OGH 8Ob598/93

OGH8Ob598/9313.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Ursula R*****, geboren am 20.Mai 1942, Firmengesellschafterin, ***** vertreten durch Dr.Helmut Fritz, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Franz R*****, kaufmännischer Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wegen einstweiligem Unterhalt, infolge Revisionsrekurses des Beklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 4. Juni 1993, GZ 2 R 272/93-18, womit infolge Rekurses beider Parteien der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24. März 1993, GZ 34 C 154/92i-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin und gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit ihrer am 13.11.1992 eingebrachten Unterhaltsklage verband die Klägerin den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach ihr der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei als ihr getrennt lebender Ehemann ab Klagezustellung einen einstweiligen monatlichen Unterhalt von S 9.300,- zu leisten habe. Zur Begründung brachte sie vor, daß sie als Kommanditistin der Firma S***** KG zufolge schlechter Ertragslage seit April 1992 kein eigenes Einkommen mehr erziele.

Der Beklagte bestritt das Klagevorbringen und beantragte die Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, weil die Klägerin selbst bei Fehlen eines Einkommens als Gesellschafterin jedenfalls als ausgebildete Bauingenieurin in der Lage sei, ein hinreichendes Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit zu erzielen.

Das Erstgericht trug dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Zahlung eines monatlichen Unterhaltes von S 8.000,- ab 24.11.1992 an die Klägerin auf und wies das Mehrbegehren ab. Es hielt nachfolgenden Sachverhalt für bescheinigt:

Die Streitteile leben in aufrechter Ehe, die häusliche Gemeinschaft wurde vom Beklagten grundlos aufgelöst. Er ist als kaufmännischer Angestellter bei der Fa.H***** beschäftigt und verdient einschließlich Zulagen und Sonderzahlungen monatlich durchschnittlich S 24.500,- netto. Die Klägerin ist Kommanditistin der Ing.Josef S***** KG. Nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages ist sie zur Mitarbeit in der Firma verpflichtet. Sie bezog bis April 1992 monatlich S 12.000,- akonto eines zu erwartenden Gewinnes. Da es dem Unternehmen seit einiger Zeit schlecht geht und im Jahre 1991 kein Gewinn erwirtschaftet werden konnte, wurden Sanierungsschritte eingeleitet. Es wurde ein Finanzierungs- und Sanierungskonzept erstellt und durch Gesellschaftsbeschluß tatsächlich umgesetzt. Dieses Sanierungskonzept sieht unter anderem vor, daß die Zahlungen an die Klägerin als Kommanditistin ebenso wie an die beiden weiteren Gesellschafter eingestellt werden. Neben einem monatlichen Unterhalt, der vom Beklagten in Höhe von S 2.000,- geleistet wird, verfügt die Klägerin über keinerlei weitere Einkünfte. Die wirtschaftliche und finanzielle Organisation in der Ehe der Streitteile war derart, daß beide berufstätig waren, die Lebenshaltungskosten gemeinsam bestritten wurden und daß sich keiner der Ehegatten in die geschäftlichen Belange des anderen einmischte. Der Beklagte verfügt weiters noch über Einnahmen aus der Vermietung eines vormaligen Geschäftslokales, welche Erträgnisse er aber ausschließlich dazu verwendet, die Schulden aus seiner seinerzeitigen Firma abzutragen.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, die Anspannungstheorie könne hier nicht zum Tragen kommen, weil die Klägerin ihre Einnahmequelle unverschuldet verloren habe. Es entspreche auch der Beistandspflicht des Beklagten, ihr Unterhalt zumindest für einen gewissen Zeitraum zu leisten, nach dessen Ablauf feststellbar sein müßte, ob die Sanierungsmaßnahmen der Firma Früchte tragen oder nicht.

Das Rekursgericht gab den von beiden Parteien erhobenen Rekursen nicht Folge. Es sprach aus, daß gegen seine Entscheidung der Revisionsrekurs zulässig sei und begründete diese im Hinblick auf den Rekurs des Beklagten wie folgt:

Für die vom Beklagten begehrten weiteren Feststellungen mangle es grundsätzlich an der erforderlichen Bescheinigung. Ergänzend könnten lediglich noch Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages Beilage./A wie folgt festgestellt werden:

§ 6 Abs 2: Kapitalkonten aller Gesellschafter sind bewegliche Kapitalkonten, sodaß sie sich durch allfällige Gesellschaftseinlagen oder durch Gewinngutschriften erhöhen und durch Entnahmen und Verlust vermindern.

§ 7 Abs 1 lit b: Frau Ursula R***** erhält im Hinblick auf ihre Vermögenseinlage und ihre hauptberufliche Mitarbeit im Unternehmen einen Anteil am Erfolg in der Höhe von 35 %.

§ 11 Abs 1: Entnahmen nicht behobener Gewinne vergangener Geschäftsjahre, soweit diese Gewinne nicht zur Auffüllung des verminderten Kapitals notwendig sind, dürfen durch den Komplementär und die Kommanditistin Ursula R***** insofern erfolgen, als die Liquidität und Kassenlage des Unternehmens es zuläßt.

§ 11 Abs 5: Soweit ein anderer Gesellschafter (als Angela S*****) Geschäftsführerbezüge oder sonstige Bezüge auf Grund seiner Tätigkeit für die Gesellschaft (Dienstvertrag oder andere Vereinbarungen) nicht erhält, ist er jedenfalls berechtigt, allmonatlich zu Lasten des zu erwartenden Gewinnes zur Deckung einen angemessenen Betrag zu beheben.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Rekursgericht aus:

Grundsätzlich stehe der Klägerin bei aufrechter Ehe ein Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 1 und 2 letzter SatzABGB zu. Entscheidend sei hier, wie weit der Beklagte als Ehegatte die zumindest nach dem vorläufigen Beweisergebnis im Provisorialverfahren bescheinigte negative Ertragslage des Unternehmens seiner Gattin mitzutragen habe. Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers sei das Rekursgericht der Meinung, daß die Klägerin eine Verpflichtung zur hauptberuflichen Arbeitsleistung für die Gesellschaft treffe. Dies ergebe sich insbesondere aus einem Vergleich der sie betreffenden Bestimmung des § 2 Punkt 3 des Gesellschaftsvertrages mit der die Angela S***** betreffenden Bestimmung des § 2 Punkt 2 des Gesellschaftsvertrages, in der ausdrücklich ausgesprochen werde, daß die Angela S***** nicht verpflichtet sei, im Unternehmen mitzuarbeiten. Die demgegenüber bestehende Verpflichtung der Klägerin ergebe sich weiters auch eindeutig aus § 7 Abs 1 lit b des Vertrages. Die Anwendung der Anspannungstheorie setze voraus, daß der Anzuspannende eine zumutbare, ihm nach den gegebenen Möglichkeiten erreichbare Erwerbstätigkeit unterlasse. Bei Selbständigen gelte, daß diese zur Annahme einer unselbständigen Tätigkeit verpflichtet seien, wenn auf längere Sicht keine entsprechende Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit zu erwarten seien. Nach dem bescheinigten Sachverhalt könne im vorliegenden Fall die Sanierungswürdigkeit und Sanierungsaussicht betreffend das Unternehmen der Klägerin zumindest derzeit nicht widerlegt werden. Es könne auch nicht gesagt werden, daß die Klägerin an der schlechten Ertragslage und den entstandenen Verpflichtungen des Unternehmens ein Verschulden treffe. Auf Grund der ehelichen Beistandspflicht des Beklagten erscheine es daher zumutbar und gesetzmäßig, ihn diese Belastungen durch seine Unterhaltsleistung für die Dauer der oben genannten Voraussetzungen mittragen zu lassen. Schließlich habe er in guten Zeiten auch davon profitiert.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhebt der Beklagte Revisionsrekurs mit dem Antrag, sie dahin abzuändern, daß der Antrag der Klägerin auf Leistung einstweiligen Unterhaltes zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Rekurswerber führt aus, entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ergebe sich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht die Pflicht der Klägerin zur Arbeitsleistung für die Gesellschaft sondern nur das Faktum ihrer Arbeit für diese Gesellschaft. Im Hinblick auf diese mangelnde Arbeitsverpflichtung sei sie nach der Anspannungstheorie genötigt und auch in der Lage, aus einer anderen Erwerbstätigkeit das erforderliche Einkommen selbst zu erzielen. Auf ein Verschulden ihrerseits an der schlechten Ertragslage komme es unter diesen Umständen gar nicht an. Im weiteren rügt der Rechtsmittelwerber, das Rekursgericht sei auf die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens nicht oder nur kurz eingegangen. Insbesondere sei der von ihr gegenüber der Gesellschaft abgegebene Einkommensverzicht nicht entsprechend festgestellt und berücksichtigt worden und es erscheine auch nicht nachvollziehbar, wie die Ertragslage des Unternehmens durch den Einkommensverzicht der Klägerin nachhaltig verbessert werden sollte. Arbeite die Klägerin hauptberuflich für die Gesellschaft, so liege ein Dienstverhältnis vor, aus dem sich ein entsprechender Entgeltanspruch ableite.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 1 ZPO, § 402 Abs 1 EO zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 528a, 510 Abs 3 ZPO). Im übrigen können angebliche erstgerichtliche Verfahrensmängel, deren Vorliegen das Rekursgericht bereits verneint hat, nach ständiger Rechtsprechung in dritter Instanz keinesfalls neuerlich geltend gemacht werden. Die Frage, ob ausreichende Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, fällt in den Rahmen der rechtlichen Beurteilung. Entgegen der Behauptung des Rechtsmittelwerbers ist die erstgerichtliche Feststellung, die Klägerin sei als Kommanditistin zur hauptberuflichen Mitarbeit in der Gesellschaft verpflichtet, im Sinne auch der rekursgerichtlichen Ausführungen durch den Gesellschaftsvertrag gedeckt. Diese Feststellung ist aber entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes gar nicht entscheidungswesentlich.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der voll berufstätige Ehegatte, mag er neben seiner beruflichen Tätigkeit auch noch den Haushalt geführt haben, ausschließlich auf den in § 94 Abs 2 dritter Satz ABGB normierten Unterhaltsanspruch verwiesen und zwar auch unabhängig davon, ob der gemeinsame Haushalt aufrecht besteht oder nicht. Nach der vorgenannten Gesetzesstelle hat er nur Anspruch auf Unterhalt, soweit er seinen Beitrag nach Abs 1 leg cit nicht zu leisten vermag. Er muß sich also zunächst selbst nach Kräften bemühen, diesen Beitrag zu leisten. Sein Unterhaltsanspruch besteht sodann nur, soweit die ihm erforderlichen Mittel fehlen; eigene Einkünfte und eigenes Vermögen müssen berücksichtigt werden (EvBl 1977/218 S 488; SZ 50/128; EvBl 1981/17 S 72; EvBl 1982/127 S 435 ua).

Auch im vorliegenden Fall ist daher zu fordern, daß sich die Klägerin nach Kräften bemüht, selbst ein Einkommen zu erzielen; in diesem Sinne gilt die Anspannungstheorie auch für den Unterhaltsberechtigten.

Nach den Feststellungen hat sich die Klägerin jahrelang auch selbst aus ihrem Einkommen als in der Gesellschaft voll mitarbeitende Kommanditistin - 35 %iger Gewinnanteil - erhalten. Es stellt sich nun die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcherart selbständig erwerbstätiger Ehegatte bei eingetretener Ertraglosigkeit seiner Beteiligung berechtigt ist, diese jahrelange bisherige, beiden Ehegatten dienliche Erwerbsquelle zu erhalten zu versuchen oder aber verpflichtet ist, eine andere Erwerbsquelle, allenfalls auch als unselbständig Erwerbstätiger, zu suchen, um solcherart weiterhin nach Kräften seinen Beitrag im Sinne des § 94 Abs 1 ABGB zu leisten und den anderen Ehegatten damit pflichtgemäß zu entlasten. Bei ihrer Lösung muß grundsätzlich das Kriterium der beiderseitigen Zumutbarkeit für die Ehegatten entscheidend sein.

Der Klägerin ist hier nach dem bescheinigten Sachverhalt jedenfalls zuzugestehen, daß sie ihre jahrelange Erwerbsquelle nicht alsogleich - gemäß § 18 des Gesellschaftsvertrages Beilage./A steht ihr ein Kündigungsrecht zum Schluß jedes Geschäftsjahres unter Einhaltung einer halbjährigen Kündigungsfrist zu - preisgibt, zumal zufolge des bereits durch Gesellschaftsbeschluß umgesetzten Finanzierungs- und Sanierungskonzeptes und der bereits eingeleiteten Sanierungsschritte eine Sanierung der Gesellschaft angestrebt wird; zu deren Gelingen vermag grundsätzlich auch der festgestellte vorübergehende Verzicht aller drei Gesellschafter auf Gewinnauszahlungen beizutragen.

Unter diesen Umständen ist die weitere hauptberufliche Tätigkeit der Klägerin in der Gesellschaft zufolge der nicht von vornherein aussichtslosen Erwartung einer - gerade auch durch ihre Mitarbeit erleichterten - Wiederherstellung der bisherigen Einkommensquelle durchaus als Anstrengung im Sinne des § 94 Abs 1 ABGB, nämlich, nach Kräften zur Deckung der Lebensbedürfnisse - zumindest für die zukünftigen - beizutragen, zu werten.

Da diese eigene Anstrengung der Klägerin derzeit aber erfolglos ist, hat ihr der Beklagte Unterhalt im Sinne der vorgenannten Gesetzesstelle zu leisten. Ebenso wie ein Unterhaltsberechtigter eine vorübergehende Reduktion seiner Bedürfnisse in Kauf nehmen muß, wenn der bisher unselbständig erwerbstätige Unterhaltsverpflichtete eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt und erst nach einer gewissen Anlaufzeit Erträge erzielen kann, muß der eine Ehegatte dem trotz Bemühung im Sinne des § 94 Abs 1 ABGB einkommenslosen anderen, selbständig erwerbstätigen Ehegatten Unterhalt leisten, soferne in absehbarer Zeit wieder Einkünfte aus dieser selbständigen Erwerbstätigkeit erwartet werden können; nur mangels Aussicht auf Konsolidierung des Unternehmens binnen angemessener Frist ist der selbständig erwerbstätige Ehegatte verpflichtet, zwecks Erreichung eines eigenen Einkommens umgehend eine andere, allenfalls auch unselbständige, Erwerbstätigkeit anzunehmen (vgl 8 Ob 1512/90; 8 Ob 1603-1605/93). Im übrigen ist es dem anderen Ehegatten und somit hier dem Beklagten, der keine weiteren Sorgepflichten hat, aber jedenfalls zumutbar, auf eine angemessene Frist der aus einer jahrelangen Erwerbsquelle derzeit keine Einkünfte erzielenden Klägerin den von den Vorinstanzen zuerkannten Unterhaltsbetrag zu leisten. Daß die Klägerin die Möglichkeit hätte, neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit in der Gesellschaft einer anderen, Einkommen verschaffenden Tätigkeit nachzugehen, wurde vom Beklagten gar nicht behauptet.

Demgemäß war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO sowie die §§ 78, 393 ff EO.

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