OGH 8Ob108/04x

OGH8Ob108/04x20.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der kündigenden Parteien 1. Firma P***** GmbH & Co KG, *****, 2. Dr. Johann *****, 3. Dr. Margarethe R*****, 4. Mag. Richard R*****, 5. Erich S*****, sämtliche vertreten durch Dr. Christian Girardi, Dr. Markus Seyrling, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, wider die gekündigte Partei Kurt B*****, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen Aufkündigung über die Revision der gekündigten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. Juli 2004, GZ 3 R 107/04p‑13, womit der Berufung der kündigenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 24. Februar 2004, GZ 17 C 658/03f‑9, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2005:0080OB00108.04X.0120.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig den klagenden Parteien die mit EUR 345,10 (darin enthalten EUR 57,51 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

 

Begründung:

 

Die jeweiligen Rechtsvorgänger der Streitteile haben am 8. August 1966 einen als Mietvertrag bezeichneten Bestandvertrag geschlossen. Bestandobjekt ist die damals im Erdgeschoss, nunmehr im 1. Obergeschoss, eines Großgasthofes befindliche Bühne, in welcher die Eltern des Beklagten als Rechtsvorgänger und nunmehr der Beklagte selbst ein Bauerntheater betreiben. Als „Mietzins" wurde ein fixer Betrag pro Veranstaltungsabend vereinbart, welcher monatlich im Nachhinein zu zahlen war. Die Bestandnehmer verpflichteten sich, den Theaterbetrieb von Mitte Juni bis Mitte September und von Mitte Oktober bis Ende Mai ohne Unterbrechung aufrechtzuerhalten. Weiters erklärten sie, abgesehen von der gegenständlichen Bühne und einem zweiten von ihnen geführten Theaterbetrieb keinen weiteren Theaterbetrieb in Innsbruck eröffnen und führen zu wollen. Die gesetzlichen und behördlichen Bewilligungen sind von den Bestandnehmern einzuholen und sie haben auch alle mit der Führung und Aufrechterhaltung des Betriebes verbundenen Lasten, Steuern und Abgaben zu tragen und der Bestandgeberin Einsicht in die bezüglichen Unterlagen zu gewähren. Die Eltern und Rechtsvorgänger des Beklagten kauften das Schauspielunternehmen von einer Dritten, welche die Volksschauspielbühne im Großgasthof bis dahin betrieb. Dabei erwarben sie Kulissen, Dekorationen, Beleuchtungen, Textbücher, Kostüme und übernahmen die bei dieser beschäftigten Schauspieler. Die Bühne und der davor befindliche Speisesaal mit Stühlen und Tischen wurde von der Bestandgeberin beigestellt.

Die Bestandgeberin hatte ein wesentliches Interesse an der Weiterführung und Aufrechterhaltung des Bühnenbetriebes. Bis 1995 wurden die Theatergäste von der Bestandgeberin (bzw. ab 1969 von der Pächterin des Großgasthofes) bewirtet.

In der am 2. Dezember 2003 beim Erstgericht überreichten gerichtlichen Aufkündigung führten die Kläger aus, dass das zugrundeliegende Bestandverhältnis als Pachtverhältnis zu qualifizieren und als solches ohne Angabe von Gründen aufkündbar sei. Nach Punkt II des Bestandvertrages sei dieser bis zum 31. Dezember eines jeden Jahres auf den 1. Oktober des Folgejahres aufkündbar. Im Rahmen der vorliegenden Aufkündigung werde auch die Einräumung der Nutzung der Kellerräumlichkeiten gemäß Punkt I Abs 3 des Bestandvertrages vom 11. August 1966 widerrufen.

Der Beklagte bestritt, beantragte die Aufhebung der gerichtlichen Räumung sowie die Abweisung des Räumungsbegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass eine Kündigung nur aus den wichtigen Gründen des § 30 MRG vorgenommen werden könne, da sich das zugrunde liegende Bestandverhältnis als Mietverhältnis darstelle.

Das Erstgericht hob die gerichtliche Aufkündigung vom 3. Dezember 2003 auf und wies das diesbezügliche Räumungsbegehren ab. Rechtlich ging es davon aus, dass das zugrundeliegende Bestandverhältnis als Mietverhältnis zu qualifizieren sei.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der Kläger Folge und erklärte die gerichtliche Aufkündigung vom 3. Dezember 2003 für rechtswirksam, weiters gab es dem Räumungsbegehren statt. Es ging davon aus, dass es sich bei dem gegenständlichen Bestandvertrag um einen Pachtvertrag handle.

Die Revision sei gemäß § 502 Abs 1 ZPO zuzulassen, weil die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die ordentliche Revision des Beklagten mit den Anträgen, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass das erstgerichtliche Urteil wieder hergestellt werde oder das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eines der Untergerichte zurückzuverweisen.

Die Kläger begehren in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu der Revision nicht Folge zu geben.

 

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), sind die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben, weshalb die Revision des Beklagten unzulässig ist.

Für die hier entscheidende Rechtsfrage der Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht kommt es stets auf die Gesamtheit aller erheblichen Umstände des Einzelfalles (RIS‑Justiz RS0031183 mwN, zuletzt 7 Ob 179/04f) und auf die Zweckbestimmung der Bestandsache bei Vertragsabschluss bzw auf die dem Bestandgeber eingeräumten Befugnisse an (RIS‑Justiz RS0020261 mwN).

Unternehmenspacht liegt im Allgemeinen dann vor, wenn ein „lebendes Unternehmen", also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des „goodwill" gehört, übergeben wird, also neben den Räumen vom Bestandgeber auch das bereitgestellt wird, was wesentlich zum Unternehmen und zum wirtschaftlichen Fortbestand gehört (RIS‑Justiz RS0020398 mwN, zuletzt 7 Ob 87/04a; RIS‑Justiz RS0020486). Das bedeutet allerdings nicht, dass im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig zutreffen müssen, um Unternehmenspacht annehmen zu können. Fehlt es - wie hier - an einzelnen für die Unternehmensüberlassung charakteristischen Merkmalen, so kommt es bei der Abgrenzung zwischen Unternehmenspacht und Geschäftsraummiete darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0020521, vgl etwa ebenfalls 7 Ob 87/04a).

Ein weiteres wesentliches Kriterium für die Annahme eines Pachtvertrages ist die Vereinbarung einer Betriebspflicht, die auf einem erkennbaren wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers am (Weiter‑)Bestehen und der Art des Betriebes beruht (vgl 7 Ob 87/04a mit zahlreichen Nachweisen; RIS‑Justiz RS0020451). Die Betriebspflicht muss nicht ausdrücklich vereinbart werden, sondern kann sich sogar aus den Umständen ergeben (RIS‑Justiz RS0020351). Für die hier maßgebliche Konstellation der räumlichen Einbindung des Bestandnehmerunternehmens in das Unternehmen des Bestandgebers hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass - selbst bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung - dies im Sinn einer schlüssig vereinbarten Betriebspflicht als Indiz für das Vorliegen einer Unternehmenspacht auszulegen wäre (RIS‑Justiz RS0020319 mwN), gleiches gilt für den Fall eines Nebenbetriebes (RIS‑Justiz RS0020355 mwN). Es ist nicht entscheidend, wie die Vertragsparteien selbst das Bestandverhältnis bezeichnen (RIS‑Justiz RS0020514; insbes auch 5 Ob 2383/96v).

Schließlich wird es als Indiz für die Abgrenzung zwischen Miete und Pacht auch noch angesehen, ob der vereinbarte Zins in einem Verhältnis zur Höhe des Umsatzes steht (RIS‑Justiz RS0020586 mwN). Aus der Vereinbarung eines von der Anzahl der Veranstaltungsabende abhängigen Bestandzins ergibt sich schlüssig auch die Vereinbarung einer Betriebspflicht, da sonst die Bezahlung des Bestandzinses bzw dessen Höhe im Belieben des Bestandnehmers stünde, was ohne weitere Anhaltspunkte nicht angenommen werden kann (vgl 7 Ob 87/04a, 7 Ob 270/00g).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien kann die Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht stets nur für den Einzelfall getroffen werden und stellt damit regelmäßig keine Rechtsfrage dar, der zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Ab 1 ZPO zukommen würde (Kodek in Rechberger § 502 Rz 3). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes vermag der Beklagte nicht nachzuweisen. Wurde doch ausdrücklich eine Betriebspflicht vereinbart, war der Zins abhängig von den Veranstaltungsabenden und lag die Übernahme eines lebenden Unternehmens und die Integration in den Gasthausbetrieb vor.

Soweit der Beklagte hervorhebt, dass Kulissen, Dekorationen, Textbücher, Schauspieler und Kostüme von der Vorbetreiberin der Volksschauspielbühne erworben wurden, so ist darauf zu verweisen, dass auch der Umstand, dass der Bestandnehmer das Inventar von der früheren Pächterin erwerben musste, die Annahme eines Pachtvertrages nicht ausschließt (RIS‑Justiz RS0020388, MietSlg 31.390).

Weiters spricht der Umstand, dass sich der Bestandnehmer verpflichtet hat, die mit dem Theaterbetrieb verbundenen Lasten, Steuern und Abgaben zu tragen, wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt, eher für eine Unternehmenspacht (RIS‑Justiz RS0020303, 5 Ob 504/90).

Das Berufungsgericht hat das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen in einer Gesamtschau aller bestimmenden Kriterien als Unternehmenspacht beurteilt. Diese Rechtsansicht berücksichtigt die besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles und bewegt sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen. Das Rechtsmittel des Beklagten erweist sich daher als unzulässig und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Kläger haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.

 

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