OGH 5Ob504/90 (5Ob505/90)

OGH5Ob504/90 (5Ob505/90)30.1.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden un durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und beklagten Partei Gerhard W***, Gastwirt, Wien 21., Leopoldauer Straße 80, vertreten durch Dr. Helmut Winkler und Dr. Otto Reich-Rohrwig, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte und klagende Partei Rosa D***, Pensionistin, Wien 21., Leopoldauer Straße 80, vertreten durch Dr. Stefan Frotz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Räumung infolge Revision der klagenden und beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 15. September 1989, GZ 48 R 348/89-23, womit infolge Berufung der klagenden und beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 12. Februar 1989, GZ 6 C 1517/88k-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und beklagte Partei Gerhard W***, ist schuldig, der beklagten und klagenden Partei Rosa D*** die mit 11.745 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.957,50 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rosa D*** (in der Folge Beklagte genannt), Eigentümerin der Liegenschaft Wien 21., Leopoldauer Straße 80, schloß am 13. Februar 1986 mit Gerhard W*** (in der Folge Kläger genannt) einen als Pachtvertrag bezeichneten Vertrag, mit welcher sie diesem den bisher von ihr in den Räumen top. Nr. 1 bis 3 der genannten Liegenschaft geführten Gastwirtschaftsbetrieb ab 1. Februar 1986 auf unbestimmte Zeit in Bestand gab. Gegenstand des Vertrages ist das lebende Unternehmen, bestehend aus dem good will, aus den näher umschriebenen Betriebsräumlichkeiten und aus dem Inventar laut beiliegendem Verzeichnis (Punkt 2). Das Inventarverzeichnis enthält unter anderem eine KÜhlanlage, einen Schrank mit Abwasch, zwei Stellagen für Gläser, eine Anrichte, Tische, Sessel und Bänke, Beleuchtungskörper, einen Gasherd und einen Heizofen. Die Verpachtung erfolgt zum Betrieb einer Gastwirtschaft (Imbißstube); eine Änderung dieses Betriebs- bzw. Verwendungszweckes bedarf der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung der Verpächterin (Punkt 3). Der wertgesicherte monatliche Pachtschilling besteht aus dem "eigentlichen Pachtzins" von 10.000 S, aus dem auf die Betriebsräumlichkeiten entfallenden Mietzins, der sich aus dem Hauptmietzins (derzeit 1.040 S) und den anteiligen Betriebskosten und öffentlichen Abgaben des Hauses zusammensetzt, sowie aus der Umsatzsteuer, wobei festgehalten wird, daß die Aufschlüsselung des Pachtschillings keine Mietrechte des Pächters an den Betriebsräumlichkeiten begründe (Punkt 5). Der Pächter verpflichtet sich, den Gastwirtschaftsbetrieb (Imbißstube) mit Espresso auf Art eines ordentlichen Gastwirtes zu führen und insbesondere dafür zu sorgen, daß durch den Geschäftsbetrieb die übrigen Bewohner des Hauses nicht beeinträchtigt werden ...; er verpflichtet sich ferner, den Gastwirtschaftsbetrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu führen und für eine allenfalls erforderliche neue Betriebsgenehmigung selbst zu sorgen und damit verbundenen Auflagen auf eigene Kosten zu entsprechen ......; er verpflichtet sich auch, auf seine Kosten eine eigene, entsprechende behördliche Gewerbeberechtigung für den Standort Wien 21., Leopoldauer Straße 80 zu erwirken, Steuern, öffentliche Abgaben, Sozialversicherungsbeiträge udgl. pünktlich zu entrichten und die Verpächterin überhaupt für alle Nachteile schad- und klaglos zu halten, die ihr aus der Geschäftsführung des Pächters erwachsen können. Andererseits verpflichtet sich die Verpächterin, dafür zu sorgen, daß ihre auf obigem Standort bestehende bisherige Gewerbeberechtigung bis 31. Jänner 1986 zurückgelegt wird (Punkt 9). Die Verpächterin haftet nicht für einen bestimmten Ertrag des vertragsgegenständlichen Gastwirtschaftsbetriebes (Punkt 11). Der Pächter ist berechtigt, im Betrieb einen Billardtisch und einen erlaubten Spielautomaten aufzustellen. Die Aufstellung und der Betrieb von zusätzlichen Spielautomaten ist jedoch an die schriftliche Zustimmung der Verpächterin gebunden. Der Pächter ist auch berechtigt, im Betrieb einen Musikautomaten aufzustellen (Punkt 14). Unbeschadet der vereinbarten Vertragsdauer ist die Verpächterin ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt, den vorliegenden Vertrag neben den Bestimmungen des § 1118 ABGB ab sofort aufzulösen, wenn 1. der Pächter den Geschäftsbetrieb nicht nach Art guter Gastwirte führt; 2. der Pächter die Gastwirtschaft nicht führt und das Geschäft, von Urlaubszeiten und Ruhetagen abgesehen, geschlossen hält; 3. gegen den Betrieb des Pächters die behördliche Sperre angedroht wird; 4. der Pächter ohne Einwilligung der Verpächterin den vereinbarten Betriebszweck ändert, oder 5. über das Vermögen des Pächters das gerichtliche Ausgleichs- oder Konkursverfahren eröffnet wird (Punkt 15).

Am 7. April 1988 wurde über das Vermögen des Klägers der Konkurs eröffnet und Rechtsanwalt Dr. Gerhard M*** zum Masseverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 10. Juni 1988 erklärte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf Punkt 15 Z 5 des Vertrages die fristlose Auflösung des Pachtvertrages; sie erforderte ihn zur Rückstellung des Unternehmens bis 30. Juni 1988 auf. Am 25. September 1989 wurde der Konkurs über das Vermögen des Klägers nach rechtskräftiger Bestätigung eines Zwangsausgleichs aufgehoben; alle die freie Verfügung des Klägers beschränkenden Maßnahmen wurden aufgehoben; der Masseverwalter wurde seines Amtes enthoben.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß ihm aufgrund des zwischen den Streitteilen am 13. Februar 1986 abgeschlossenen Bestandvertrages das Mietrecht an den Geschäftsräumlichkeiten top. Nr. 1 bis 3 des Hauses Wien 21., Leopoldauer Straße 80 zustehe. Die Beklagte begehrt die Rückstellung des von sonstigen Fahrnissen geräumten Gastwirtschaftsbetriebes samt dem näher bezeichneten mitverpachteten Inventar.

Das Erstgericht wies die Feststellungsklage ab und gab der Räumungsklage statt. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen fest:

Bis 19. Jänner 1986 betrieb die Beklagte die Gastwirtschaft selbst. Sie bot neben kleineren Gerichten wie Würsteln oder Gulasch zeitweilig auch größere Speisen wie Krautfleisch oder Beuschel mit Ködel an. Ursprünglich beabsichtigte der Kläger, das Lokal zwar zu verändern, es aber nicht gänzlich umzugestalten. Erst in der Folge entschloß er sich zu einer Generalsanierung. Das Lokal wurde in eine Imbißstube bzw. ein Espresso umgestaltet. Der Kläger verwendete das Inventar teilweise weiter, so die Kühlanlage, teilweise stellte er es in den Keller. Das von der Beklagten übergebene Inventar war zwar mehrere Jahre alt, jedoch nicht in einem desolaten Zustand. Die Herrentoilette bestand nur aus einen Pissoir. Zur Erlangung der Betriebsanlagengenehmigung war eine Umgestaltung der Herrentoilette erforderlich. Die Umbauarbeiten dauerten bis Juli 1986. Am 18. August 1986 erhielt der Kläger die Konzession für das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Espressos mit den Berechtigungen nach § 189 Abs.1 Z 2, 3 und 4 GewO im Standort Wien 21., Leopoldauer Straße 80, nachdem ihm bereits am 24. April 1986 die Betriebsanlagengenehmigung erteilt worden war. Infolge der Umgestaltung des Lokals von einem Gasthaus in eine Imbißstube bzw. ein Espresso und der damit verbundenen Änderung des Preisniveaus sowie Verlagerung des Unternehmensschwerpunktes auf den Abend und in die Nachtstunden blieben die Kunden der Beklagten aus. In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu der Ansicht, daß der gegenständliche Bestandvertrag als Unternehmenspacht und nicht als Geschäftsraummiete zu qualifizieren sei. Beide Vertragsparteien seien davon ausgegangen, daß der Kläger den bestehenden Gastwirtschaftsbetrieb der Beklagten, wenn auch in der Form einer Imbißstube mit Espresso, fortführen solle. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes jeweils 300.000 S übersteigt. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und trat im Ergebnis auch der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers, die nicht berechtigt ist.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat, lassen sich bei der Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht feste, allgemein anwendbare Regeln nicht aufstellen. Es kommt vielmehr immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles an. Eine Unternehmenspacht liegt im allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff good will gehört, übergeben wird. Neben den Räumen muß vom Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und zu seinem wirtschaftlichen Fortbestand gehört, also Betriebsmittel, Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Das bedeutet allerdings nicht, daß im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müßten. Fehlt es an einzelnen für die Unternehmensüberlassung charakteristischen Merkmalen, so kommt es darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Das wesentlichste Unterscheidungsmerkmal zwischen Miete und Pacht ist die Betriebspflicht, sofern diese auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers am Bestehen und der Art des Betriebes beruht und es sich nicht um eine bloße Leerformel handelt (vgl. MietSlg. 39.100 mwN ua, zuletzt 6 Ob 596/89, 6 Ob 612/89). Liegen bei Vertragsabschluß solche Voraussetzungen vor, daß ebensogut die Verpachtung eines lebenden Unternehmens wie ein bloßer Mietvertrag über Räume, die für Zwecke des Betriebes eines Unternehmens geeignet und eingerichtet sind, in Betracht kommt, dann ist maßgebend, für welche der beiden Möglichkeiten sich die Parteien entschieden haben (MietSlg. 20.114 ua, zuletzt etwa 6 Ob 612/89).

Der Meinung des Klägers, hier spreche eine Reihe von Indizien, die von den Vorinstanzen in Summe nicht richtig rechtlich gewürdigt worden sei, gegen die Annahme einer Unternehmenspacht und für die Annahme einer Geschäftsraummiete, kann nicht gefolgt werden. Es trifft zwar zu, daß der Kläger den Gastwirtschaftsbetrieb (Imbißstube) mit Espresso nach dem Vertrag aufgrund einer zu erwerbenden eigenen Gewerbeberechtigung führen sollte und der Pachtschilling nicht mit einem Prozentsatz des Jahresumsatzes dieses Betriebes vereinbart wurde. Es ist auch richtig, daß die Kunden der Beklagten nach den Feststellungen infolge der Umgestaltung des Unternehmens von einem Gasthaus in eine Imbißstube bzw. ein Espresso sich "verflüchtigt" haben und der Kläger das von der Beklagten übernommene Inventar nur mehr teilweise weiterverwendet. Es wurde aber bereits wiederholt entschieden, daß die Beibringung der Gewerbeberechtigung durch den Bestandnehmer (MietSlg. 39.100 mwN, 6 Ob 596/89), die Vereinbarung des Pachtzinses in einer absoluten Zahl (MietSlg. 31.391), die Änderung des Kundenstockes (MietSlg. 22.116, 25.113, 31.389) sowie die bloß teilweise Weiterverwendung und im übrigen durchgeführte Erneuerung des übernommenen Inventars nicht gegen eine Unternehmenspacht sprechen müssen. Hier ist entscheidend, daß dem Kläger nach dem Vertrag ein lebendes Gastwirtschaftsunternehmen zur Weiterführung als Imbißstube mit Espresso übergeben wurde, wobei die vereinbarte Betriebspflicht in Zusammenhang mit den vereinbarten besonderen Auflösungsgründen die Rückstellung eines lebenden Unternehmens sichern sollte. Daß die Betriebspflichtvereinbarung eine bloße Leerformel wäre, ist angesichts der Vertragsgestaltung und des auf der Hand liegenden Interesses der Beklagten an der Unternehmensweiterführung (Sicherung des Pachtschillings und der Möglichkeit der neuerlichen Verpachtung nach Rückstellung des Unternehmens durch den Kläger), unzutreffend. Davon, daß der Kläger in den Geschäftsräumlichkeiten einen erst von ihm neu zu gründenden Betrieb führen sollte, kann wegen der nach dem Vertrag ins Auge gefaßten, die Unternehmenskontinuität nicht beeinträchtigenden Änderung des Angebotes keine Rede sein. Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht kein Anlaß, hier wie im Falle eines erst neu zu gründenden Unternehmens (vgl. dazu Würth in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1091 mwN) strengere Anforderungen für die Annahme einer Unternehmenspacht aufzustellen. Schließlich spricht auch der Umstand, daß sich der Kläger verpflichtet hat, Steuern, öffentliche Abgaben, Sozialversicherungsbeiträge und dgl. pünktlich zu entrichten und die Beklagte überhaupt für alle Nachteile schad- und klaglos zu halten, die ihr aus seiner Geschäftsführung erwachsen könnten, eher für eine Unternehmenspacht. Nach § 5 Abs.2 des Wiener Getränkesteuergesetzes LGBl. 1971/2 haftet der Verpächter, wenn die Abgabe steuerpflichtiger Getränke in einem Pachtbetrieb erfolgte, neben dem früheren Pächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen. Eine Haftung des Verpächters nach Rückstellung des gepachteten Betriebes an ihn als Betriebsnachfolger des Pächters im Sinne des § 67 Abs.4 ASVG wird vom Verwaltungsgerichtshof erst seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates im Jahre 1983 (VwSlg. NF 11.241 A) nicht mehr angenommen (vgl. dazu sowie zur Neufassung dieser Bestimmung durch die 41. ASVG-Novelle BGBl. 1986/111 Gehrmann-Rudolph-Teschner, ASVG, 442 , Anm. 2 zu § 67).

Da den für eine Unternehmenspacht sprechenden Umständen demnach die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt, war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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