OGH 1Ob134/70

OGH1Ob134/7018.6.1970

SZ 43/106

Normen

ABGB §863
HGB §114
HGB §133
ABGB §863
HGB §114
HGB §133

 

Spruch:

Dem durch die Untätigkeit eines anderen Gesellschafters betroffenen Gesellschafter einer OHG steht wegen der dadurch bedingten eigenen Mehrleistungen mangels einer entsprechenden Vereinbarung grundsätzlich kein Vergütungsanspruch zu; er kann einer solchen Vertragsuntreue nur mit der Auflösungsklage begegnen

OGH 18. Juni 1970, 1 Ob 134/70 (OLG Wien 3 R 9/70; HG Wien 19 Cg 673/69)

Text

Die Parteien sind Gesellschafter der beim HG Wien zu 7 HRA 10.217 protokollierten OHG "Wilhelm H & Co". Der Beklagte hat seinen Gesellschaftsanteil von der Mutter der Klägerin schenkungsweise erhalten und ist seit dem 30. Juni 1965 im Handelsregister als Gesellschafter der genannten OHG eingetragen.

Nach dem Klagevorbringen handelt es sich um ein Kleinstunternehmen, in welchem die Klägerin ihre gesamte Arbeitskraft einsetze, während sich der Beklagte einer Mitarbeit weitgehend entziehe. Die Klägerin sei genötigt, wöchentlich 50 bis 60 Stunden zu arbeiten, um die im Geschäft anfallenden Aufgaben zu bewältigen. Ungeachtet wiederholter Aufforderungen komme der Beklagte, der die Hälfte des Unternehmensgewinns beanspruche, seiner Geschäftsführungspflicht nicht nach.

Gestützt auf dieses Vorbringen, begehrt die Klägerin vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung eines Betrages von 94.622 S s A; es handle sich hiebei um die Hälfte des Entschädigungsbetrages, den ein für das Unternehmen bestellter Geschäftsführer in der Zeit vom 1. Juli 1966 bis Juli 1969 auf Grund des für den allgemeinen Groß- und Kleinhandel geltenden Kollektivvertrages zu fordern berechtigt wäre.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging: Die Firma Wilhelm H & Co sei im Jahre 1922 von den Eltern der Klägerin als OHG gegrundet worden. Die seinerzeitigen Gesellschafter Wilhelm H und Emilie H, die keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag errichtet hatten, hätten im Geschäft, das vorwiegend den Verkauf von Beleuchtungskörpern zum Gegenstand hatte, persönlich mitgearbeitet. Nach dem Tod des Wilhelm H im Jahr 1946 habe dessen Witwe Emilie H das Unternehmen der Gesellschaft bis zum Jahr 1949, in dem die Klägerin in die Gesellschaft eingetreten sei, allein weitergeführt. Auch zwischen Emilie H und ihrer Tochter Elfriede H (der Klägerin), die beide im Unternehmen mitgearbeitet hätten, habe kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag bestanden. Von den beiden Mitgesellschaftern sei bis zum Jahr 1959 ein Buchhalter, der zeitweise auch beim Verkauf ausgeholfen habe, und bis zum Jahr 1965 ein Elektromonteur beschäftigt gewesen. Am 1. Juli 1965 sei Emilie H als Gesellschafterin ausgeschieden und ihr Enkel Peter W (der Beklagte) als offener Gesellschafter in die Gesellschaft, für die er nach dem Jahr 1959 die Buchführung besorgt und die Bilanzen erstellt hatte, eingetreten. Auch zwischen den nunmehrigen Gesellschaftern bestehe kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag. Beim Eintritt des Beklagten in die Gesellschaft sei über sein Aufgabengebiet nichts gesprochen worden. Er habe im Zeitpunkt seines Eintritts in die Gesellschaft eine eigene, ausschließlich für die Firma H & Co arbeitende Lampenschirmerzeugung besessen und dieser Firma jährlich Lampenschirme um etwa 40.000 S geliefert. Während der ersten Monate seiner Gesellschaftereigenschaft habe sich der Beklagte um die Firma nicht gekümmert. Von Mitte Oktober 1965 bis Weihnachten 1965 sei er allerdings im Geschäft - u zw im Verkauf - tätig gewesen. Nach Weihnachten 1965 habe dann der Beklagte bis etwa April 1968 nur noch die Buchhaltung besorgt, die Bilanzen erstellt und Geldüberweisungen an Lieferanten vorgenommen. Das Kassabuch sei in dieser Zeit von der Klägerin geführt worden. Mitte 1968 sei dann Dkfm R mit der Vertretung der Firma Wilhelm H & Co betraut worden, doch habe diese Vertretungstätigkeit schon im August 1969 wieder geendet. In dieser Zeitspanne sei der Beklagte mit der Buchhaltung und der Erstellung der Bilanzen nicht befaßt gewesen. Er habe nur noch etwa drei bis vier Wochen vor Weihnachten 1966 im Geschäft mitgearbeitet, habe einmal einen Rationalisierungsvorschlag unterbreitet, die Gründung von Filialen angeregt und mit Hilfe seines in den USA lebenden Bruders den Export von 8 bis 10 Lustern vermittelt. Die Klägerin habe den Beklagten wiederholt, jedoch erfolglos zur Mitarbeit im Geschäft aufgefordert. Seit Oktober 1969 arbeite der Beklagte wieder zeitweilig im Geschäft mit, u zw ein bis vier Stunden am Tag. Diese Tätigkeit habe die Klägerin bestimmt, zu 19 Cg 160/69 des HG Wien eine EV zu beantragen, u zw mit dem Ziel, dem Beklagten die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zu entziehen. Sie habe diesen Antrag, der in erster Instanz mit dem noch nicht rechtskräftigen Beschluß vom 20. November 1969 abgewiesen worden sei, damit begrundet, daß der Beklagte trotz ihres Widerspruches verschiedene Investitionsgüter und Waren bestellt habe, welche die Firma im Hinblick auf ihre ungünstige wirtschaftliche Lage nicht zahlen könne. Der Umsatz der Firma Wilhelm H & Co habe sich in den Jahren 1962 bis 1968 von ca 743.000 S auf ca 934.000 S, der Gewinn in demselben Zeitraum von ca 43.000 S auf ca 125.000 S jährlich erhöht. Seit Ende des Jahres 1967 sei in der Firma jeweils ein kaufmännischer Angestellter tätig; vordem seien jeweils ein Lehrling und ein Elektriker beschäftigt gewesen.

Zwischen den Streitteilen habe es von Beginn an Differenzen über die Art der Führung des Geschäfts gegeben. Für die Richtigkeit dieser Annahme spreche nicht zuletzt der Umstand, daß die Klägerin die ab Oktober 1969 wieder einsetzende Mitarbeit des Beklagten zum Anlaß genommen habe, die Erlassung der bereits behandelten EV zu beantragen. Aus dem in den Akten 19 Cg 160/69 des HG Wien erliegenden Schreiben der Klägerin v 23. Oktober 1969 gehe hervor, daß die Klägerin "allem widersprochen habe, was der Beklagte ohne schriftliche Zustimmung der Klägerin hinsichtlich der Firma Wilhelm H & Co unternehme".

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß zufolge Fehlens jeder schriftlichen Vereinbarung darüber, in welcher Weise die Gesellschafter im Geschäft tätig sein sollten, die Bestimmungen der §§ 109 ff HGB anzuwenden seien. Nach § 114 Abs 1 HGB seien alle Gesellschafter zur Führung der Geschäfte berechtigt und verpflichtet. Es bestehe kein gesetzlicher Anspruch auf eine Vergütung des geschäftsführenden Gesellschafters. Nur dann, wenn die grundsätzlich nicht gesondert zu vergütenden kaufmännischen Dienste eines Gesellschafters über das Maß des üblichen hinausgingen, namentlich besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzten, könne eine Vergütung als stillschweigend zugestanden angenommen werden. Im Zweifelsfalle könne der Mitgesellschafter einer Familiengesellschaft keinen Ersatz dafür fordern, daß er zeitweise deren Geschäfte allein besorgen müsse, so daß schon aus dieser Erwägung die Klageforderung nicht gerechtfertigt sei. Darüber hinaus wäre die erhobene Forderung nicht gegen einen Mitgesellschafter, sondern gegen die Gesellschaft zu richten, da die Gesellschafter mangels einer anderen Vereinbarung für derartige Schadenersatzansprüche bis zur Auseinandersetzung weder als Gesamtschuldner noch anteilsmäßig hafteten.

Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung des erhobenen Sachverhaltsbildes durch das Erstgericht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Berufungsgericht ist zunächst darin beizupflichten, daß sich die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander mangels eines zwischen ihnen geschlossenen Gesellschaftsvertrages nach dem Gesetz (§§ 109 ff HGB) regeln, so daß davon auszugehen ist, daß grundsätzlich beide Gesellschafter zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet sind (§ 114 Abs 1 HGB). Die Geschäftsführung i S der zitierten Gesetzesbestimmung umschließt alle Geschäfte und Handlungen, die sich als Betätigung der gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Organisation in der Richtung auf den Gesellschaftszweck darstellen. Dazu gehören tatsächliche Verrichtungen ebenso wie Rechtsgeschäfte, beispielsweise also der Ein- und Verkauf von Waren, die Anstellung und die Kündigung von Arbeitern und Angestellten, die Buchführung, der Schriftverkehr usw (HS 1229, 1230).

Im Mittelpunkt der Rechtsrüge steht, wie im Berufungsverfahren, die Frage, ob und wie weit einem Gesellschafter Ansprüche daraus erwachsen, daß er wegen mangelnder oder ungenügender Mitarbeit eines Mitgesellschafters für seine Person vermehrte Arbeitsleistungen erbracht hat. Bei der Lösung dieser Rechtsfrage kann sich das Revisionsgericht auf den in Lehre und Rechtsprechung einhellig vertretenen Grundsatz stützen, daß der Gesellschafter einer OHG ebenso wie der persönlich haftende Gesellschafter einer KG bei Fehlen einer vertraglichen Regelung für kaufmännische Dienste, die er dem Unternehmen leistet, keine gesonderte Vergütung fordern kann. Insb steht bei einer Familiengesellschaft einem Gesellschafter, der durch eigene Mehrleistungen die ausfallende Arbeitskraft eines Mitgesellschafters ersetzt, ohne besondere Vereinbarung eine Vergütung für die zusätzlich erbrachte Arbeit nicht zu (Hämmerle, Handelsrecht[2] II 17; Baumbach - Duden, HGB[18] § 110 Anm 4; Weipert im RGRKomm z HGB[2] II § 114 Anm 16; Schlegelberger, HGB[4], § 110 Anm 4. § 114 Anm 24; Hueck, Das Recht der OHG[3], 155; HS 63 = RZ 1960, 161; HS 5107 = EvBl 1967/7 = JBl 1967, 149; BGH 21. Mai 1955, IV ZR 7/55 NJW 1955, 1227).

Nur dann, wenn eine die ursprünglich vorgesehene Geschäftsführungstätigkeit eines Gesellschafters erheblich übersteigende, längere Zeit andauernde Geschäftsführungstätigkeit eines Gesellschafters vorliegt und diese von den übrigen Gesellschaftern ohne Einwendungen hingenommen wird, könnte dies als stillschweigende Vereinbarung gedeutet werden, diese zusätzliche Arbeit besonders zu honorieren. Abgesehen davon, daß sich die Klägerin selbst nicht auf eine solche schlüssige Willenserklärung des Beklagten berufen, ihren Anspruch vielmehr als Schadenersatzanspruch qualifiziert hat, sprechen gegen eine derartige Annahme vor allem die seit Jahren andauernden tiefgreifenden Differenzen der Parteien. Bei dem gespannten Verhältnis, das zwischen der Klägerin und dem Beklagten herrscht, kann nicht unterstellt werden, daß der Beklagte jemals bereit war, die das übliche Maß nicht auffällig überschreitende und auch keine ungewöhnlichen Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzende Geschäftsführertätigkeit seiner Mitgesellschafterin besonders zu vergüten.

Die Parteien stehen einander nach dem Gesetz (§ 114 Abs 1 HGB) als gleichberechtigte geschäftsführende Gesellschafter gegenüber. Nicht allein dieser Umstand, sondern auch die allgemeinen Grundsätze der Gesellschaftstreue erheischen eine entsprechende Mitarbeit des Beklagten in dem gemeinsam betriebenen Unternehmen. Der durch die Untätigkeit eines zur Mitarbeit verpflichteten Gesellschafters betroffene Mitgesellschafter besitzt wegen der dadurch bedingten eigenen Mehrleistungen keinen Vergütungsanspruch und ist darauf beschränkt, der Vertragsuntreue des Mitgesellschafters mit der Auflösungsklage nach § 133 HGB zu begegnen.

Stichworte