OGH 7Ob200/00p

OGH7Ob200/00p27.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kuras und Dr. Hoch als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. A***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Hans Schönherr, Rechtsanwalt in Wien, und 2. B***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen 1. S 288.000 sA und zu 2. S 1,396.464,40 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 15. Mai 2000, GZ 14 R 212/99w‑18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Juli 1999, GZ 31 Cg 27/98p‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2001:0070OB00200.00P.0627.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

 

Begründung:

 

Das Bundesministerium für Landesverteidigung schrieb im März 1997 einen Liefervertrag für 38 Elektrochirurgiegeräte mit einer geschätzten Gesamtauftragssumme von netto S 2,660.000,- aus.

Im Anbot der späteren Empfängerin des Zuschlages fanden sich bei der Eröffnung der insgesamt 11 Anbote - darunter auch jene der klagenden Parteien - zu dem letztlich maßgeblichen Alternativangebot folgende Angaben;

"5 Stück Handgriffe per Stück S 4.950,-

2 Stück Gummi‑Neutral‑Elektrode per Stück S 2.500,-

2 Stück Lanzettenelektrode per Stück S 116,-

2 Stück Messerelektrode per Stück S 113,‑"

Bei der Anbotseröffnung war die spätere Empfängerin des Zuschlages aber nicht vertreten.

Von der Beklagten wurde ausgehend von der Annahme, dass sich der angegebene Preis jeweils auf 1 Stück Handgriff beziehe, dieses Zubehör mit S 24.750,- errechnet und der Einzelpreis für den gesamten Zubehörsatz mit S 40.544,‑. Dies wurde mit dem Hinweis "Zubehör für jedes Gerät" ebenso wie der sich daraus ergebende Gesamtpreis von S 4,119.352,- verlesen und in die Niederschrift über die Anbotseröffung aufgenommen.

Im Zuge der anschließenden kaufmännischen Bewertung der Anbote traten Zweifel auf, ob sich der im Vergleich zu den sonstigen Anboten ungewöhnlich hohe Preis von S 4.950,- tatsächlich auf den einzelnen Handgriff beziehe. Eine telefonische Rückfrage beim Bieter ergab, dass der angegebene Preis auf ein Stück Elektrochirurgiegrundgerät bezogen sein sollte und daher pro Handgriff nur S 990,- betrage. Daraus errechnete sich dann für das Zubehör ein Preis von S 18.025,- statt S 40.544,‑.

Aus dem verlesenen Akt des BVA ergibt sich, dass schließlich damit das Nettoangebot dieses Bieters insgesamt bei netto S 3,445.650,- statt S 4,301.372,- und jenes der Erstklägerin bei netto S 3,713.660,90 bzw der Zweitklägerin bei S 3,726.964,‑, lag.

Schließlich wurde der Bieterin mit Schreiben vom 18. 9. 1997 der Zuschlag zu einem Gesamtpreis von S 4,134.780,‑ (S 3.445.650,- netto) erteilt.

Das Bundesvergabeamt (im folgenden BVA) stellte in den von beiden Klägerinnen eingeleiteten, teilweise verbundenen Nachprüfungsverfahren gemäß § 113 Abs 3 BVergG mit gleichlautenden Bescheiden vom 23. 1. 1998 zu F 23/97 und F 25/97 fest, dass der Zuschlag wegen Verstößen gegen das BVergG nicht dem Bestbieter erteilt wurde.

Dabei ging das BVA davon aus, dass der Anbotseröffunung in dem hier vorliegenden offenen Vergabeverfahren zur Sicherung der Fairness und Transparenz besondere Bedeutung zukomme. Das Verlesen sämtlicher Preise solle den Bietern die preisliche Reihung und die Einschätzung ihrer eigenen Position möglich machen. Ein Bieter, der missverständliche Anbote mache und der Anbotseröffnung fernbleibe könne nicht nachträglich noch Erklärungen über den Preis abgeben. Könne doch sonst durch bewusst missverständliche Preisangaben noch Einfluss auf die Reihung genommen werden. Ein späteres Abgehen von dem verlesenen Preis stelle einen erheblichen Verstoß ua gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter sowie § 41 BVergG dar.

Die Erstklägerin begehrt S 288.000,- samt 12 % Zinsen ab 10. 4. 1998. Sie stützt dies zusammengefasst darauf, dass es sich um eine unzulässige Nachbesserung der Konkurrentin gehandelt habe, deren Angebot auszuscheiden gewesen wäre. Dann wäre die Erstklägerin Bestbieterin gewesen. Der Zuschlag sei zu einem nicht verlesenen Preis erfolgt. Es sei nicht festgestellt worden, dass der Zuschlag nicht an den Bestbieter erfolgt wäre.

Der Schaden der Klägerin betrage einerseits S 261.000,- aus der kalkulierten Gewinnspanne von S 7.594,- pro Stück. Es handle sich dabei um einen Verdienstentgang, der bei jedem Verschuldensgrad zu ersetzen sei. Weiters werde begehrt der Ersatz von S 27.000,- an Kosten der Ausschreibung.

Die Zweitklägerin begehrt die Zahlung von S 1,369.464,40 samt 4 % Zinsen seit 14. 1. 1998 und stützt sich ebenfalls auf die vom BVA festgestellte Rechtswidrigkeit der Auftragsvergabe. In ihrem Konzern werde eine Umsatzrendite von 15,67 % erwirtschaftet. Ausgehend von dem Auftragsvolumen errechne sich daher ein Verdienstentgang von S 561.089,76. Dazu seien die variablen Vertriebskosten in Höhe 24,95 % des Umsatzes, sohin S 893.374,90 zu rechnen. Die Kosten aus der Teilnahme am Ausschreibungsverfahren machten S 27.000,- aus. Der Schaden aus dem Verdienstentgang und den variablen Vertriebskosten betrage sohin insgesamt S 1,454.464,66, wovon die der erstklagenden Partei zustehende Sonderprovision von S 85.000,- abzuziehen sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, und wendete zusammengefasst ein, dass die spätere Auftragnehmerin ohnehin bereits vorweg gemäß § 915 ABGB an die für den Auftraggeber günstigere Auslegung des Anbotes gebunden gewesen sei. Das vom Bieter gemäß § 48 BVergG eine Aufklärung verlangt worden sei, stelle kein Verschulden dar. Die Rückfrage habe nur deklarativen Charakter gehabt. Auch seien die hier in Frage kommenden Alternativangebote preislich meist nicht vergleichbar. Im Falle des von den Klägerinnen behaupteten Irrtums wären diese auch nicht zum Zuge gekommen, da dann die Ausschreibung gemäß § 55 BVergG aufzuheben sei. Nach dem BVergG stehe den Klägerinnen jedenfalls nur ein Anspruch auf Ersatz der Kosten, nicht aber des entgangenen Gewinns zu. Die geltend gemachten Schäden seien weit überhöht. Der Zweitklägerin stehe ein Schadenersatzanspruch auch deshalb nicht zu, weil sie keinesfalls Bestbieterin gewesen wäre. Sie könne sich auch nicht auf die im Konzern erzielte Umsatzrendite stützen. Für die Vertriebskosten fehle es mangels eines Auftrages an einer Grundlage.

Ferner regte die Beklagte die Anfechtung der Bescheide des BVA beim Verwaltungsgerichtshof an.

Das Erstgericht stellte mit seinem Zwischenurteil beide Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend fest.

Ausgehend vom dem einleitend wiedergegebenen Sachverhalt erachte es den Bescheid des BVA nicht als rechtswidrig und nahm von einer Anfechtung des Bescheides beim Verwaltungsgerichtshof Abstand. An die Organe des Auftraggebers sei der Maßstab des § 1299 ABGB anzulegen. Eine Haftung sei wie nach dem AHG auch bei leichter Fahrlässigkeit zu bejahen. Die Klägerinnen hätten Anspruch auf Ersatz des positiven Schadens. Dieser Anspruch sei nach § 113 Abs 3 BVergG nur dann ausgeschlossen, wenn vom BVA über Antrag festgestellt werde, dass der übergangene Bieter "keine echte Chance" auf Erteilung des Auftrages gehabt habe. Eine solche Feststellung liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es ging rechtlich davon aus, dass nach § 122 BVergG 1997 der übergangene Bieter bei einer schuldhaften Verletzung dieses Gesetzes Anspruch auf Ersatz der Kosten der Anbotstellung habe, außer es werde gemäß § 113 Abs 3 BVergG festgestellt, dass er keine "echte Chance" auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte. Letztere Feststellung sei aber vom dafür zuständigen BVA nur über Antrag des Auftraggebers zu treffen. Dieser sei nicht gestellt worden. Auch das Berufungsgericht ging davon aus, dass die Beklagte der Haftungsmaßstab des § 1299 ABGB treffe. Das Verschulden sei nach § 1298 ABGB zu vermuten. Das Verhalten der Beklagten sei als verbotene Nachverhandlung zu qualifizieren. Gegen die Richtigkeit des Bescheides des BVA bestünden keine Bedenken. Daher hätten die Klägerinnen jedenfalls gemäß § 122 BVergG Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens (Kosten). Ob darüber hinaus auch ein Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses zustehe, sei derzeit noch nicht zu prüfen. Festzuhalten sei aber, dass dieser nur dem Bestbieter zustehen könne.

Die Revision an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil sowohl zur Frage der Abgrenzung zwischen der zulässigen Verbesserung eines mangelhaften Anbotes gemäß § 48 BVergG zur unzulässigen Nachbesserung als auch zur Frage des Ersatzanspruches mehrerer Bieter in einem Fall, in dem kein Antrag vor dem BVA auf Feststellung der mangelnden "echten Chance" gestellt wurde, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinne abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig und auch im Sinne des subsidiär gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Es besteht auch kein Anlass, einen Antrag an den Verwaltungsgerichtshof auf Überprüfung des Bescheides des BVA zu stellen. Die Angabe im Anbotschreiben

"5 Stück Handgriffe per Stück S 4.950,‑..."

ist eindeutig. Der Preis bezieht sich auf den einzelnen Handgriff. Ein weiteres Vorbringen dazu wurde gar nicht erstattet. Gemäß § 48 Abs 3 Bundesvergabegesetz 1997 BGBl 56/1997 (BVergG) sind rechnerisch fehlerhafte Angebote nicht mehr zu berücksichtigen, wenn die Summe der Berichtigung der Absolutbeträge der Berichtigungen 2 % des ursprünglichen Gesamtpreises übersteigt. Eine Vorreihung infolge einer Berichtigung ist unzulässig. Es darf zu keiner Änderung der Wettbewerbsstellung der Bieter kommen (vgl dazu 7 Ob 159/97abbl 1999/44 = ecolex 1999/16 [Heid] = wbl 1999/84 [Rubin]; vgl zur Bedeutung der Anbotseröffnung auch EuGH 24. 1. 1995 RS C‑359/93 Slg 1995 I‑0157). Dies ist aber auf den vorliegenden Fall zu übertragen.

Nach übereinstimmender Rechtsprechung und Lehre liegt die Einhaltung von Vergabevorschriften nicht nur im Interesse des Ausschreibenden und der öffentlichen Hand, die die Mittel zur Verfügung stellt, sondern dient auch dem Schutz der Bieter vor unlauterer Vorgangsweise (vgl dazu allgemein Korinek Das Vergaberecht im Dienst der Sicherung des Wettbewerbs und einer effizienten Auftragsvergabe ecolex 1999, 523 uva). Die Verletzung der Vergabevorschriften kann zu Schadenersatzverpflichtungen des Vergebers führen (vgl umfassend 7 Ob 92/99a = wbl 2000/316 = ecolex 2000/205 mwN = 4 Ob 406/87 = ÖBl 1989, 77 = WBl 1988, 433 = SZ 61/134; 1 Ob 539/88 = WBl 1998, 342 = SZ 61/90; 1 Ob 663/89 = JBl 1990, 520 = ecolex 1990, 144; 4 Ob 535/89 = RdW 1990/2; 6 Ob 564/91 = WBl 1991, 338 = ecolex 1991, 769 auch unter Hinweis auf die Zusammenstellung von Wilhelm im ecolex report [1999], Bestbieters Sieg im Vergaberecht, 31 ff). Dass ein fehlendes Verschulden von der beklagten Partei zu behaupten und beweisen wäre, wurde bereits ausgesprochen (7 Ob 92/99a = wbl 2000/316 = ecolex 2000/205). Ein näheres Vorbringen dazu, warum die Beklagte kein Verschulden treffen sollte, hat diese gar nicht erstattet. Im Hinblick auf die klaren Angaben im Anbot und die eindeutige Zielrichtung des Vergaberechts, die richtige "Reihung" der Bieter zu wahren (vgl zum "Umreihungsverbot" auch Rummel Zivilrechtliche Probleme des Vergaberechts ÖZW 1999, 1 ff II D), kann die Vorgangsweise der Beklagten auch nicht als vertretbare Auslegung eingestuft werden.

Das BVergG selbst legt in seinem § 122 Abs 1 BVergG nur fest, dass bei schuldhafter Verletzung dieser Vergabevorschriften ein übergangener Bewerber Anspruch auf Ersatz der Kosten der Anbotstellung und der durch die Teilnahme am Vergabeverfahren entstandenen sonstigen Kosten hat (negatives Vertragsinteresse). Dazu sieht dann Abs 2 der Bestimmung vor, dass dieser Anspruch dann nicht besteht, wenn nach § 113 Abs 3 BVergG festgestellt wurde, dass der übergangene Bieter auch bei Einhaltung der Bestimmungen "keine echte Chance" auf die Erteilung des Zuschlages gehabt hätte. Entsprechend § 124 BVergG bleiben die nach anderen Bestimmungen bestehenden Ersatzansprüche unberührt.

Der Oberste Gerichtshof hat nun bereits wiederholt ausgesprochen, dass auch das positive Vertragsinteresse, also das Erfüllungsinteresse zugesprochen werden kann, wenn ohne die Pflichtverletzung der Vertrag zustande gekommen wäre, also der Kläger Bestbieter ist (vgl zuletzt 7 Ob 92/99a = ecolex 2000/205 mit im Ergebnis zustimmender Glosse von Wilhelm ecolex 2000, 493 f = wbl 2000/316 mwN = 7 Ob 568/94 = SZ 67/182 = ecolex 1995, 95 = wbl 1995, 77; 4 Ob 573/94 = ecolex 1995, 328 ((Heid)); 10 Ob 212/98v = ecolex 1999, 32 ((Heid)); 4 Ob 188/98w = ecolex 1999, 84 ((Heid)) = wbl 1999, 179; RdW 1998, 718 ((Iro)); vgl ferner Rummel aaO, 11; Wilhelm Report aaO, 72 f; Diregger Gibt es nach dem Bundesvergabegesetz eine "echte Chance" auf Schadenersatz? wbl 2000, 448; Heid Vergabeverstoß und Schadenersatz ecolex 1996, 7 f uva). Der Bestbieter ist anhand der in der Ausschreibung festzulegenden Kriterien zu ermitteln (vgl § 53 BVergG; Wilhelm Report aaO, 54 f; vgl zur Beweislast der Kläger auch die Entscheidung des erkennenden Senates vom heutigen Tage zu 7 Ob 148/01t). Derzeit scheinen diese jedenfalls gegen die Zweitklägerin zu sprechen.

Prozessuale Voraussetzungen für die Zulässigkeit der klagsweisen Geltendmachung "jedes Schadenersatzanspruches" ist nun nach § 125 Abs 2 des BVergG, dass zuvor eine Feststellung des BVA nach § 113 Abs 3 BVergG erfolgt ist. Nach § 113 Abs 3 BVergG hat das BVA festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des BVergG und der dazu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Diese Feststellung ist für die Zivilgerichte bindend (7 Ob 92/99a = wbl 2000/316 = ecolex 2000/205; vgl Elsner Vergaberecht Rz A 171). In diesem Verfahren hat das BVA aber auch über Antrag des Auftraggebers festzustellen, ob ein übergangener Bewerber auch bei Einhaltung dieser Bestimmungen "keine echte Chance" auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte.

Nicht geteilt werden kann nun die Ansicht, dass es im gerichtlichen Verfahren auch hinsichtlich der Geltendmachung des Erfüllungsinteresses mangels einer Feststellung des BVA, dass der jeweilige Kläger als Bieter "keine echte Chance" gehabt hätte, ausgeschlossen wäre, einzuwenden, dass der Kläger auch bei mängelfreier Durchführung des Vergabeverfahrens nicht "Bestbieter" gewesen wäre. Ergibt sich doch sowohl aus dem systematischen Aufbau des BVergG als auch den im Folgenden noch darzustellenden europarechtlichen Grundlagen, dass sich dieser Feststellung des BVA nur im Zusammenhang mit einem begehrten Kostenersatz (Vertrauensschaden) entscheidende Bedeutung zukommt.

Das BVergG selbst regelt ja im § 122 Abs 1 BVergG nur den Ersatzanspruch hinsichtlich der Kosten der Anbotstellung. Der Abs 2 dieser Bestimmung über den Ausschluss eines Anspruches bei einer entsprechenden Feststellung nach § 113 Abs 3 letzter Satz BVergG ("keine echte Chance") bezieht sich eindeutig nur auf den Ersatzanspruch nach § 122 Abs 1 BVergG, also die Kosten. § 113 BVergG mit der Überschrift "Zuständigkeit" enthält wiederum überhaupt nur die verfahrensrechtliche Festlegung der Kompetenz des BVA für diese Feststellung. Auch § 125 BVergG über "Zuständigkeit und Verfahren" legt in seinem Abs 2 nur verfahrensrechtlich fest, dass allgemein eine Schadenersatzklage erst nach einer Feststellung des BVA gemäß § 113 Abs 3 BVergG eingeleitet werden kann und die Parteien dieses Verfahrens auch daran gebunden sind. Eine inhaltliche Bindung hinsichtlich der Frage, wer nun "positiv" als Bestbieter anzusehen ist, kann daraus nicht abgeleitet werden. Ist doch schon zwischen der Frage, ob ein Bieter "eine echte Chance" hatte (§ 113 Abs 3 letzter Satz BVergG) - dies können mehrere sein (vgl Wilhelm Report aaO 79 f; Fruhmann/Pachner Bundesvergabegesetz2, 654 f; Holoubek Vergaberechtsschutz durch Schadenersatz ZfV 1998, 592 IV CJ) - und jener, ob jemand tatsächlich Bestbieter gewesen wäre ‑ dies kann nur einer sein - zu unterscheiden. Schon systematisch ist also eindeutig, dass sich das Unterlassen des Antrages nach § 113 Abs 3 letzter Satz BVergG auf Feststellung, dass ein Bieter gar keine "echte Chance" gehabt hat, nur auf die Frage des Kostenersatzes nach § 122 Abs 1 und 2 BVergG beziehen kann, nicht aber auf sonstige Ersatzansprüche, die nach § 124 BVergG von diesem Gesetz nicht berührt werden.

Auch gemeinschaftsrechtlich zeigt sich, dass zwischen dem Kostenersatz einerseits und den sonstigen Ansprüchen andererseits unterschieden wird. Legt doch die Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl L 076 vom 23. 3. 1992, 14 ff) in Art 2 Abs 7 ausdrücklich fest, dass die Kosten der Vorbereitung eines Anbotes schon dann erlangt werden können, wenn nachgewiesen wird, dass ein Verstoß gegen die Vergabevorschriften vorliegt und der Bieter eine "echte Chance" gehabt hätte. Dies soll den Bieter ‑ nur - hinsichtlich der Kosten von dem Nachweis, dass er ohne den Verstoß den Zuschlag erhalten hätte, befreien (vgl auch die Begründungserwägungen der RL; Fruhmann/Pachner aaO, 607; Öhler Rechtsschutz bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen in der Europäischen Union, 206). Die hier maßgebliche Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. 12. 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl L 395 vom 30. 12. 1989, S 33ff) enthält zwar keine inhaltsgleiche Bestimmung, jedoch dient das BVergG ja nicht nur deren Umsetzung, sondern auch jener der RL 92/13/EWG (vgl Fruhmann/Pachner aaO, 557 f). Auch daraus ist also ableitbar, dass mit den Regelungen des § 113 Abs 3 letzter Satz BVergG und jener des § 122 Abs 1 und 2 BVergG nur die Frage des Kostenersatzanspruches erfasst sein soll (vgl dazu Rummel aO IV D; insoweit auch Spunda Vergaberechtlicher Feststellungsbescheid nur eingeschränkt nötig ecolex 2000, 108). In diesem Bereich der Kosten ist allerdings dann, wenn der Auftraggeber den Antrag im Verfahren vor dem BVA auf Feststellung, dass ein übergangener Bieter "keine echte Chance" gehabt hätte, eine Bindung der Vertragsparteien insoweit auch im gerichtlichen Verfahren anzunehmen; legt doch § 125 Abs 2 BVergG eine umfassende Bindung fest (vgl auch OGH 7 Ob 148/01t mwN). Eine Überprüfung des Bescheides des BVA nach § 125 Abs 3 BVergG kommt dann schon mangels Antragstellung nicht in Betracht.

Wesentlich ist es klarzustellen, dass hier das Klagebegehren mehrere Anspruchsteile umfasst. Bei einem Zwischenurteil nach § 393 Abs 1 ZPO muss nun seit der WGN 1989 zwar nicht mehr hinsichtlich jedes Anspruchsteiles gewährleistet sein, dass dieser dem Grunde nach zu Recht besteht (vgl RIS‑Justiz RS0040851), wohl aber dass hinsichtlich des gesamten Begehrens die Berichtigung dem Grund nach gesichert ist und insoweit sämtliche Einwendungen erledigt sind (vgl auch Rechberger in Rechberger ZPO2 § 393 RZ 9, RIS‑Justiz RS0102003, RS0041036, RS0041039 jeweils mwN).

Ist der Gläubiger wahlberechtigt hinsichtlich mehrerer nur alternativ zustehender Leistungen, so muss er dieses Wahlrecht in der Klage ausüben. Werden Begehren gleichzeitig gestellt, die nur alternativ erhoben werden können, so ist die Klage nicht bestimmt. Es kann nicht dem Gericht überlassen werden, welche Leistungen es zuspricht (vgl Rechberger/Frauenberger in Rechberger aaO § 226 Rz 6; RIS‑Justiz RS 0038354).

Die Klägerinnen haben hier nun aber einerseits geltend gemacht, dass ihnen der begehrte Schadenersatz aus der kalkulierten Gewinnspanne bzw einer Umsatzrendite als Verdienstentgang zustünde. Andererseits haben sie aber auch den Ersatz von Kosten der Ausschreibung bzw die variablen Vertriebskosten verlangt. Damit begehren die Klägerinnen aber einerseits den Ersatz des Nichterfüllungsschadens (Verdienstentgang...), bei dem sie so zu stellen sind, wie wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Andererseits machen sie damit aber auch etwa den Ersatz der Kosten der Ausschreibung geltend, die sie offensichtlich so stellen sollen, wie wenn sie nicht auf das Zustandekommen des Vertrages vertraut hätten, also insbesondere für dessen Zustandekommen keine Aufwendungen (Ausschreibungskosten...) getätigt hätten ("Vertrauensschaden").

Die Klägerinnen können aber nicht gleichzeitig begehren, so gestellt zu werden, wie wenn der Vertrag erfüllt worden wäre und andererseits auch jene Aufwendungen ersetzt zu erhalten, die sie für das Zustandekommen des Vertages getätigt haben. Hätte doch auch der siegreiche Bieter regelmäßig die Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren nicht ersetzt erhalten (vgl etwa Rummel aaO IV A; Diregger Gibt es nach dem Bundesvergabegesetz eine "echte Chance" auf Schadenersatz? wbl 2000, 445; Iro Missstände auch im Vergabewesen RdW 1998, 719). Den Bietern steht also die Wahl zu, entweder zu begehren, dass sie wie bei Vertragsabschluss gestellt werden, oder den Ersatz der Kosten im Sinne des § 122 BVergG zu verlangen. Dass dabei dem tatsächlichen "Bestbieter" nicht die Möglichkeit offenstünde, die Kosten im Sinne des § 122 BVergG geltend zu machen, sondern nur auf den Nichterfüllungsschaden verwiesen wäre (vgl offenbar in diesem Sinne Diregger aaO 446 und Öhler aaO, 208) kann der eindeutigen Regelung des § 122 BVergG nicht entnommen werden. Hat doch auch der "Bestbieter" eine "echte Chance". Es soll offensichtlich jedem Bieter überlassen bleiben, ob er den Nichterfüllungsschaden oder die Kosten iSd § 122 BVergG geltend machen möchte (vgl etwa zum Wahlrecht eines bestandgeschützten Arbeitnehmers bei ungerechtfertigter Auflösung des Arbeitsvertrags RIS‑Justiz RS0101989, RS0028183 uva). Beides zugleich ist aber nicht möglich. Es liegen also nur alternativ zustehende Ersatzansprüche vor. Ohne eine entsprechende Wahl des Bieters ist das Begehren als unbestimmt im Sinne der obigen Ausführungen anzusehen.

Dies kann aber nicht dazu führen, dass deshalb die Klagen sofort abzuweisen wären. Vielmehr ist mit den Klägerinnen zu erörtern, welche Ansprüche sie nun geltend machen wollen (vgl Rechberger/Frauenberger aaO § 226 Rz 79). Erst danach wird eine abschließende Beurteilung im Sinne der vorstehenden Rechtsausführungen möglich sein.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

 

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