OGH 7Ob87/04a

OGH7Ob87/04a28.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Bichler & Zrzavy, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Helga P*****, vertreten durch Dr. Bernhard Eder, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung eines Bestandverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 4. Dezember 2003, GZ 39 R 387/03f‑15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. September 2003, GZ 46 C 454/02k‑11, infolge Berufung der beklagten Partei abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:0070OB00087.04A.0728.000

 

Spruch:

1. Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

2. Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 437,14 (darin enthalten EUR 72,86 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 459,10 (darin enthalten EUR 50,02 USt und EUR 159,‑- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die klagende Partei ist Gesamtrechtsnachfolgerin der W***** GmbH, deren Rechtsvorgängerin Wiener ***** (die ebenso wie die W***** GmbH im Folgenden der Einfachheit halber auch als Klägerin bezeichnet wird) im Jahr 1931 von der Liegenschaftseigentümerin W***** AG in einem Häuserblock in W*****, S*****platz/C*****gasse diverse Räumlichkeiten anmietete und dort ein Selbstbedienungsrestaurant betrieb. 1951 gab die Klägerin der Austria Tabak AG jenen 13,7 m2 großen Raum im Eingangsbereich zum Restaurant in Unterbestand, in dem später die klagsgegenständliche Trafik betrieben wurde. Der Bestandvertrag zwischen Klägerin und Austria Tabakwerke AG wurde ausschließlich zu dem Zweck abgeschlossen, dass an diesem - stark frequentierten und daher sehr attraktiven - Standort eine Trafik geführt werde, die auch noch heute die einzige Trafik in diesem Gebiet ist. Die Austria Tabakwerke AG gab mit "Untermietvertrag" vom 15. 5. 1952 den zu einer Trafik ausgebauten Raum dem Vater der Beklagten "zum Betrieb einer Tabaktrafik" in Unterbestand. Als Untermietzins wurden 3 % des Umsatzes an Tabakwaren vereinbart, wobei der Bestandzins nach Amortisierung des Gesamtaufwandes auf 2 % des Umsatzes sinken sollte. Laut Bestandvertrag durfte der Mieter nur die von der Austria Tabakwerke AG gelieferten Tabakwaren führen und war für den Fall des Verkaufs von Zeitungen und in Trafiken zugelassenen Kurzwaren verpflichtet, 1,5 % dieses Umsatzes an die Klägerin abzuführen. Weiters wurde im Bestandvertrag festgehalten, dass es der Klägerin für die Dauer des Bestandverhältnisses mit der Austria Tabakwerke AG nicht gestattet sei, in ihren Räumlichkeiten eine Haustrafik zu betreiben. Weiters war im Bestandvertrag festgelegt, dass die Verkaufszeit des Trafikverschleißers ausschließlich in die Betriebszeiten des Restaurants zu fallen habe. Nach dem Tod des Vaters der Beklagten im Jahr 1976 führte dessen Witwe und Mutter der Beklagten die Trafik fort.

Im Jahr 1978 wurde das Restaurant der Klägerin im Sinne des sog. "Naschmarkt‑Konzepts" umgebaut. Teil dieses Konzepts war die Errichtung eines Verkaufladens im Eingangsbereich zum Restaurant, in dem Zeitungen, Tabakwaren, Lebensmittel und Mehlspeisen etc für die Gäste des Restaurants zum Mitnehmen - ähnlich den bei Autobahnrestaurants angeschlossenen Souvenirläden - angeboten werden sollten. Dadurch sollte den Restaurantkunden ein zusätzliches Service angeboten und der Erlös des Gastronomiebetriebes optimiert werden. Die Klägerin wollte den betreffenden Shop auch selbst betreiben und versuchte daher, den Bestandvertrag mit der Austria Tabakwerke AG aufzulösen. Diese wollte jedoch den Standort nicht aufgeben und machte ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Bestandverhältnis davon abhängig, dass die Klägerin einen direkten Vertrag mit dem Betreiber der Trafik abschließe. Die Klägerin willigte ein. Da sie ein großes Interesse daran hatte, dass in dem Verkaufsladen ein umfangreiches Warensortiment angeboten werde, wirkte sie in mehreren Gesprächen mit der Mutter der Beklagten darauf hin, dass das ursprünglich auf Tabakwaren beschränkte Sortiment im Sinne eines Souvenirgeschäftes erweitert werde.

Am 15. 5. 1979 wurde zwischen der Klägerin und der Mutter der Beklagten ein unbefristeter Bestandvertrag über den Trafikkiosk geschlossen. Darin wurde ua vereinbart, dass das Bestandverhältnis jeweils bis zum 30. 6. zum nächsten 31. 12. bzw bis zum 31. 12. zum nächsten 30. 6. mittels eingeschriebenen Briefes gekündigt werden könne. Es wurde ein Mindestbestandzins von S 7.500,‑‑ zuzüglich 2,5 % des Nettoverkaufserlöses vereinbart und ausdrücklich festgehalten, dass Betriebspflicht bestehe. Ausdrücklich festgehalten wurde auch, dass die Bestandnahme zum Betrieb einer Tabaktrafik und eines Souvenirgeschäftes erfolge. Im Bestandvertrag wurde auch die Verpflichtung der Bestandnehmerin festgelegt, den Bestandgegenstand nach Ablauf der Bestandzeit betriebsbereit zurückzustellen und das übernommene Inventar auf eigene Kosten zu ersetzen, wenn es während der Bestandzeit verloren gehe oder unbrauchbar werde. Das Mobiliar für die Trafik wurde der Bestandnehmerin im Zuge des Gesamtumbaues zur Verfügung gestellt und war dem Mobiliar des Gastronomiebetriebes optisch angeglichen. Trafikspezifische Einrichtungen wurden von der Trafikbetreiberin beigestellt.

Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1984 trat die Beklagte in den gegenständlichen Bestandvertrag ein und führte die Trafik fort.

Restaurantkunden müssen beim Betreten und Verlassen des Restaurants an der Trafik vorbeigehen. Das Restaurant und die Trafik profitieren gegenseitig voneinander. Da im Restaurant selbst aus kostentechnischen Gründen grundsätzlich keine Zigaretten verkauft werden, hat die Klägerin ein Interesse daran, dass die klagsgegenständliche Trafik betrieben wird und zu den Restaurantöffnungszeiten möglichst geöffnet ist. Gäste des Restaurants, die Zigaretten kaufen wollen, werden dann an die Trafik verwiesen. Nur wenn die Trafik geschlossen ist, wird an den Kassen des Gastronomiebetriebes ein eingeschränktes Sortiment an Zigaretten angeboten. Die klagende Partei hat schließlich schon deshalb Interesse daran, dass die Trafik zu Restaurantsbetriebszeiten offen gehalten wird, weil die zur Sicherung der Trafik heruntergelassen Rollländen im Eingangsbereich des Restaurants keinen einladenden Eindruck machen.

Die Klägerin kündigte der Beklagten das Bestandverhältnis per 30. 6. 2003 gerichtlich auf und stellte den Antrag, der Beklagten aufzutragen, ihr das Bestandobjekt binnen 14 Tagen nach Kündigung geräumt zu übergeben. Beim gegenständlichen (Unter‑)Bestandverhältnis handle es sich um ein Pachtverhältnis, das laut Bestandvertrag jeweils zum 31. 12. zum nächsten 30. 6. gekündigt werden könne, sodass die Angabe von Kündigungsgründen nicht erforderlich sei.

Die Beklagte erhob fristgerecht Einwendungen gegen die Aufkündigung. Beim gegenständlichen Bestandverhältnis handle es sich um keine Pacht, sondern um ein (Unter‑)Mietverhältnis. Die Beklagte habe von der Klägerin keine lebende Organisation, insbesondere weder Handelsware noch Kundenstock übernommen. Der Großteil der Kunden der Tabaktrafik rekrutiere sich nicht aus Restaurantkunden. Der Betrieb einer Tabaktrafik setze einen Bestellungsvertrag mit der Austria Tabakwerke AG und eine monopolbehördliche Bewilligung des Bundesministeriums voraus. Deshalb sei eine Tabaktrafik nicht frei übertragbar, weil die Verschleißbefugnis an die Person des Trafikinhabers gebunden sei. Der Bestandvertrag könne daher ausschließlich aus den im § 30 MRG normierten Kündigungsgründen gerichtlich aufgelöst werden. Die Klägerin habe es verabsäumt, derartige Kündigungsgründe anzuführen.

Ausgehend von dem von ihm festgestellten bereits eingangs etwas zusammengefasst wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt, erkannte das Erstgericht die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Beim gegenständlichen Bestandverhältnis handle es sich nicht um Geschäftsraummiete, sondern um Unternehmenspacht, die ohne Angabe von Kündigungsgründen aufkündbar sei. Wenngleich kein lebendes Unternehmen im Sinne einer organisierten Erwerbsgelegenheit überlassen worden sei und auch die Verschleißbefugnis (vergleichbar der Gewerbeberechtigung) nur vom Trafikbetreiber selbst beigebracht werden könne, überwiege angesichts der vereinbarten Betriebspflicht, des umsatzabhängigen Bestandzinses, der Verpflichtung zur betriebsbereiten Rückstellung des Bestandgegenstandes, der Einflussnahmemöglichkeit des Bestandgebers auf die Gestaltung des Bestandobjektes und der Zurverfügungstellung von optisch dem Inventar des Restaurants angeglichenem Inventar eindeutig die für eine Unternehmenspacht sprechende Interessenslage, sodass das Fehlen von einzelnen Merkmalen der Unternehmenspacht an der Qualifikation des gegenständlichen Bestandverhältnisses als Pachtverhältnis nichts ändern könne. Das eindeutige und erkennbare Interesse des Bestandgebers habe nicht darin bestanden, aus der Überlassung von Räumen Mieterträge zu lukrieren, sondern es sei der Betrieb eines Verkaufsgeschäftes für Mitnahmeartikel als Ergänzung zum Leistungsangebot des Restaurants im Vordergrund gestanden. Die im Bestandvertrag festgelegte Betriebspflicht erweise sich somit nicht als bloße Leerformel, sondern habe tatsächlich ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Bestandgebers an der Art des Betriebes und an dessen Bestehen bestanden. Dies habe sich nicht zuletzt auch darin manifestiert, dass die Klägerin im Zuge des Vertragsabschlusses mit (der Rechtsvorgängerin) der Beklagten auch Einfluss auf das Warensortiment der Trafik genommen habe. Die Interessenslage sei somit ähnlich wie bei einer Bahnhofstrafik, wobei die Überlebensfähigkeit der Trafik im vorliegenden Fall nicht am Betrieb des Restaurants hängen dürfte, was die Qualifizierung als Pachtvertrag aber nicht ausschließe.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung der ersten Instanz dahin ab, dass es die gerichtliche Aufkündigung als rechtsunwirksam aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Der schriftliche Bestandvertrag von 1979 spreche für Geschäftsraummiete und gegen Unternehmenspacht: Gegenstand des Bestandvertrages sei nicht das zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schon seit Jahren bestandene Trafikunternehmen, sondern seien die als Kiosk bezeichneten Räumlichkeiten neben dem Restauranteingang gewesen. Lägen bei Vertragsabschluss solche Voraussetzungen vor, dass ebensogut die Verpachtung eines lebenden Unternehmens wie ein bloßer Mietvertrag über Räume, die für Zwecke des Betriebes eines Unternehmens geeignet und eingerichtet seien, in Betracht komme, sei maßgebend, für welche der beiden Möglichkeiten sich die Parteien entschieden hätten. Hier hätten sich die Parteien der Formulierung im schriftlichen Bestandvertrag zufolge bewusst für Geschäftsraummiete entschieden, sodass die Annahme, es sei der Klägerin nicht vorrangig um die Lukrierung von Miete gegangen, nicht gerechtfertigt sei. Darauf, ob bei der einvernehmlichen Auflösung des seit 1951 bestandenen Mietverhältnisses und bei Abschluss des gegenständlichen Bestandvertrages ausschließlich das Ziel verfolgt worden sei, das bisherige Dreiecksverhältnis zwischen Klägerin, Austria Tabakwerke AG und Trafikbetreiber zu beenden, substantiell die Rechtsposition der beteiligten Parteien noch nicht geändert habe werden sollen, komme es nicht an. Aber auch die Betriebspflicht trage die erstgerichtliche Annahme nicht, weil es sich dabei nur um eine Leerformel handle. Möge es auch der Bestandgeberin darum gegangen sein, die Kunden des von ihr betriebenen Restaurants mit Trafikwaren versorgt zu wissen, so habe dieser Wunsch im Bestandvertrag keinen Niederschlag gefunden und könne daher nicht als vereinbart gelten. Andernfalls wären, wie dies naheliegend und üblich sei, verpflichtende Öffnungszeiten vereinbart worden. Derartige Bestimmungen fehlten aber ebenso wie Sanktionen für die Nichteinhaltung der nicht näher ausgeführten Betriebspflicht, deren Sinn auch schon deshalb zweifelhaft erscheine, weil an den Kassen des Gastronomiebetriebs ohnedies ein eingeschränktes Zigarettensortiment angeboten werde, wenn die Trafik geschlossen sei. Auch für das bestehende Interesse der Klägerin am Anbot eines umfangreichen Warensortiments, auf das sie Einfluss nehmen könne, biete der Bestandvertrag keinen Anhaltspunkt. Die vertragliche Bestimmung, wonach die Bestandnahme zum Betrieb einer Tabaktrafik und eines Souvenirgeschäftes erfolge, sichere in keiner Weise einen Einfluss der Bestandgeberin auf das Warensortiment, ja nicht einmal die Beibehaltung des Sortiments. Die Verpflichtung, den Bestandgegenstand betriebsbereit zurückzustellen, könne im Zusammenhalt mit den übrigen aufgezeigten Punkten nicht als Kriterium einer Unternehmenspacht gewertet werden. Da im vorliegenden Fall Räume und nicht ein bereits bestehendes Unternehmen überlassen worden und die sanktionslos vereinbarte Betriebspflicht aus den dargelegten Gründen als Leerfloskel anzusehen sei, komme auch der Vereinbarung eines umssatzorientierten Mietzinses und der Überlassung von Inventar durch die Bestandgeberin keine Bedeutung zu. Es sei vielmehr vom Vorliegen einer Geschäftsraummiete auszugehen, die nur unter Angabe von Kündigungsgründen aufgelöst hätte werden können.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO im Hinblick auf von ihm zitierte Judikatur nicht zulässig sei.

 

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 16 Abs 3 AußStrG), ist die Revision der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht, da dem Berufungsgericht eine erhebliche und daher vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist, zulässig und berechtigt.

1.) Zur Revisionsbeantwortung der Beklagten:

Die Mitteilung, dass ihr die Beantwortung der Revision freistehe (§ 508a Abs 2 ZPO), wurde der Beklagten am 2. 6. 2004 zugestellt. Die gemäß § 507a Abs 1 ZPO vierwöchige Frist zur Überreichung der Revisionsbeantwortung endete daher am 30. 6. 2004. Die Beklagte hat die Revisionsbeantwortung entgegen § 507a Abs 3 Z 2 ZPO beim Erstgericht eingebracht, das sie an den Obersten Gerichtshof übersendet hat, wo sie am 1. 7. 2004 einlangte. Da nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung die unrichtige Adressierung einer fristgebundenen Eingabe die Anwendung des § 89 GOG ausschließt (Kodek in Rechberger ZPO2 Vor § 461 Rz 7 mwN; RIS‑Justiz RS0041608 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen, zuletzt 8 Ob 14/04y), ist die Zeit der Übersendung des Schriftstückes vom unzuständigen an das zuständige Gericht in die Rechtsmittelfrist einzurechnen (RIS‑Justiz RS0041584 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen, zuletzt 4 Ob 37/03z und 10 Ob 51/03b). Die demnach verspätete Revisionsbeantwortung der Beklagten war zurückzuweisen.

2. Zur Revision der Klägerin:

Das entscheidende Kriterium des vorliegenden Verfahrens stellt die Frage dar, ob das gegenständliche Unterbestandverhältnis, wie die Beklagte, der das Rekursgericht gefolgt ist, behauptet, als Geschäftsraummiete oder, wie von der klagenden Partei und dem Erstgericht angenommen wird, als Unternehmenspacht zu qualifizieren ist.

Für die Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht lassen sich nach stRsp keine allgemein gültigen Regeln aufstellen, sondern es kommt stets auf die Gesamtheit aller erheblichen Umstände des Einzelfalles (GesRZ 1992, 44; MietSlg 41.080 ff; SZ58/8 = MietSlg 37.125/7 uva; RIS‑Justiz RS0031183, zuletzt 10 Ob 7/03g) und auf die Zweckbestimmung der Bestandsache bei Vertragsabschluss bzw auf die dem Bestandnehmer eingeräumten Befugnisse an (MietSlg 7034; 6 Ob 608/921 Ob 548/94; 7 Ob 270/00g uva; Binder in Schwimann, ABGB2 Rz 8 zu § 1091 ABGB).

Ein Unternehmenspachtvertrag liegt im Allgemeinen dann vor, wenn ein "lebendes Unternehmen", also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des "goodwill" gehört, übergeben wird und das Unternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit fortbesteht (GesRZ 1992, 44; MietSlg 40.114; MietSlg 41.080 ff; SZ 58/8; RIS‑Justiz RS0020398 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen; Würth in Rummel ABGB3 Rz 2 zu § 1091). Neben den Räumlichkeiten umfasst dies all das, was für den Betrieb des in Bestand gegebenen Unternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand notwendig ist, somit die Betriebsmittel, wie die Geschäftseinrichtung und das Warenlager, der Kundenstock und die Gewerbeberechtigung, allenfalls das erforderliche Personal. Das bedeutet allerdings nicht, dass im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig zutreffen müssen, um Unternehmenspacht annehmen zu können. So kann das Warenlager gänzlich fehlen, die Gewerbeberechtigung vom Bestandnehmer selbst zu besorgen oder der Kundenstock nur klein sein (6 Ob 608/921 Ob 548/947 Ob 270/00g je mwN, uva; Binder aaO Rz 17 mwN). Fehlt es - wie hier - an einzelnen für die Überlassung eines Unternehmens zu dessen Betrieb typischen Merkmalen, so ist entscheidend, ob die dafür maßgeblichen Elemente im Einzelfall überwiegen, welchen Elementen also die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (GesRZ 1992, 44; JBl 1989, 310; SZ 58/8; MietSlg 32.162/23; 6 Ob 608/92; MietSlg 32.162/23; 6 Ob 608/92; 1 Ob 548/947 Ob 270/00g uva).

Das wesentlichste Kriterium für die Annahme eines Pachtvertrages ist im Regelfall die Vereinbarung einer Betriebspflicht (Mietslg 40.110; 41.080 ff; 42.082; SZ 58/8; MietSlg 46.093/25; 6 Ob 608/9210 Ob 11/00s7 Ob 270/00g uva; Degelsegger, Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht, wobl 1998, 8 ff), die auf einem erkennbaren wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers am (Weiter‑)Bestehen und der Art des Betriebes beruht (MietSlg 39.100; SZ 58/8; MietSlg 46.093/25 ua; Würth aaO). Die Betriebspflicht muss nicht ausdrücklich vereinbart werden, sondern kann sich aus den Umständen ergeben (RIS‑Justiz RS0020351). Ein weiteres maßgebliches Indiz für die Verpachtung eines lebenden Unternehmens ist im Allgemeinen auch, dass der vereinbarte Pachtzins in einem Verhältnis zur Höhe des Umsatzes steht (1 Ob 583/917 Ob 270/00g; RIS‑Justiz RS0020586).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall, insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarung einer Betriebspflicht, eines umsatzabhängigen Bestandzinses und einer "betriebsbereiten" Rückstellung des Bestandgegenstandes nach Ablauf der Bestandzeit, Unternehmenspacht und nicht Geschäftsraummiete anzunehmen. Warum die Vereinbarung einer Betriebspflicht im gegenständlichen Bestandvertrag nur eine "Leerformel" darstellen soll, vermag das Berufungsgericht durch den Hinweis auf das Fehlen einer Vorschreibung fixer Öffnungszeiten nicht plausibel zu machen. Steht doch jedenfalls fest, dass das Restaurant von der Trafik (und vice versa) profitiert und die Klägerin mit der Einrichtung einer Trafik bzw eines Verkaufsladens im Eingangsbereich des Restaurants den Erlös ihres Restaurantbetriebs zu optimieren suchte. Dass in Zeiten, in denen die Trafik geschlossen ist, ein eingeschränktes Sortiment an Zigaretten auch an den Restaurantkassen zu erhalten ist, ändert daran nichts. Von einer Betriebspflicht wäre im vorliegenden Fall nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes selbst dann auszugehen, wenn eine solche nicht ausdrücklich im Bestandvertrag vereinbart worden wäre. Aus der Vereinbarung eines vom Umsatz abhängigen Bestandzinses ergibt sich nämlich schlüssig auch die Vereinbarung einer Betriebspflicht, da sonst die Bezahlung des Bestandzinses bzw dessen Höhe im Belieben des Bestandnehmers stünde, was ohne weitere Anhaltspunkte nicht angenommen werden kann (vgl 7 Ob 270/00g).

Der gegenständliche Verkaufsladen (Trafikkiosk) ist von seiner Situierung und den festgestellten, mit dem Abschluss des Bestandvertrages vom 15. 5. 1979 verbundenen Intentionen ohne weiteres etwa einem Kinobuffet oder Bahnhofskiosk etc vergleichbar, hinsichtlich derer mehrfach bereits Unternehmenspacht angenommen wurde (SZ 58/8; MietSlg 50.063; 4 Ob 249/97i ua; vgl die Ausführungen Degelseggers zu "Haupt‑ und Nebenbetrieb", aaO 34 ff). Ganz vergleichbar ist der vorliegende Fall insbesondere der zu 3 Ob 513/88 entschiedenen Causa, die ebenfalls einen Trafik‑Kiosk zum Gegenstand hatte, der hintereinander von Verwandten betrieben wurde. Auch dort besaßen nur die von der Monopolverwaltung zu Tabakverschleißern bestellten Betreiber des Kiosk, nicht dessen Eigentümer und Bestandgeber die entsprechende Konzession. Obwohl die Parteien dort ausdrücklich von "Mietzinszahlungen" gesprochen hatten, kam der Oberste Gerichtshof aus den auch im vorliegenden Fall anzustellenden Erwägungen zum Ergebnis, dass Unternehmenspacht vorliege. Da es also darauf, dass eine Tabaktrafik nicht frei übertragbar ist, weil die Verschleißbefugnisse an die Person des Trafikinhabers gebunden sind, nicht ankommt (vgl dazu etwa die bereits erwähnten Fälle, in denen eine Gewerbeberechtigung vom Bestandnehmer selbst zu besorgen war), muss auch der betreffende Einwand der Beklagten ins Leere gehen.

Da unter Abwägung aller Umstände des vorliegenden Falles das gegenständliche Bestandverhältnis der Streitteile demnach als Pachtvertrag zu beurteilen ist, war die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes im Sinne einer Wiederherstellung des klagsstattgebenden Ersturteiles abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

 

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