OGH 9Ob128/03v

OGH9Ob128/03v25.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Brunner und Dr. Elmar Reinitzer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Bank ***** AG, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 86.572,85 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2003, GZ 16 R 83/03y-38, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Dezember 2002, GZ 57 Cg 80/00d-31, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von EUR 86.572,85 samt 7,75 % Zinsen aus EUR 45.983,62 vom 1. 1. 1997 bis 30. 6. 1997, 6 % Zinsen aus EUR 45.983,62 vom 1. 7. 1997 bis 30. 5. 2000, 4 % Zinsen aus EUR 40.589,23 vom 1. 7. 1997 bis 30. 5. 2000 und 8,25 % Zinsen aus EUR 86.572,85 seit 31. 5. 2000 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 16.515,88 (darin EUR 2.752,64 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit EUR 4.471,40 (darin EUR 603,90 USt und EUR 848 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 6.137,46 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 315,08 USt und EUR 4.247 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin verkaufte Eigentumswohnungen und bestellte zur Abwicklung der Kaufverträge den - bis Mai 1995 eingetragenen - Rechtsanwalt Dr. Franz W***** als Treuhänder (im Folgenden Kontoinhaber), der seit 1989 bei einer Zweigstelle der beklagten Bank ein Girokonto unterhielt. Der Kontoinhaber saß auch im Aufsichtsrat der Klägerin. Dem Girokonto, über das er allein verfügungsberechtigt war, lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen, die Besonderen Bedingungen für den Giroverkehr der österreichischen Sparkassen und die Scheckbestimmungen in der jeweils gültigen Fassung zugrunde. Davon, dass auf diesem Girokonto auch Fremdgelder eingehen werden, war keine Rede. Tatsächlich wurden über dieses Girokonto in der Folge sämtliche geschäftlichen Transaktionen des Kontoinhabers abgewickelt. Diese beliefen sich in den Jahren 1993 bis 1995 auf jährliche Umsätze von bis zu ATS 70 Mio; davon entfielen lediglich ATS 3,5 Mio auf Honorareingänge. Der Kontostand wechselte häufig und wies mehrmals auch ein Debet auf. Die Beklagte räumte dem Kontoinhaber einen Überziehungsrahmen von ATS 1 Mio ein. Darüber hinausgehende Überziehungen bis zu ATS 300.000 wurden aber auch noch ohne weitere Rücksprache mit dem Kontoinhaber genehmigt; größere Überziehungen wurden hingegen erst nach Rücksprache genehmigt. Dabei erwähnte der Kontoinhaber allerdings nicht, dass zur Abdeckung seines Kontos auch Fremdgelder verwendet werden. Vor jeder Verlängerung des Überziehungsrahmens erforschte die Beklagte im Abstand von zwei Jahren die Bonität des Kontoinhabers, der dazu auch entsprechende Einkommensunterlagen und Steuererklärungen vorlegen musste. Die einzelnen Transaktionen des Kontoinhabers wurden von der Beklagten nicht überprüft.

Die jeweiligen Kontoauszüge wurden dem Kontoinhaber von der Zentrale der Beklagten per Post zugesandt; die kontoführende Filiale bekam sie nicht zu Gesicht. In der Filiale konnten jedoch die Kontobewegungen der letzten vier bis sechs Wochen via Bildschirm abgerufen werden. Zudem bekam die Filiale monatliche Kontoverdichtungen jeweils in Form einer Mikrofiche. Darauf befanden sich allerdings nur die Ein- und Ausgänge, nicht jedoch deren jeweiliger Verwendungszweck. Dennoch wussten der Filialleiter und dessen Stellvertreterin - letztere auch auf Grund "ihrer Beziehung" mit dem Kontoinhaber - bereits seit der Kontoeröffnung, dass die Bewegungen auf dem gegenständlichen Girokonto regelmäßig auch Fremdgelder umfassten, die zufolge Vermischung mit den sonstigen Kanzleiumsätzen zur Verminderung der Debetsalden führten. Bis auf einen Fall hatten sie jedoch keine konkrete Kenntnis davon, ob bestimmte Eingänge im Einzelfall nun Eigen- oder Fremdgeld waren.

Mit Kaufvertrag vom 13. 4. 1995 verkaufte die Klägerin an Dr. Gerhard T***** (im Folgenden Käufer) die Wohnung top Nr 23 des in ihrem Alleineigentum stehenden Hauses K*****gasse 8, *****, zum Kaufpreis von ATS 1,09 Mio. Dabei wurde vereinbart, dass der Käufer den Kaufpreis auf das Konto des Kontoinhabers als Treuhänder überweist, dessen Auszahlung an die Klägerin aber erst nach Einverleibung des Eigentums des Käufers erfolgt. Hierauf gingen auf dem Konto am 25. 4. 1995 zunächst ATS 350.000 und am 27. 4. 1995 weitere ATS 740.000 ein. Als Verwendungszweck wurde vom Käufer "Kaufvertrag K*****g. 8/23" und "Restzahlung lt Kaufvertrag für K*****g. 8 top 23" angegeben. Vor der Überweisung des ersten Teilbetrages wies das Konto einen Debetsaldo von ATS 164.570,09 auf; vor der Buchung des zweiten Teilbetrages befand es sich mit ATS 451.472,67 im Plus. Die Beklagte wusste nicht, dass es sich bei den beiden Teilbeträgen von ATS 350.000 und ATS 740.000 um Treuhandgeld handelte.

Am 15. 5. 1995 verließ der Kontoinhaber (fluchtartig) Österreich. Sein Girokonto befand sich zu diesem Zeitpunkt mit ATS 578.039,88 im Minus. Zu einer Überweisung der vom Käufer erlegten Beträge an die Klägerin kam es nicht.

Die Klägerin klagte den Käufer im Oktober 1995 auf Zahlung des Kaufpreises von ATS 1,09 Mio. Am 4. 7. 1996 schloss sie mit dem Käufer einen gerichtlichen Vergleich, worin er sich verpflichtete, an die Klägerin ATS 545.000 und die halbe Pauschalgebühr von ATS 13.520 zu zahlen. Am 17. 11. 1999 trat der Käufer "diese beiden Beträge" an die Klägerin ab; diese nahm "die Abtretung" an.

Mit der am 12. 11. 1999 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Schadenersatz in der Höhe von EUR 86.572,85 sA. Der Beklagten sei seit Jahren bekannt gewesen bzw hätte es ihr bei gehöriger Sorgfalt bekannt sein müssen, dass auf dem gegenständlichen Girokonto des später strafgerichtlich verurteilten und in Konkurs gegangenen Kontoinhabers nicht nur Eigen-, sondern auch Treuhandgelder eingegangen seien. Dies gelte insbesondere auch für die beiden gegenständlichen Überweisungen des Käufers. Die Aufrechnung der Beklagten sei daher unzulässig gewesen und unwirksam (§ 879 ABGB). Das Klagebegehren werde auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere Schadenersatz und ungerechtfertigte Bereicherung, gestützt. Der Käufer habe sämtliche ihm gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche "aus dem Kaufvertrag" an die Klägerin abgetreten. Der Klagebetrag umfasse den Kaufpreis von ATS 1,09 Mio, die halbe Pauschalgebühr von ATS 13.520 und die Anwaltskosten der Klägerin gegen den Käufer von ATS 87.748,40.

Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass hinsichtlich des gegenständlichen Girokontos keine Geschäftsverbindung mit der Klägerin bestehe. Ein allfälliger Schaden, dessen Eintritt allerdings bestritten werde, treffe die Klägerin lediglich mittelbar und sei nicht ersatzfähig. Auch eine deliktische Haftung der Beklagten entbehre jeder Grundlage. Der Kontoinhaber sei als Vertragspartner der Beklagten allein über das Girokonto verfügungsberechtigt gewesen. Nur ein offenes Treuhandkonto hätte die Beklagte daran gehindert, mit persönlichen Forderungen gegen Forderungen des Kontoinhabers und Treuhänders aus dem Konto aufzurechnen und das ihr zustehende Pfand- und Zurückbehaltungsrecht an den Forderungen aus dem Konto auszuüben. Ein offenes Treuhandkonto sei jedoch nicht vorgelegen. Aus einem bloß verdeckten Treuhandkonto sei für den Standpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen. Die Beklagte habe vom Treuhandgeldcharakter der Kontoeingänge des Käufers nichts gewusst. Eine Nachforschungspflicht habe sie nicht getroffen. Nur der erste Betrag von ATS 350.000 sei zum Teil (ATS 164.570,09) dazu verwendet worden, eine bestehende Überziehung abzudecken; der zweite Betrag von ATS 740.000 habe hingegen das damals bestehende Guthaben auf dem Konto noch weiter erhöht. Der Kontoinhaber habe schließlich selbst über das vorhandene Guthaben verfügt und einen Minussaldo zurückgelassen. Die behauptete Abtretung des Käufers an die Klägerin werde bestritten. Die Klageforderung sei überdies verjährt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hinsichtlich eines Teilbetrages von EUR 11.959,77 sA statt, während es das Mehrbegehren von EUR 74.613,08 sA abwies. In rechtlicher Hinsicht verneinte es zunächst den Verjährungseinwand der Beklagten mit der Begründung, dass Schaden und Schädiger erst Ende 1996/Anfang 1997 bekannt gewesen seien (§ 1489 ABGB). Dass es sich bloß um ein verdecktes Treuhandkonto gehandelt habe, nütze der Beklagten nichts, weil ihr bekannt gewesen sei, dass unter den Kontoeingängen regelmäßig auch Fremdgelder gewesen seien. Die Beklagte hätte daher nicht zur Abdeckung eines Debetsaldos aufrechnen dürfen, es sei denn sie hätte gewusst, dass ein bestimmter Eingang kein Treuhandgeld sei. Da sie jedoch die Aufrechnung ungeprüft vorgenommen habe, habe sie sittenwidrig gehandelt. Die Aufrechnung sei daher im Verhältnis zur Klägerin wirkungslos. Dies gelte jedoch nur für die erste Teilzahlung des Käufers, bei der zweiten habe das Girokonto ohnehin einen positiven Saldo aufgewiesen.

Gegen den klageabweisenden Teil des Ersturteils erhob die Klägerin, gegen den klagestattgebenden Teil die Beklagte Berufung. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, wohl aber der Berufung der Klägerin, und änderte das Ersturteil im Sinne der vollständigen Klagestattgebung ab. Rechtlich sei von einem verdeckten Treuhandkonto auszugehen. Filialleiter und Stellvertreterin hätten zwar keine Kenntnis vom Treuhandcharakter der gegenständlichen Überweisungen gehabt, wohl aber davon, dass die Kontobewegungen regelmäßig auch Fremdgelder umfassen. In einem derartigen Fall müssten Pfandrechte oder eine Aufrechnung durch die Bank mit persönlichen Forderungen gegen den Treuhänder und Kontoinhaber schon nach § 879 ABGB scheitern, sofern die Bank nicht im Einzelfall konkret wisse, dass ein bestimmter Betrag nicht Treuhandgeld sei. Das Risiko des Nichtwissens treffe die Bank (2 Ob 329/00x). Da die Kontobewegungen schon der Größenordnung nach das Zwanzigfache der Honorareingänge erreicht hätten, wäre die Beklagte zu weiterer Prüfung verpflichtet gewesen. Ihre Mitarbeiter hätten sich Kenntnis von der Rechtsnatur der gegenständlichen Überweisungen verschaffen können. Soweit der Oberste Gerichtshof in 1 Ob 143/00m die Haftung der Bank auf den Fall eingeschränkt habe, dass sie vom Treuhandcharakter des konkreten Überweisungsbetrages positive Kenntnis habe, könne das Berufungsgericht dieser Ansicht nicht folgen, zumal der Oberste Gerichtshof in 2 Ob 329/00x die gegenteilige Ansicht vertreten habe. Auf Grund der massiven Hinweise auf den Treuhandcharakter des Kontos und die einfache Überprüfungsmöglichkeit könne die in 1 Ob 143/00m geäußerte Befürchtung, eine allgemeine Pflicht zu Nachforschungen würde die Schutz- und Sorgfaltspflichten der Bank zugunsten Dritter überspannen, nicht geteilt werden. Zumindest im vorliegenden Fall sei die grob fahrlässige Unkenntnis des Treuhandcharakters der positiven Kenntnis wertungsmäßig gleichzuhalten. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes, das darauf abgestellt habe, welcher Zahlungseingang konkret debetmindernd verbucht worden sei, sei bei evidenter Vermischung von Treuhandgeldern mit sonstigen Geldern wie im vorliegenden Fall schon die Einbeziehung der Gutschriften in das allgemeine Kontokorrent zu beanstanden. Der Beklagten wäre erkennbar gewesen, dass der Verwendungszweck der gegenständlichen Eingänge darin bestanden habe, an die Verkäuferin weiter überwiesen zu werden. In einem derartigen Fall widerspreche die Aufrechnung dem Grundsatz von Treu und Glauben. Im Übrigen seien auch die anderen Salden das Ergebnis unzulässiger Aufrechnung der Beklagten, sodass nicht zuletzt auch im Hinblick auf den ebenfalls das gegenständliche Konto betreffenden Betrag von ATS 688.000 (aus dem Verfahren 2 Ob 329/00x) davon auszugehen sei, dass auch die zweite Kaufpreisrate des Käufers debetmindernd verbucht worden sei. Auf Grund der konkreten, die Beklagte belastenden Umstände stehe ihrer Haftung auch nicht entgegen, dass die Rechtsprechung eine allgemeine Pflicht des Kreditinstitutes, Schäden durch Untreuehandlungen in einer fremden Sphäre hintanzuhalten, nicht anerkenne. Die ordentliche Revision sei im Hinblick auf die divergierende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Bankhaftung bei fahrlässiger Unkenntnis des Treuhandcharakters von Geldern zuzulassen.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO); sie ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass in der Revision weder die von der Beklagten - in erster Instanz - eingewendete fehlende Aktivlegitimation der Klägerin noch die Verjährungseinrede releviert werden. Kommt der Revisionswerber in seiner Revision auf einen zuvor noch ausdrücklich geltend gemachten Rechtsgrund nicht mehr zurück, so ist dieser Rechtsgrund damit aus der sonst umfassenden Beurteilungspflicht des Obersten Gerichtshofes ausgeschieden, weil das Rechtsmittelgericht an eine solche Beschränkung der Klagegründe bzw der Einwendungen auf Beklagtenseite grundsätzlich gebunden ist (RIS-Justiz RS0041570 ua).

Der Girovertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag, mit dem sich die Bank verpflichtet, Verfügungen des Kunden (zB Überweisungsaufträge) im Rahmen seines Guthabens für seine Rechnung, in aller Regel bis zur Beendigung der Geschäftsverbindung, auszuführen (RIS-Justiz RS0032986, zuletzt 1 Ob 143/00m mwN). Je nach dem, ob die Position des Treuhänders nach außen hin aufgedeckt wird oder nicht, spricht man von offener bzw verdeckter Treuhand. Als (Vollrechts-)Treuhandkonto wurde etwa das von einem Liegenschaftsverwalter mit der Bezeichnung "Hausgemeinschaft ..." im eigenen Namen eröffnete Konto in Verbindung mit der Mitteilung, dass das Konto für die Veranlagung von Instandhaltungsbeiträgen, einem zweckgebundenen Sondervermögen der jeweiligen Wohnungseigentümer, bestimmt sei, beurteilt (5 Ob 28/93 = ÖBA 1993/403 [Iro] = WoBl 1995/32 [Niedermayr]).

Ein verdecktes Treuhandkonto liegt demgegenüber dann vor, wenn der Treuhandcharakter des Kontos, also das Treuhandverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Treugeber, der Bank bei dessen Einrichtung unbekannt blieb, weil der Kontoinhaber der Bank seine Rechtsstellung als Treuhänder bei der Errichtung nicht mitgeteilt hat. An der Qualifikation als nur verdecktes Treuhandkonto ändert auch die Tatsache nichts, dass die eingezahlten Beträge aus dem Vermögen eines Dritten stammen und der Kontoinhaber daher das Konto gegenüber dem Dritten pflichtwidrig als Eigenkonto einrichtet, weil er seine treuhänderische Stellung der Bank gegenüber nicht offenlegt. Für die Frage, ob ein Eigen- oder Treuhandkonto vorliegt, spielt es im Allgemeinen auch keine Rolle, aus wessen Vermögen die darauf einlangenden Gelder stammen (Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch I § 37 Rz 43 f; Canaris, Bankvertragsrecht³ Rz 237; Iro in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 4/153 mwN; 1 Ob 143/00m mwN ua).

Im vorliegenden Fall wurde das Girokonto des Kontoinhabers nicht als offenes Treuhandkonto, sondern als Eigenkonto eröffnet. Der Kontoinhaber war über dieses Girokonto allein verfügungsberechtigt und führte darüber sämtliche Geldtransaktionen durch, einschließlich jene hinsichtlich der Treuhandgelder, ohne letzteres gegenüber der Bank offenzulegen. Die bloß nachträglich erlangte Kenntnis der Bank, dass der Kontoinhaber die eingehenden Geldbeträge auch für einen oder mehrere Treugeber verwaltet, reicht mit Rücksicht darauf, dass die Rechte der Bank beim offenen Treuhandkonto in interessengerechter Auslegung eingeschränkt werden, für die Annahme eines solchen Treuhandkontos nicht aus; beide Parteien müssen vielmehr erkennbar den Willen haben, ein solches Konto zu errichten (Hadding/Häuser aaO § 37 Rz 45 mwN; 1 Ob 143/00m ua). Bei der Beurteilung, ob es sich um ein offenes Treuhandkonto handelt, kommt es - wie auch sonst im Vertragsrecht - auf den erkennbaren Willen der Parteien an, also insbesondere darauf, ob die Bank wusste oder wissen musste, dass ein Treuhandkonto gebildet werden soll, und sie sich darauf einließ. Erfolgt keine Offenlegung gegenüber der Bank, dass es sich um ein Treuhandkonto handelt, so liegt ihr gegenüber ein Eigenkonto vor (Iro in Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 4/152f und 159 mwN; ders in Iro/Koziol, ABB-Kommentar Z 51 Rz 12). Dass die Girovertragsteile nachträglich den (übereinstimmenden) Willen dahin geäußert hätten, das als Eigenkonto eingerichtete Girokonto in ein offenes Treuhandkonto umzuwandeln, wurde im vorliegenden Fall weder behauptet noch bewiesen.

Während die Bank bei einem als Eigenkonto eingerichteten Girokonto grundsätzlich die Befugnis zur Aufrechnung hat, darf sie bei einem offenen Treuhandkonto mit persönlichen Forderungen gegen den Treuhänder nicht gegen Forderungen aus dem Konto aufrechnen. Die Offenlegung hat nämlich gerade den Sinn, die Bank darauf aufmerksam zu machen, dass es sich in Wahrheit um fremdes Vermögen handelt und dieses auch im Verhältnis zwischen beiden respektiert werden soll (5 Ob 28/93). Treuhandeingänge auf ein Girokonto sind somit für die Bank Treugut eines Dritten, das ihr für eine dem Widmungszweck widersprechende Aufrechnung zur Abdeckung von Verbindlichkeiten des Kontoinhabers nicht zur Verfügung steht (Iro in Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 4/158; 1 Ob 143/00m ua).

Auch ein verdecktes Treuhandkonto kann der Bank gegenüber die Wirkungen eines Treuhandschaft äußern (Iro in Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 4/153; ders in Iro/Koziol aaO Z 51 Rz 13; 1 Ob 143/00m). Wenn die Bank konkret weiß, dass die auf einem Geschäftsgirokonto des Kontoinhabers eingehenden Beträge Treuhandgelder sind, darf sie hinsichtlich dieser Beträge weder von ihren Pfand- oder Zurückbehaltungsrechten Gebrauch machen, noch diese Beträge debetsenkend zu Gunsten des Kontoinhabers (Treuhänders) verbuchen (Canaris aaO Rz 238; 4 Ob 2259/96a; 1 Ob 143/00m mwN). Ein derartiges Wissen der beklagten Bank lag hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht vor.

Allgemeine Pflichten der Bank, Schäden durch Untreuehandlungen in einer fremden Sphäre hintanzuhalten, sind nicht anzunehmen (2 Ob 5/00z mwN ua). Nach der Rechtsprechung ist die Bank auch nicht verpflichtet, von sich aus Nachforschungen über den Treuhandcharakter eines Girokontos anzustellen, wie sie auch nicht verhalten ist, einen Treuhänder zu überwachen (1 Ob 143/00m; 4 Ob 245/02m; vgl auch Hadding/Häuser aaO § 37 Rz 42 mwN). Die Bank muss demgemäß eine Einschränkung ihrer Rechte aus der Geschäftsverbindung mit dem Kontoinhaber (wie bei einem offenen Treuhandkonto) nicht hinnehmen (Hadding/Häuser aaO § 37 Rz 43 mwN). Eine allgemeine Pflicht der Bank zu solchen Nachforschungen zu bejahen, hieße deren Schutz- und Sorgfaltspflichten zugunsten dritter nicht in den Girovertrag einbezogener Personen überspannen.

Eine Divergenz der Rechtsprechung liegt nun zur Frage vor, ob die Bank unter Umständen doch zu Nachforschungen über den wahren Charakter einzelner Geldbewegungen verpflichtet ist, wenn sie bereits allgemein weiß, dass über ein bestimmtes Eigenkonto auch Treuhandgelder fließen. Während dies der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 143/00m (= ÖBA 2002/1006 [Karner]) verneinte, wurde eine Nachforschungspflicht zu 2 Ob 329/00x (= ÖBA 2001/969 [Apathy]) bejaht. Beide Entscheidungen betrafen das gegenständliche Konto:

Der erste Senat vertrat in 1 Ob 143/00m die Auffassung, die Unkenntnis könne dem positiven Wissen nicht gleichgehalten werden; die Kenntnisse der Bank müssten sich vielmehr darauf erstrecken, dass der konkrete Erlag ein Treuhanderlag ist. Das Wissen der Bank allein darum, dass über das (als Eigenkonto eingerichtete) Girokonto auch Treuhanderläge fließen, reiche zur Begründung von Schadenersatzansprüchen des Treuhänders gegen die Bank nicht aus.

Der zweite Senat gelangte in 2 Ob 329/00x zur Beurteilung, dass Pfandrechte oder die Geltendmachung der Aufrechnung durch die Bank mit persönlichen Forderungen gegen den Treuhänder (und Kontoinhaber) schon an § 879 ABGB scheitern, wenn der Bank (in der Person des ihr wissensmäßig zuzurechnenden Filialleiters) bereits vor den gegenständlichen Überweisung bekannt sei, dass dieses Konto regelmäßig auch Fremdgeldbewegungen (speziell auch Treuhanderlägen) diene.

Iro verweist (in Iro/Koziol aaO Z 51 Rz 14) zu diesen beiden Entscheidungen darauf, dass im Sinne der Regeln über den Vollmachtsmissbrauch gefragt werden sollte, ob die Bank auf Grund ihrer Kenntnis, dass über das Eigenkonto auch Treuhandgelder fließen, und der Umstände der betreffenden Transaktion auch im konkreten Fall mit einer Treuhandsituation und mit einer Verletzung der Pflichten des Treuhänders rechnen musste.

Diese Frage kann hier aber auf sich beruhen. Selbst wenn man im für die Klägerin günstigsten Fall im Sinne von 2 Ob 329/00x von der Unzulässigkeit und damit der Unwirksamkeit der Aufrechnung durch die beklagte Bank nach § 879 ABGB ausginge, so hätte dies im Hinblick auf den eingeklagten Anspruch, der sich primär auf die Verringerung des Habenstandes auf dem gegenständlichen Konto bezieht, zur Folge, dass der Verkäuferin bzw dem Käufer der Wohnung kein Schaden erwachsen ist. Dies legt Apathy in seiner Besprechung der Entscheidung 2 Ob 329/00x überzeugend dar (ÖBA 2001/969; ebenso Wilhelm in ecolex 2001/96 zur selben Entscheidung; beipflichtend auch Karner in seiner Besprechung der Entscheidung 1 Ob 143/00m [ÖBA 2002/1006]):

Mit Apathy ist davon auszugehen, dass die Kaufvertragsparteien in keiner Vertragsbeziehung zur kontoführenden Bank des Treuhänders stehen. Beim Vollrechtstreuhandkonto ist nämlich, wie schon erwähnt, ausschließlich der Treuhänder und Kontoinhaber gegenüber der Bank berechtigt und verpflichtet, während die Bank mit dem Treugeber - gleich, ob auf Käufer- oder Verkäuferseite - in keiner dieses Konto betreffenden Vertragsbeziehung steht (5 Ob 28/93 ua). Die Beteiligten haben in Bezug auf die Verringerung des Habenstandes auf dem gegenständlichen Konto schon deshalb keinen Schaden erlitten, weil sich die kontoführende Bank ohnehin so behandeln lassen muss, wie es der Unwirksamkeit der Aufrechnung entspricht. Soweit daher der Treuhänder nicht wirksam über seine - durch die Überweisung auf sein Konto entstandene - Forderung gegenüber der kontoführenden Bank verfügt hat, besteht die Forderung nach wie vor. Diese Forderung kann aber - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Treuhandrechts - nicht vom Treugeber unmittelbar gegen die kontoführende Bank geltend gemacht werden; dem Treugeber kommt nämlich keine Verfügungsberechtigung über das Konto zu (Iro in Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 4/157). Wohl aber kann er gegen den Treuhänder - also seinen Vertragspartner - vorgehen und in weiterer Folge dessen Forderung gegenüber der kontoführenden Bank verwerten, ähnlich wie den Gläubigern des Treugebers nur die Pfändung von dessen Anspruch gegen den Treuhänder und kein unmittelbarer Durchgriff auf das Treugut zusteht (Schwimann/Apathy ABGB² V § 1002 Rz 12 mwN; 3 Ob 14/95 ua). Dieser Konzeption der Treuhand entsprechend betont Iro (in Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 4/157), die kontoführende Bank hafte daher auch nicht bei Durchführung von Verfügungen des Treuhänders, die gegen die Treuhandvereinbarung verstoßen, außer sie setze dabei eine deliktische Verhaltensweise (insbesondere nach § 1295 Abs 2 ABGB). Dieselbe Auffassung nahm der Oberste Gerichtshof auch in 5 Ob 28/93 unter Berufung auf Iro ein.

Richtig ist, dass sich aus dem mit der Bank abgeschlossenen Girovertrag auch Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter ergeben können (RIS-Justiz RS0017127 ua). Der Rechtsauffassung in 2 Ob 329/00x, die den Vertrag zwischen der kontoführenden Bank und dem Treuhänder dahin versteht, dass die Einzahler von Fremd(Treuhand-)geldern "in den Schutzbereich des Vertrages zwischen Bank und Kontoinhaber einzubeziehen" seien, kann jedoch nicht ohne weiteres gefolgt werden, weil sie von der üblichen Konzeption der Treuhand abweicht. Im vorliegenden Fall geht es nicht um treuwidrige Verfügungen des Treuhänders, sondern um die unzulässige Aufrechnung der Bank, wofür es auf die Figur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht ankommt. Geht man nämlich davon aus, dass beim Treuhandkonto der Auszahlungsanspruch dem Treuhänder und nicht dem Treugeber zusteht, so würde - wie Apathy ebenfalls zutreffend aufzeigt - im Wege des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ein Ergebnis erzielt, das die Treugeber bei rechtmäßigem Verhalten des Treuhänders und der kontoführenden Bank nicht erzielen könnten. Schon das spricht gegen eine Heranziehung dieser Rechtsfigur im vorliegenden Zusammenhang. Dazu kommt, dass der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nach ständiger Rechtsprechung dem Schutz solcher Personen dient, "die der Erfüllung nahestehen, durch sie besonders gefährdet werden", also von Personen, denen die vertragliche Hauptleistung erbracht wird (RIS-Justiz RS0017068 ua) oder deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung vorhersehbar ist (RIS-Justiz RS0034594, RS0037785 ua). Beim Treuhandkonto soll die Leistung der Bank aber gerade an den Treuhänder und nicht an die Treugeber erfolgen. Es wäre widersprüchlich, wollte man zB annehmen, die Bank sei zwar nur gegenüber dem Treuhänder zur Auszahlung eines Guthabens verpflichtet, doch bei schuldhaftem Verzug stehe der Schadenersatzanspruch den Treugebern zu. Dazu kommt noch, dass der Ersatz reiner Vermögensschäden beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter eher zurückhaltend beurteilt wird (Schwimann/Apathy aaO §§ 881, 882 Rz 10 mwN ua). Schließlich spricht auch der (hypothetische) Parteiwille gegen einen Schutz der Treugeber. Man kann nämlich nicht annehmen, die Bank und der Treuhänder hätten intendiert, dass die Bank die Treugeber gegen Treuwidrigkeiten des Treuhänders schützen soll (vgl Iro in Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 4/157). Auch darin ist Apathy (ÖBA 2001/1006) zu folgen. Auch wenn man den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht auf den Parteiwillen gründet, sondern gesetzliche Pflichten gegenüber dem geschädigten Dritten annimmt (Koziol, Haftpflichtrecht² II 85 ff), ergibt sich nichts anderes. Diesfalls wäre nämlich zu berücksichtigen, dass etwa auch in Zusammenhang mit der Kommission davon auszugehen ist, dass nicht dem Kommittenten, sondern dem Kommissionär die Schadenersatzansprüche gegen seinen Vertragspartner wegen der Verletzung der Pflichten aus dem Ausführungsgeschäft zustehen (Griss in Straube, HGB³ § 392 Rz 4 mwN ua).

Geht man also im für die Klägerin günstigsten Fall von einer nach § 879 ABGB unwirksamen Aufrechnung der Beklagten aus, dann fehlt es in Bezug auf den Habenstand des Kontos an einem der Beklagten zurechenbaren Schaden der Klägerin. Anhaltspunkte für eine Verantwortlichkeit der Beklagten für treuwidrige Kontobewegungen des Treuhänders haben sich nicht ergeben. Die Prozesskosten der Klägerin gegen den Käufer sind der Beklagten nach der gegenständlichen Sachlage ebenfalls nicht zurechenbar. Es fehlt auch an einer Grundlage für einen Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte, zumal von der Klägerin für den Fall der unwirksamen Aufrechnung keine Bereicherung der Beklagten aufgezeigt wurde. Die Klägerin muss sich daher auf ihre vertraglichen Ansprüche gegen den Treuhänder verweisen lassen (vgl RIS-Justiz RS0028179 ua).

Die Entscheidung über die Kosten aller drei Instanzen beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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