Normen
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm ArtIX
JN §1
JN §29
JN §42
JN §99
ZPO §235
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm ArtIX
JN §1
JN §29
JN §42
JN §99
ZPO §235
Spruch:
Nach der Klagserhebung erfolgter Wegfall inländischen Vermögens eines Beklagten, der seinen Wohnsitz im Ausland hat, steht der Zulassung einer Klagsänderung nichts entgegen
OGH 18. April 1979, 1 Ob 516/79 (OLG Wien 18 R 2012/78; LGZ Wien 39 f Cg 51/78)
Text
Der Kläger behauptete, der Beklagte habe ihn in einer Pressekonferenz dadurch grob fahrlässig der Vernachlässigung seiner Sorgfaltspflichten als Ingenieurkonsulent für Bauwesen bezichtigt, daß er (über die Mängel des W Baues) wörtlich erklärt habe: "Die Konstruktionsberechnungen waren in Ordnung, nur wurde nicht alles berechnet, was zu berechnen war." Dadurch sei ihm ein fast zugesprochener Auftrag mit einer Honorarsumme von 1 000 000 S entgangen; er begehre aus dem Titel des Schadenersatzes vom Beklagten Zahlung dieses Betrages.
Zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes brachte der Kläger vor, daß der Beklagte auf Grund seiner Gutachtertätigkeit in Österreich Honorarforderungen gegen die Stadt Wien habe (§ 99 JN).
Nach Zustellung der Klage an den in der Schweiz wohnhaften Beklagten überreichte der Kläger einen Schriftsatz, in dem er vorbrachte, daß die vom Beklagten in seinem Expertenbericht behaupteten Konstruktionsfehler nicht vorlägen. Er habe zur Widerlegung der Behauptungen des Beklagten umfangreiche Arbeiten, insbesondere kostspielige Versuche mit einem Gesamtaufwand von 1 059 121 S vornehmen müssen. Der Kläger änderte den Klagsgrund seines bisher auf den Entgang eines Auftrages gestützten Klagebegehrens dahin gehend, daß er den durch den Beklagten verschuldeten Aufwand von 1 059 121 S ersetzt verlange.
In der ersten Tagsatzung erklärte der beklagte, "sich nicht vorbehaltlos in den Rechtsstreit einzulassen" und wendete im Hinblick auf die Bestimmungen des Vollstreckungsvertrages zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, BGBl. 125/1962, die mangelnde inländische Gerichtsbarkeit und die Unzuständigkeit des Prozeßgerichtes mit der Begründung ein, daß der Vermögensgerichtsstand nicht gegeben erscheine, und sprach sich gegen die Klagsänderung aus.
In der Klagebeantwortung führte er hiezu noch aus, daß er wohl im Zeitpunkt der Einbringung der Klage, nicht aber im Zeitpunkt ihrer Zustellung und auch nicht im Zeitpunkt der Zustellung des Schriftsatzes mit der Klagsänderung (27. April 1978) Vermögen in Österreich besessen habe.
Das Erstgericht verhandelte und entschied über die Prozeßeinreden und die Zulassung der Klagsänderung abgesondert (§ 261 Abs. 2 und 4 ZPO), verwarf die Einreden der "Unzulässigkeit des Rechtsweges" sowie der "Unzuständigkeit des Gerichtes" und ließ die Klagsänderung vom 19. April 1978 zu. Es war der Ansicht, daß es unerheblich sei, ob die Entscheidung in diesem Rechtsstreit allenfalls in der Schweiz vollstreckbar werden könne; sie sei jedenfalls in Österreich vollstreckbar, weshalb schon aus diesem Grund die inländische Gerichtsbarkeit gegeben sei. Auch der Gerichtsstand des Vermögens liege im Hinblick auf das Zugeständnis des Beklagten, bei Klagseinbringung Forderungen gegen die Stadt Wien besessen zu haben, vor. Dieser Gerichtsstand bleibe aufrecht, auch wenn die inländische Forderung des Beklagten bei Zustellung der Klage aus irgendeinem Grund bereits erloschen sei.
Die noch vor der ersten Tagsatzung vorgekommene Klagsänderung sei zuzulassen gewesen, weil aus der Änderung keine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung zu besorgen sei. Es müsse daher nicht untersucht werden, ob überhaupt eine Änderung des Klagsgrundes vorliege, da ja die Behauptungen über das den Klagsgrund bildende angeblich schädigende Verhalten des Beklagten unverändert geblieben seien.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge, hob den erstgerichtlichen Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, daß die einschlägigen Bestimmungen des Vollstreckungsvertrages zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, BGBl. 125/1962, der inländischen Gerichtsbarkeit nicht entgegenstunden, da darin nur die Voraussetzungen für die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen geregelt würden. Die inländische Gerichtsbarkeit, also die Entscheidungsgewalt österreichischer Gerichte, sei unabhängig davon gegeben, ob die Entscheidungen des inländischen Gerichtes später im Ausland anerkannt würden, wenn für den geltend gemachten Anspruch eine inländische Zuständigkeitsnorm bestehe. Es sei auch richtig, daß zur Begründung des Gerichtsstandes des § 99 JN das Vorliegen eines Vermögens im Zeitpunkt der Einbringung der Klage genüge und ein späterer Wegfall dieses Vermögens, selbst wenn durch den Fortfall des Vermögensgerichtsstandes die Möglichkeit der Anhängigmachung des Anspruches im Inland überhaupt wegfalle, diesen Gerichtsstand nicht mehr beseitige.
Es müsse aber berücksichtigt werden, daß in der vorgenommenen Klagsänderung - der Kläger stütze sich nicht mehr auf die Äußerung des Beklagten in einer Pressekonferenz, sondern auf dessen Expertenbericht - eine neue Klage zu erblicken sei, für die im Hinblick darauf, daß sie gemäß § 235 Abs.1 ZPO nur zulässig sei, wenn die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes nicht ausgeschlossen werde, das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen gefordert werden müsse. Dies habe zur Folge, daß die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Gerichtsstandes nach § 99 JN (als Anknüpfungspunkt) für die inländische Gerichtsbarkeit) nicht nach dem Zeitpunkt sei aber das Vorliegen eines in Österreich befindlichen Vermögens des Beklagten bestritten, so daß das Erstgericht diese - vom Kläger zu beweisenden - Zuständigkeitsvoraussetzungen zu prüfen haben werde.
Das Erstgericht werde im Rahmen seiner Prozeßleistungspflicht auch auf Klarstellung zu dringen haben, ob der Beklagte seine Prozeßeinreden gegen die ursprüngliche oder die geänderte Klage oder gegen beide Klagen erhebe. Die Entscheidung des Erstgerichtes könnte sich, wenn sie als solche über die Prozeßeinreden hinsichtlich der ursprünglichen Klage gemeint gewesen sei, als verfrüht erweisen, weil es auf deren Prozeßvoraussetzungen (noch) nicht ankomme.
Über den Revisionsrekurs der Kläger stellte der Oberste Gerichtshof in Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichtes den Beschluß des Erstgerichtes mit der Maßgabe wieder her, daß es im Spruch richtig "mangelnde inländische Gerichtsbarkeit" statt "Unzulässigkeit des Rechtsweges" zu lauten hat.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Ansicht des Klägers, er habe keine Klagsänderung im Sinne des § 235 ZPO vorgenommen, kann nicht gefolgt werden. Der Kläger stützte zwar seine Schadenersatzansprüche dem Gründe nach weiterhin auf die Behauptung, der Beklagte habe grob fahrlässig erwerbsschädigende Äußerungen vorgebracht, legte jedoch der Berechnung des ihm hiedurch erwachsenen Schadens einen völlig neuen Sachverhalt zugrunde, indem er an Stelle von 1 000 000 S wegen Entgangs eines Auftrages einen aus ganz anderen Schuldposten zusammengesetzten Betrag von 1 059 121 S als jenen Aufwand begehre, den er zur Widerlegung der unrichtigen Behauptungen des Beklagten habe aufwenden müssen. Der Kläger hat damit nicht nur sein Begehren erweitert, sondern auch - jedenfalls teilweise - den diesem zugrunde liegenden rechtserzeugenden Sachverhalt geändert (vgl. JBl. 1975, 549 u. v. a.), so daß das Rekursgericht in seiner rechtlichen Beurteilung zutreffend eine Klagsänderung im Sinne des § 235 Abs. 1 ZPO angenommen hat.
Der Meinung des Rekursgerichtes, daß wegen der Änderung der Klage die Voraussetzungen des Vermögensgerichtsstandes nach § 99 JN unter Abstellung auf den Zeitpunkt der Klagsänderung neuerlich zu prüfen seien, kann gefolgt werden.
Auch das Rekursgericht ist zunächst im Einklang mit der Lehre (Fasching I, 478) und der Rechtsprechung (SZ 11/28; 7 Ob 91/63; 6 Ob 13/65, EvBl. 1965/186; JBl. 1975, 101; zuletzt 7 Ob 745/77) davon ausgegangen, daß das für den Gerichtsstand nach § 99 JN maßgebende Vermögen im Zeitpunkte der Anhängigmachung der Klage (§ 29 JN) vorhanden sein müsse und eine nachträgliche Änderung oder der Wegfall des Vermögens diesen Gerichtsstand nicht mehr beseitige, selbst wenn durch den Fortfall des Vermögensgerichtsstandes die Möglichkeit der Anhängigmachung des Anspruches im Inland wegfalle. Die Bestimmung des § 99 JN regelt nämlich lediglich die Zuständigkeit, wenn sie auch häufig die Voraussetzung für die Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit in vermögensrechtlichen Streitigkeiten bildet. Der Fortfall eines inländischen Vermögens, das den Gerichtsstand des Vermögens begrundet hat, kann daher die einmal begrundete Zuständigkeit eines bestimmten inländischen Gerichtes nicht mehr beseitigen und auch nicht mehr nachträglich den daraus abgeleiteten Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit begrunden (Fasching I, 225 und 478; SZ 11/28).
Nun ist zwar eine Klagsänderung, durch welche die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes ausgeschlossen wird, gemäß § 235 Abs. 1 ZPO unzulässig. Hiedurch wird aber der Grundsatz der Fortdauer der einmal begrundeten Zuständigkeit nicht durchbrochen. § 235 Abs. 1 ZPO stellt auf Klagsansprüche ab, die (örtlich oder sachlich) an sich vor ein anderes Gericht gehören, nicht aber auf Verändrungen der örtlichen Zuständigkeit (etwa wegen Wohnsitzwechsels oder Wegfall eines inländischen Vermögens zwischen Klagseinbringung und Klagsänderung). Die mit der Klagserhebung begrundete örtliche Zuständigkeit geht also, wenn nur das angerufene Gericht im Zeitpunkt der Klagserhebung auch für den geänderten Anspruch zuständig gewesen wäre, mit der Klagsänderung nicht verloren. Kann der neue bisherige unterstellt werden, so ist nicht zu prüfen, ob deren Voraussetzungen auch noch im Moment der Klagsänderung vorhanden waren.
Dies ist auch der Standpunkt der Lehre: Pollak (System[2], 402) hält eine Klagsänderung für zulässig, wenn die sachliche und örtliche Zuständigkeit für den geänderten Anspruch auch dann gegeben wäre, wenn er schon in der Klage erhoben worden wäre. Nach Fasching (I, 226 f.) schränkt § 235 Abs. 1 ZPO nur die möglichen nachträglichen Änderungen der Zuständigkeitsvoraussetzungen ein, ohne aber daran eine Änderung der Zuständigkeit der bereits anhängigen Sache zu knüpfen. Die Einschränkungen, die § 29 JN durch § 235 Abs. 1 ZPO erfährt, betreffen nach Fasching überhaupt nur die sachliche Zuständigen, während bei der örtlichen Zuständigkeit der Grundsatz der perpetuatio fori konsequent verwirklicht sei (I, 225). Dem steht allerdings entgegen, daß § 235 Abs. 1 ZPO - anders als § 236 Abs. 2 ZPO - nicht nur von der sachlichen Zuständigkeit, sondern von der Zuständigkeit schlechthin spricht, und durchaus Fälle denkbar sind, in denen sich die Klagsänderung auch auf die örtliche Zuständigkeit auswirkt, etwa wenn eine Klage bisher auf einen ausschließlichen Gerichtsstand gestützt wurde, dies aber infolge Klagsänderung nicht mehr möglich ist.
Im gegenständlichen Fall ist aber durch die Änderung der Klage die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes weder sachlich noch örtlich ausgeschlossen worden, weil es im Zeitpunkt der Klagserhebung auch für den geänderten Anspruch zuständig gewesen wäre. Träfe die Ansicht des Rekursgerichtes zu, so könnte etwa gegen einen beim allgemeinen Gerichtsstand belangten Beklagten, der nach Klagseinbringung verzogen ist, niemals eine Klagsänderung durchgesetzt werden. Der allfällige Wegfall des inländischen Vermögens nach der Klagserhebung steht daher der Bewilligung der Klagsänderung nicht entgegen.
Die Frage, ob die Prozeßvoraussetzungen der inländischen Gerichtsbarkeit im Hinblick auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, BGBl. 125/1962, über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen zu bejahen seien, haben die Parteien nicht mehr aufgeworfen, so daß es genügt, hiezu auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes zu verweisen.
Angesichts des Verfahrensstandes ist an der Zweckmäßigkeit der Zulassung der Klagsänderung (§ 235 Abs. 3 ZPO) nicht zu zweifeln.
Ungeachtet der aufhebenden Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz war der OGH im Rekursverfahren in der Lage, in der Sache selbst zu erkennen (SZ 47/126; SZ 45/51; JBl. 1969, 42 u. a.). Der erstgerichtliche Beschluß war daher mit der Maßgabe wiederherzustellen, daß es im Spruch richtig "mangelnde inländische Gerichtsbarkeit" statt "Unzulässigkeit des Rechtsweges" zu lauten hat.
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