OGH 7Ob321/01h

OGH7Ob321/01h7.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Ira D*****, vertreten durch Dr. Hubert Mayrhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Freimut D*****, vertreten durch Kubac, Svoboda & Kirchweger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung (hier: wegen einstweiligen Unterhalts), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. September 2001, GZ 45 R 449/01i-20, womit infolge Rekurses des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. Juni 2001, GZ 3 C 72/01s-9, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird im Umfang eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 29.000 S (= 2.107,51 EUR) dahin abgeändert, dass insoweit die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Im Umfang eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 4.000 S (= 290,69 EUR) und der Kostenentscheidungen werden die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Ergänzung des Bescheinigungsverfahrens zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Streitteile sind seit 30. 12. 1998 miteinander verheiratet. Der Ehe entstammen keine Kinder. Der Beklagte ist seiner geschiedenen Frau aus erster Ehe unterhaltspflichtig.

Mit ihrer am 10. 4. 2001 eingebrachten Scheidungsklage verband die Klägerin den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach ihr der Beklagte als ihr getrennt lebender Ehemann ab Antragstag einen einstweiligen monatlichen Unterhalt von 38.000 S zu leisten habe. Zur Begründung brachte sie vor, dass sie als Gesellschafterin der Firma D***** wegen des schlechten Geschäftsgangs und der bevorstehenden Schließung des Unternehmens kein eigenes Einkommen erziele. Der Beklagte beziehe aus zwei Pensionen und aus Gesellschaftsbeteiligungen ein jährliches Nettoeinkommen von 1,574.588 S. Ihr stehe ein Unterhaltsanspruch von monatlich 38.000 S zu. Der Beklagte habe ihr jedoch von November 2000 bis März 2001 nur 21.000 S monatlich gezahlt. Seit April 2001 leiste er keinen Unterhalt mehr. Wegen diverser Tätlichkeiten und grober Beleidigungen habe sie die gemeinsame Wohnung verlassen müssen.

Der Beklagte bestritt das Vorbringen und beantragte die Abweisung des Provisorialantrags. Er brachte vor, die Klägerin habe keinen Unterhaltsanspruch, weil es aus ihrem Verschulden nie zu einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft, insbesondere zu einer gemeinsamen Haushaltsführung gekommen sei. Darüber hinaus liege eine Unterhaltsverwirkung bzw ein Unterhaltsverlust wegen Rechtsmissbrauchs vor. Bereits zweiundeinhalb Monate nach der Eheschließung habe die Klägerin nämlich in dem zwischen dem Beklagten und seiner früheren Ehefrau anhängigen Unterhaltsprozess Akteneinsicht begehrt, „um ihre eigenen Unterhaltsansprüche bemessen zu können". Sie habe sich jedoch stets geweigert, in die Wohnung des Beklagten zu ziehen bzw ihre persönlichen Sachen in die angeschaffte Ehewohnung zu bringen. In dieser habe die Klägerin nur vom 23. 10. bis 6. 11. 2000 und - mit Ausnahme von drei Tagen - vom 23. 11. 2000 bis 17. 2. 2001 genächtigt. Sie habe die Wohnung um etwa 7 Uhr 30 verlassen und sei nahezu täglich erst zwischen 22 Uhr und 22 Uhr 30 dorthin zurückgekehrt. Es treffe nicht zu, dass die Klägerin aus beruflichen Gründen ihre Tätigkeit erst zu einem so späten Zeitpunkt beenden könne. Sie halte sich nahezu täglich für einige Stunden in einem Fitnesscenter auf, was sie aber bewusst verschweige. Unrichtig seien die Behauptungen der Klägerin über den Grund ihres Auszugs aus der Ehewohnung und über die Höhe des vom Beklagten bezogenen Nettoeinkommens. Zwar beziehe er die von der Klägerin genannten Pensionen, diese seien jedoch zusammenzurechnen, was zu einer Einkommensteuernachzahlung von rund 130.000 S führe. Er habe lediglich aus einer Gesellschaftsbeteiligung eine Gewinnauszahlung für das Jahr 1999 in der von der Klägerin genannten Höhe erhalten. Dabei handle es sich aber um einen Bruttogewinn. Die Klägerin erziele ein Jahreseinkommen zwischen 350.000 S und 500.000 S. Sie unterlasse es, aus ihrer leerstehenden Eigentumswohnung Mieteinkünfte zu erzielen. Die Firma der Klägerin habe eine Wohnung in Innsbruck, die nicht vermietet werde, sodass es die Klägerin unterlasse, namhafte Beträge zu lukrieren, die die finanzielle Lage der Firma und der Klägerin wesentlich verbessern würde.

Das Erstgericht trug dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 33.000 S ab 10. 4. 2001 an die Klägerin auf und wies das Mehrbegehren (rechtskräftig) ab. Es hielt nachfolgenden Sachverhalt für bescheinigt:

Nach der Eheschließung bewohnten die Streitteile die Wohnung des Beklagten, in der die Klägerin nur an den Wochenenden nächtigte. In der übrigen Zeit wohnte die Klägerin im Haus ihrer Mutter in W*****. Am 23. 10. 2000 bezogen die Parteien eine zum Zweck des gemeinsamen Wohnens angeschaffte Wohnung in W***** . Schon damals kam es häufig zu Streitigkeiten zwischen den Ehegatten, so auch am 6. 11. 2000, als der Beklagte - für die Klägerin überraschend - Gäste in die Ehewohnung eingeladen hatte. Dies führte dazu, dass die Klägerin über Anraten ihres Rechtsanwalts am 7. 11. 2000 die Wohnung verließ und erst am 23. 11. 2000 dorthin zurückkehrte. Nach dem 23. 11. 2000 nahmen die Streitteile eine Familientherapie in Anspruch. Das brachte jedoch nur für kurze Zeit eine Verbesserung der Ehe. Am 13. 2. 2001 kam es neuerlich zu einem Streit in der Ehewohnung, in dessen Zug der Beklagte der Klägerin einen Faustschlag gegen das Kinn versetzte, was ein Hämatom zur Folge hatte und die Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung notwendig machte. Während eines Streits am 17. 2. 2001 fielen wechselseitige Beleidigungen und Vorwürfe. Dabei versetzte der Beklagte der Klägerin einen Schlag gegen den Hinterkopf. Wegen dieser anhaltenden Streitigkeiten verließ die Klägerin am 17. 2. 2001 die Ehewohnung und kehrte dorthin nicht mehr zurück.

Bereits am 12. 3. 2000 hatte die Klägerin den Beklagten auf Zahlung rückständigen Unterhalts geklagt. In einer außergerichtlichen Einigung verpflichtete sich der Beklagte, der Klägerin 200.000 S an rückständigem Unterhalt, und zwar 100.000 S bis 31. 12. 2000 und den Rest bis 31. 5. 2001 zu zahlen. Tatsächlich überwies der Beklagte Anfang Jänner 2001 in Erfüllung der außergerichtlichen Unterhaltsvereinbarung 100.000 S und auf Grund einer Sondervereinbarung 50.000 S als zusätzlichen Unterhalt an die Klägerin. Weiters zahlte der Beklagte von November 2000 bis einschließlich März 2001 der Klägerin einen monatlichen Unterhalt von 21.000 S. Ab April 2001 stellte der Beklagte die Unterhaltszahlungen zur Gänze ein.

Der Beklagte hat aus zwei Pensionen und einem Bezug von der „T*****" ein monatliches Nettoeinkommen von rund 115.000 S.

Die Klägerin ist Mehrheitsgesellschafterin der E. D***** OHG und führte bereits im Zeitpunkt der Eheschließung die Geschäfte dieser Gesellschaft, die in den Jahren 1998 und 1999 jedoch Verluste erwirtschaftete. Die Klägerin bezieht aus der Gesellschaft kein Einkommen. An Privatanteilen wurden ihr im Jahr 1998 17.000 S und im Jahr 1999 14.000 S gutgeschrieben. Diese Privatanteile kamen ihr jedoch nicht in bar zu, sondern wurden ihr für Sachleistungen, wie zB die Benützung eines Firmenwagens gutgebucht. Der Klägerin gehört eine Eigentumswohnung in W*****, die für Firmenkredite hypothekarisch belastet ist. Mangels Zustimmung des Pfandgläubigers ist eine Vermietung der Wohnung nicht möglich. Die E. D***** OHG besitzt eine Wohnung im Ausmaß von 35 m² in I*****, die von Mitarbeitern der Gesellschaft geschäftsmäßig benutzt wird.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, die Klägerin habe gemäß § 94 Abs 2 letzter Satz ABGB einen Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten. Sie sei auf Grund eines Übereinkommens der Streitteile über die Gestaltung der Ehe ihrer Tätigkeit als Firmengesellschafterin nachgegangen, könne jedoch wegen der Verluste dieser Gesellschaft kein Einkommen erzielen. Daher sei sie nicht in der Lage, zur Deckung der den gemeinsamen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse beizutragen. Das geringfügige Einkommen der Klägerin könne außer Betracht bleiben. Eine Verwirkung des - unter Bedachtnahme auf die Sorgepflicht des Beklagten für seine Exgattin - mit rund 29 % des Nettoeinkommens des Beklagten auszumessenden Unterhaltsanspruchs, die nur bei besonders schweren Eheverfehlungen anzunehmen sei, sei vom Beklagten nicht bescheinigt worden. Dass die Klägerin am 17. 2. 2001 die Ehewohnung wegen der bescheinigten Misshandlungen durch den Beklagten verlassen habe, sei keine schwere Eheverfehlung.

Das Rekursgericht gab dem gegen den antragstattgebenden Teil dieses Beschlusses erhobenen Rekurs des Beklagten Folge und wies auch das restliche Unterhaltsbegehren von 33.000 S monatlich ab. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung nicht zulässig sei und begründete diese wie folgt:

Eine Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts sei insoweit ausgeschlossen, als dieses den Sachverhalt auf Grund vor ihm abgelegter Zeugen- oder Parteienaussagen festgestellt habe. Da Mängel im Sinn des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO nicht vorlägen, sei daher von dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt auszugehen. Demnach hätten die Streitteile keinen gemeinsamen Haushalt geführt, sodass ein Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 Satz 1und 2 ABGB ausscheide. Es seien jedoch auch die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch der Klägerin nach § 94 Abs 2 letzter Satz ABGB nicht erfüllt. Dieser setze nämlich voraus, dass die Klägerin ihren Beitrag nach § 94 Abs 1 ABGB nicht leisten könne. Das habe die Klägerin aber nicht behauptet. Der bloße Hinweis auf den schlechten Geschäftsgang und die bevorstehende Schließung der E. D***** OHG und die daraus resultierende, nahezu vollständige Einkommenslosigkeit der Klägerin bedeute nämlich noch nicht, dass sie dennoch nicht einen Beitrag zur Deckung der den Lebensverhältnissen der Streitteile angemessenen Bedürfnisse zu leisten vermöge. Insbesondere habe die Klägerin nichts dazu vorgebracht, warum ihr die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sein solle und sie es vorziehe, zu Lasten des Unterhaltsschuldners unentgeltlich als Geschäftsführerin dieser Gesellschaft zu arbeiten. Wenn das Erstgericht in der rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen sei, dass die Tätigkeit der Klägerin in der Gesellschaft einem Übereinkommen der Streitteile entsprochen habe, so bedeute dies nicht, dass die Streitteile auch dahin übereingekommen seien, dass der Beklagte der Klägerin monatliche Unterhaltszahlungen schulde. Eine derartige, allenfalls schlüssig getroffene Unterhaltsvereinbarung habe die Klägerin auch nicht behauptet. Aus der überschießend getroffenen Feststellung der außergerichtlichen Vereinbarung über die Bezahlung rückständigen Unterhalts und die (gemeint wohl: aus den) tatsächlichen Unterhaltszahlungen bis März 2001 könne nicht abgeleitet werden, dass der Beklagte sich auch für die Zukunft zu Unterhaltszahlungen verpflichten wollte. Dem Akt sei vielmehr zu entnehmen, dass das diesbezügliche Einlenken des Beklagten offensichtlich mit der Inanspruchnahme der Familientherapie in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang gestanden und daher möglicherweise auch vom Erfolg dieser Bemühungen, die Ehe zu retten, abhängig gewesen sei. Sei der Sicherungsantrag schon mangels Behauptung einer Haushaltsführung, der Unmöglichkeit jeglicher Beitragsleistung oder einer Unterhaltsvereinbarung abzuweisen, so sei es nicht mehr von Bedeutung, dass aus dem Akt nicht ersichtlich sei, der Beklagte habe ein monatliches Nettoeinkommen von rund 115.000 S zugestanden.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts erhebt die Klägerin außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Antrag, sie dahin abzuändern, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 1 ZPO, §§ 78, 402 Abs 1 EO - wie die nachstehenden Ausführungen zeigen werden - zulässig und auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der voll berufstätige Ehegatte, mag

er neben seiner beruflichen Tätigkeit auch noch den Haushalt geführt

haben, ausschließlich auf den in § 94 Abs 2 letzter Satz ABGB

normierten Unterhaltsanspruch verwiesen, und zwar unabhängig davon,

ob der gemeinsame Haushalt aufrecht besteht oder nicht (SZ 50/108,

50/128; EvBl 1981/17, 72; EvBl 1982/127, 435; 8 Ob 598/93 = EF 73.794

= JBl 1995, 259 ua). Zutreffend erblickten die Vorinstanzen - wie

auch die Klägerin - in dieser Gesetzesstelle die Grundlage des geltend gemachten Anspruchs. Die in der in der Revisionsrekursbeantwortung zitierten Entscheidung 7 Ob 810/76 vertretene Rechtsansicht, wonach ein Ehegatte - abgesehen von einer zulässigen anderslautenden Vereinbarung - nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch nur dann habe, wenn er vorher den gemeinsamen Haushalt geführt habe, wurde bereits in SZ 50/108 abgelehnt und ist vereinzelt geblieben. Beim Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 letzter Satz ABGB ist zu prüfen, ob der den Unterhalt fordernde Ehegatte seinen Beitrag iSd § 94 Abs 1 ABGB zu leisten vermag. Kommt - bei Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft - eine solche Beitragsleistung nicht in Betracht, dann ist entscheidend, ob er in der Lage ist, aus eigenen Kräften die Mittel zur Deckung seiner den Lebensverhältnissen beider Ehegatten angemessenen Bedürfnisse aufzubringen (SZ 50/108; SZ 50/128; 4 Ob 544/92; 4 Ob 2025/96i; 2 Ob 5/99w). Dies muss aber nach den Umständen des Einzelfalls zumutbar sein (SZ 68/157; 3 Ob 271/97t; 6 Ob 219/98v). Der Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 letzter Satz ABGB besteht nur insoweit, als dem Ehegatten die erforderlichen Mittel fehlen; eigene Einkünfte und eigenes Vermögen sind angemessen zu berücksichtigen. Der Unterhaltsanspruch nach dieser Gesetzesstelle führt bei wesentlich verschieden hohem Einkommen zweier Ehegatten dazu, dass der Ehegatte mit höherem Einkommen dem Ehegatten mit niedrigerem Einkommen die erforderlichen Mittel zuzuschießen hat, um auch diesem die Deckung der den Lebensverhältnissen beider Ehegatten angemessenen Bedürfnisse zu ermöglichen (SZ 50/108; SZ 50/128; 7 Ob 503/91 = EF 64.896; 7 Ob 531/93 = EF 70.575 ua).

Die Beurteilung des Rekursgerichts, die Klägerin habe die Voraussetzungen des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs nicht ausreichend behauptet, ist im Akteninhalt nicht gedeckt. Die Klägerin behauptete bereits in ihrem in der Klage gestellten Provisorialantrag, sie sei auf die begehrte vorläufige Unterhaltszahlung des Beklagten, der ein jährliches Nettoeinkommen von zumindest 1,574.588 S habe, angewiesen, weil die von ihr geführten Geschäfte der Gesellschaft, deren Gesellschafter sie sei, schlecht gingen, die Schließung bevorstehe und sie deshalb über kein Einkommen aus diesem Unternehmen verfüge. Der Beklagte setzte dem - neben dem Verwirkungseinwand und der Bestreitung der behaupteten Höhe seines Einkommens - nur entgegen, die Klägerin beziehe ein Jahreseinkommen von mindestens zwischen 350.000 S und 500.000 S. Damit ist aber nach der Behauptungslage - schon wegen der hohen Differenz der behaupteten Einkommensverhältnisse - eindeutig, dass die vom Beklagten behaupteten eigenen Mittel der Klägerin zur Befriedigung ihrer den Lebensverhältnissen beider Ehegatten angemessenen Bedürfnisse nicht ausreichen. Die dem Rekursgericht in der Auslegung des Antragsvorbringens unterlaufene grobe Fehlbeurteilung ist eine im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage.

Für den Beklagten ist im vorliegenden Fall nichts aus den von ihm

zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 8 Ob 598/93 = EF

73.794; 8 Ob 2335/96g = EF 83.073; 9 Ob 201/99w zu gewinnen. Dort

sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass ein selbständig berufstätiger Ehegatte gegen den anderen einen Unterhaltsanspruch haben kann, wenn seine Erwerbstätigkeit keinen Ertrag abwirft, sofern in absehbarer Zeit wieder Einkünfte aus dieser Erwerbstätigkeit erwartet werden können. Nur mangels Aussicht auf Konsolidierung des Unternehmens binnen angemessener Frist sei der selbständig erwerbstätige Ehegatte verpflichtet, zwecks Erreichung eines eigenen Einkommens umgehend eine andere, allenfalls auch unselbständige Erwerbstätigkeit anzunehmen. Der Beklagte meint nun erstmals in seiner Revisionsrekursbeantwortung, auf Grund der festgestellten Verluste der Gesellschaft und der Belastung der Eigentumswohung der Klägerin für Firmenkredite ergebe sich die mangelnde Aussicht auf Konsolidierung des Unternehmens. Da die Klägerin ein Sanierungskonzept nicht behauptet habe, hätte sie sich nach einer unselbständigen Erwerbstätigkeit umsehen müssen, was sie jedoch unterlassen habe. Daher stehe ihr ein Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 letzter Satz nicht mehr zu. Dem ist aber zu erwidern, dass die genannten Entscheidungen den Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 letzter Satz ABGB des wegen Ertragslosigkeit des Unternehmens einkommenslosen, selbständigen Erwerbstätigen nicht für den Fall prüfen, dass das Unternehmen nach ertragslosen Jahren geschlossen wird, was hier von der Klägerin - vom Beklagten unwidersprochen - behautet wurde. Eine geordnete, auf die Erzielung eines bestmöglichen Ergebnisses gerichtete Unternehmensschließung ist ein Prozess, der je nach den Umständen des Einzelfalls einen unterschiedlich langen Zeitraum erfordert. Eine weitere einkommenslose hauptberufliche Geschäftsführertätigkeit der Klägerin während der für die Schließung nötigen, sich nach den konkreten Verhältnissen des Unternehmens bemessenden Frist ist zu tolerieren. Schließlich wird auch einem Unterhaltspflichtigen, der eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, für eine ertragslose oder ertragsschwache Anlaufzeit eine verminderte Leistungsfähigkeit zugestanden. Als Gesellschafterin ist sie im Übrigen zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft verpflichtet (§ 114 Abs 1 HGB; diese Regel ist zwar abdingbar [§ 109 HGB], jedoch wurde eine abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag nicht behauptet). Dem Geschäftsführer steht kein gesetzlicher Anspruch auf eine Vergütung für seine Tätigkeit zu (SZ 43/106; NZ 1980, 149 mwN; Torggler/Kucsko in Straube², HGB § 114 Rz 21 mwN). Dass die Klägerin die Möglichkeit hätte, neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit in der Gesellschaft einer anderen, Einkommen verschaffenden Tätigkeit nachzugehen, behauptete der Beklagte in erster Instanz ebensowenig wie, dass eine ordnungsgemäße Schließung schon bei Antragstellung durchgeführt hätte sein können oder die Klägerin die Schließungsnotwendigkeit zu spät erkannt hätte. Die Behauptungs- und Beweislast für ein zumutbarerweise erzielbares höheres Einkommen trifft aber die durch den Anspannungsgrundsatz begünstigte Partei (1 Ob 56/01v; Schwimann, Unterhaltsrecht² 145 mwN;

Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 263). Das bedeutet, dass das Rekursgericht rechtsirrtümlich den Anspannungsgrundsatz anwandte.

Geht man von den als bescheinigt angenommenen Tatsachen des Erstgerichts über die Einkommensverhältnisse der Klägerin, die das Rekursgericht übernahm, aus, so kann sie aus den ihr zukommenden geringfügigen Zuwendungen nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten. Den festgestellten Wert dieser Sachbezüge der Klägerin bekämpfte der Beklagte in seinem Rekurs nicht. Zu Recht berücksichtigte das Erstgericht potentielle Einkünfte der Klägerin aus der Vermietung ihrer Eigentumswohnung nicht, steht doch unbekämpft fest, dass ihr eine Vermietung rechtlich nicht gestattet ist. Der Beklagte meint in seiner Revisionsrekursbeantwortung erstmals, die Eigentumswohnung der Klägerin und die Innsbrucker Wohnung der Gesellschaft hätten angesichts der behaupteten schlechten und aussichtslosen Lage der Gesellschaft zum Verkauf freigestellt werden müssen, sodass das eigene Vermögen der Klägerin zu berücksichtigen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Innsbrucker Wohnung Vermögen der Gesellschaft und die Eigentumswohnung der Klägerin belastet ist. Zutreffend rügte der Beklagte aber in seinem Rekurs die Feststellungen des Erstgerichts über seine Einkommensverhältnisse. Das Erstgericht stellte einerseits fest, der Beklagte beziehe ein monatliches Nettoeinkommen von rund 115.000 S, andererseits, dass sich sich dieses Einkommen aus einer PSK-Pension von rund 72.000 S und einer ASVG-Pension von rund 23.000 S, jeweils 14x jährlich, sowie einem Bruttobezug von 40.000 S jährlich zusammensetze. In die Bemessungsgrundlage fließt allerdings nur das Nettoeinkommen ein; vom Bruttoeinkommen ist die nach den steuerrechtlichen Bestimmungen zu bezahlende Einkommenssteuer abzuziehen (JBl 1992, 702 ua). Angesichts der vom Beklagten nicht bekämpften festgestellten Nettopensionsbezüge von insgesamt 1,330.000 S beträgt der Grenzsteuersatz 50 %, sodass sich aus dem Bruttobezug von 40.000 S ein Nettoeinkommen von 20.000 S - wie vom Beklagten im Rekurs auch zugestanden - ergibt. Die Summe der festgestellten Bestandteile des Nettojahreseinkommens beträgt demnach 1,350.000 S, 1/12 davon 112.500 S, wovon das festgestellte monatliche Nettoeinkommen von rund 115.000 S jedoch nur geringfügig abweicht. Zutreffend rügte der Beklagte ferner in seinem Rekurs auch, dass sich das Erstgericht nicht mit seinem Einwand, der Bezug von Pensionen verschiedener Stellen führe beim Beklagten zu einer Einkommensteuernachzahlung von rund 130.000 S, befasst habe. In seinem Rekurs setzte er diesen Einkommensteuerabzug mit 129.000 S an und kommt zu einem monatlichen Nettoeinkommen von 101.750 S. Demnach übersteigt das Einkommen des Beklagten dasjenige der Klägerin jedenfalls eklatant. Unter diesen Umständen steht aber mit der für das Provisorialverfahren ausreichenden Sicherheit fest, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, ihre den Lebensverhältnissen beider Ehegatten angemessenen Lebensbedürfnisse aus ihrem Einkommen zu decken. Dass die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch nicht verwirkte, erkannte das Erstgericht richtig. Dem festgestellten Sachverhalt nach kann nämlich von einer hiefür notwendigen besonders schweren Eheverfehlung (EF 30.649, 55.909 ua) der Klägerin nicht die Rede sein. Die Klägerin und der Beklagte lebten im gemeinsamen Haushalt. Sie zog aus der Ehewohnung begründet und damit berechtigt wegen der Tätlichkeiten des Beklagten aus.

Die Sache ist insoweit spruchreif, als die Bemessungsgrundlage mit einem monatlichen Nettoeinkommen des Beklagten von jedenfalls 101.750 S unbekämpft als bescheinigt auszugehen ist. Einer Bemessung des Unterhalts mit rund 29% der Bemessungsgrundlage - wie dies in etwa der gerichtlichen Praxis bei exorbitanten Einkommensunterschieden und Unterhaltspflicht für eine frühere Ehefrau entspricht (vgl ÖA 1992, 159 und 160; SZ 64/135 ua) - ist der Beklagte schon in seinem Rekurs nicht entgegengetreten. Er wandte vielmehr diesen Prozentsatz bei seiner Berechnung der Höhe des Unterhaltsanspruchs selbst an. Wenn er im Rekurs die Ansicht vertrat, von dem sich ergebenden monatlichen Unterhaltsbetrag von 29.507,50 S sei ein Betrag von 8.258 S abzuziehen, weil die Wohnung in Wien 6 über ausdrückliches Betreiben der Klägerin angeschafft worden sei und diese daher die Hälfte der monatlichen Wohnungskosten zu tragen habe, so ist darauf nicht weiter einzugehen, weil dieser Einwand erstmals im Rekurs erhoben wurde und das Neuerungsverbot auch im Rechtsmittelverfahren gegen eine einstweilige Verfügung gilt (JBl 1974, 210; EvBl 1983/144, 522 ua). Im Umfang des Zuspruchs eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 29.000 S war daher die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederherzustellen. Im Übrigen, nämlich hinsichtlich des restlichen noch streitverfangenen monatlichen Unterhaltsbetrags von 4.000 S hingegen ist die Sache noch nicht spruchreif, weil das Erstgericht keine Feststellung traf, ob und in welcher Höhe der Beklagte wegen der Zusammenrechung der Pensionen Einkommensteuer nachzuzahlen hat, sodass das tatsächliche Nettoeinkommen über den zugestandenen Betrag hinaus noch nicht feststeht. Insoweit waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Ergänzung des Bescheinigungsverfahrens - soweit ihm die vorliegenden Bescheinigungsergebnisse zur notwendigen Feststellung nicht ausreichen - aufzutragen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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