OGH 6Ob190/05t

OGH6Ob190/05t16.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, ***** vertreten durch Specht Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, RUS-117420 Moskau, ***** vertreten durch Mag. Marko Szucsich, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 15,131.645 sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 12. Mai 2005, GZ 2 R 42/05v-45, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 9. Dezember 2004 (im Beschluss des Rekursgerichts irrtümlich „9. 2. 2004"), GZ 15 Cg 133/02d-33, bestätigt wurde, sowie über den Ordinationsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 18.812,40 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

II. Der Antrag der klagenden Partei, gemäß § 28 JN ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei Schadenersatz in Höhe von EUR 15,131.645 mit der Begründung, die in Russland ansässige Beklagte habe ihre Pflichten aus einem Depotvertrag gegenüber der Z***** („FP") verletzt, indem sie im Namen von FP registrierte Gasprom-Aktien an Dritte übertragen habe. FP habe die daraus gegenüber der Beklagten entstandenen Ansprüche teilweise an die Klägerin abgetreten.

Zur Zuständigkeit des angerufenen Handelsgerichtes Wien führte die Klägerin aus, die Beklagte habe ein Bankkonto bei der Raiffeisenzentralbank AG mit Sitz in Wien mit der Nummer *****, BLZ 32000, Filiale Am Stadtpark, 1030 Wien. Über dieses Konto würden periodisch Transaktionen in Höhe von US-Dollar 5 Mio bis 10 Mio abgewickelt. Im Zeitpunkt der Klagsführung erliege ein Betrag von etwa US-Dollar 10 Mio auf dem Konto. Damit sei die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gemäß § 99 JN begründet.

Das Erstgericht ordnete die Zustellung der Klage und des Auftrags zur Erstattung der Klagebeantwortung binnen vier Wochen im Rechtshilfeweg über das Bundesministerium für Justiz an. Eine Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke war nicht angeschlossen.

Am 14. 3. 2003 langte beim Erstgericht eine Vollmachtsbekanntgabe des (damaligen) Beklagtenvertreters Dr. Peter Zöllner, Rechtsanwalt in Wien, ein (ON 8). In dieser Eingabe beantragte der Beklagtenvertreter auch, die Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung an ihn zuzustellen. Außerdem führte der Beklagtenvertreter aus, die Klage sei der Beklagten ohne Übersetzung zugestellt worden, was nicht „der Gesetzgebung der russischen Föderation" entspreche. Nach Ansicht der beklagten Partei sei die Zustellung daher nicht gesetzmäßig erfolgt.

Am 18. 3. 2003 langte beim Erstgericht eine am 17. 3. 2003 zur Post gegebene Klagebeantwortung ein. Darin bestritt die beklagte Partei zunächst neuerlich die Wirksamkeit der Zustellung. Hilfsweise wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

In der Klagebeantwortung erhob die beklagte Partei die Einrede des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und der sachlichen Unzuständigkeit. Das Guthaben der beklagten Partei auf dem angeführten Konto betrage maximal US-Dollar 5.000 bis 6.000. Im gegenständlichen Fall gebe es keinerlei Österreich-Bezug. Es sei nicht nachvollziehbar, warum in diesem Fall, in dem ein angeblich abgetretener Anspruch einer Aktiengesellschaft russischen Rechts mit Sitz in Moskau gegen eine zweite Aktiengesellschaft russischen Rechts aus einem nach russischem Recht zu beurteilenden Sachverhalt an ein österreichisches Gericht herangetragen werde, dieses Gericht mit diesem Verfahren „belästigt" werden solle, wenn es Rechtshilfeverträge gebe und damit die Zumutbarkeit der Rechtsverfolgung sichergestellt sei.

Im Übrigen bestritt die beklagte Partei das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach.

Am 28. 1. 2004 (ON 12) langte beim Erstgericht die Erledigung des Rechtshilfeersuchens durch die russischen Behörden ein. Die Erledigung umfasst sechs Seiten in russischer Sprache, wobei nur die Zustellungsurkunde selbst übersetzt ist. Demnach wurden die zuzustellenden Dokumente am 6. Februar 2003 im Bezirksgericht Tscherjomuschki der Stadt Moskau an Sokowin Nikola N*****, der als „Repräsentant" der Beklagten bezeichnet wurde, zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 3. 2. 2004 (ON 14) beantragte die klagende Partei die Fällung eines Versäumungsurteils.

Mit Beschluss vom 30. 1. 2004 (ON 13) trug das Erstgericht der Beklagten die Vorlage eines Kontoauszuges betreffend das angeführte Konto „zum Zeitpunkt der Gerichtsanhängigkeit, das ist der 23. 7. 2002," sowie die Vorlage eines aktuellen Kontoauszugs zur Überprüfung der inländischen Gerichtsbarkeit auf.

Bereits in der Klage beantragte die Klägerin, „unter den sachlich zuständigen Gerichten eines als für diesen Rechtsstreit zuständiges zu bestimmen", sofern sich im Zuge der Zuständigkeitsprüfung herausstellen sollte, dass der Vermögensgerichtsstand gemäß § 99 JN nicht gegeben sei. Die Rechtsverfolgung in der russischen Föderation sei der klagenden Partei nicht zuzumuten. Die A***** sei eine Konzerngesellschaft der RAO G*****. Die RAO G***** bestreite etwa ein Viertel des Budgets der russischen Föderation und verfüge daher über erheblichen politischen und wirtschaftlichen Einfluss in der russischen Föderation. Die beklagte Partei sei die zehntgrößte Bank der russischen Föderation. Behörden und Gerichte der russischen Föderation hätten sich während der letzten Jahre als derartigen Einflüssen gegenüber nicht unabhängig erwiesen.

Mit Schriftsatz vom 14. 4. 2004 (ON 22) ergänzte die klagende Partei ihr Vorbringen zum Ordinationsantrag. Die beklagte Partei verfüge über Vermögen in den Niederlanden und in Ungarn; dort könnte ein Urteil eines österreichischen Gerichts vollstreckt werden. Außerdem sei in der russischen Gerichtsbarkeit Korruption ein weit verbreitetes Phänomen, sodass keinesfalls davon auszugehen sei, erkennende Richter würden sich im Falle einer Prozessführung in Russland einer Einflussnahme der RAO G***** entziehen können. Über das Vermögen der Z***** („FP"), welche einen Teil ihrer Forderung gegen die beklagte Partei an die Klägerin abgetreten hätte, sei rechtswidrig in Russland der Konkurs eröffnet worden. Der eingesetzte Masseverwalter habe mit der Antragstellerin kolludiert und das gesamte Vermögen der FP veräußert, obwohl diese Gesellschaft nicht insolvent gewesen sei.

Mit Schriftsatz vom 25. 5. 2004 (ON 25) sprach sich die beklagte Partei gegen die Ordination aus.

In der Tagsatzung vom 26. 5. 2004 beschloss das Erstgericht die abgesonderte Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede (AS 141).

Die Klägerin berief sich schließlich darauf, dass zum angeführten Konto verschiedene Unterkonten (auch für verschiedene Währungen) existierten und sie die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes auch auf das Vermögen der Beklagten aus Forderungen gegenüber der RZB zu den Kontonummern *****/EUR, *****/USD und ***** stütze (ON 17). Schließlich erklärte die Klägerin, das Klagebegehren für den Fall, dass das angerufene Gericht zur Ansicht gelangte, die inländische Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben, und der Oberste Gerichtshof dem Ordinationsantrag nicht Folge gebe, auf den Betrag von EUR 350.000 sA einzuschränken.

Mit Beschluss vom 9. 12. 2004 (ON 33) sprach das Erstgericht seine Unzuständigkeit aus. Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen betrug das Guthaben der beklagten Partei am Tag der Klagseinbringung (23. 7. 2002) EUR 2.570,38 bzw auf einem anderen Konto US-Dollar 5.947,33. Am 15. 10. 2004 betrugen die betreffenden Guthaben gar nur EUR 199,18 bzw US-Dollar 46,05.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass eine Heilung des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit nach § 104 Abs 3 JN ausgeschlossen sei, weil die Beklagte die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit erhoben habe. Darüber hinaus seien durch die Erhebung der Einrede Zweifel am Vorliegen der Prozessvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit aufgetreten, die auch eine amtswegige Prüfung dieser Prozessvoraussetzung im gegenständlichen Verfahrensstadium vor Prüfung der Rechtzeitigkeit der Klagebeantwortung rechtfertigten (unter Berufung auf Ballon in Fasching I² § 41 JN Rz 3).

Maßgeblich für die Zuständigkeit nach § 99 JN sei der Zeitpunkt des Einlangens der Klage bei Gericht. Das festgestellte Guthaben zu diesem Zeitpunkt stehe angesichts des Streitwertes in keinem angemessenen Verhältnis. Dies gelte auch für die eventualiter vorgenommene Klagseinschränkung. Zu diesem Zeitpunkt hätten die betreffenden Guthaben der Beklagten EUR 237,77 sowie US-Dollar 57,35 betragen, sodass auch in diesem Fall keine angemessene Relation zum Streitwert vorliege.

Im Hinblick auf den eventualiter gestellten Ordinationsantrag habe das Erstgericht nur über die inländische Gerichtsbarkeit entscheiden können, ohne die Zurückweisung der Klage auszusprechen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge. Weiters berichtigte es die Bezeichnung der klagenden Partei auf „G***** GmbH".

Mit der erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1997 habe der Gesetzgeber die Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit novelliert. Damit sei ein gespaltener Begriff der inländischen Gerichtsbarkeit eingeführt worden (unter Berufung auf Matscher in Fasching² Art IX EGJN Rz 12 ff). Nach überwiegender Auffassung der Lehre sei das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit eine absolute, in Fällen prorogabler inländischer Gerichtsbarkeit eine relative Prozessvoraussetzung. Deren Fehlen stelle einen Nichtigkeitsgrund gemäß § 477 Abs 1 Z 3 ZPO dar. Die Prüfung habe von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu erfolgen. Dem Gericht stehe nach der überwiegenden Lehre bei der Prüfung der internationalen Gerichtsbarkeit immer eine materielle Prüfungsbefugnis zu. Lediglich Mayr (Die Reform des internationalen Zivilprozessrechts in Österreich, JBl 2001, 144; derselbe in Rechberger, ZPO² § 42 JN Rz 6) vertrete die Auffassung, es sei mit den Wertungen des Gesetzgebers nicht vereinbar, dass ein materielles Prüfungsrecht bezüglich der internationalen Zuständigkeit häufig auch zu einer materiellen Prüfung der örtlichen Zuständigkeit führe. Ein materielles Prüfungsrecht des Gerichtes bestehe daher nur dann, wenn der Verdacht auf eine unprorogable internationale Unzuständigkeit bestehe.

Nach Auffassung des Rekursgerichtes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber der WGN 1997 keine entsprechende Änderung des § 41 Abs 2 JN vorgenommen hat, dass es nicht der Absicht des Gesetzgebers entsprochen habe, die bis dahin nur für das streitige Verfahren vorgesehene bloße abstrakte Prüfung der Zuständigkeit unter Annahme der Richtigkeit der Klagsangaben auf die Prozessvoraussetzung der prorogablen inländischen Gerichtsbarkeit auszuweiten.

Ungeachtet der Frage, ob die Klagebeantwortung rechtzeitig erstattet worden sei, müsse die von der beklagten Partei erhobene Einrede des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit jedenfalls zu einem umfassenden materiellen Prüfungsrecht des Gerichtes führen, könne es doch zumindest in einem solchen Fall nicht dem Zweck des Gesetzes entsprechen, der Klägerin einen Anspruch auf Fällung eines Versäumungsurteils einzuräumen, das mit dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 3 ZPO behaftet wäre.

Damit sei das Erstgericht zu einer umfassenden amtswegigen Prüfung der inländischen Gerichtsbarkeit berechtigt.

Im Übrigen legte das Rekursgericht eingehend dar, aus welchen Gründen die weiters behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige Tatsachenfeststellung nicht vorlag.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des im Falle einer prorogablen internationalen Zuständigkeit gebotenen Prüfungsmaßstabs nicht vorliege.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass die Zuständigkeit des Erstgerichtes ausgesprochen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben und spricht sich in ihrer Revisionsrekursbeantwortung neuerlich gegen den Ordinationsantrag aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs und der Ordinationsantrag sind nicht berechtigt.

1. Zum Revisionsrekurs:

1.1 Zur Rechtzeitigkeit der Klagebeantwortung

Gemäß § 93 ZPO haben, wenn eine Partei einem Rechtsanwalt Vollmacht erteilt hat, alle diesen Rechtsstreit betreffenden Zustellungen an diesen zu erfolgen. Dabei ist allerdings nach herrschender Auffassung auf den Zeitpunkt der Zustellverfügung abzustellen (Stumvoll in Fasching/Konecny² § 93 ZPO Rz 14). Der Richter ist aber nicht an die Zustellverfügung gebunden und kann diese dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Vollmachtsbekanntgabe erst nach Fassung der Zustellverfügung erfolgt, auf diese noch Rücksicht nehmen (Stumvoll in Fasching/Konecny² § 93 ZPO Rz 14).

Zur vom Erstgericht ohne Übersetzung vorgenommenen Zustellung in die Russische Föderation war Folgendes zu erwägen: Gemäß § 11 Abs 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Die russische Föderation hat erklärt, sich weiterhin an das HPÜ 1954 gebunden zu erachten (vgl BGBl 1993/364; Bajons in Fasching I² Anh B §§ 38 bis 40 JN Rz 267). Mit Notenwechsel vom 15. 6. 1993, BGBl 1994/257, ist zwischen Österreich und der Russischen Föderation ferner geklärt worden, dass der mit der ehemaligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken abgeschlossene Rechtshilfevertrag weiter angewendet wird (Bajons aaO).

Art 2 und 3 des Rechtshilfevertrages (BGBl 1972/112) sehen für den gesamten Rechtshilfeverkehr ausschließlich den diplomatischen Weg vor (Bajons aaO Rz 270). Der Rechtshilfevertrag sieht auch keinerlei Vereinfachung der Zustellung vor (Bajons aaO). Damit richtet sich die Zustellung im Ergebnis nach Art 2 und 3 HPÜ 1954. Demnach ist zwischen der formlosen Zustellung, die nur bei Annahmebereitschaft des Adressaten zulässig ist (Art 2 HPÜ 1954), und der förmlichen Zustellung, die auch gegen den Willen des Empfängers vorgenommen werden darf, zu unterscheiden. Letztere setzt jedoch voraus, dass den Schriftstücken eine Übersetzung angeschlossen ist (Bajons in Fasching I² Anh A §§ 38 bis 40 JN Rz 12).

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, dass es mit einem fair geführten Verfahren im Sinne des Art 6 EMRK unvereinbar wäre, wenn der Empfänger verfahrenseinleitende Schriftstücke unmittelbar durch die Post zugestellt erhält, die nicht in seiner Sprache abgefasst und auch nicht übersetzt sind. Eine derartige Zustellung sei unwirksam (4 Ob 159/98f = SZ 71/102; 10 ObS 347/99y; 10 Ob 99/00g; RIS-Justiz RS0110261). Grundvoraussetzung jeder wirksamen Vertretung sei, dass der Betroffene verstehe, worum es gehe. Daran fehle es, wenn Schriftstücke zugestellt werden, die nicht in der Amtssprache des Zustelllandes abgefasst und auch nicht übersetzt seien (4 Ob 159/98f = SZ 71/0102; 10 ObS 347/99y; 10 Ob 99/00g).

Entgegen der Rechtsansicht der beklagten Partei beziehen sich diese Entscheidungen freilich ausdrücklich nur auf die unmittelbar im Postweg vorgenommene Zustellung. Diese Überlegungen gelten hingegen dann nicht, wenn der Empfänger in Kenntnis seines Annahmeverweigerungsrechts gleichwohl zur Annahme der fremdsprachigen, nicht übersetzten Schriftstücke bereit ist. Bei der Zustellung im Rechtshilfeweg kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass die ausländische Behörde den Empfänger über sein Recht zur Annahmeverweigerung belehrt. Gerade die Ausschaltung der Behörden des Empfangsstaats und die damit verbundene Unmöglichkeit der Belehrung über das Annahmeverweigerungsrecht war in den zitierten Entscheidungen ja tragender Grund dafür, dass die direkte Postzustellung ohne Übersetzung unwirksam ist.

Ob im vorliegenden Fall eine derartige Belehrung der beklagten Partei durch die russischen Behörden stattfand, lässt sich nach der Aktenlage nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilen, weil aus der - allein übersetzten - Zustellurkunde nur Ort und Zeit der physischen Übergabe der zuzustellenden Schriftstücke zu ersehen sind. Allerdings kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob ein allfälliges Unterbleiben der Belehrung des Empfängers über sein Annahmeverweigerungsrecht durch die Behörden des Empfangsstaates die Unwirksamkeit der Zustellung nach sich zieht, weil dem Revisionsrekurs - wie zu zeigen sein wird - aus anderen Erwägungen keine Berechtigung zukommt.

1.2 Zur Zulässigkeit der Zuständigkeitsprüfung:

Zutreffend erkannten bereits die Vorinstanzen, dass das Erstgericht auch im gegenständlichen Verfahrensstadium noch zu einer Prüfung der inländischen Gerichtsbarkeit in der Erscheinungsform der internationalen Zuständigkeit berechtigt war. Zur terminologischen Klarstellung ist freilich darauf zu verweisen, dass es sich hier nicht mehr um eine Zuständigkeitsprüfung a limine handelt. Nur auf eine solche Zuständigkeitsprüfung ist aber § 41 ZPO anwendbar. Nach § 41 Abs 1 JN ist, sobald eine Rechtssache der streitigen oder freiwilligen Gerichtsbarkeit bei einem Gericht anhängig wird, von Amts wegen die Zuständigkeit zu prüfen. Diese sogenannte a limine-Prüfung (vgl Fasching, Lehrbuch² Rz 217; Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht6 Rz 519/1) führt, wenn das Gericht unzuständig ist, zur sofortigen Zurückweisung der Klage, bevor noch die Klage dem Gegner zugestellt wird und die Beantwortung der Klage aufgetragen wird (§ 43 Abs 1 JN). Im vorliegenden Fall hat demgegenüber das Erstgericht bereits den Auftrag zur Klagebeantwortung erteilt, sodass § 41 JN nicht anwendbar ist. Vielmehr handelt es sich um die Prüfung der Prozessvoraussetzungen in einem fortgesetzten Verfahrensstadium im Sinne des § 261 Abs 5 ZPO (vgl dazu G. Kodek in Fasching/Konecny² § 261 Rz 64 ff), sodass das Erstgericht - unabhängig von der Rechtzeitigkeit der Klagebeantwortung - zutreffend vor Fällung der Entscheidung eine Tagsatzung abgehalten hat.

Wegen Unanwendbarkeit des § 41 JN auf den vorliegenden Fall ist auch die Entscheidung 6 Ob 174/02k (= RdW 2003/123) hier nicht aussagekräftig. In dieser Entscheidung sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass die Prüfung der Zuständigkeitsvoraussetzungen des § 93 JN im Hinblick auf die Einführung des § 27a JN durch die WGN 1997 auch dann nach den zuständigkeitsbegründenden Angaben in der Klage erfolge, wenn es um die internationale Zuständigkeit gehe. Lediglich ergänzend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Entscheidung die Zuständigkeitsvoraussetzungen des § 93 JN, und zwar im konkreten Fall die solidarische Haftung der Beklagten, sohin eine sogenannte doppelrelevante Tatsache, betraf. Dies bedeutet, dass die die Zuständigkeit begründenden Tatsachen zugleich Anspruchsvoraussetzungen sind. In einem solchen Fall hat die Entscheidung über die Zuständigkeit nach neuerer Auffassung auch bei rechtzeitiger Einrede des Beklagten nur aufgrund der Klagsbehauptungen zu erfolgen (Ballon in Fasching I² § 41 JN Rz 11; Mayr in Rechberger, ZPO² § 41 JN Rz 4; JBl 1976, 542; JBl 1980, 430 ua). Dies entspricht auch der herrschenden Meinung zum deutschen Recht (Vollkommer in Zöllner, ZPO25 § 12 Rz 14 mwN). Dies ergibt sich schon aus der Erwägung, dass andernfalls das Gericht dann, wenn sich im Zuge des Beweisverfahrens das Nichtvorliegen der doppelrelevanten Tatsachen herausstellt, niemals eine - einer neuerlichen Einklagung entgegenstehende - meritorische Klagsabweisung, sondern stets nur eine Zurückweisung aussprechen könnte (Vollkommer aaO).

Die Zulässigkeit des Aufgreifens der fehlenden internationalen Zuständigkeit hängt im vorliegenden Fall vielmehr ausschließlich davon ab, ob man die internationale Zuständigkeit unter den Begriff der „örtlichen Zuständigkeit" in § 240 ZPO subsumiert. Nach der durch die ZVN 2002 neu gefassten Regelung des § 239 Abs 3 ZPO dient die Klagebeantwortung unter anderem zur Anmeldung der Einreden des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit, der Unzulässigkeit des Rechtsweges, des Fehlens der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit, der Streitanhängigkeit und der rechtskräftig entschiedenen Streitsache sowie des Fehlens sonstiger Prozessvoraussetzungen. Eine Präklusionsfolge ordnet § 240 ZPO jedoch nur für die Einreden der sachlichen oder örtlichen Unzuständigkeit an. Werden diese Einreden nicht in der Klagebeantwortung geltend gemacht, kann deren Fehlen nur noch berücksichtigt werden, wenn das Gericht auch durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien nicht zuständig gemacht werden könnte und die Unzuständigkeit noch nicht geheilt ist.

Nach herrschender Auffassung im Schrifttum hat die WGN 1997 einen gespaltenen Begriff der inländischen Gerichtsbarkeit eingeführt (Matscher in Fasching I² Vor Art IX EGJN Rz 88 und Art IX Rz 12 ff sowie § 27a JN Rz 11; vgl auch Ballon in Fasching I² § 42 JN Rz 13). Demnach gelten die in § 29 zweiter Satz JN und § 42 Abs 2 JN Sanktionen für das Fehlen der inländischen Gerichtsbarkeit sowie die Vorgangsweise nach Art IX Abs 3 EGJN nur für völkergewohnheitsrechtliche oder völkervertragsrechtliche Immunitäten. Für die sonstigen Fälle von inländischer Gerichtsbarkeit aufgrund von Völkervertragsrecht oder - wie im vorliegenden Fall - aufgrund autonomer Normen des inländischen Rechts (hier § 27a JN iVm § 99 JN) gelten demgegenüber nur mehr die allgemeinen Bestimmungen über Prozessvoraussetzungen (vgl dazu Matscher aaO Vor Art IX EGJN Rz 86), mithin auch die Bestimmung des § 240 Abs 3 ZPO (Matscher aaO Rz 86).

In diesen Fällen spricht die neuere Lehre von der „internationalen Zuständigkeit" (Matscher aaO Art IX EGJN Rz 13 und § 27a JN Rz 5). Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der österreichische Gesetzgeber im Sinne einer traditionellen Terminologie den Begriff der „inländischen Gerichtsbarkeit" abgesehen von den angeführten Sonderfällen des § 29 zweiter Satz JN, § 42 Abs 2 JN sowie Art IX Abs 2 EGJN in einem weiteren, auch den Aspekt der internationalen Zuständigkeit umfassenden Sinn versteht.

Damit bildet das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit eine absolute, in Fällen prorogabler inländischer Gerichtsbarkeit, wozu auch der vorliegende Fall zu zählen ist, hingegen eine relative Prozessvoraussetzung (Matscher aaO Art IX EGJN Rz 17; vgl auch Ballon in Fasching I² § 42 JN Rz 13). Wenngleich die inländische Gerichtsbarkeit im Sinne der internationalen Zuständigkeit nach § 27a JN schon dann gegeben ist, wenn die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit erfüllt sind, ergibt sich daraus nach überwiegender Auffassung im Schrifttum keine Einschränkung der gerichtlichen Prüfungsbefugnis. Diese Auffassung wird nicht nur von Matscher (aaO) und Ballon (in Fasching I² § 42 JN Rz 13), sondern auch von Rechberger/Simotta (Zivilprozessrecht6 Rz 520 sowie die Tabelle ebendort Rz 75) vertreten. Demnach kommt dem Gericht insoweit ein materielles Prüfungsrecht zu; es ist also selbst bei der a limine-Prüfung nicht an etwaige Angaben des Klägers in der Klage gebunden.

Die gegenteilige Auffassung wird - soweit ersichtlich - nur von Mayr (Die Reform des internationalen Zivilprozessrechts in Österreich, JBl 2001, 144; derselbe in Rechberger ZPO² § 42 JN Rz 6) vertreten. Demnach sei es mit den Wertungen des Gesetzgebers nicht vereinbar, dass ein materielles Prüfungsrecht bezüglich der internationalen Zuständigkeit häufig zu einer materiellen Prüfung auch der örtlichen Zuständigkeit führe, was mit § 41 Abs 2 JN im Widerspruch stehe.

Dem kann nicht gefolgt werden. Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dann, wenn es der Absicht des Gesetzgebers der WGN 1997 entsprochen hätte, auch für das Vorliegen der Prozessvoraussetzung der internationalen Zuständigkeit nur eine abstrakte Prüfung anhand der Klagsangaben vorzusehen, eine entsprechende Änderung des § 41 Abs 2 JN erfolgt wäre. Gleiches gilt für die durch die ZVN 2002 neu gefasste Bestimmung des § 240 ZPO. Zu diesem Zeitpunkt musste dem Gesetzgeber der Meinungsstreit im Schrifttum bereits bekannt sein. Wenn der Gesetzgeber dessen ungeachtet in den §§ 239, 240 ZPO zwischen der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit einerseits und der inländischen Gerichtsbarkeit andererseits unterscheidet, steht dies einer erweiternden Auslegung der Präklusionsfolge des § 240 ZPO dahingehend, dass auch die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit präkludiert wäre, wenn diese nicht rechtzeitig in der Klagebeantwortung erhoben wird, entgegen.

Dazu kommt, dass die von Mayr vertretene Auffassung zur Folge hätte, dass dem Beklagten weitgehende Handlungslasten auferlegt werden, wenn er vor einem unzuständigen Gericht geklagt wird. Kommt es nämlich nicht zur sofortigen Zurückweisung der Klage in limine litis, müsste der Beklagte - will er eine Präklusion dieser Einwendung und in der Folge eine klagsstattgebende Säumnisentscheidung vermeiden - sich in das Verfahren einlassen und die Unzuständigkeit des Gerichtes im Sinn des § 239 Abs 3 Z 1 ZPO erheben. Die Annahme einer derartigen, vom Wortlaut des § 240 ZPO in keiner Weise geforderten Einlassungslast des Beklagten erscheint jedoch nicht sachgerecht.

Andernfalls hätte es der Kläger zumindest bei den besonderen Gerichtsständen in der Hand, durch Aufstellen entsprechender Behauptungen die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte zu begründen, ohne dass deren Vorliegen einer amtswegigen Überprüfung zugänglich wäre. Während das Gericht nämlich im Regelfall auf die Richtigkeit in der Klage angegebenen Anschrift des Beklagten vertrauen können wird, weil der Kläger üblicherweise kein Interesse an der Anführung einer falschen Anschrift hat (vgl dazu in anderem Zusammenhang Metzler, RZ 1997, 265; G. Kodek in Fasching/Konecny² § 244 ZPO Rz 32), gilt dies für die eine besondere Zuständigkeit im Sinne der §§ 87 ff JN begründenden Umstände nicht. So würde etwa - wie im vorliegenden Fall - bereits die bloße Behauptung des Vorliegens inländischen Vermögens eine amtswegige Überprüfung der internationalen Zuständigkeit ausschließen. Ein derartiges Ergebnis erscheint zur Hintanhaltung der missbräuchlichen Anrufung österreichischer Gerichte und des gebotenen Schutzes der Interessen des Beklagten nicht sachgerecht.

Dem entspricht im Anwendungsbereich der EuGVVO, dass das Gericht, sofern sich der Beklagte nicht in das Verfahren einlässt, von Amts wegen die Zuständigkeit zu prüfen hat (Art 26 EuGVVO). Dies soll dazu dienen, dass sich der Beklagte nicht vor einem unzuständigen ausländischen Gericht einlassen muss, nur um die Unzuständigkeit zu rügen (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8 Art 26 Rz 1).

Im Hinblick auf diese Konzeption des europäischen Zivilprozessrechtes, die trotz der erleichterten Rechtsverteidigung im Gebiet der Europäischen Union Einlassungslasten ausländischer Beklagter bewusst vermeidet, würde es einen Wertungswiderspruch darstellen, wollte man nach autonomem innerstaatlichen Recht Beklagten aus Drittstaaten weitergehende prozessuale Handlungslasten auferlegen. Eine derartige Auslegung stünde zumindest in Extremfällen, nämlich dann, wenn das Gericht angerufen wird, ohne dass irgendein anerkannter Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit vorliegt, auch in Widerspruch zu Art 6 EMRK (vgl Böhm, JBl 1988, 386 [388, Entscheidungsanmerkung]; Bajons, ZfRV 1993, 45 [51]; G. Kodek, ZZPInt 1999, 155 FN 148).

Zusammenfassend ist daher der Beurteilung der Vorinstanzen, dass das Erstgericht im vorliegenden Verfahrensstadium die internationale Zuständigkeit unabhängig von der Rechtzeitigkeit der Klagebeantwortung prüfen konnte, beizutreten.

1.3 Zur Beweislast für die zuständigkeitsbegründenden Umstände:

Die klagende Partei vertritt in ihrem Revisionsrekurs den Standpunkt, die Vorinstanzen seien von einer unzutreffenden Beweislastverteilung ausgegangen. Nicht der Kläger habe das Vorliegen der zuständigkeitsbegründenden Umstände, sondern vielmehr der Beklagte deren Fehlen zu beweisen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung hat grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RIS-Justiz RS0037797; zuletzt 6 Ob 95/04w; aus der Lehre vgl nur Rechberger in Fasching/Konecny² Vor § 266 ZPO Rz 32; Klicka, Die Beweislastverteilung im Zivilverfahrensrecht 47 ff).

Dies gilt auch für prozessuale Tatbestände wie die örtliche Zuständigkeit oder inländische Gerichtsbarkeit (Klicka aaO 93; Rechberger in Fasching/Konecny² Vor § 266 ZPO Rz 37). Klicka begründet dieses Ergebnis zusätzlich mit dem Wortlaut des § 28 JN. Diese Bestimmung sieht die Ordination eines Gerichts durch den OGH auch dann vor, wenn die Zuständigkeitsvoraussetzungen nicht zu ermitteln sind, erfasst daher ausdrücklich auch den non-liquet-Fall. Daraus ist abzuleiten, dass eine Klage bei Zweifel über die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit zurückzuweisen ist (Klicka aaO 93). Die gleichen Erwägungen müssen für die internationale Zuständigkeit gelten.

Besteht - wie im vorliegenden Fall - das als Anknüpfungsmoment für die internationale Zuständigkeit behauptete Vermögen in Forderungen, hat die Rechtsprechung - soweit überblickbar - seit jeher vertreten, dass die Richtigkeit der Forderung erweislich sein muss (JBl 1936, 369). Könne dies nicht erwiesen werden, sei die Forderung nicht als geeignetes Vermögen anzusehen (ebenso Simotta in Fasching I² § 99 JN Rz 51). Demgegenüber treffe den Beklagten die Beweislast für die behauptete mangelnde Einbringlichkeit der Forderung (Simotta aaO; NZ 1931, 240).

Die von den Vorinstanzen getroffene (Negativ-)Feststellung, wonach keine weiteren Konten der Beklagten in Österreich festgestellt werden können, geht daher zu Lasten der klagenden Partei.

Die Würdigung einer allfälligen Verletzung der Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsaufklärung durch eine Partei gehört zum Bereich der Beweiswürdigung und unterliegt daher nicht der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Auf die diesbezüglichen Ausführungen der klagenden Partei ist daher nicht weiter einzugehen.

2. Zum Ordinationsantrag

Entscheidet der Oberste Gerichtshof - wie im vorliegenden Fall - im Zusammenhang mit der Behandlung eines Rechtsmittels über einen Eventualantrag auf Ordination, so ist darüber in der für die Behandlung des Rechtsmittels vorgesehenen Besetzung zu entscheiden (Matscher in Fasching I² § 28 JN Rz 170; vgl 4 Ob 60/98x; 7 Ob 2421/96x; 3 Ob 514/94; 5 Ob 536/88; vgl auch 1 N 4/00 [Entscheidung über Ablehnungsantrag und Ordinationsantrag]).

Entgegen der Rechtsansicht der klagenden Partei kann von einer Unzumutbarkeit der Forderungsverfolgung in der Russischen Föderation keine Rede sein. Gemäß dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen (BGBl 1972/112), das gemäß dem Notenwechsel über die vertraglichen Beziehungen zwischen Österreich und der Russischen Föderation (BGBl 1994/257; Bajons in Fasching I² Anh B §§ 38 - 40 JN Rz 267) weiter anzuwenden ist, haben die Staatsangehörigen jedes der vertragsschließenden Teile auf dem Gebiet des anderen vertragsschließenden Teiles freien Zugang zu den Gerichten und können vor diesen zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses vertragsschließendes Teiles auftreten. Unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit sind sie von der Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit. Diese Vertragsbestimmung schließt die Annahme aus, dass der klagenden Partei die Rechtsverfolgung in der Russischen Föderation nicht möglich oder unzumutbar wäre (5 Nd 501/98; 10 Nd 501/01). Dazu kommt, dass die Russische Föderation die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert hat.

Die von der klagenden Partei vorgelegten Medienberichte über angebliche einzelne Korruptionsfälle vermögen ebensowenig wie die behauptete unrichtige Sachentscheidung in einzelnen Fällen eine generelle Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung in der Russischen Föderation darzutun. Auch der Umstand, dass es sich bei der beklagten Partei um ein großes Konzernunternehmen handelt, reicht hiezu nicht aus. Im Übrigen hat die beklagte Partei bescheinigt, dass der Konzern Gasprom keineswegs in allen Verfahren obsiegt. Schon deshalb kann keine Rede davon sein, dass von vornherein jede Aussicht auf ein faires Verfahren in der Russischen Föderation fehle.

Dazu kommt, dass es sich im vorliegenden Fall um die Forderung einer russischen Aktiengesellschaft gegen eine andere russische Aktiengesellschaft handelt, die voraussichtlich nach russischem Sachrecht zu beurteilen sein wird. Dieser Umstand war der Klägerin zum Zeitpunkt der Abtretung der Forderung zweifellos erkennbar. Bei dieser Sachlage könnten aber nur ganz besondere Umstände die Ordination eines österreichischen Gerichts rechtfertigen, zumal für die beklagte Partei ein Verfahren in Österreich keineswegs belastender wäre als ein Verfahren in der Russischen Föderation für die Klägerin.

Der unbegründete Ordinationsantrag war daher abzuweisen. Über eine allfällige Klagszurückweisung wird das Erstgericht zu entscheiden haben (Matscher in Fasching I² § 28 JN Rz 149 aE).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO. Dabei war keine Umsatzsteuer zuzusprechen. Leistungen eines österreichischen Rechtsanwaltes für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nämlich nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Verzeichnet der österreichische Anwalt im Prozess - kommentarlos - 20 % Umsatzsteuer, so wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen (§ 54 Abs 1 ZPO). Ist die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes - wie im vorliegenden Fall - nicht allgemein bekannt, kann die zu entrichtende ausländische Umsatzsteuer nur zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt wird (RIS-Justiz RS0114955).

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