OGH 7Ob2421/96x

OGH7Ob2421/96x28.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.I.Huber und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Gerwald Schmidberger, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei Dr.Andreas K*****, vertreten durch Dr.Friedrich Bubla und Dr.Gabriele Schubert, Rechtsanwälte in Baden, wegen (eingeschränkt) S 2,500.000,-- sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 28. Oktober 1996, GZ 11 R 176/96y-41, womit der Beschluß des Landesgerichtes Steyr vom 7.Juni 1996, GZ 3 Cg 210/92v-37, teilweise abgeändert wurde, und infolge Ordinationsantrages der klagenden Partei nach § 28 JN folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

2. Der in der Revisionsrekursbeantwortung erhobene Ordinationsantrag der klagenden Partei wird abgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Beklagte beauftragte die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei mit der Abwicklung von Wertpapiergeschäften. Zur Verwahrung angeschaffter Wertpapiere wurde ein anonymes Wertpapierdepot und das Wertpapierbuch mit der Nr. ***** - versehen mit dem Losungswort "Andreas" - eröffnet. Der Beklagte führte diese Geschäfte im Auftrag seines Freundes Russel K***** durch, wobei der Beklagte dieses Auftragsverhältnis gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht offenlegte. Im Herbst 1990 brach der Kontakt zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und dem Beklagten ab. Die Rechtsvorgängerin stellte den auf dem Verrechnungskonto aushaftenden Betrag in der Höhe von S 2,811.087,-- per 7.6.1991 fällig. Russel K***** wurde vom Beklagten über diese Vorgänge informiert und erhielt Mitte 1991 vom Beklagten das eingangs zitierte Wertpapierbuch. Über alle Ansprüche aus diesem Wertpapierbuch kann vom Inhaber dieses Buches nur gegen dessen Vorlage bei der Ausgabestelle und Bekanntgabe des vereinbarten Losungswortes verfügt werden. Im gegenständlichen Wertpapierdepot erliegen derzeit noch 1000 Stück Ibusz-Aktien.

Die klagende Partei begehrte zunächst die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von S 2,811.078,-- samt Zinsen. Zur Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Steyr führte die klagende Partei aus, der Vermögensgerichtsstand des § 99 JN liege vor, weil der Beklagte in Österreich zwar keinen allgemeinen Gerichtsstand habe, sich beim Depot der klagenden Partei, also im Sprengel des Landesgerichtes Steyr, aber ein nicht unbeträchtliches Vermögen des Beklagten (Wertpapiere im Kurswert von S 740.000,--) befände.

In seiner Klagebeantwortung beantragte der Beklagte, die Klage mangels der Prozeßvoraussetzungen der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Zuständigkeit des Landesgerichtes Steyr zurückzuweisen, und führte dazu aus, daß die von der Klägerin angeführten Wertpapiertransaktionen vom Beklagten wohl im eigenen Namen, aber nicht auf eigene Rechnung durchgeführt worden seien. Er habe bereits im September 1990 das auf Inhaber lautende Sparkassen-Wertpapierbuch (im folgenden kurz Wertpapierbuch genannt) seinem Auftraggeber übergeben, weshalb er seit diesem Zeitpunkt über die auf dem Wertpapierdepot liegenden Aktien keine Verfügungsberechtigung mehr gehabt habe. Im übrigen reiche der Wert des im Inland gelegenen Vermögens im Verhältnis zur eingeklagten Forderung zur Begründung des Vermögensgerichtsstandes nicht aus, weil im Zeitpunkt der Klagseinbringung die Aktien lediglich S 500.000,-- wert gewesen seien.

In der Folge stellte die klagende Partei außer Streit, daß der Kurswert des Wertpapierdepots des Beklagten zum Zeitpunkt der Klagseinbringung S 500.000,-- betragen hat, und schränkte gleichzeitig ihr Klagebegehren auf einen Betrag von S 2,5 Millionen samt 11 % Zinsen seit Klagszustellung unter Verzicht auf die S 2,5 Millionen übersteigende Mehrforderung ein.

Das Erstgericht wies die Klage im zweiten Rechtsgang wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Da der Beklagte über die bei der Klägerin erliegenden Wertpapiere (bei Klagseinbringung) nicht mehr verfügungsberechtigt gewesen sei und über kein sonstiges in Österreich befindliches Vermögen verfüge, sei der Gerichtsstand nach § 99 Abs 1 JN nicht gegeben.

Das Rekursgericht gab mit der angefochtenen Entscheidung dem Rekurs der klagenden Partei teilweise Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die vom Beklagten erhobene Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit zurückgewiesen wurde, bestätigte aber im übrigen die erstgerichtliche Entscheidung über die Klagszurückweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Steyr. Es erklärte die Erhebung des Revisionsrekurses für zulässig. Da der Beklagte bei Klagseinbringung nicht mehr über das Wertpapierdepot verfügungsberechtigt gewesen sei, sei es ohne Belang, daß der Wert des im gegenständlichen Fall im Inland erliegenden Vermögens für die Begründung des Gerichtsstandes nach § 99 Abs 1 JN ausreiche und für den gegenständlichen Rechtsstreit auch die erforderliche Inlandsbeziehung vorliege. Das angerufene Erstgericht sei daher örtlich unzuständig. Um den Beklagten zu belangen, müsse sich die Klägerin nach § 28 JN einen inländischen Gerichtsstand durch den Obersten Gerichtshof bestimmen lassen. Die Voraussetzungen hiefür seien gegeben, weil eine ausreichende inländische Nahebeziehung für das gegenständliche Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen bestehe und der Klägerin eine Rechtsverfolgung gegen den Beklagten im Bundesstaat New York unzumutbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Der nur gegen den abändernden Teil dieser Entscheidung vom Beklagten erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig; der von der Klägerin in der Revisionsrekursbeantwortung erhobene Ordinationsantrag nach § 28 JN ist nicht berechtigt.

Im vorliegenden Fall wurde die Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichtes von der Klägerin mangels anderer Zuständigkeitsvoraussetzungen auf die widerlegte Behauptung, der im Ausland lebende Beklagte verfüge im Inland über ein ausreichendes Vermögen, das die Heranziehung des Gerichtsstandes nach § 99 Abs 1 JN erlaube, gestützt. Der Beklagte begründete seine Unzuständigkeitseinrede mit der Behauptung, daß dieser Gerichtsstand mangels ihm zurechenbaren Vermögens im Inland nicht gegeben sei und beantragte deshalb in der Klagebeantwortung, die Klage mangels Vorliegens der Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit bzw der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückzuweisen.

Voraussetzung für eine Klagsführung bei einem österreichischen Prozeßgericht ist entweder das Vorliegen eines auf den Beklagten zutreffenden Zuständigkeitstatbestandes oder, wenn ein solcher nicht vorliegt, die Bestimmung eines österreichischen Gerichtes nach § 28 JN über Antrag des Klägers, bei dem diese Klage einzubringen ist, durch den Obersten Gerichtshof (vgl Mayr in Rechberger ZPO vor § 28 JN Rz 1 mwN). In beiden Fällen muß darüberhinaus noch die inländische Gerichtsbarkeit gegeben sein. Während bei Vorliegen der Voraussetzungen des geltend gemachten Zuständigkeitstatbestandes das angerufene Erstgericht zur Überprüfung dieser Frage vorerst zuständig ist und meritorisch zu überprüfen hat, ob eine ausreichende inländische Nahebeziehung und damit die inländische Gerichtsbarkeit vorliegt (vgl SZ 55/95 = JBl 1983, 541 = ZfRV 1983, 147), ist für die Bestimmung eines österreichischen Gerichtes durch den Obersten Gerichtshof nach § 28 JN das Vorliegen einer ausreichenden Inlandsbeziehung im Sinne der Z 1 und 2 der zitierten Bestimmung Voraussetzung. Besteht eine ausreichende inländische Nahebeziehung und fehlt es an einem inländischen Gerichtsstand, so hat § 28 JN - sofern dessen Voraussetzungen gegeben sind - Abhilfe zu schaffen (vgl Mayr aaO Rz 4 mwN). Die Ordination ist nur für eine bestimmte Rechtssache möglich, dem Antrag ist daher in der Regel die Klage beizulegen (vgl Mayr aaO Rz 7 mwN).

Im vorliegenden Fall ergab sich, daß die Voraussetzungen des § 99 Abs 1 JN beim Beklagten nicht vorliegen und das angerufene Erstgericht daher örtlich unzuständig ist. Die Frage einer hinreichenden inländischen Nahebeziehung zur Überprüfung, ob die inländische Gerichtsbarkeit vorliegt, war mangels einer Anrufbarkeit des Landesgerichtes Steyr daher nicht mehr weiter zu untersuchen. Der Ausspruch des Rekursgerichtes, daß der Einwand des Beklagten der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit zurückgewiesen werde, erweist sich daher als überflüssig. Dem Beklagten fehlt es jedoch an der erforderlichen Beschwer für sein Rechtsmittel, nachdem die wider ihn erhobene Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit nunmehr rechtskräftig zurückgewiesen worden ist und damit seinem Rechtsschutzanspruch vollinhaltlich stattgegeben wurde. Nach ständiger Rechtsprechung und überwiegende Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus, ist es doch nicht Sache der Rechtsmittelinstanz, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Nach Rechtsprechung und herrschender Auffassung muß die Beschwer sowohl bei Einlangen des Rechtsmittels als auch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorliegen; fällt sie nach dem Einlangen des Rechtsmittels weg, dann ist das ursprünglich zulässige Rechtsmittel zurückzuweisen. Im Hinblick auf die Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidungen der Gerichte zweiter Instanz kann das Interesse an der Beseitigung eines Kostenausspruches nicht die für ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof erforderliche Beschwer begründen (vgl Kodek in Rechberger ZPO vor § 461 Rz 9 mwN).

Geht man von einer in Rechtskraft erwachsenen Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Steyr aus - die klagende Partei hat ja diese Entscheidung nicht bekämpft -, so liegt im vorliegenden Fall die für eine Ordination nach § 28 JN erforderliche Klagsschrift nicht vor, weshalb der in der Revisionsrekursbeantwortung erhobene Ordinationsantrag der klagenden Partei schon aus diesem Grund abzuweisen war. Im übrigen liegt aber auch kein Anlaß für eine Ordination vor. Der Beklagte wohnt in New York und verfügt nach der Aktenlage in Österreich über kein Vermögen. Welche Hindernisse einer Klagsführung gegen ihn in New York bestehen und warum ein dort zu erwirkender Titel dort nicht vollstreckbar sein sollte, wurde von der klagenden Partei weder dargetan, noch ist dies einsichtig. Einer Überprüfung der Frage, ob der vorliegende Sachverhalt der inländischen Gerichtsbarkeit zuzuordnen wäre, bedurfte es daher nicht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO. Da die klagende Partei in ihrer Rechtsmittelbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses des Beklagten hinwies, konnten ihr für diesen Schriftsatz keine Kosten zuerkannt werden.

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