OGH 6Ob219/98v

OGH6Ob219/98v24.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg B*****, vertreten durch Dr. Christian Lind, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Dr. Otto B*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher und Mag. Volker Leitner, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Unterhalts (Streitwert 344.400 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes vom 21. April 1998, GZ 10 R 59/98y-22, womit das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 23. Jänner 1998, GZ 1 C 34/97s-16, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die mit 16.020 S (darin 2.670 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 29. 12. 1986, 3 Cg 288/85, aus dem überwiegenden Verschulden des nunmehrigen Beklagten geschieden. Dieser verpflichtete sich mit Vergleich vom 18. 10. 1988 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 8.000 S ab 1. 11. 1988 an die Klägerin. Dem Vergleich lagen monatliche Nettoeinkommen des Beklagten von 55.000 S und der Klägerin von 15.000 S sowie eine monatliche Unterhaltsleistung des Beklagten von 6.000 S an den ehelichen Sohn zugrunde. Nach Antritt seiner Pension erwirkte der Beklagte im Verfahren 1 C 130/93b des Bezirksgerichtes St. Pölten die Feststellung, wonach seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin seit 1. 7. 1993 ruhe. Grundlage dieser Entscheidung war eine monatliche Pension des Beklagten von 50.875,43 S vom 1. 7. bis 31. 12. 1993 und von 53.557,29 S im Jahr 1994. In diesen Zeiträumen verfügte die Klägerin über ein monatliches Nettoeinkommen von 25.701,38 S bzw 27.151,86 S. Der Beklagte war damals noch für seinen 1969 geborenen Sohn, für den er monatlich 6.000 S zahlte, und für seine zweite Ehegattin, die über ein monatliches Nettoeinkommen von etwa 5.000 S verfügte, sorgepflichtig.

In den Jahren 1996 und 1997 betrug die durchschnittliche Nettopension des Beklagten rund 48.000 S. Seine zweite Ehegattin erhielt zuletzt eine Arbeitslosenunterstützung von 139 S täglich. Die Klägerin befindet sich seit 1. 11. 1996 in Pension. Sie erhält im monatlichen Durchschnitt 16.925,82 S netto.

Unter Hinweis auf die mittlerweile geänderten Einkommensverhältnisse begehrt die Klägerin einen monatlichen Unterhalt von 8.947 S ab 1. 5. 1997 und weitere 53.682 S für die davorliegenden sechs Monate. Der begehrte Unterhalt entspreche 37 % des gemeinsamen Pensionseinkommens einschließlich der Zinserträge des Beklagten von 3.000 S abzüglich der Eigenpension der Klägerin.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung und brachte - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - vor, er verfüge über keine Zinserträge. Das Pensionseinkommen der Klägerin sei zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse ausreichend.

Das Erstgericht sprach der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 8.200 S ab 1. 5. 1997 und weitere 49.200 S für die sechs davor liegenden Monate zu. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus fest, der Beklagte führe einen aufwendigen Lebensstil, er habe nach Erhalt von 4,6 Mio S aus dem Verkauf einer Liegenschaft Luxusaufwendungen von über 1,700.000 S für Uhren, Waffen, Fotoausrüstung und Münzen getätigt. Es könne nicht festgestellt werden, daß, in welcher konkreten Form und mit welchen Zinserträgen der Beklagte nicht verbrauchte Teile des Verkaufserlöses der Liegenschaft zinsbringend angelegt habe. Im Hinblick auf die geänderten Verhältnisse habe eine neue Festsetzung der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten zu erfolgen. Unter Berücksichtigung seiner Sorgepflicht für die arbeitslose zweite Gattin gebühre ein Unterhaltsbeitrag von 37 % des gemeinsamen monatlichen Nettoeinkommens einschließlich erzielbarer Zinserträge des Beklagten von monatlich 3.000 S abzüglich der Eigenpension der Klägerin.

Das Berufungsgericht gab der auf gänzliche Klageabweisung gerichteten Berufung des Beklagten nicht Folge. Dieser habe im wesentlichen geltend gemacht, die Klägerin sei für alle Voraussetzungen der Unterhaltsbemessung nach § 66 EheG beweispflichtig. Sie hätte behaupten und beweisen müssen, daß sie aus gesundheitlichen Gründen genötigt oder aus sonstigen Gründen gezwungen gewesen sei, die Frühpension in Anspruch zu nehmen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die Klägerin sei ihrer Behauptungs- und Beweislast ausreichend nachgekommen, habe sie doch implizit behauptet und letztlich bewiesen, daß der Pensionsversicherer die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Pension als gegeben erachtet habe. Habe der schuldlos oder minder schuldig geschiedene Ehegatte aber die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlangung einer Pension erfüllt, könne den Umständen nach nicht erwartet werden, daß er seine Erwerbstätigkeit fortsetzt. In einem solchen Fall sei ihm eine weitere volle Berufstätigkeit nicht mehr zumutbar. Daß der Klägerin ungeachtet des Eintritts der Voraussetzungen des Pensionsversicherungsfalles eine Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt noch zur Verfügung gestanden wäre, die ihr ein höheres Einkommen ermöglicht hätte, habe der Beklagte genausowenig behauptet, wie daß die Klägerin die Frühpensionierung sittenwidrig in der Absicht, ihn zu schädigen, in Anspruch genommen habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob die Unterhalt begehrende geschiedene Ehefrau über die Tatsache ihrer Pensionierung hinaus noch weitere Behauptungen zur Frage der (Un-)zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit aufzustellen habe, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die Revision des Beklagten nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

Der Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes beruht auf der Erwägung, der Oberste Gerichtshof habe noch nicht beurteilt, ob ein unterhaltsberechtigter geschiedener Ehegatte über die Tatsache seiner Pensionierung hinaus noch weitere Behauptungen zur Frage der (Un-)zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit nach Erlangung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Pensionierung aufzustellen habe.

Die 1941 geborene Klägerin hat vorgebracht (und bewiesen), daß sie seit 1. 11. 1997 eine Pension in der von den Vorinstanzen festgestellten Höhe bezieht, somit die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Pensionsbezug nach dem ASVG vorliegen. Der Beklagte hat nie bestritten, daß die Klägerin eine vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer bezieht. Er zieht auch nicht in Zweifel, daß damit eine wesentliche Einkommensminderung der Unterhaltsberechtigten eingetreten ist und diese zu einer Neufestsetzung seiner Unterhaltsleistung führen kann. In seiner Revision macht er - wie schon in der Berufung als Neuerung - geltend, der Klägerin sei eine weitere Berufstätigkeit zumutbar, den Beweis für das Gegenteil habe sie weder angetreten, geschweige denn erbracht. Sie hätte über die Tatsache ihrer Pensionierung hinaus weiteres Vorbringen erstatten und den Beweis dafür antreten müssen, daß ihr (aus welchen Gründen auch immer) eine weitere Berufstätigkeit nicht mehr zumutbar sei bzw daß sie keine neue Anstellung gefunden hätte.

Der schuldlos oder minder schuldig geschiedene Ehegatte hat gemäß § 66 EheG von vornherein nur insoweit einen Unterhaltsanspruch gegen den allein oder überwiegend schuldig geschiedenen Ehegatten, als seine Einkünfte aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann, nicht ausreichen. Die Unterhaltspflicht ist damit subsidiär. Sie besteht erst dann, wenn Vermögenseinkünfte und Erträgnisse einer dem Unterhaltsberechtigten zumutbaren Erwerbstätigkeit nicht ausreichen, um ihm den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu verschaffen. Der Unterhaltsberechtigte ist demnach im Umfang der Zumutbarkeit zur Erwerbstätigkeit verpflichtet (Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 66 EheG; Zankl in Schwimann, ABGB2 Rz 15 und 16 zu § 66 EheG; SZ 66/114 mwN). Zur Frage der Zumutbarkeit hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß es für einen schuldlos oder minder schuldig geschiedenen Ehegatten nicht zumutbar sei, nach Erreichen der Voraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension seine Erwerbstätigkeit weiter auszuüben. Es könne nämlich nicht von ihm erwartet werden, daß er eine Erwerbstätigkeit auch dann fortsetzt, wenn er die altersmäßigen und sonstigen Voraussetzungen für die Frühpension erreicht hat. In einem solchen Fall sei ihm eine weitere volle Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht mehr zuzumuten (SZ 66/114; vgl 3 Ob 271/97t; RIS-Justiz RS0057339). Dieser Entscheidung lag die Erwägung zugrunde, Sinn und Zweck der in den Pensionsversicherungsgesetzen vorgesehenen Versicherungsfällen des Alters sei es, dem Versicherten einen Ersatz für den durch das Absinken der Arbeitskraft bedingten Entfall seines Arbeitseinkommens zu verschaffen. Der Gesetzgeber habe durch Festsetzung von Altersgrenzen zum Ausdruck gebracht, daß dem Versicherten bei deren Erreichen nicht mehr zugemutet wird, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen zu müssen, welche Überlegungen auch für den Versicherungsfall der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gelte.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang. Ein Widerspruch zu der von der Revision zitierten Entscheidung 3 Ob 401/97k (= ecolex 1998, 464) ist mangels eines vergleichbaren Sachverhalts nicht zu erkennen. 3 Ob 401/97k betraf die Frage, ob der Anspannungsgrundsatz auf einen krankheitshalber in den (zeitlichen) Ruhestand versetzten unterhaltspflichtigen Beamten nach Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit (somit Wegfall des Pensionierungsgrundes) anzuwenden ist, obwohl der Beamte keinen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung habe. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Frage, ob der Unterhaltsberechtigten trotz Vorliegens der (zeitlichen) Voraussetzungen einer vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer eine weitere Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Diese hier relevante Frage hat der Oberste Gerichtshof mit der dargelegten Begründung aber bereits verneint.

Angesichts dieser Rechtsprechung kommt es darauf, ob die Unterhaltsberechtigte noch eine Anstellung gefunden hätte, nicht an. Damit stellt sich aber auch die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob die Klägerin Behauptungen zur (Un-)zumutbarkeit einer weiteren Erwerbstätigkeit über den Zeitpunkt ihrer Pensionierung hinaus hätte aufstellen müssen, nicht.

Diese Erwägungen führen zur Zurückweisung der Revision des Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 sowie 52 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodaß ihre Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.

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