Wohnungseigentümers nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG zum Gegenstand hatte. In dieser Entscheidung ging es darum, zu vermeiden, dass ein einzelner Wohnungseigentümer nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG den anderen Wohnungseigentümern eine „permanente Modernisierung" aufzwingen könne. Deshalb sei dem Erhaltungsbegriff im Kontext des § 3 Abs 1 MRG und § 28 Abs 1 Z 1 WEG ein restriktives Verständnis zu unterlegen, weil das in Frage stehende Individualrecht historisch dem Einzelnen lediglich Abhilfe gegen eine ihm geradezu unzumutbare Untätigkeit der Mehrheit der Wohnungseigentümer bei der Erhaltung des Hauses bieten sollte. Als wesentliches Kriterium für die Durchsetzbarkeit des Individualrechts eines einzelnen Wohnungseigentümers auf Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen sei eben deren Dringlichkeit (vgl 5 Ob 116/07f; 5 Ob 203/07z).

Zufolge § 28 Abs 1 Z 1 WEG obliegt der Mehrheit im Rahmen der ordentlichen Verwaltung die Entscheidung über die Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft iSd § 3 MRG.

Zu Inhalt und Bedeutung des am ortsüblichen Standard zu orientierenden Erhaltungsbegriffs (sogenannter dynamischer oder elastischer Erhaltungsbegriff) liegt eine umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs vor (vgl RIS‑Justiz RS0116139; RS0114109; RS0083171; RS0069971; RS0083121; RS0020937; RS0116998; RS0069944; RS0116055; RS0116140). Demnach gehören auch zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten an bestehenden Anlagen noch zur Erhaltung, selbst wenn es dadurch zu einer vollständigen Erneuerung kommt oder sogar Veränderungen vorgenommen werden (RIS‑Justiz RS0114109). Der dynamische Erhaltungsbegriff gebietet demnach eine Rücksichtnahme auf die Entwicklung der Bautechnik und die zeitgemäße Wohnkultur (5 Ob 289/03s = immolex 2004/160, 312 = MietSlg 56.555). Durch diesen weiten Erhaltungsbegriff ist es insgesamt zu einer Ausdehnung des Bereichs der ordentlichen Verwaltung zu Lasten der außerordentlichen Verwaltung gekommen (vgl 5 Ob 157/02b; 5 Ob 289/03s).

Wenn die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, dass die Anpassung einer Aufzugsanlage, die den technischen und rechtlichen Gegebenheiten der Zeit vor 35 Jahren entspricht, als Erhaltungsmaßnahme in diesem Sinn zu qualifizieren ist, liegt darin jedenfalls keine Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren wäre. Dass es diesfalls auch der Aspekt der Wirtschaftlichkeit gebietet, den heute geltenden Vorschriften, nämlich dem Wiener Aufzugsgesetz zu entsprechen, ist vom dynamischen Erhaltungsbegriff gedeckt.

Selbst wenn man aber mit dem Revisionsrekurswerber davon ausgeht, die Dringlichkeit der Arbeiten sei nicht ausreichend dargetan, es handle sich also in Wahrheit um eine von der Mehrheit beschlossene Verbesserungsmaßnahme iSd § 29 Abs 1 WEG und dabei seien sowohl materielle wie ideelle Interessen des Überstimmten zu beachten (vgl RIS‑Justiz RS0083208), ist kein korrekurbedürftiger Beurteilungsfehler zu erkennen: Nicht jede Beeinträchtigung des Überstimmten, sondern erst eine übermäßige Beeinträchtigung kann ein Begehren auf Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses rechtfertigen (vgl RIS‑Justiz RS0083136). Geringfügige Einschränkungen müssen hingenommen werden, wobei der Antragsteller für eine erhebliche Beeinträchtigung beweispflichtig ist (vgl 5 Ob 157/02b; 5 Ob 296/05y). Auf der Hand liegt eine übermäßige Beeinträchtigung nicht schon dann, wenn die Instandhaltungsrücklage um 0,124 EUR pro Nutzwert monatlich angehoben wird. Eine finanzielle Bedrängnis (vgl 5 Ob 124/99t mwN) lässt sich der Aussage des Antragstellers, er beziehe nur eine geringe Pension und könne sich die Anhebung der Rücklage nicht leisten, nicht ausreichend bestimmt entnehmen.

Bei einer dem Antragsteller wie allen übrigen Miteigentümern zum Vorteil gereichenden Verbesserung, die nicht nur eine bessere Benützbarkeit der Anlage ergibt, sondern auch eine Wertsteigerung der Wohnungseigentumsobjekte bewirkt, verliert eine individuelle Kostenbelastung überhaupt an Gewicht (vgl RIS‑Justiz RS0112139), wovon im vorliegenden Fall angesichts der geringen Kostenbelastung jedenfalls auszugehen ist.

Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt daher keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 61 Abs 1 AußStrG auf.

Er war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 82 Abs 2 WEG 2002 iVm § 37 Abs 3 Z 17 MRG (vgl § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO).

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