Spruch:
Die österreichische Gerichtsbarkeit kann auch durch nicht rechtzeitiges Bestreiten einer Gerichtsstandsvereinbarung begrundet werden, wenn eine hinreichend enge Inlandsbeziehung der Rechtssache besteht; diese Beziehung ist für den Anspruch auf den Werklohn für eine im Inland erbrachte Leistung gegeben
OGH 30. Juni 1982, 1 Ob 581/82 (JBl 1983, 541 (Schwimann, JBl 1984, 9)) (OLG Innsbruck 1 R 222, 223/81; LG Innsbruck 10 Cg 180/81)
Text
Der Kläger begehrt, die in Italien (Südtirol) wohnhaften Beklagten schuldig zu erkennen, ihm die Kosten ausgeführter Zahnbehandlungsarbeiten zu bezahlen, die Erstbeklagte 112 679.50 S samt Anhang, die Zweitbeklagte zur ungeteilten Hand mit der Erstbeklagten 41 254 S samt Anhang. Der Kläger behauptete das Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung gemäß § 88 Abs 1 JN.
Die Beklagten beantragten, die Klage zurückzuweisen, in eventu das Klagebegehren abzuweisen. Sie führten "zu der anläßlich der ersten Tagsatzung erhobenen Unzuständigkeitseinrede" in der Klagebeantwortung aus, daß ein Erfüllungsort für den Anspruch des Klägers iS des § 88 JN nicht vereinbart worden sei. Der Kläger habe eine solche Vereinbarung auch nicht urkundlich nachgewiesen. Im übrigen seien die Arbeiten nicht sachgerecht ausgeführt worden. Der Kläger habe die Behebung der bei der Erstbeklagten aufgetretenen Mängel abgelehnt, so daß sie sich in Behandlung eines anderen Zahnarztes begeben habe müssen. Zufolge der Mängel bestehe die Honorarforderung nicht zu Recht. Die Erstbeklagte machte die Kosten der Mängelbehebung und eine Schmerzensgeldforderung bis zur Höhe des Klagsbetrages einredeweise geltend.
Der Erstrichter sprach mit Beschluß vom 19. 9. 1980 die Nichtigkeit des Verfahrens aus und wies die Klage zurück. Es liege Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit vor, weil die Beklagten keinen Wohnsitz im Inland hätten, die Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes aber auch nicht vereinbart worden sei. Bei der am 19. 9. 1980 zur Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage anberaumten Tagsatzung habe der Kläger keine solche Vereinbarung vorweisen können.
Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs des Klägers Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurück. Das Rekursgericht führte aus, der Entscheidung des Erstrichters wäre dann beizupflichten, wenn davon ausgegangen werden könnte, daß die Beklagten bei der ersten Tagsatzung die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhoben hätten, zumal der Kläger tatsächlich nicht in der Lage gewesen sei, bei der Tagsatzung zur Prüfung der Zuständigkeitsfrage eine Urkunde iS des § 88 Abs. 1 JN vorzulegen. Wenn die Beklagten bei der ersten Tagsatzung die Einrede der örtlichen Zuständigkeit nicht erhoben hätten, könne zu einem späteren Zeitpunkt die Unzuständigkeit des Gerichtes nur mehr insoweit berücksichtigt werden, als es sich um eine durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien nicht zu beseitigende Unzuständigkeit handle. In diesem Falle wäre somit die örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes und damit auch die inländische Gerichtsbarkeit gegeben. Falls beide Parteien entgegengesetzte Behauptungen aufgestellt hätten, und sich das Protokoll über die erste Tagsatzung nicht mehr beschaffen lasse, werde es erforderlich sein, diese wesentliche Frage auf andere Weise zu klären. Der OGH wies den dagegen erhobenen Rekurs mit Beschluß vom 18. 2. 1981, 1 Ob 508/81, als unzulässig zurück.
Nach Ergänzung des Verfahrens wies der Erstrichter die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit zurück und sprach aus, daß die Klagsforderung gegen die Erstbeklagte zu Recht, gegen die Zweitbeklagte nicht zu Recht bestehe; die von der Erstbeklagten eingewendete Gegenforderung wurde als nicht zu Recht bestehend erkannt. Demgemäß wurde die Erstbeklagte schuldig erkannt, dem Kläger den Betrag von 112 679.50 S samt Anhang zu bezahlen. Das gegen die Zweitbeklagte erhobene Klagebegehren wurde abgewiesen. Der Erstrichter führte aus, die vorliegenden Beweisergebnisse ließen nicht die Feststellung zu, daß von den Beklagten in der ersten Tagsatzung die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhoben worden wäre. Demnach sei aber die erst in der Klagebeantwortung erhobene Einrede als verspätet zurückzuweisen. Es sei dann vom Vorliegen inländischer Gerichtsbarkeit auszugehen. In der Sache selbst nahm der Erstrichter als erwiesen an, daß den Auftrag zur Zahnbehandlung nur die Erstbeklagte erteilt habe. Die Arbeiten seien mängelfrei ausgeführt worden. Die im Zeitpunkt der Auftragserteilung nach italienischem Recht bereits volljährige Zweitbeklagte habe keinen Auftrag erteilt; sie hafte daher auch nicht für das Honorar des Klägers.
Das von allen Parteien angerufene Berufungsgericht gab der Berufung der Erstbeklagten, soweit sie sich gegen den Beschluß auf Zurückweisung der Unzuständigkeitseinrede wandte, nicht Folge. Im übrigen hob es das angefochtene Urteil und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Die inländische Gerichtsbarkeit habe grundsätzlich potentiell universalen Charakter. Sie bedürfe keiner positiven Normierung, sondern sei grundsätzlich als gegeben anzunehmen, wenn sie nicht durch Völkerrecht oder durch ausdrückliche Bestimmung der inländischen Rechtsordnung im Einzelfall oder nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ausgeschlossen sei. Nach der neueren Lehre dienten aber die Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm über die örtliche Zuständigkeit auch dazu, die inländische Gerichtsbarkeit abzugrenzen. Dieser Lehre habe sich auch die Judikatur des OGH angeschlossen. Fehle ein örtlicher Zuständigkeitsgrund und sei die Annahme gerechtfertigt, daß diese Lücke gewollt sei, könne ein inländisches Gericht nicht angerufen werden. Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, von gerichtlichen Vergleichen und von Notariatsakten (BGBl. 521/1974) begrunde keinen örtlichen Zuständigkeitsgrund für das Einschreiten eines inländischen Gerichtes. Da im vorliegenden Fall nach der österreichischen Zuständigkeitsordnung eine Anknüpfung für eine inländische Gerichtsbarkeit nicht bestehe, dies aber in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu beachten sei und eine bindende Vorentscheidung dem nicht entgegenstehe, sei gemäß § 42 Abs. 1 JN die Nichtigkeit der Entscheidung und des gesamten vorangegangenen Verfahrens durch Beschluß auszusprechen. Eine schlüssige Unterwerfung unter die inländische Gerichtsbarkeit durch Unterlassung der rechtzeitigen Unzuständigkeitseinrede könne zu keinem anderen Ergebnis führen, weil die inländische Gerichtsbarkeit der Parteienvereinbarung entzogen sei.
Über Rekurs des Klägers hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Berufungsgerichtes insoweit, als das Urteil des Erstgerichtes und das vorangegangene Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen wurde, auf und trug dem Berufungsgericht die neue Entscheidung in der Sache auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Kläger führt zunächst aus, das Oberlandesgericht Innsbruck habe in seinem Aufhebungsbeschluß vom 25. 11. 1980 ausgesprochen, daß für die Frage des Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit von maßgebender Bedeutung sei, ob die Unzuständigkeitseinrede rechtzeitig erhoben worden sei; treffe dies nicht zu, sei die örtliche Zuständigkeit und damit auch die inländische Gerichtsbarkeit zu bejahen. Der angefochtene Beschluß stehe dazu in diametralem Gegensatz, weil nunmehr auch eine schlüssige Unterwerfung unter die inländische Gerichtsbarkeit durch Unterlassung der rechtzeitigen Unzuständigkeitseinrede nicht zur Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit führen soll. Das Oberlandesgericht Innsbruck wäre an seine im ersten Aufhebungsbeschluß geäußerte Rechtsansicht gebunden gewesen.
Es trifft zu, daß das Gericht zweiter Instanz an seine in einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluß geäußerte Rechtsansicht gebunden bleibt (Fasching, Komm. IV 227, 446; 1 Ob 720/81; 1 Ob 239/71 ua.). Ein Verstoß bleibt aber sanktionslos, weil die endgültige Beurteilung der Sache letztlich dem OGH vorbehalten ist, wenn er nach den Prozeßgesetzen noch angerufen werden kann. Der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit kann zwar nicht mehr wahrgenommen werden, wenn dem eine noch bindende gegenteilige Entscheidung eines Gerichts entgegensteht (§ 42 Abs. 3 JN). Bindend ist aber nur eine ausdrückliche, formell rechtskräftige, in derselben Rechtssache in Ansehung des Gründes der Nichtigkeit ergangene Entscheidung (Fasching I 271 f.). Eine solche liegt aber nicht vor, wenn nur ein Aufhebungsbeschluß gefaßt war und sodann die erste und die zweite Instanz die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit nicht übereinstimmend beantworteten. Das Abgehen von einer vom Rechtsmittelgericht überbunden gewesenen und es selbst bindenden Rechtsansicht ändert daran und damit an der Anfechtbarkeit des zweitinstanzlichen Beschlusses nichts.
Das Berufungsgericht ging zunächst zutreffend davon aus, daß die inländische Zuständigkeit nicht aus dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, von gerichtlichen Vergleichen und Notariatsakten, BGBl. 521/1974, abgeleitet werden kann. Die in den Art. 2 bis 5 dieses Abkommens aufgezählten Zuständigkeiten haben nicht die Aufgabe, eine örtliche Zuständigkeit und damit die Gerichtsbarkeit für die Rechtsverfolgung im Inland zu begrunden. Ihnen kommt vielmehr nur die Bedeutung zu, daß bei ihrem Vorliegen die Entscheidung des einen Staates - soweit sie die Zuständigkeitsfrage betrifft - im anderen Staat anerkannt und vollstreckt wird. Diese Zuständigkeitstatbestände spielen demnach bei der Lösung der Frage der inländischen Jurisdiktion im Staat, in dem die Entscheidung gefällt werden soll, keine Rolle (Heller - Berger - Stix, Kommentar 775; Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht 26; Rechberger, Das Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen zwischen Österreich und Italien, ZfRV 1975, 22; Hoyer, ZfRV 1971, 121 und in ZfRV 1979, 280)."
Nach der älteren Rechtsprechung wurde die inländische Gerichtsbarkeit stets dann als gegeben angesehen, wenn sie nicht durch eine Norm des Völkerrechts oder eine autonome Norm des inländischen Rechts ausgeschlossen ist (SZ 23/293; RZ 1970, 100; JBl. 1976, 267). Der Grundsatz der Universalität der inländischen Jurisdiktion wurde auch noch späterhin als völkerrechtlich unbedenklich erkannt (SZ 51/34; ZfRV 1979, 277; Matscher, Zur Funktion und Tragweite der Bestimmung des § 28 JN, FS Schwind 176). Es wurde aber auch schon in der Entscheidung SZ 23/293 hervorgehoben, daß auch bei grundsätzlich zu bejahender inländischer Gerichtsbarkeit die konkrete Möglichkeit der Rechtsverfolgung vor einem inländischen Gericht noch von weiteren Voraussetzungen abhängig sei, so davon, daß der Rechtsweg nicht ausgeschlossen und ein Gericht örtlich zuständig oder in Ermangelung eines örtlichen Zuständigkeitsgrundes eine Ordination gemäß § 28 JN erfolgt sei. Die Universalität der inländischen Jurisdiktion ist jedenfalls nur eine potentielle und eröffnet für sich allein noch keine effektive Klagsmöglichkeit im Inland (Matscher aaO 176; derselbe in Verbesserter Zugang zum Recht, Richterwoche 1979, 85). Diese setzt einen Gerichtsstand im Inland oder eine Ordination gemäß § 28 JN voraus. In der Entscheidung SZ 51/34 und ihr nachfolgenden Entscheidungen wurde auch die in der Entscheidung SZ 23/293 vertretene Ansicht von der potentiellen Universalität der inländischen Gerichtsbarkeit, obwohl dies anscheinend so verstanden wurde (Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht, 23; vgl. auch Fasching, Die Zivilverfahrensnovelle 1981, JBl. 1982, 71), nicht ausdrücklich abgelehnt, sondern nur die Zulässigkeit der Ordination, die nur bei fehlendem inländischem Gerichtsstand in Betracht kommt, eingeschränkt. Ist hingegen ein inländischer Gerichtsstand gegeben, so ist (unter Beachtung der aus dem Völkerrecht sich ergebenden Einschränkungen) auch die inländische Gerichtsbarkeit iS effektiver Entscheidungsbefugnis eines österreichischen Gerichtes grundsätzlich zu bejahen (SZ 51/34; EvBl. 1979/94; ZfRV 1979, 277; ZfRV 1979, 205; SZ 47/64; Pollak, System[2] 250; Sperl 28).
Dieser Rechtsstandpunkt fand nicht ungeteilte Zustimmung. So wird die Meinung vertreten, daß die gesetzlichen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nur vom Gesetz relevierte örtliche Nahebeziehungen enthalten, so daß diese Bestimmungen nur einen gewissen Anhaltspunkt, ein Indiz, für die gesetzgeberischen Vorstellungen über mögliche Inlandsbeziehungen zur Begründung der inländischen Jurisdiktion liefern; daraus habe sich die herrschende "Indikationentheorie" entwickelt, welche die inländische Gerichtsbarkeit (iS der Jurisdiktionsabgrenzung) zunächst als "indiziert" ansehe, wenn ein gesetzlicher Tatbestand der örtlichen Zuständigkeit ("Gerichtsstand") erfüllt ist, aber die weitere Prüfung nicht erspare, ob die durch den vorliegenden Gerichtsstand repräsentierte Inlandsbeziehung auch insgesamt für die Bejahung des inländischen Justizbedürfnisses ausreiche (Schwimann aaO 23 mwN in FN 30); es unterliege keinem Zweifel, daß es inländische Gerichtsstandsvorschriften gebe, deren implizierte Inlandsbeziehung für die Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit nicht ausreiche (Schwimann, ZfRV 1979, 211). So müßten insbesondere örtliche Zuständigkeiten kraft Parteienvereinbarung oder kraft Unterwerfung unbeachtlich bleiben (Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht 23); auch die Anknüpfung eines Gerichtsstandes an den schlichten Aufenthalt rechtfertige nur ausnahmsweise in Notsituationen die Bejahung der inländischen Jurisdiktion (Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht 25). Eine rein faktische Streitgegenstandsbeziehung zum Inland (zB Abschluß des streitgegenständlichen Vertrages im Inland, gesetzlicher Erfüllungsort im Inland) wird auch von anderer Seite für sich allein nicht als ausreichend zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit erachtet, sondern nur in Verbindung mit einem zusätzlichen Element, als welches allerdings der auf Erfüllung im Inland gerichtete Parteiwille (§ 88 Abs. 1 JN) als ausreichend angesehen wurde (Bajons, ZfRV 1972, 111, 115). Vor einer zu weitgehenden Anerkennung der inländischen Gerichtsbarkeit wurde aber gewarnt: Werde im Interesse heimischer Kläger die inländische Gerichtsbarkeit für vermögensrechtliche Prozesse ohne jeden sachlich beklagtenbezogenen österreichischen Anknüpfungspunkt (zB hiesiges Vermögen) in Österreich zugelassen, müsse das früher oder später zur Retorsion im Ausland führen; ein österreichischer Urlauber, der irgendwo eine Differenz mit einem Hotel oder einem Souvenirladen, ein österreichisches Unternehmen, das im Ausland - womöglich in Übersee - ohne Vorliegen irgendeines Vertrages in irgendeine Auseinandersetzung verwickelt worden sei, sie alle könnten sich in keiner Weise mehr dagegen wehren, plötzlich vor einem Gericht des betreffenden Auslandsstaates belangt zu werden, auch wenn sie dort überhaupt keinen Gerichtsstand hätten, die Sprache und womöglich die Schrift des Landes gar nicht beherrschen usw. (Pfersmann, JBl. 1978, 656).
Die Vorinstanzen nahmen an, daß die Beklagten in der ersten Tagsatzung die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit nicht erhoben. Ein inländischer Gerichtsstand iS des § 88 Abs. 1 JN ist daher an sich gegeben. Es ist aber unter Berücksichtigung der dargestellten Bedenken zu prüfen, ob die inländische Gerichtsbarkeit auch durch Unterlassung der Unzuständigkeitseinrede begrundet werden kann. Grundsätzlich ist der Standpunkt aufrecht zu erhalten, daß den völkerrechtlichen und innerstaatlichen Normen über die inländische Gerichtsbarkeit auch die Funktion zukommt, die Schranken für das Tätigwerden inländischer Gerichte zu bestimmen (vgl. Matscher, Verbesserter Zugang zum Recht 86). Soweit die inländische Gerichtsbarkeit durch Normen des Völkerrechts oder des innerstaatlichen Rechts beschränkt wird, ist dies in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen (§ 42 Abs. 1 JN) und, wenn trotzdem eine Entscheidung ergangen ist, auf Antrag der obersten Administrativbehörde sogar noch späterhin (§ 42 Abs. 2 JN) wahrzunehmen. Diese Grenzen der inländischen Gerichtsbarkeit liegen naturgemäß außerhalb der Dispositionsbefugnis der Parteien (SZ 23/293; EvBl. 1979/94). Es können daher Rechtssachen, die der österreichischen Gerichtsbarkeit auf diese Weise entzogen sind, auch nicht durch Vereinbarung der Entscheidungsgewalt eines österreichischen Gerichtes unterworfen werden (Fasching, Kommentar I 506; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen 38; derselbe, Verbesserter Zugang zum Recht 89; SZ 23/293; SZ 48/29; ZfRV 1981, 49 ua.).
Dies muß aber nicht für den übrigen, durch Völkerrechtsnorm oder ausdrückliche innerstaatliche Norm nicht weiter beschränkten Bereich der inländischen Jurisdiktion gelten. So wurde bereits, wenn auch nicht unbekämpft (Matscher, Verbesserter Zugang zum Recht 90), gesagt, daß in diesem Bereich selbst nachträgliche Veränderungen des die Entscheidungsbefugnis des Gerichtes begrundenden Sachverhalts auf die inländische Gerichtsbarkeit ohne Einfluß sind, weshalb der nachträgliche Wegfall eines inländischen Vermögens, das den Gerichtsstand des Vermögens begrundete, die inländische Gerichtsbarkeit iS der Entscheidungsbefugnis des Gerichtes nicht mehr beseitigen könne (SZ 52/60, vgl. Fasching I 225, 228, 478; SZ 11/28). Damit wurde bereits anerkannt, daß bei Prüfung der Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit iS der Befugnis zum Tätigwerden eines inländischen Gerichtes zwischen dem durch Völkerrechtsnorm oder innerstaatliche Norm von der Gerichtsbarkeit ausdrücklich ausgenommenen Bereich und jenem Bereich, der potentiell der Entscheidungsbefugnis eines österreichischen Gerichtes offensteht, unterschieden werden muß (vgl. Bajons, ZfRV 1972, 128; Hoyer, ZfRV 1979, 279). In dem von Ausschlußnormen nicht erfaßten Bereich ist die Begründung der Entscheidungsbefugnis eines inländischen Gerichtes durch Akte der Parteidisposition grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Zu prüfen ist freilich, ob und welche Schranken der Parteidisposition auch in diesem Bereich gesetzt sind. Den Normen über die örtliche Zuständigkeit wird deswegen grundsätzlich gerichtsbarkeitsbegrundende Funktion zuerkannt, weil in ihnen die Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck kommt, daß durch sie eine hinreichend enge Nahebeziehung zum Inland besteht, die ein Tätigwerden des österreichischen Gerichtes als gerechtfertigt erscheinen läßt. Es hieße aber diese Funktion der Zuständigkeitsnormen außer acht lassen, wollte man den Parteien auch die Möglichkeit einräumen, vertraglich oder durch Akte prozessualer Disposition wie insbesondere durch Unterlassung der rechtzeitigen Erhebung der Unzuständigkeitseinrede die Entscheidungspflicht des inländischen Gerichtes auch dann begrunden zu können, wenn eine solche Nahebeziehung zum Inland fehlt. Es wird auch als völkergewohnheitsrechtlicher Grundsatz anerkannt, daß kein Staat ein Verfahren in einem Fall durchführen darf, der jeder inländischen Anknüpfung entbehrt (Verschraegen, ZfRV 1981, 22 mit Zitat Fischer - Köck, Allgemeines Völkerrecht 112). Danach ist nach Auffassung des erkennenden Senates auch zu beurteilen, welche Schranken der inländischen Gerichtsbarkeit gesetzt sind. Daran hält sich auch die neuere Judikatur zu § 28 JN, die richtig dahin verstanden wurde, daß ohne jeden Inlandsbezug vor einem österreichischen Gericht nicht geklagt werden kann (Verschraegen aaO 23). Besteht eine ausreichende inländische Nahebeziehung, fehlt es aber an einem inländischen Gerichtsstand, hat § 28 JN Abhilfe zu schaffen; ist hingegen ein inländischer Gerichtsstand gegeben, fehlt es aber an einer hinreichenden inländischen Anknüpfung, ist trotzdem die inländische Gerichtsbarkeit zu verneinen.
Der OGH erblickte allerdings in der Erbringung einer Leistung im Inland noch keine hinreichende Nahebeziehung, um für die Klage auf Leistung des Entgelts gemäß § 28 JN ein österreichisches Gericht als örtlich zuständig zu bestimmen (SZ 51/34; vgl. auch ZfRV 1981, 49). Es ist aber in der Frage der Intensität der erforderlichen Inlandsbeziehung zwischen dem Fall, daß eine nicht gegebene örtliche Zuständigkeit durch Ordination gemäß § 28 JN ersetzt und die Prozeßführung im Inland dem Beklagten aufgezwungen wird, und den Fällen der Begründung der Zuständigkeit durch Parteienvereinbarung (§§ 88, 104 Abs. 1 JN) bzw. Akten prozessualer Disposition wie insbesondere rügeloser Einlassung in den Rechtsstreit zu unterscheiden. Im ersten Fall müssen ganz besondere Umstände vorliegen, die die Rechtsverfolgung im Inland rechtfertigen. Auch in den anderen Fällen können Akte der Parteidisposition die fehlende Inlandsbeziehung nicht ersetzen, an diese können jedoch geringere Anforderungen gestellt werden. Damit wird immer noch hinlänglich den Bedenken Pfersmanns, JBl. 1978, 656, gegen eine unangemessene Ausdehnung inländischer Gerichtsbarkeit Rechnung getragen, weil Bedenken wohl nur in geringerem Maße bestehen können, wenn die Parteien selbst die Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes vereinbarten oder im Prozeß Abwehrmöglichkeiten nicht nützen. Da die Beklagten im Prozeß von Anfang an und damit zeitgerecht rechtsfreundlich vertreten waren, ist im vorliegenden Fall auf das Problem, daß ausländischen Beklagten allenfalls die Möglichkeit der Wahrnehmung effektiven Rechtsschutzes nicht oder nur in unzulänglichem Maße zu Gebote steht, nicht einzugehen.
Für vermögensrechtliche Streitigkeiten ist die (potentielle) inländische Gerichtsbarkeit durch Völkerrechts- oder innerstaatliche Rechtsnorm nicht eingeschränkt (Fasching, Kommentar I 506). Der Kläger hat nach seinen Behauptungen Leistungen aus einem mit den Beklagten abgeschlossenen, von ihm in Österreich erfüllten und auch nur dort erfüllbaren Werkvertrag erbracht und macht gegen die Beklagten Ansprüche auf die Gegenleistung geltend. Es besteht demnach eine hinreichend enge Inlandsbeziehung des gegen die Beklagten erhobenen Anspruchs, um die inländische Gerichtsbarkeit nicht grundsätzlich verneinen zu müssen. Unter diesen Umständen kommt der Unterlassung der rechtzeitigen Erhebung der Unzuständigkeitseinrede die Bedeutung der Begründung der Entscheidungsbefugnis des angerufenen Gerichtes zu. Daß dieses Ergebnis auch nicht der Absicht der beteiligten Staaten bei Abschluß des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik, BGBl. 521/1974, widerspricht, ergibt sich aus Art. 5 Z 6 des Abkommens, der die Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem die Entscheidung gefällt worden ist, vorsieht, wenn sich der Beklagte in die Sache selbst eingelassen hat, ohne die Zuständigkeit des Gerichtes bestritten zu haben.
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