OGH 2Ob104/01k

OGH2Ob104/01k16.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Milan J*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C*****, vertreten durch Dr. Ferdinand R. Graf, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 120.000 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18. Jänner 2001, GZ 1 R 207/00v-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 18. Juli 2000, GZ 21 Cg 50/98h-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit S 8.112 (hierin enthalten S 1.352 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger als Käufer schloss am 16. 12. 1994 mit der W***** GmbH & Co KG (im Folgenden kurz: WLV) als Verkäuferin einen Kaufvertrag über 23/871 Anteile einer Liegenschaft, verbunden mit Wohnungseigentum an top Nr 8 und Nr 9, wobei der Kaufpreis S 820.000 betrug. In diesem Vertrag wurde Rechtsanwalt Dr. Ronald I***** durch die Vertragsparteien zum Treuhänder bestellt, der den Kaufpreis treuhändig zu verwahren und erst dann an die Verkäuferin auszuzahlen hatte, wenn hinsichtlich des Vertragsobjektes eine Rangordnung der Veräußerung im Besitze des Urkundenverfassers ist. Tatsächlich war Dr. I***** damals auch - was der Kläger jedoch nicht wusste - mit der W***** "personell [gemeint: beteiligungsmäßig] verstrickt".

Über Vermittlung des mit der W***** in Geschäftsbeziehung stehenden Realitätenbüros Firma A***** gelangte der Kläger zur C***** (im Folgenden kurz: C*****), einer 100 %igen Tochter der beklagten Partei, welche Kredite der nunmehr beklagten Bank vermittelt. Auch dem mit der Kreditsache des Klägers befassten Mitarbeiter der C***** war zum damaligen Zeitpunkt die "persönliche Verstrickung" des Dr. I***** mit der W***** nicht bekannt; vom "finanziellen Untergang" der W***** und damit Dr. I***** erfuhr dieser Mitarbeiter vielmehr erst 1995. Nach einer Bonitätsprüfung des Klägers durch die beklagte Partei wurde der Kredit gewährt; eine Überprüfung der Verkäuferin W***** wurde nicht durchgeführt, auch ein Firmenbuchauszug derselben nicht eingeholt; auch nach der Person des Dr. I***** als Treuhänder wurden seitens der Bank keine Erkundigungen eingeholt.

Mit Valuta 30. 12. 1994 wurde dem Kläger der Kreditbetrag von S

499.809 überwiesen, mit Valuta 24. 1. 1995 der vereinbarte Kaufpreis auf das Konto des Treuhänders überwiesen. Dieser veranlasste jedoch keine Lastenfreistellung, vielmehr ist der an ihn überwiesene Betrag seither unauffindbar. Der Kläger musste daher in der Folge zur Erwirkung der für den Erwerb seines grundbücherlichen Eigentums nötigen Lastenfreistellung einen Betrag von S 120.000 aufwenden, welcher Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

Die W***** war ebenfalls Kreditkundin der beklagten Partei. Zahlreiche Liegenschaften wurden über die Beklagte finanziert. Diese Kreditabwicklungen erfolgten allerdings in einer anderen Filiale als jene, in der der Kreditantrag des Klägers behandelt wurde. Den mit dem Ankauf und der Finanzierung der gegenständlichen Wohnungen befassten Personen war dies nicht bekannt. Dass die Beklagte bereits Ende 1994 von Exekutionen gegen die W***** Kenntnis hatte, steht nicht fest.

Mit der am 12. 12. 1997 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung des für die Lastenfreistellung zusätzlich aufgewendeten Betrages von S 120.000 samt 10 % Zinsen seit Klagstag. Bei ordnungsgemäßer Prüfung und Bearbeitung der zuständigen Sachbearbeiter hätte dieser Schaden vermieden werden können; das Klagebegehren wurde auch auf arglistige Irreführung, Haftung nach §§ 1299 ff ABGB sowie jeden erdenklichen sonstigen Rechtsgrund gestützt.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren nur dem Grunde nach.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass sich Anhaltspunkte für ein schadenersatzbegründendes Verhalten der (Mitarbeiter der) beklagten Partei nicht ergeben hätten; eine generelle Informations- und Nachforschungspflicht über den Vertragspartner eines Kreditkunden bei einem Liegenschaftskauf treffe die finanzierende Bank nicht. Außerdem sei der Kaufvertrag zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme bereits verbindlich geschlossen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der von der klagenden Partei nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung nicht Folge. Die mit dem Kläger befassten Mitarbeiter der Bank hätten weder von den finanziellen Schwierigkeiten der Verkäuferin noch von der personellen Verflechtung des Treuhänders gewusst noch davon, dass dieser seinen Verpflichtungen aus dem Treuhandauftrag nicht nachkommen werde; für die beklagte Partei hätten keine Zweifel an der Integrität des Treuhänders bestanden. In einem solchen Fall liege das Risiko der Bonitätsprüfung über einen Geschäftspartner beim Kunden, also dem Kläger allein. Das Berufungsgericht sprach darüber hinaus aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof - soweit überschaubar - "über einen vergleichbaren Fall bislang nicht entschieden" habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, in Abänderung der bekämpften Entscheidung seiner Klage vollinhaltlich stattzugeben; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär der Antrag gestellt wird, das Rechtsmittel des Gegners mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Im Übrigen hat schon das Berufungsgericht nicht dargelegt, worin eine erhebliche Rechtsfrage liegen soll. Natürlich gibt es keine Entscheidung, der ein genau identer Sachverhalt wie der vorliegende zugrunde liegt; daraus ergibt sich aber noch nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage, der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (2 Ob 103/99g), weil andernfalls die ordentliche Revision im Zulassungsbereich nahezu immer zulässig wäre (RIS-Justiz RS0102181, 0110702; 10 Ob 24/00b; 7 Ob 37/01v).

Das Geschäftsverhältnis zwischen Kreditunternehmung und Kunden ist ein Vertrauensverhältnis, das auch Grundlage für eine Aufklärungspflicht der Kreditunternehmung sein kann (SZ 53/13, 58/69; 9 Ob 325/97b). Die daraus resultierenden Anforderungen an solche Aufklärungspflichten dürfen jedoch nicht überspannt werden; dem Bankkunden ist vielmehr zuzumuten, seine wirtschaftlichen Interessen grundsätzlich selbst zu wahren (9 Ob 325/97b; 8 Ob 341/99a; 4 Ob 61/99w; 6 Ob 145/00t). Über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit von Geschäften oder über die mit ihnen verbundenen wirtschaftlichen Risken braucht die Bank in der Regel daher nicht aufzuklären (RS0016385); vielmehr geht es hiebei um Abwägungen, die jeder Kunde selbst vorzunehmen hat und die von vielerlei Umständen, die der Bank nicht erkennbar sind (und auch regelmäßig nicht erkennbar sein müssen), abhängig sein können (9 Ob 325/97b). Der Umfang der Aufklärungspflichten einer Bank ist überdies grundsätzlich eine Frage des Einzelfalles (RS0106373, 0111165; 8 Ob 341/99a; 8 Ob 6/00s). Eine grobe Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, die sich mit dieser Frage ausführlich auseinandergesetzt haben, liegt nicht vor, sodass auch Gründe der Rechtssicherheit keine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erforderlich machen.

Anhaltspunkte dafür, dass der wirtschaftliche Zusammenbruch der Verkäuferin und des Treuhänders im Zeitpunkt der Kreditgewährung zur Fremdfinanzierung des Kaufpreises drohend und unmittelbar bevorstand und dies der Bank bekannt gewesen sei (RS0026805, 0026488, 0038122; SZ 57/70; 4 Ob 1/99x; 6 Ob 145/00t), wurden ebenso wenig festgestellt, wie es der beklagten Partei im maßgeblichen Zeitpunkt zum Jahresende 1994 bekannt war, dass der einvernehmlich zwischen den Streitteilen benannte Treuhänder personell mit der Verkäuferin verflochten und finanziell schlecht beleumundet sei; soweit der Revisionswerber dies in seinem Rechtsmittel (weiterhin) negiert, führt er dieses (und die darin enthaltene Rechtsrüge) nicht gesetzmäßig aus. Unter diesen Gegebenheiten durfte der Kläger auch nach den hier anzuwendenden (RS0016390; 4 Ob 61/99w) Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs keine weitergehende Aufklärung erwarten. In diesem Sinne besteht auch etwa - nach ständiger und einhelliger Rechtsprechung - eine Warnpflicht einer Bank gegenüber einem Bürgen oder Pfandbesteller nur in Ausnahmefällen, wenn diese etwa von der bevorstehenden Insolvenz einer kreditnehmenden Gesellschaft Kenntnis gehabt hätte (SZ 56/81, 57/70; 8 Ob 253/99k; 8 Ob 50/00m); auch diesem ist es vielmehr (grundsätzlich) selbst überlassen, sich entsprechend zu informieren und das finanzielle Risiko einzuschätzen (8 Ob 253/99k). Im selben Sinne erkannte der Oberste Gerichtshof auch schon mehrfach im Zusammenhang mit den Verhaltenspflichten eines Kreditunternehmens beim Ankauf eines Wechsels betreffend die Bonität des Akzeptanten (SZ 53/13, 61/26; 8 Ob 237/97d), bzw den Ankauf risikoträchtiger Wertpapiere (10 Ob 2299/96b). Nichts anderes hat auch im vorliegenden Fall zu gelten. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht mit diesen Grundsätzen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang und ist angesichts der im vorliegenden Fall maßgeblichen Feststellungen daher nicht zu beanstanden.

In der Verneinung einer Verletzung von Beratungs- und/oder Aufklärungspflichten der Bank gegenüber dem Kläger durch die Vorinstanzen kann daher keine die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigende Fehlbeurteilung erblickt werden. Darüber hinausgehende erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO werden vom Rechtsmittel ebenfalls nicht releviert. Seine außerordentliche Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat ausdrücklich auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.

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