Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 1. 6. 1979 verstarb Mujaga M*****, der Vater des Klägers, bei einem Unfall. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 6. 11. 1979 wurde dieser Unfall als Arbeitsunfall anerkannt und Hafija M*****, der Witwe nach dem Versicherten und Mutter des Klägers, ab 1. 6. 1979 eine Witwenrente sowie den sechs hinterlassenen Kindern des Versicherten, darunter auch dem am 9. 3. 1972 geborenen Kläger, ab 1. 6. 1979 Waisenrenten zuerkannt. Der Kläger ist bosnisch-herzegowinischer Staatsbürger und lebt bei seiner Mutter in Bosnien-Herzegowina. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 6. 3. 1990 wurde die Waisenrente für den Kläger ab 1. 4. 1990 wegen Schul- und Berufsausbildung auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres weitergewährt. Mit weiterem Bescheid vom 4. 8. 1998 wurde dem Kläger die nach Vollendung des 18. Lebensjahres zuerkannte Waisenrente wegen Beendigung der Schulausbildung ab 1. 7. 1991 wieder entzogen. Am 8. 9. 1998 beantragte die Mutter des Klägers die Weitergewährung der "Waisenpension" an den Kläger, weil er sich in Schulausbildung befinde. Mit Schreiben vom 24. 10. 1998 gab sie der beklagten Partei bekannt, dass der Kläger im Jahr 1991 eine für Behinderte geeignete Schule abgeschlossen habe, jedoch wegen Arbeitsunfähigkeit keiner Arbeit nachgehe. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 15. 12. 1998 wurde die Zuerkennung einer Waisenrente an den Kläger ab 1. 7. 1991 mit der Begründung abgewiesen, dass keine Erwerbsunfähigkeit infolge Krankheit oder Gebrechen vorliege.
Gegen den letztgenannten Bescheid richtet sich die von der Mutter des Klägers namens ihres Sohnes fristgerecht erhobene Klage mit dem Begehren auf Weiterzahlung der Leistungen für den behinderten und erwerbsunfähigen Kläger. Nach Einlangen der Klagebeantwortung der beklagten Partei erteilte das Erstgericht der Mutter des Klägers und dem Kläger mit Beschluss vom 8. 2. 1999 den Auftrag, binnen 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses eine vom Kläger unterfertigte Vollmacht vorzulegen, aus der sich die Berechtigung zur Geltendmachung der gegenständlichen Ansprüche ergebe. Bei Nichtvorlage der Vollmacht würde die Klage zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde ohne Anschluss einer Übersetzung in die bosnische (oder eine andere als die deutsche) Sprache sowohl der Mutter als auch dem Kläger jeweils am 15. 2. 1999 mit internationalem Rückschein an ihrem Wohnsitz in Bosnien-Herzegowina zugestellt. Mit Beschluss vom 11. 3. 1999 (ON 3) wies das Erstgericht die Klage mit der Begründung zurück, dass weder eine Vollmacht noch eine andere Urkunde, aus welcher sich die Berechtigung der Einschreiterin, den Kläger zu vertreten, ergebe, vorgelegt worden sei. Mit Eingabe vom 28. 4. 1999 (ON 4) legte die Mutter des Klägers eine vom Gemeindegericht Bihac am 26. 4. 1999 beglaubigte Vollmacht des Klägers vor.
Das Rekursgericht gab dem auf die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Rekurs des Klägers gegen den Zurückweisungsbeschluss nicht Folge und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Der mangelnde Nachweis der Bevollmächtigung sei ein Formgebrechen, das zu Recht zur Einleitung des Verbesserungsverfahren geführt habe. Verbesserungsfristen seien im Sinne der Verfahrensökonomie möglichst kurz zu halten. Die hier erteilte Frist sei angemessen gewesen, weil eine Beglaubigung der Vollmacht nicht erforderlich gewesen sei. Die Behauptung, die Mutter des Klägers sei nach bosnischem Personenrecht die gesetzliche Vertreterin des Klägers, verstoße gegen das auch in Sozialrechtssachen geltende Neuerungsverbot. Im Übrigen sei eine nach bosnischem Recht erforderliche Gerichtsentscheidung über eine Verlängerung der Elternrechte über die Volljährigkeit des Klägers hinaus gar nicht behauptet worden. Der Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gründe sich auf § 47 Abs 2 ASGG; die richtige Vorgangsweise bei Fristversäumnis durch einen im Ausland wohnenden Ausländer bedürfe der höchstgerichtlichen Klärung.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Erstgericht die Durchführung des weiteren Verfahrens aufgetragen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsrekursbeantwortung.
Die Rekursbeschränkungen des § 528 Abs 1, Abs 2 Z 1, 1a und 2, Abs 2a ZPO sind in Arbeits- und Sozialrechtssachen nicht anzuwenden (§ 47 Abs 1 ASGG). Der Revisionsrekurs ist in einem Verfahren nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässig (§ 47 Abs 2 ASGG). Ein Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses hat im Verfahren nach § 46 Abs 3 ASGG zu unterbleiben (§ 45 Abs 3 ASGG). Es kommt sohin auf eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht an (Kuderna, ASSG2 288; 10 ObS 231/98p = ÖJZ-LSK 1999/37). Der Revisionsrekurs ist daher schon deshalb zulässig; er ist im Übrigen auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Bevollmächtigte - soweit es sich nicht um Rechtsanwälte oder Notare handelt, bei denen die Berufung auf die erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt (§ 30 Abs 2 ZPO) - haben bei der ersten von ihnen in einer Streitsache vorgenommenen Prozesshandlung ihre Bevollmächtigung durch eine Urkunde (Vollmacht) darzutun, welche in Urschrift oder beglaubigter Abschrift vorzulegen ist und bei Gericht zurückbehalten werden kann. Geschieht dies mit einer Privaturkunde und entstehen gegen deren Echtheit Bedenken, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen eine gerichtliche oder notarielle Beglaubigung der Unterschrift anordnen (§ 30 Abs 1 ZPO). Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht in jeder Lage des Rechtstreites zu berücksichtigen (§ 37 Abs 1 ZPO). Das Fehlen der (erforderlichen) Vollmacht zählt zu jenen Formgebrechen, die geeignet sind, die ordnungsmäßige geschäftliche Behandlung der Klage zu hindern (Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht5 Rz 522; Gitschthaler in Rechberger, ZPO2 Rz 7 zu §§ 84 f). Wird die Vollmachtsvorlage unterlassen, dann hat das Gericht bei Schriftsätzen eine Frist zum Nachweis der Vollmacht zu setzen, nach deren ungenütztem Ablauf der Schriftsatz zurückzuweisen ist (Fasching II 263). Der Partei ist auf möglichst einfache Art Gelegenheit zur Verbesserung zu geben (§ 59 GeO; Fasching Lehrbuch2 Rz 515). Es ist dem Ermessen des Gerichtes überlassen, in welcher Weise es die Verbesserung eines Formgebrechens aufträgt (Gitschthaler aaO Rz 22 zu §§ 84 f mwN). Der Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes erging daher zu Recht.
Die gesetzlichen Vertreter solcher Parteien, welchen die Prozessfähigkeit mangelt, haben ihre Vertretungsbefugnis und die im einzelnen Falle etwa noch nötige besondere Ermächtigung zur Prozessführung, soweit nicht beides bei Gericht offenkundig ist, bei der ersten Prozesshandlung, welche sie vor Gericht vornehmen (§ 4 Abs 1 ZPO) urkundlich nachzuweisen. Bei der Vertretungsbefugnis des gesetzlichen Vertreters wird ein urkundlicher Nachweis insbesondere dort zu fordern sein, wo Zweifel über die Vertretungsbefugnis auftauchen (Fasching II 146; Fucik in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 4). Der Vertreter hat seine Vertreterstellung klarzustellen (RIS-Justiz RS0035640); von einem gesetzlichen Vertreter muss daher gefordert werden, dass er dem Gericht seine Stellung als gesetzlicher Vertreter offenlegt. Dies ist bisher nicht geschehen. Dass die Mutter des bei Klageeinbringung bereits 26jährigen Klägers dessen gesetzliche Vertreterin sei (bzw sein könnte), war aus der Klage nicht erkennbar. Die bloße Behauptung einer zur Erwerbsunfähigkeit führenden, bisher nicht näher bekannten Behinderung begründet nicht zwingend das Fehlen der Prozessfähigkeit.
Gemäß § 11 Abs 1 ZustG - die Ausnahmefälle der Abs 2 und 3 leg cit liegen hier nicht vor - sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen. Bosnien-Herzegowina (BGBl 1994/10) ist ebenso wie Österreich (BGBl 1957/91) Vertragsstaat des Übereinkommens vom 1. März 1954, betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, BGBl 1957/91 (Haager Prozessübereinkommen 1954, im folgenden kurz HPÜ; Duchek/Schütz/Tarko, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtssachen2 146):
Gemäß Art 1 HPÜ erfolgt innerhalb der Vertragsstaaten die Zustellung von Schriftstücken, die für eine im Ausland befindliche Person bestimmt sind, auf Begehren des Konsuls des ersuchenden Staates, wobei aber zwei Vertragsstaaten auch den unmittelbaren Verkehr zwischen den beiderseitigen Behörden vereinbaren können.
Ist das zuzustellende Schriftstück in der Sprache der ersuchten Behörde oder in der zwischen den beiden beteiligten Staaten vereinbarten Sprache abgefasst oder mit einer Übersetzung in eine dieser Sprachen versehen, so lässt die ersuchte Behörde, falls in dem Begehren ein dahingehender Wunsch ausgesprochen ist, das Schriftstück in der durch ihre eigene Gesetzgebung für die Vornahme gleichartiger Zustellungen vorgeschriebenen Form oder in einer besonderen Form, sofern diese ihrer Gesetzgebung nicht zuwiderläuft, zustellen. Vorbehaltlich anderweitiger Übereinkunft ist die Übersetzung von dem diplomatischen oder konsularischen Vertreter des ersuchenden Staates oder von einem beeideten Dolmetsch des ersuchten Staates zu beglaubigen (Art 3 HPÜ). Ist kein Wunsch gemäß Art 3 HPÜ zum Ausdruck gelangt, kann sich die zuständige Behörde des ersuchten Staates darauf beschränken, die Zustellung durch Übergabe des Schriftstückes an den Empfänger, sofern er zur Annahme bereit ist, zu bewirken (Art 2 HPÜ; Duchek/Schütz/Tarko aaO 149 f).
Gemäß Art 6 Z 1 HPÜ schließen die vorstehenden Bestimmungen nicht aus, dass Schriftstücke den im Ausland befindlichen Beteiligten unmittelbar durch die Post zugesendet werden. Dies ist jedoch nur insoweit statthaft, als Vereinbarungen zwischen den beteiligten Staaten diese Zustellart zuzulassen oder wenn, in Ermangelung von Vereinbarungen, der Staat, auf dessen Gebiet die Zustellung vorgenommen werden soll, nicht widerspricht (Duchek/Schütz/Tarko aaO 151).
Das Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen wurde von Österreich nicht ratifiziert (Klauser, EuGVÜ und EVÜ 76).
Zu beachten ist im vorliegenden Fall jedoch auch der Vertrag vom 16. Dezember 1954 zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den wechselseitigen rechtlichen Verkehr samt Schlussprotokoll, BGBl 1955/224 (im folgenden kurz Rechtshilfevertrag). Die Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) ist nicht alleinige Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, sondern nur eine Teilrechtsnachfolgerin neben Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien und Slowenien (Duchek/Schütz/Tarko aaO 602). Der Rechtshilfevertrag wird derzeit zwischen Österreich und Bosnien-Herzegowina auf Grund des Prinzips der Kontinuität im Rahmen des Völkerrechts weiter angewendet (Duchek/Schütz/Tarko aaO 601):
Die vertragsschließenden Staaten verpflichten sich, auf Ersuchen in Zivilprozesssachen und in Außerstreitsachen einschließlich von Fragen des Familienrechtes, der Vormundschaft und der Pflegschaft Zustellungen durchzuführen (Art 7 Rechtshilfevertrag). Die Gerichte der Vertragsstaaten verkehren miteinander durch Vermittlung der jeweiligen Justizministerien (Art 8 Rechtshilfevertrag; Duchek/Schütz/Tarko aaO 1091).
Die zuzustellenden Schriftstücke sind in der Sprache des ersuchten Gerichtes abzufassen oder mit einer Übersetzung in diese Sprache zu versehen. Die Übersetzung muss entweder amtlich hergestellt oder von einem Dolmetsch, der in einem der beiden vertragsschließenden Staaten amtlich bestellt ist, als richtig bestätigt sein; eine Beglaubigung der Unterschrift des Dolmetschers ist nicht erforderlich (Art 14 Abs 1 Rechtshilfevertrag). Ist das Schriftstück weder in der Sprache des ersuchten Gerichtes abgefasst noch mit einer Übersetzung in diese Sprache versehen, so hat sich das ersuchte Gericht darauf zu beschränken, die Zustellung durch Übergabe des Schriftstückes an den Empfänger zu bewirken, wenn dieser zur Annahme bereit ist (Art 14 Abs 2 Rechtshilfevertrag; beachte den Druckfehler in Duchek/Schütz/Tarko aaO 1092 ["ersuchenden Gerichtes" statt richtig "ersuchten Gerichtes"] bei der Wiedergabe des gegenüber Slowenien angepassten und in Kraft gesetzten Rechtshilfevertrages [BGBl 1993/714]). Erforderlich ist die Übersetzung in die Sprache des ersuchten Gerichtes jedenfalls dann, wenn die Zustellung gegebenenfalls auch gegen den Willen des Empfängers durchgeführt werden soll; ansonsten gilt Abs 2 (Duchek/Schütz/Tarko aaO 1092), wonach eine Zustellung ohne Übersetzung vom Empfänger auch abgelehnt werden kann.
Zum Verhältnis zwischen HPÜ und anderen, insbesondere bilateralen Abkommen, sohin auch dem gegenständlichen Rechtshilfevertrag, ist zunächst zu erwägen, dass Rechtshilfe- und Vollstreckungsverträge jeden Vertragsteil zur Vornahme von Verfahrens- und Vollstreckungshandlungen über Ersuchen und zur Durchsetzung der Entscheidungen der Gerichte eines anderen Vertragsteiles verpflichten, der aus dem Vertrag einen völkerrechtlichen Anspruch hierauf ableitet. Im Zweifel, d.h. wenn sich nicht aus dem späteren Vertrag die Absicht der Vertragsteile ergibt, frühere völkerrechtliche Verpflichtungen zum Erlöschen zu bringen oder auf ein im neuen Vertrag vorgesehenes Ausmaß einzuschränken, wird das Nebeneinanderbestehen der sich aus den Verträgen ergebenden Ansprüche und Verpflichtungen anzunehmen sein; jeder Vertragsteil wird sich nach seiner Wahl jeweils auf den einen oder den anderen der Verträge berufen können (Duchek/Schütz/Tarko aaO 148). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Nebeneinander von HPÜ und Rechtshilfevertrag schon deshalb kein Problem, weil beide Abkommen eine Zustellung ohne Übersetzung nur an den annahmebereiten Empfänger vorsehen. Weitere Überlegungen zu dieser Frage können hier daher dahingestellt bleiben.
Gemäß § 121 Abs 1 ZPO kann der Bundesminister für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler durch Verordnung die Zustellung an Personen im Ausland durch die Post unter Benützung der im Weltpostverkehr üblichen Rückscheine nach denjenigen Staaten zulassen, in denen die Zustellung nach § 11 Abs 1 ZustG nicht möglich oder mit Schwierigkeiten verbunden ist. Bosnien-Herzegowina ist in der auf Grund § 121 Abs 1 ZPO erlassenen Verordnung, BGBl 1961/10, die eine Liste jener Staaten enthält, in denen die Zustellung unmittelbar durch die Post zugelassen ist, nicht genannt. Eine unmittelbare Zustellung durch die Post von Österreich nach Bosnien-Herzegowina ist durch keine zwischenstaatliche Vereinbarung gestattet (Duchek/Schütz/Tarko aaO 151). Die Erfordernisse der Zustellung müssen daher gemäß § 11 Abs 1 ZustG nach den vorgenannten internationalen Vereinbarungen geklärt werden:
Aus diesen folgt, dass im vorliegenden Fall eine Zustellung des Verbesserungsauftrages nicht mit internationalem Rückschein erfolgen durfte, sondern im Rechtshilfeweg unter Anschluss einer Übersetzung in die bosnische Sprache erfolgen hätte müssen. Die tatsächlich vorgenommene Zustellung - mit internationalem Rückschein, ohne Übersetzung - war daher gesetzwidrig; sie verletzte eine völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs. Selbst wenn die Zustellung mit internationalem Rückschein nach Bosnien-Herzegowina zulässig wäre, ergäbe sich keine andere Beurteilung. Zwar legen weder das HPÜ noch andere hier relevante Regelungen fest, ob auch den unmittelbar mit der Post zuzustellenden Schriftstücken eine Übersetzung anzuschließen; aus den Bestimmungen des HPÜ über die Zustellung durch Behörden und deren Rechtshilfevertrag lässt sich aber ableiten, dass der Empfänger eine Zustellung fremdsprachiger Schriftstücke nur dann gegen sich gelten lassen muss, wenn eine Übersetzung beigeschlossen ist und er damit in die Lage versetzt wird, vom Inhalt der zuzustellenden Schriftstücke Kenntnis zu nehmen. Eine analoge Regelung enthält § 12 Abs 2 ZustG. Danach ist die Zustellung eines ausländischen fremdsprachigen Schriftstückes, in dem keine, im gerichtlichen Verfahren keine beglaubigte, deutschsprachige Übersetzung angeschlossen ist, nur zulässig, wenn der Empfänger zu dessen Annahme bereit ist; dies ist anzunehmen, wenn er nicht binnen drei Tagen gegenüber der Behörde, die das Schriftstück zugestellt hat, erklärt, dass er zur Annahme nicht bereit ist. Nach österreichischem Zustellrecht hat der Empfänger demnach auch noch nach der faktischen Übernahme die Möglichkeit, die Annahme zu verweigern. Dieses Recht kann er aber nur ausüben, wenn er, wie bei einer Zustellung durch Behörden, entsprechend belehrt wird. Fehlt eine solche Belehrung, weil die Schriftstücke unmittelbar durch die Post zugestellt werden, so widerspricht es rechtsstaatlichen Grundsätzen, die Wirksamkeit der Zustellung damit zu begründen, dass der Empfänger zur Annahme bereit war (SZ 71/102).
Nach Art 6 Abs 1 EMRK hat jedermann - sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen - Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise gehört wird. Der damit normierte Grundsatz eines fairen Verfahrens verlangt unter anderem, dass der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten kann (Mayer, B-VG2 548 mwN). Grundvoraussetzung jeder wirksamen Vertretung ist, dass der Betroffene versteht, worum es geht. Daran fehlt es, wenn Schriftstücke zugestellt werden, die nicht in der Amtssprache des Zustelllandes abgefasst und auch nicht übersetzt sind und die der Empfänger in vielen Fällen nicht verstehen wird, jedenfalls aber nicht verstehen muss. Mangels entsprechender Sprachkenntnisse wird er häufig gar nicht erkennen können, um welche Art von Schriftstücken es sich handelt (SZ 71/102). Aus den in Art 6 Abs 3 EMRK für das Strafverfahren normierten Garantien darf nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass die "Übersetzungshilfe" nur im Strafprozess gelten soll. Damit würde den einzelnen Absätzen des Art 6 EMRK nicht gerecht (Leipold, Zum Schutz des Fremdsprachigen im Zivilprozess, in: FS-Matscher, Verfahrensgarantien im nationalen und internationalen Prozessrecht [1993], 287 [297 f]).
Es ist demnach mit einem fair geführten Verfahren unvereinbar, wenn der Empfänger, wie im vorliegenden Fall, ein die von ihm begehrte Verfahrenseinleitung betreffendes Schriftstück des Gerichtes unmittelbar durch die Post zugestellt erhält, dieses jedoch nicht in seiner Sprache abgefasst und auch nicht übersetzt ist. Eine solche Zustellung ist unwirksam (SZ 71/102; vgl auch EvBl 1979/7); sie verletzt das Recht auf rechtliches Gehör. Die Zustellvorschriften erschöpfen sich nicht im aktenkundigen Nachweis der erfolgten Zustellung, sondern sollen vor allem ein Mindestmaß an Sicherheit für den Empfänger bieten, vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstückes auch tatsächlich Kenntnis zu nehmen und seine Rechte ohne unnötige Hürden wahrnehmen zu können. Zustellvorschriften bezwecken die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme. Die Zustellung würde zum Selbstzweck beschränke sie sich auch auf die bloße Aushändigung eines für den Empfänger unverständlichen Schriftstückes. Der Gesetzeszweck gebietet daher die Annahme der Unwirksamkeit des gegenständlichen Zustellvorganges. Ob ein unter Verletzung zwischenstaatlicher Abkommen erfolgter Zustellvorgang - hier durch unmittelbare Zustellung durch die Post - durch die Übermittlung einer Übersetzung des zugestellten Schriftstückes allenfalls geheilt werden könnte (vgl zum Meinungsstand insbesondere Stürner Europäische Urteilsvollstreckung nach Zustellmängeln, in: FS-Nagel, Beiträge zum internationalen Verfahrensrecht und zur Schiedsgerichtsbarkeit [1987], 446 [456]; Stürner in DJZ 1992, 325 [330 ff]; Schlosser, Die internationale Zustellung zwischen staatlichem Souverenitätsanspruch und Anspruch der Prozesspartei auf ein faires Verfahren, in:
FS-Matscher, Verfahrensgarantien im nationalen und internationalen Prozessrecht [1993], 387 ff; Bajons in ZfRV 1993, 45 [55 f]; EuGH 3. 7. 1990, Rs C-305/88 , LANCRAY, Slg I-2725 [2748 ff]; RZ 1983/38; JBl 1988, 737; EFSlg 70.540 ua), kann hier dahingestellt bleiben, weil der Einschreiterin vor der Zurückweisung der Klage keine Übersetzung des Verbesserungsauftrages übermittelt wurde.
Auf die Überlegungen des Revisionsrekurses zur Länge der Verbesserungsfrist bei einer Zustellung in Bosnien-Herzegowina braucht mangels Relevanz nicht eingegangen werden.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren ersatzlos aufzuheben. Eine neuerliche Zustellung des Verbesserungsauftrages samt Übersetzung im Rechtshilfeweg ist nunmehr entbehrlich, weil der Verbesserungsauftrag in der Zwischenzeit erfüllt wurde. Der Verfahrenshelfer des Klägers brachte im Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes vor, dass die Mutter "eventuell" die gesetzliche Vertreterin des Klägers sei (ON 8, AS 21); dieses Vorbringen wiederholte er auch im Revisionsrekurs ohne die zunächst gebrauchte Einschränkung "eventuell", obwohl nach seinen Angaben nach wie vor keine Kontaktaufnahme zum Kläger und dessen Mutter möglich gewesen sei (ON 12, AS 42). Diese Frage wird im Zusammenhang mit der Prozessfähigkeit des Klägers jedenfalls im fortgesetzten Verfahren zu erörtern und einer Klärung zuzuführen sein. In diesem Zusammenhang wird auf die §§ 9, 12 IPRG und die Entscheidung des Senates in SSV-NF 10/63 hingewiesen. Die Prozessvoraussetzungen betreffende, von Amts wegen wahrzunehmende Umstände können entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes keinem Neuerungsverbot unterliegen (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 482 ZPO).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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