Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Errichtung des Objektes Zentrumsbebauung Klagenfurt-St.Ruprecht erfolgte unter Zuhilfenahme von Wohnbauförderungsmitteln des Landes Kärnten. Gemäß § 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom 12. März 1985, LGBl. 1985/27, mit der in Durchführung des Wohnbauförderungsgesetzes 1984 nähere Bestimmungen über die Vergabe von Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung von Gebäuden festgesetzt werden (Vergabeverordnung), hat die Vergabe von Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung von Gebäuden, soweit es sich nicht um von natürlichen Personen errichtete Eigenheime handelt, grundsätzlich auf der Grundlage der ÖNORM A 2050 zu erfolgen. Aufträge sind gemäß § 3 Abs. 6 der Verordnung grundsätzlich dem Bestbieter zu vergeben.
Die beklagte Partei schrieb in der Kärntner Landeszeitung vom 13. November 1986 die Bauglaserarbeien für 41 Wohneinheiten der "Zentrumsbebauung St. Ruprecht", Klagenfurt, (neu) aus. In der Ausschreibung hieß es u.a.:
"Die Anbote sind bis spätestens 21. November 1986 um 10 Uhr in einem verschlossenen Umschlag mit der Aufschrift "Anbot Bauglaserarbeiten - Zentrumsbebauung St. Ruprecht" im Büro der Genossenschaft einzureichen. Späteres Einlangen der Anbote kann nicht berücksichtigt werden.
Die öffentliche Anbotsöffnung erfolgt am 21. November 1986 um 10 Uhr im Sitzungsraum der Genossenschaft, 9020 Klagenfurt, Khevenhüllerstraße 38."
Im Zeitpunkt der Eröffnung der Anbote am 21. November 1986, 10 Uhr, lagen sechs Anbote vor, darunter das Anbot der klagenden Partei mit der Anbotssumme von S 280.336,80 und das Anbot der C***, Glasverarbeitungs-Gesellschaft mbH & Co KG (im folgenden: C*** KG), mit der Anbotssumme von S 250.524,--. Um 10.35 Uhr langten bei der beklagten Partei mit Postboten zwei weitere Anbote ein, das Anbot der Fa. G***, Klagenfurt, mit einer Anbotssumme von S 578.376,-- und das Anbot des Norbert K***, Velden-Lind, mit einer Anbotssumme von S 223.030,80. Die Briefumschläge dieser Anbote trugen den Poststempel vom 20. November 1986, 22 Uhr. Mit Schreiben vom 12. Dezember 1986 zog die C*** KG ihr Anbot zurück. Die beklagte Partei erteilte dem Norbert K*** den Zuschlag.
Am 21. November 1986 war Erika O*** Alleininhaberin des Unternehmens der klagenden Partei, Einzelprokurist war Hans Georg O***, dem das Unternehmen mit Übergabsvertrag vom 30. März 1987 übertragen wurde. Persönlich haftender Gesellschafter der C*** KG ist die C*** Glasverarbeitungs-Gesellschaft mbH. Gesellschafter und Geschäftsführer dieser Gesellschaft sind Erika O***, Hans Georg O*** und Wilhelm C***. Die Flachglasveredelung C*** KG, Balingen, BRD, und die klagende Partei sind Kommanditisten der C*** KG. Diese Gesellschaftsverhältnisse bestanden auch am 21. November 1986 bzw. 12. Dezember 1986.
Die klagende Partei begehrt den Zuspruch des Betrages von S 112.134,72 und brachte zur Begründung vor, die Ausschreibung wäre auf Grund der Richtlinien des Landes Kärnten zur Förderung des Wohnbaues zwingend nach den Bestimmungen der ÖNORM A 2050 abzuwickeln gewesen. Gemäß Punkt 4,22 der ÖNORM A 2050 seien nach Ablauf der Anbotsfrist einlangende Anbote ungeöffnet als solche zu kennzeichnen und auszuscheiden. Es sei daher absolut unzulässig gewesen, Anbote nach dem für die Eröffnung bekanntgegebenen Zeitpunkt entgegenzunehmen. Nachdem die C*** KG ihr Anbot zurückgezogen hatte, sei die klagende Partei Bestbieter gewesen. Dennoch sei der Zuschlag dem Norbert K*** erteilt worden. Der allgemein gültige Schlüssel zwischen Material- und Lohneinsatz einerseits und Unternehmerrohgewinn andererseits betrage 60 % : 40 %, so daß ihr ein Schaden in der Höhe des Klagsbetrages erwachsen sei.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie bekomme Postsendungen in der Regel um neun Uhr früh zugestellt. Die Anbote des Norbert K*** und der Fa. G*** seien am 21. November 1986 mit der Post wider Erwarten erst um 10.35 Uhr zugestellt worden. Die beklagte Partei habe sich entschlossen, diese Anbote zu berücksichtigen, weil die Verzögerung der Postzustellung nicht zu Lasten der Bieter gehen solle. Sie habe sich auch im Interesse der künftigen Wohnungseigentümer entschlossen, das verspätet eingelangte Anbot des Norbert K***, der den niedrigsten Preis geboten habe, zu berücksichtigen. Die Bestimmungen der ÖNORM A 2050 seien nicht Vertragsbestandteil und daher nicht zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei die klagende Partei durch ein sittenwidriges Handeln Bestbieter geworden. Das Unternehmen der klagenden Partei gehöre Erika O***, im Unternehmen sei Hans Georg O*** Einzelprokurist, der zugleich auch selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der C*** KG sei. Das Vorgehen der C*** KG, ihr Anbot zurückzuziehen und damit die klagende Partei zum Bestbieter zu machen, habe darauf abgezielt, die beklagte Partei um rund S 30.000,-- zu schädigen. Die klagende Partei sei nur durch diese Manipulation Bestbieter geworden. Diesen Ausführungen hielt die klagende Partei entgegen, die Vorgangsweise der C*** KG sei nicht sittenwidrig, sondern entspreche dem kaufmännischen Grundsatz, mit jenem Anbot zum Zug zu kommen, das kaufmännisch gesehen den meisten Gewinn abwerfe. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die ÖNORM A 2050 sei keine Vertragsnorm, sondern eine Vergabenorm und nicht bestimmt, Vertragsbestandteil zu werden; sie enthalte nur Richtlinien, wie die Anbote zu erstellen seien und wie bei der Vergabe von Aufträgen vorzugehen sei; dem einzelnen Bieter erwachse kein Rechtsanspruch auf Anwendung der ÖNORM A 2050, ihm stehe daher auch kein Klagerecht zu, wenn die Bestimmungen der ÖNORM nicht angewendet werden. Der Bieter habe auch keinen Anspruch auf Annahme seines Anbotes, der Zuschlag müsse nicht dem Billigstbieter erteilt werden. Es stehe grundsätzlich auch jedem Vertragspartner frei, Vertragsverhandlungen abzubrechen und vom Vertragsabschluß Abstand zu nehmen. Nur bei einem schikanösen Vorgehen könne die Unterlassung der Annahme eines Anbotes Schadenersatzansprüche begründen. Das Anbot des Norbert K*** sei auch so rechtzeitig zur Post gegeben worden, daß mit dessen rechtzeitigem Einlangen gerechnet werden durfte. Die enttäuschte Erwartung der klagenden Partei rechtfertige schon deshalb keinen Schadenersatzanspruch, weil sie erst durch ein sittenwidriges Verhalten der C*** KG, die zugunsten ihres Kommanditisten, der klagenden Partei, ihr Anbot als Bestbieter zurückgezogen habe, selbst Bestbieter geworden sei. Dieses Verhalten unterlaufe den Zweck der Ausschreibung und stelle somit einen Verstoß gegen die guten Sitten dar.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es erklärte die Revision für zulässig. Auf Grund der Kärntner Vergabeverordnung sei die beklagte Partei verpflichtet gewesen, die Vergabe der in Rede stehenden Leistungen auf der Grundlage der ÖNORM A 2050 vorzunehmen. Da das Anbot des Norbert K*** verspätet einlangte, wäre es gemäß den Punkten 4,22 und 4,55 der ÖNORM A 2050 nicht zu berücksichtigen, sondern auszuscheiden gewesen. Es sei allgemeine Übung, daß mit der Post übersandte Anbote so rechtzeitig abgesendet werden müssen, daß sie im Zeitpunkt der Anboteröffnung vorliegen. Dieses Erfordernis gehe auch aus der Ausschreibung mit aller Deutlichkeit hervor. Jeder Bieter habe daher wissen und damit rechnen müssen, daß ein verspätet eingelangtes Anbot nicht berücksichtigt werden könne. Es könne aber auch nicht gesagt werden, daß die Zurückziehung des Anbots der C*** KG einen Verstoß gegen die guten Sitten bedeute. Gleichwohl könne die klagende Partei aus der Verletzung der ÖNORM A 2050, die nicht Vertragsnorm geworden sei, keinen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns ableiten. Die Einhaltung der Vergabevorschriften sei zwar nicht nur im Interesse der Auftraggeber gelegen, sondern diene auch dem Schutz der Bieter vor unlauterer Vorgangsweise; die Vergabeverordnung und die Bestimmungen der danach anzuwendenden ÖNORM A 2050 begründeten aber keinen Kontrahierungszwang. Der klagenden Partei stehe demnach kein Anspruch auf das Erfüllungsinteresse, sondern höchstens auf das negative Vertragsinteresse, z.B. die Kosten der Anbotstellung, zu; ein solcher Schaden werde nicht geltend gemacht.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision der klagenden Partei kommt Berechtigung nicht zu. Bei der Vergabe von Leistungen im Wege der Ausschreibung wird ein unbestimmter (öffentliche Ausschreibung) oder ein beschränkter Personenkreis (beschränkte Ausschreibung) zur Stellung von Offerten eingeladen (Doralt in Korinek-Rill, Zur Reform des Vergaberechts 90). Zweck des Vergabeverfahrens nach einer Ausschreibung ist es, Angebote zu erhalten, in denen der jeweilige Bieter offeriert, die vom Ausschreibenden gewünschte Leistung zum angebotenen Preis zu erbringen (Aicher in Korinek-Rill a.a.O. 341). Das Rechtsverhältnis zwischen dem Vergeber der Leistung und dem Bieter ist selbst dann, wenn es sich beim Ausschreibenden um eine Körperschaft öffentlichen Rechtes handelt, zivilrechtlicher Natur (Krejci in ZWR 1982, 33). Die Ausschreibung wird rechtlich überwiegend nicht als Auslobung, sondern als Aufforderung zur Erstellung von Anboten qualifiziert (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 860; Gschnitzer-Faistenberger-Barta-Eccher, Österreichisches Schuldrecht Allgemeiner Teil2 29; Aicher in Korinek-Rill a.a.O. 342, 344). Das Rechtsverhältnis zwischen dem Vergeber der Leistung und dem Bieter entbehrt einer näheren gesetzlichen Regelung; eine Regierungsvorlage zu einem Vergabegesetz (996 BlgNR XV. GP) ist bisher nicht Gesetz geworden. Auch das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen, BGBl. 1981/452, enthält keine Bestimmungen, die das Rechtsverhältnis zwischen dem Ausschreibenden und Vergeber der Leistung und dem Bieter unmittelbar regeln; es betrifft auch nicht die Parteien dieses Verfahrens. Möglich ist es nur, daß zwischen den Beteiligten Regeln über die Vorgangsweise bei der Vergabe ausdrücklich rechtsgeschäftlich vereinbart werden, doch werden solche Vereinbarungen in der Regel nicht abgeschlossen (Krejci, ZWR 1982, 33). Die Behauptung der klagenden Partei, die Bestimmungen der ÖNORM A 2050 seien auf Grund des Inhaltes der Ausschreibung zum Vertragsinhalt geworden, ist nicht erwiesen.
Es ist heute in Rechtsprechung und Lehre jedoch anerkannt, daß mögliche Geschäftspartner schon mit der Aufnahme eines Kontaktes zu rechtsgeschäftlichen Zwecken in ein beiderseitiges Schuldverhältnis treten, das sie zu gegenseitiger Rücksichtnahme bei der Vorbereitung und beim Abschluß des Rechtsgeschäftes verpflichtet. Dieses vorvertragliche Schuldverhältnis besteht unabhängig davon, ob es später zum Vertragsabschluß kommt. Es handelt sich um ein Schuldverhältnis ohne Hauptleistungspflicht, das Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten beinhaltet (SZ 53/13; SZ 52/135;
SZ 51/111; SZ 48/102 u.a.; Welser, Vertretung ohne Vollmacht 83;
Welser, ÖJZ 1973, 281; Koziol-Welser, Grundriß8 I 195). Die Grundsätze der Lehre von den vorvertraglichen Sorgfaltspflichten sind auch im Vergabeverfahren auf das Rechtsverhältnis zwischen Ausschreibendem und Bietern anzuwenden (Doralt in Korinek-Rill a.a.O. 92; Krejci, ZWR 1982, 34; Krejci, ZWR 1979, 97, 99). Für Inhalt und Umfang der dem Ausschreibenden im vorliegenden Fall vorvertraglich oblegenen Pflichten ist von Bedeutung, daß die beklagte Partei gemäß der Kärntner Vergabeverordnung verpflichtet war, bei der Vergabe die Grundsätze der ÖNORM A 2050 anzuwenden. Diese ist zwar gemäß ihrem Punkt 1,1 nicht bestimmt, Vertragsbestandteil zu werden; sie regelt jedoch das Vergabeverfahren und damit die der beklagten Partei im vorvertraglichen Stadium oblegenen Verhaltenspflichten, auf deren Einhaltung auch die Bieter vertrauen durften (Aicher a.a.O. 346). Das Berufungsgericht wies zutreffend darauf hin, daß die Einhaltung der Vergabevorschriften nicht nur im Interesse des Ausschreibenden und der öffentlichen Hand liegt, die Förderungsmittel zur Verfügung stellt, sondern auch dem Schutz der Bieter vor unlauterer Vorgangsweise dient.
Gemäß Punkt 4,22 der ÖNORM A 2050 sind nach Ablauf der (im vorliegenden Fall mit 21. November 1986, 10 Uhr) festgesetzten Angebotsfrist eingelangte Anbote ungeöffnet als solche zu kennzeichnen und nach Punkt 4,55 der ÖNORM A 2050 auszuscheiden. Erst nach Zuschlagserteilung dürfen solche Anbote, wenn es erforderlich ist, geöffnet werden. In der Ausschreibung der beklagten Partei war auch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß später, d.h. nach dem 21. November 1986, 10 Uhr, einlangende Anbote nicht berücksichtigt werden können. Die ÖNORM B 2060 (Rechtliche und technische Bestimmungen für Bauleistungen, Richtlinien für die Vergebung) sieht zwar in § 21 Z 2 vor, daß ausnahmsweise auch verspätete Angebote zugelassen werden können, die nachweislich so frühzeitig zur Post gebracht waren, daß mit ihrem rechtzeitigen Eingang gerechnet werden durfte, und trotzdem aus einem vom Bieter nicht zu vertretenden Grunde erst nach der Öffnung des ersten Angebotes eingehen, doch gelangt diese Bestimmung schon deshalb nicht zur Anwendung, weil von einer rechtzeitigen Postaufgabe der dann verspätet eingelangten Anbote nicht gesprochen werden kann, wenn sie am Vortag so spät zur Post gegeben wurden, daß sie den Aufgabestempel 22.00 Uhr erhielten. Mit dem rechtzeitigen Einlangen solcher Sendungen bei der ausschreibenden Stelle bis 10.00 Uhr des nächsten Tages kann nicht mit Sicherheit gerechnet werden. Im vorliegenden Fall wurden daher sowohl die von der beklagten Partei selbst festgelegten Ausschreibungsbedingungen, wonach verspätet einlangende Anbote keine Berücksichtigung finden können, als auch die Bestimmungen der Punkte 4,22 und 4,55 der ÖNORM A 2050 dadurch verletzt, daß die beklagte Partei das verspätet eingelangte Anbot des Norbert K*** berücksichtigte und ihm den Zuschlag erteilte. Die schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Sorgfaltspflichten macht, auch soweit nur das bloße Vermögen betroffen ist, schadenersatzpflichtig. Zu ersetzen ist grundsätzlich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, nicht das positive, sondern das negative Vertragsinteresse (SZ 49/94; Welser, Vertretung ohne Vollmacht 127; Welser, ÖJZ 1973, 286). Auch die Schadenersatzansprüche derjenigen, die bei einer Ausschreibung zu Unrecht übergangen wurden, sind grundsätzlich auf den Ersatz des Vertrauensschadens beschränkt (Krejci, ÖZW 1979, 97, 107; Krejci, ÖZW 1982, 33, 36; Aicher a.a.O. 347; Doralt a.a.O. 92). Auch § 36 Abs. 1 des Entwurfes eines Vergabegesetzes wollte dem übergangenen Bieter bei schuldhafter Verletzung von Bestimmungen des Vergabegesetzes nur den Ersatz der Kosten der Anbotstellung einräumen. Franz Bydlinski in FS Klecatsky 129, 145 hat darauf verwiesen, daß bei Abschluß eines Vertrages unter Verletzung interner Pflichtbindungen, wie dies der Fall sei, wenn statt mit dem richtigerweise auszuwählenden Vertragspartner, z.B. mit dem Bestbieter, mit einem anderen kontrahiert werde, generell nicht daran gedacht werden könne, dem "eigentlich Auszuwählenden" einen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung und - als Naturalanspruch zur Vermeidung des Schadenseintrittes - einen Kontrahierungszwang in die Hand zu geben. Es sei unmöglich oder doch widersinnig und unzumutbar, den Vertragsschluß aufrechtzuerhalten, die damit verbundene Ablehnung anderer Vertragsinteressen aber durch Schadenersatzsansprüche zu durchkreuzen oder gar durch Kontrahierungszwang völlig außer Kraft zu setzen. Das gelte vor allem im Bereich öffentlicher Aufträge. Der Auftraggeber könne in einem solchen Fall nicht dazu verurteilt werden, denselben Vertrag über dieselbe Leistung auch mit dem an sich in Betracht zu ziehenden Bestbieter zu schließen oder doch ihm Schadenersatz für den Nichtabschluß des Vertrages zu bezahlen.
Ausnahmsweise kommt aber doch bei der Verletzung vorvertraglicher Sorgfaltspflichten auch der Ersatz des Erfüllungsinteresses in Betracht, wenn ohne die Pflichtverletzung der Vertrag zustandegekommen wäre (Koziol-Welser a.a.O. 198). Der Oberste Gerichtshof hat so einen Arbeitgeber, der den Eintritt der Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe durch einen ausländischen Arbeitnehmer dadurch vereitelte, daß er verspätet um die Beschäftigungsbewilligung ansuchte, zum Ersatz des Schadens, im Ergebnis zum Ersatz des Erfüllungsinteresses, verpflichtet (RdA 1979/23 m Anm. Rummel). Erwägungen der Kausalität stünden auch im vorliegenden Fall einem Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses nicht entgegen. Im vorerwähnten vom Obersten Gerichtshof zu beurteilenden Fall war ein Vertrag abgeschlossen worden, er war aber wegen eines schuldhaften Verhaltens eines Vertragsteiles nichtig. Im vorliegenden Fall ist es auch zu einer scheinbaren vertraglichen Bindung der Streitteile nicht gekommen. Grundsätzlich ist aber doch zu erwägen, ob ein Anspruch auf Erfüllung oder das Erfüllungsinteresse nur aus einem Vertrag abgeleitet werden kann.
Der Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses wird anerkannt, wenn jemand einen sogenannten Vorhandvertrag abgeschlossen hat, dann jedoch nicht mit dem Partner der Vereinbarung, sondern mit einem Dritten kontrahiert (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 75). Unter dem Vorhandvertrag wird ein Vertrag verstanden, durch den ein Kontrahent dem anderen, wenn er sich zu einem weiteren Vertrag bestimmten Inhalts entschließen sollte, irgendein Vorrecht vor anderen Vertragsinteressen einräumt. Im engeren Sinn besteht ein vereinbartes Vorrecht darin, daß dem Vorberechtigten die Befugnis eingeräumt wird, zu den Bedingungen mit dem Verpflichteten zu kontrahieren, die sich aus einem bindenden Vertragsantrag eines Dritten (oder aus dem besten von mehreren vorliegenden Anträgen) ergeben (Franz Bydlinski in Klang, Kommentar2 IV/2, 799). Vorhandverträge schaffen eine dem Vorvertrag ähnliche vertragliche Bindung. Bei Ausschreibungen könnte die Annahme einer vergleichbaren Bindung gerechtfertigt sein, kann man doch mit Krejci (vgl. den Bericht von Schwarzer über das Symposion der Österreichischen Gesellschaft für Baurecht vom 4. November 1981 in Korinek-Krejci, Handbuch des Bau- und Wohnungsrechts IV-S-2, 21) in der Ausschreibung "Elemente eines Auslobungsverhältnisses" erblicken. Die Erwägung rechtfertigt die Annahme einer verstärkter Pflichtenbindung des Ausschreibenden. Sie könnte eine tragfähige Grundlage für den Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses desjenigen, der im Zeitpunkt der Eröffnung der Anbote Bestbieter war, bilden.
Im vorliegenden Fall war jedoch die klagende Partei auch nach Ausscheidung des Anbotes des Norbert K*** im Zeitpunkt der Eröffnung der Anbote nicht Bestbieter. Diese Stellung kam ihr auch nach Wegfall des Anbots der C*** KG nicht mehr zu. Daran ändert nichts, daß die beklagte Partei in ihre Ausschreibung entgegen Punkt 2, 328 der ÖNORM A 2050 keinen Zeitpunkt aufgenommen hatte, bis zu dem der Zuschlag zu erteilen war und bis zu dem der Bieter an sein Anbot gebunden bleiben sollte (Zuschlagsfrist gemäß Punkt 2,5 der ÖNORM A 2050). Enthält die Ausschreibung keine Zuschlagsfrist, so gilt die allgemeine Regel des § 862 ABGB. Der Bieter muß dem Ausschreibenden also eine angemessene Frist zur Prüfung der Anbote einräumen; bis dahin besteht die Bindung an sein Anbot (vgl. Rummel a.a.O. Rz 3 zu § 862). Die beklagte Partei hat die Zurücknahme des Anbots der C*** KG zur Kenntnis genommen. Beurteilte man die Ausschreibung wie eine Auslobung, wie dies Krejci erwägt (vgl. Aicher a.a.O. 343), könnten Schadenersatzansprüche wohl nur demjenigen (übergangenen) Bieter zustehen, der im Zeitpunkt der Eröffnung des Anbots Bestbieter war. Wenn, wie die Revision meint, schon der Ausschreibende seine Erklärung nicht mehr ändern können soll, muß dies auch für die Bieter mit der Maßgabe gelten, daß Ansprüche nur der stellen kann, der im Zeitpunkt der Eröffnung der Anbote Bestbieter war. Wollte man aber die Möglichkeit der Zurücknahme von Anboten eröffnen und dem Ausschreibenden an den nachfolgenden Bestbieter binden, was sich im vorliegenden Fall rechtfertigen ließe, da die Ausschreibung bindend vorgeschrieben, eine freihändige Vergabe also ausgeschlossen war, müßten doch Manipulationsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Schon das Hofkanzleidekret vom 6. Juni 1838, JGS 1838/277, suchte gegen Umtriebe bei Versteigerungen Abhilfe zu schaffen, indem es Verträge, wodurch jemand bei einer von was immer für einer Behörde veranstalteten öffentlichen Versteigerung als Mitbieter nicht zu erscheinen oder nur bis zu einem bestimmten Preis oder sonst nur nach einem bestimmten Maßstab oder gar nicht mitzubieten verspricht, für unwirksam erklärt. Unter die Bestimmungen des Hofkanzleidekretes fallen nach herrschender Auffassung auch Ausschreibungen (Gschnitzer in Klang, Komm2 IV/1, 199). Verabredungen der genannten Art werden im Sinne des § 879 Abs. 1 ABGB als sittenwidrig und damit rechtsunwirksam angesehen. Auch die ÖNORM A 2050 schreibt im Punkt 4,32 die Prüfung der Angebote dahin vor, ob den in Punkt 1,3 aufgestellten Grundsätzen, also insbesondere dem Grundsatz des Wettbewerbes, Rechnung getragen wird. Gemäß Punkt 4,57 der ÖNORM A 2050 sind Angebote von Bietern, die mit anderen Bietern für den Ausschreibenden nachteilige, gegen die guten Sitten oder gegen den Grundsatz des Wettbewerbes verstoßende Abreden getroffen haben, auszuscheiden. Die Bestimmungen der ÖNORM wollen damit ganz allgemein Machenschaften, die das Ziel der Ausschreibung, im Wege des Wettbewerbes das für den Ausschreibenden kostengünstigste Angebot zu erhalten, unterlaufen, entgegenwirken. Derartige Verhaltensweisen sind nicht nur vor der Ausschreibung, sondern auch nach der Ausschreibung möglich, wenn ein Bieter sein für den Ausschreibenden kostengünstiges Anbot zum Vorteil eines Bieters mit höherem Anbot zurückzieht. Eine Verabredung der Bieter in dieser Richtung mag im Einzelfall schwer zu beweisen sein; im vorliegenden Fall hat die klagende Partei aber eingeräumt, daß die C*** KG ihr Anbot nur zurückgezogen hat, um in Ausnützung der weitgehend identen wirtschaftlichen Interessen der C*** KG und der klagenden Partei die Erzielung eines um ca. S 30.000,-- höheren Preises zu ermöglichen. Eine derartige Vorgangsweise muß als sittenwidrig (§ 879 Abs. 1 ABGB) erachtet werden, weil sie darauf abzielt, den Zweck der Ausschreibung, dem Ausschreibenden die Annahme des kostengünstigsten Anbotes zu ermöglichen, zu vereiteln. Aus einer durch eine sittenwidrige Vorgangsweise erlangten Bestbieterstellung vermag die klagende Partei aber keine Schadenersatzansprüche gegen die beklagte Partei abzuleiten. Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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