OGH 6Ob292/00k

OGH6Ob292/00k22.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brigitte A*****, vertreten durch Dr. Peter Keul und Dr. Alexander Burkowski, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. Walter R*****, wegen 990.000,-- S, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 15. September 2000, GZ 6 R 163/00h-18, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 2. Jänner 2000, GZ 1 Cg 194/99s-10, abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit insgesamt 80.726 S (darin enthalten 9.036 S USt und 26.510 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Nichte der am 6. 10. 1997 verstorbenen Margarete A*****, die ein maschinschriftliches Testament folgenden Inhalts hinterließ:

"Testament

Ich, Grete A*****, ... hinterlasse meiner Nichte, ... (Klägerin) mein ganzes Vermögen, bestehend aus 'Haus und Grund - R*****'. NS. Ich verpflichte bzw ersuche meine Nichte ..., sich bis zu meinem Ableben aus meinen Ersparnissen für mich zu sorgen. Ich schreibe meinen letzten Willen bei vollem Bewusstsein und ohne jeglichen Zwang.

Linz, 7. 7. 1997 - zur Zeit Kursana Residenz wohnhaft."

Dieses Testament war ursprünglich nur mit der Unterschrift der inzwischen Verstorbenen und einer Testamentszeugin ("H***** Helga") versehen.

Die Verstorbene war mit der Ehefrau des Beklagten, die in dessen Rechtsanwaltskanzlei tätig ist, persönlich bekannt.

Am 30. 7. 1997 übersandte die Klägerin dieses Testament an die Kanzlei des Beklagten zu Handen dessen Ehefrau mit folgendem Begleitschreiben:

"Sehr geehrte Frau Dr. R*****!

Wie telefonisch mit Ihnen besprochen, übermittle ich Ihnen mit

gleicher Post das Testament meiner Tante ... mit der Bitte um weitere

Veranlassung. Bei Unklarheiten oder Rückfragen ist sie derzeit im

AKH, tel. ... zu erreichen. Mit bestem Dank für Ihre Bemühungen

Hochachtungsvoll ..."

Die Frau des Beklagten sandte dieses Testament der Klägerin vorerst mit folgendem Schreiben vom 5. 8. 1997 an die Klägerin zurück:

"... In der obigen Angelegenheit beziehe ich mich auf Ihr Schreiben vom 30. 7. 1997 und übermittle das Testament vom 7. 7. 1997 zur Verbesserung zurück.

Ein mit Maschine geschriebenes Testament muss von drei Zeugen (der oder die Begünstigte darf nicht dazugehören) unterfertigt sein. Zwei der Zeugen müssen gleichzeitig bei der Unterfertigung anwesend sein, weshalb die bereits erfolgte Unterschrift verwendbar ist.

Die Alternative ist, dass Frau Grete A***** das Testament zur Gänze eigenhändig schreibt; in diesem Fall sind keine Zeugen notwendig.

Am sinnvollsten ist, wenn Sie als Begünstigte das Testament auch verwahren und eine beglaubigte Kopie an einem anderen Ort zur Sicherheit deponieren; dies wäre auch in meiner Kanzlei möglich."

Daraufhin wurde das Testament von zwei weiteren Zeugen, und zwar von Paula R***** und von Maximilian A*****, dem Vater der Klägerin, unterfertigt und von der Klägerin abermals der Frau des Beklagten mit dem Hinweis, dass das Testament nunmehr von drei Zeugen unterfertigt worden sei, "zur weiteren Veranlassung (eventuell Eintragung ins Testamentsregister) und Beglaubigung sowie Aufbewahrung" übermittelt (Schreiben vom 1. 9. 1997).

Die Frau des Beklagten reagierte darauf mit Schreiben vom 4. 9. 1997, mit dem sie unter Bezugnahme auf das Schreiben der Klägerin vom 1. 9. 1997 mitteilte, dass sie das Testament in ihrer Kanzlei zwecks Einsparung der anfallenden Gebühren für die Eintragung im Testamentsregister aufbewahren werde. Nach dem Tod der Margarete A***** könne die Klägerin das Testament bei ihr beheben und dem für die Abhandlung zuständigen Notar übergeben. Sie könne aber auch den Notar von der Hinterlegung des Testaments in der Kanzlei verständigen "und dieser kann direkt mit mir Kontakt aufnehmen".

Der im Verlassenschaftsverfahren bestellte Gerichtskommissär machte die Klägerin auf die Ungültigkeit des Testaments (§ 594 ABGB) aufmerksam. Die gesetzlichen Erben der Verstorbenen, nämlich deren Neffe und der Vater der Klägerin, gaben je zur Hälfte unbedingte Erbserklärungen ab. Sie erklärten sich aber bereit, das Erbe zu dritteln. Sie vereinbarten mit der Klägerin, das in den Nachlass fallende Haus zu verkaufen und den Erlös zu je einem Drittel aufzuteilen. Nach der Einantwortung des Nachlasses an die gesetzlichen Erben wurde die Liegenschaft vereinbarungsgemäß verkauft und ein Drittel des erzielten Erlöses von insgesamt 5,4 Mio S, also 1,7 Mio S, der Klägerin ausgefolgt.

Die Klägerin begehrte 990.000 S aus dem Titel des Schadenersatzes. Sowohl die Klägerin als auch ihre Tante hätten den Beklagten mit der Durchsicht des Testamentsentwurfes beauftragt. Vorher habe sich die nunmehr Verstorbene wegen der Errichtung des Testaments in der Kanzlei des Beklagten erkundigt und dort deponiert, dass sie die Klägerin als alleinige Erbin einsetzen wolle. Der Beklagte habe sie mit dem Hinweis auf seine Arbeitsüberlastung ersucht, ihm das Testament zur Überprüfung und Korrektur in die Kanzlei zu senden. Die Klägerin und die Erblasserin seien nicht davon ausgegangen, dass es sich hiebei um eine Gefälligkeitsleistung handle. Die Erblasserin habe das Testament im Vertrauen auf die anwaltliche Auskunft komplettiert. Das Testament sei deshalb auch vom Vater der Klägerin unterfertigt worden, weil die Erblasserin und die Klägerin vom Beklagten nicht darauf hingewiesen worden seien, dass gemäß § 594 ABGB unter anderem die Eltern des Erben keine fähigen Testamentszeugen seien. Die Klägerin sei erst vom Gerichtskommissär auf die Ungültigkeit des Testaments hingewiesen worden. Dementsprechend hätten die gesetzlichen Erben ihre Erbserklärungen abgegeben. Wäre das Testament, mit dem die Klägerin als alleinige Erbin eingesetzt worden sei und das auch dem ausdrücklichen Willen der Verstorbenen entsprochen habe, gültig gewesen, hätte die Klägerin ein Vermögen von 5,4 Mio S geerbt. Da den beiden gesetzlichen Erben klar gewesen sei, dass ihre Erbenstellung nicht dem Willen der Verstorbenen entsprochen habe und sie "quasi nur durch einen Fehler des Beklagten" zu Erben geworden seien, hätten sie sich zur Teilung des Nachlasses auch mit der Klägerin bereit gefunden. Das Schreiben vom 5. 8. 1997 sei im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit des Beklagten verfasst worden. Er habe damit eine Rechtsbelehrung erteilt. Die Rechtsbelehrung sei unrichtig, weil sie unvollständig geblieben sei. Vorsichtshalber werde vorgebracht, dass ein Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter vorliege, sollte das Gericht davon ausgehen, dass nur die Verstorbene dem Beklagten Vollmacht erteilt habe. Sollte der Beklagte nur Verwahrer gewesen sein, was aber bestritten werde, liege Geschäftsführung ohne Auftrag vor.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt das Vorliegen eines anwaltlichen Mandatsverhältnisses. Das Testament sei lediglich auf Grund der persönlichen Bekanntschaft der Erblasserin zu seiner Ehefrau in seiner Kanzlei aufbewahrt worden. Nur zu diesem Zweck sei es auch seiner Kanzlei übermittelt worden. Das ursprünglich nur von einer Zeugin unterfertigte Testament sei deshalb mit dem Hinweis auf das Erfordernis von drei Testamentszeugen rückgemittelt worden, weil "ohne näher hinzusehen" sofort erkennbar gewesen sei, dass nur eine Zeugenunterschrift vorhanden gewesen sei. Dass eine inhaltliche Prüfung des Testaments nicht erfolgt sei, sei für die Klägerin schon auf Grund des Hinweises, dass sie das Testament selbst verwahren könne, erkennbar gewesen. Eine derartige Prüfung sei dem Beklagten auch gar nicht möglich gewesen, weil ihm die Verstorbene persönlich nicht bekannt gewesen sei und er daher ihre Testierfähigkeit nicht beurteilen habe können. Eine Vereinbarung dahin, dass die Klägerin dem Beklagten den Testamentsentwurf der Verstorbenen zur Durchsicht und allfälligen Korrektur vorbeibringen oder per Post übersenden solle, habe es nie gegeben. Der Gefälligkeitscharakter der Aufbewahrung sei von vorne herein klar gewesen.

Das Erstgericht gab dem der Höhe nach außer Streit stehenden Klagebegehren statt. Die der Klägerin erteilte Rechtsbelehrung sei unvollständig gewesen, weil sie nicht auf die im § 594 ABGB aufgezählten, wegen Befangenheit zeugnisunfähigen Personen hingewiesen worden sei. Der unrichtige Rat begründe jedenfalls dann einen Schadenersatzanspruch, wenn er im Rahmen eines Verpflichtungsverhältnisses erteilt worden sei. Es sei zumindest stillschweigend ein Auskunftsvertrag zustande gekommen, weil für den Beklagten klar erkennbar gewesen sei, dass die Erblasserin entsprechend der Auskunft des Beklagten eine testamentarische Vermögensdisposition zu Gunsten der Klägerin treffen wolle. In den vertraglichen Schutzbereich seien auch Dritte einzubeziehen, wenn sie durch den Inhalt des Vertrages erkennbar begünstigt erschienen und durch die unrichtige Auskunft einen Schaden erlitten. Selbst wenn das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages zu verneinen wäre, wäre eine Haftung des Beklagten als Geschäftsführer ohne Auftrag im Sinn der §§ 1035 ff ABGB zu bejahen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Anspruch der Klägerin sei nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Die Beweispflicht des Geschädigten für das Vorliegen des Kausalzusammenhanges gelte grundsätzlich auch in Fällen des § 1298 ABGB. Die Klägerin sei dafür beweispflichtig, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwaltes nicht eingetreten wäre. Die Klägerin habe aber im Verfahren erster Instanz weder behauptet, dass die unterlassene Aufklärung des Beklagten darüber, dass neben den eingesetzten Erben unter anderem dessen Eltern keine tauglichen Testamentszeugen sein könnten, schadensursächlich gewesen sei, noch vor allem, dass die Erblasserin bei einer entsprechenden Aufklärung statt des Vaters der Klägerin einen unbefangenen Testamentszeugen beiziehen hätte können und beigezogen hätte und in diesem Fall das Testament gültig gewesen wäre. Der Beklagte habe nicht die Gültigkeit des Testaments, sondern bloß eine zureichende Aufklärung geschuldet. Es fehle ein schlüssiges Vorbringen, weshalb die dem Beklagten vorgeworfene Unterlassung für den behaupteten Schaden - Nichterlangung der Erbschaft bzw eines Teiles davon - kausal gewesen sein sollte. Schon dieser Umstand führe zur Abweisung der Klage. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Frage, ob ein Vorbringen so weit spezifiziert sei, dass es als Anspruchsgrundlage hinreiche, stets eine Frage des Einzelfalles sei.

Eine Gleichschrift der gegen dieses Urteil erhobenen außerordentlichen Revision der Klägerin wurde dem Beklagten zugleich mit dem Beschluss des Obersten Gerichtshofs auf Freistellung der Revisionsbeantwortung am 20. 12. 2000 (einem Donnerstag) zugestellt. Die mit 2. 2. 2001 datierte Revisionsbeantwortung des Beklagten wurde am 5. 2. 2001 zur Post gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Wie sich aus den §§ 125 Abs 2, 225 Abs 1 ZPO ergibt, endet die Rechtsmittelfrist für den Fall, dass die Zustellung vor den zwei ganze Wochen umfassenden Wintergerichtsferien (§ 222 ZPO) erfolgte, an dem Wochentag, dessen Benennung dem Tag der Zustellung entspricht (4 Ob 61/93), wobei die gesetzliche Rechtsmittelfrist um die zweiwöchigen Gerichtsferien zu verlängern ist. Die vierwöchige und hier um zwei Wochen verlängerte Frist zur Erstattung der Revisionsbeantwortung (§ 507 Abs 2 ZPO) endete daher am Donnerstag, dem 31. 1. 2001. Deshalb war die erst fünf Tage später zur Post gegebene Revisionsbeantwortung als verspätet zurückzuweisen.

Die Revision der Klägerin ist im Gegensatz zum diesbezüglichen nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Zwar stellt die Auslegung des Parteivorbringens, also die Frage, ob im Hinblick auf die Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, gewöhnlich keine erhebliche Rechtsfrage dar (6 Ob 2341/96z = ZIK 1997, 101 ua). Gleiches gilt für die Beurteilung, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist und das

bisherige Vorbringen als Anspruchsgrundlage ausreicht (4 Ob 127/98z =

ÖBl 1999, 56; 7 Ob 360/98m = JBl 1999, 658; 1 Ob 83/99h; RIS-Justiz

RS0042828). Gegenteiliges gilt aber im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist (6 Ob 2341/96z; 1 Ob 83/99h).

Es ist zwar richtig, dass grundsätzlich den Geschädigten auch im Fall des § 1298 ABGB die Beweislast für den Kausalzusammenhang trifft (RIS-Justiz RS0022686). Anders als bei ärztlichen Behandlungsfehlern, bei denen der Oberste Gerichtshof von diesem Grundsatz ausnahmsweise abgegangen ist, ist dem Geschädigten bei Verletzung einer Aufklärungs- und Erkundungspflicht des Rechtsanwaltes der Nachweis der Kausalität des Verhaltens des Schädigers für den eingetretenen Schaden durchaus zuzumuten (6 Ob 2174/96s = RdW 1997, 451 = JBl 1997, 522 ua; RIS-Justiz RS0106890). Der Kläger ist dafür behauptungs- und beweispflichtig, dass der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln des Rechtsanwaltes nicht eingetreten wäre (5 Ob 533/88 ua; RIS-Justiz RS0022700). Bei erwiesenem schuldhaften Unterlassen einer Belehrung wird ein Anwalt dem Mandanten gegenüber nur schadenersatzpflichtig, wenn dieser beweisen kann, dass das schuldhafte rechtswidrige Verhalten des Rechtsanwaltes kausal für den eingetretenen Schaden war (2 Ob 224/97y = RdW 1999, 651).

Die zur Abweisung des Klagebegehrens herangezogene Begründung des Berufungsgerichtes, die Klägerin habe die Kausalität der Unterlassung anwaltlicher Belehrung für den Schadenseintritt nicht behauptet und somit kein schlüssiges Klagevorbringen erstattet, ist jedoch mit dem Wortlaut des Parteienvorbringens nicht vereinbar:

Bereits aus dem Klagevorbringen geht unzweideutig hervor, dass es deshalb zur Unterschrift des Vaters der bedachten Klägerin auf dem maschinschriftlichen Testament (neben den beiden anderen Testamentszeugen) gekommen sei, weil der Beklagte (bzw dessen Frau) nicht darauf hingewiesen habe, dass nach § 594 ABGB unter anderem Eltern des eingesetzten Erben keine fähigen Testamentszeugen sein könnten. Aus der daraus resultierenden Ungültigkeit des Testaments sei der Klägerin das ihr zugedachte Haus entgangen und der (nur teilweise) eingeklagte Schaden entstanden. Diese Behauptungen wurden durch weitere Ausführungen in nachfolgenden Schriftsätzen bekräftigt, etwa unter anderem durch den Hinweis, die beiden gesetzlichen Erben seien "quasi nur durch einen Fehler des Beklagten zu Erben geworden". Die Ausführungen der Klägerin lassen insgesamt keinen Zweifel daran, dass die Erblasserin bei entsprechender Aufklärung ihr oder der Klägerin gegenüber ein gültiges Testament verfasst hätte, wobei hervorzuheben ist, dass die Ungültigkeit des Testaments im vorliegenden Fall, soweit aktenkundig, allein aus der ungültigen Unterschrift des Vaters der Klägerin resultierte. All dies wurde vom Beklagten weder im Verfahren erster Instanz noch auch im Berufungsverfahren bestritten und liegt im Übrigen auf der Hand, wäre es doch widersinnig, der Erblasserin zu unterstellen, dass sie in Kenntnis der Unwirksamkeit eines maschinschriftlichen Testaments, das vom Vater der Bedachten als dritten Testamentszeugen unterfertigt wird, dennoch ein solches verfasst hätte. Es kann auch kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die Klägerin eine entsprechende Rechtsauskunft an die Erblasserin weitergeleitet hätte und dass es der damals in einem Pflegeheim aufhältigen Erblasserin zumindest unter Mithilfe der Klägerin gelungen wäre, einen dritten fähigen Zeugen zur Unterschriftsleistung aufzutreiben, ist doch das Personal in einem Pflegeheim im Allgemeinen in Testamentsangelegenheiten nicht unerfahren und zur Erfüllung derartiger Aufgaben durchaus bereit. Da an einen für die Haftungsbegründung erforderlichen Kausalitätsbeweis bei Unterlassungen keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürften (RIS-Justiz RS0022900), und ein sehr hoher Grad der Wahrscheinlichkeit genügt (7 Ob 677/89 = JBl 1990, 458 = VersR 1991, 207; RIS-Justiz RS0022825), ist das Erstgericht zu Recht ohne weiteres von der Kausalität der fehlenden Belehrung der Klägerin über die mangelnde Zeugenfähigkeit ihres Vaters für den Entgang der Erbschaft ausgegangen.

Schon nach der oben wiedergegebenen Korrespondenz zwischen der Klägerin und der Frau des Beklagten in deren Eigenschaft als Kanzleimitarbeiterin, für deren Verhalten der Beklagte nach § 1313a ABGB einzustehen hat, ergibt sich, dass der Beklagte bzw seine Frau zumindest schlüssig um eine Rechtsauskunft darüber ersucht wurde, ob das vorgelegte Testament rechtswirksam errichtet wurde und anderenfalls, was zu dessen Gültigkeit erforderlich sei. In diesem Sinn fasste die Frau des Beklagten das Schreiben der Klägerin vom 30. 7. 1997 auch auf, wie ihr Antwortschreiben (mit Briefkopf des Beklagten) vom 5. 8. 1997 zeigt, in dem sie auf die Erfordernisse eines gültigen maschinschriftlichen Testaments hinweist und entsprechende Ratschläge zur Errichtung eines gültigen Testaments erteilt. Daraus ergibt sich weiters auch, dass die kontaktierte Frau des Beklagten sehr wohl wusste, dass die Klägerin nach dem Inhalt des Testaments die Begünstigte sein sollte ("... am sinnvollsten ist, wenn Sie als Begünstigte das Testament auch verwahren ...").

Der Frau des Beklagten musste daher klar sein, dass ihr das Testament unter anderem zumindest in der Erwartung übermittelt wurde, dass sie es auf dessen Rechtswirksamkeit prüfen und allenfalls eine entsprechende Auskunft und Beratung erteilen werde und dass sie es nicht bloß aufbewahren sollte. Sie kam diesem Ansinnen auch nach. An der beiderseitigen Willensübereinstimmung in diesem Sinn kann somit kein Zweifel bestehen.

Die Rechtsberatung, um die die Frau des Beklagten zumindest sinngemäß ersucht worden war, war unvollständig. Sie hat aus den fehlenden Unterschriften von zwei weiteren Testamentszeugen auf dem ihr ursprünglich vorgelegten maschinschriftlichen Testament zu Recht darauf geschlossen, dass der Klägerin und ihrer Tante die Formvorschriften für ein solches Testament nicht bekannt sind. Umso mehr hätte sie deshalb auch annehmen müssen, dass ihnen unbekannt ist, dass nahe Verwandte der Begünstigten als wirksame Testamentszeugen ausgeschlossen sind.

Der Klient darf darauf vertrauen, dass ihn der Anwalt vor Nachteilen schützen und er den übernommenen Auftrag nicht bloß dem Wortlaut nach, sondern nach dem ihm bekannten Zweck entsprechend ausführen wird. Auch eine unzulängliche Belehrung macht in diesem Sinn haftbar (Reischauer in Rummel II2, Rz 16 zu § 1299 ABGB mwN). Als vordringliche Pflicht des Rechtsanwalts ist die Pflicht zur Interessenswahrung und zur Rechtsberatung anzusehen, wozu insbesondere Warn-, Aufklärungs-, Informations- und Verhütungspflichten zählen (2 Ob 224/97y = RdW 1999, 651). Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwaltes gehört die Belehrung des meist rechtsunkundigen Mandanten (RIS-Justiz RS0038682).

Gerade die Belehrungspflicht stand auch im vorliegenden Fall für die Frau des Beklagten erkennbar im Vordergrund. Sie hätte daher die Klägerin darüber aufklären müssen, dass ein naher Familienangehöriger kein fähiger Testamentszeuge ist. Eine solche Rechtskenntnis ist bei Anlegung des Sorgfaltsmaßstabes des § 1299 ABGB ohne weiteres vorauszusetzen. Spätestens nach abermaliger Übersendung des nunmehr von zwei weiteren Zeugen gefertigten Testaments hätte sie die Klägerin auf diese Vorschrift hinweisen müssen, weil ihr bei entsprechender neuerlicher Prüfung des Testaments, wozu sie im Sinne der dargelegten Rechtsprechung verpflichtet gewesen wäre, auffallen hätte müssen, dass der dritte Zeuge den gleichen Nachnamen wie die Klägerin trägt und daher ein Verwandtschaftsverhältnis naheliegt.

Für die Annahme, dass bloß ein "selbstloser Rat" im Sinn des § 1300 ABGB zweiter Satz gegeben worden sei, reichen selbst die eigenen Behauptungen des Beklagten nicht hin. Das erkennbare und so auch von seiner Frau aufgefasste Ersuchen um Hilfe und Belehrung, wie ein gültiges Testament zu errichten ist, betraf eine in den typischen Tätigkeitsbereich eines Anwaltes fallende Angelegenheit. Im Zweifel ist Entgeltlichkeit der Tätigkeit des Rechtsanwaltes zu unterstellen (Apathy in Schwimann, ABGB2 Rz 2 zu § 1004; Strasser in Rummel, ABGB3 Rz 5 zu § 1004 jeweils mwN; RIS-Justiz RS0019315 ua). Allein der Umstand, dass die Erblasserin mit dem Beklagten bzw dessen Frau bekannt war und auch, dass die Kanzlei früher einmal in einer die Schwägerin der Verstorbenen betreffenden Angelegenheit eine Urkundenübersendung kostenlos vorgenommen hat, konnte weder die Verstorbene noch die Klägerin zur Annahme veranlassen, der Beklagte würde alle ihre Angelegenheiten, insbesondere auch die vorliegende, kostenlos erledigen.

Der Schaden ist zwar nicht im Vermögen der Verstorbenen bzw ihrer Verlassenschaft, sondern im Vermögen der durch das ungültige Testament begünstigten Klägerin eingetreten. Dessen ungeachtet ist der Klage stattzugeben, ohne dass die Konstruktion der Schutzwirkungen eines Vertrages zu Gunsten Dritter herangezogen werden müsste (die hier im Übrigen nach herrschender Ansicht - vgl 7 Ob 568/86 = NZ 1987, 129 [130] und Harrer in Schwimann, ABGB2, Rz 7 zu § 1300 mwN - zum Tragen käme). Die zwischen der Klägerin und der Frau des Beklagten stattgefundene Korrespondenz lässt erkennen, dass nicht nur die Erblasserin, sondern insbesondere auch die Klägerin selbst wissen wollte, was zu veranlassen war, um die Absicht der Erblasserin, die Klägerin mit dem Haus zu bedenken, in einem gültigen Testament zum Ausdruck zu bringen. Die Klägerin war erkennbar primär selbst jene Person, die die betreffende Rechtsauskunft erhalten wollte. Sie hat die Rechtsauskunft nicht bloß in Vertretung ihrer Tante, sondern im eigenen Namen und im eigenen Interesse einholen wollen. Dementsprechend wurde die Korrespondenz auch von ihr und mit ihr und nicht etwa mit der Erblasserin geführt und die Klägerin auch nicht als Vertreterin der Erblasserin bezeichnet. Die Klägerin und nicht die Erblasserin wurde in dem Schreiben der Frau des Beklagten persönlich angesprochen.

Die Rechtssache ist daher auf Grund des vom Erstgericht unbekämpft festgestellten Sachverhalts im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens spruchreif, ohne dass es der vom Beklagten in seiner Berufung vermissten Feststellungen bedürfte. Das Ersturteil war demgemäß wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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