OGH 4Ob61/93

OGH4Ob61/938.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Göbel und Dr.Markus Groh, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Heinrich H*****, vertreten durch Dr.Günther Steiner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 310.000), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6.April 1993, GZ 4 R 33/93-11, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 11.Dezember 1992, GZ 37 Cg 260/91-6, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Gegen das ihm am 28.12.1992 zugestellte, der auf § 9 UWG gestützten Klage stattgebende Urteil erhob der Beklagte am 4.2.1993 (§ 89 GOG) Berufung.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Gericht zweiter Instanz diese Berufung als verspätet zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof (nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO) zulässig sei. Eine Ferialsache liege nicht vor. Die Zustellung vom 28.12.1992, also innerhalb der Wintergerichtsferien, sei mit diesem Tag wirksam gewesen; die Berufungsfrist habe jedoch erst mit dem Ende der Gerichtsferien zu laufen begonnen. Da die vierwöchige Frist somit am 3.2.1993 geendet habe, sei die Berufung verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß vom Beklagten erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Beklagte ist sich dessen bewußt, daß der angefochtene Beschluß der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (RZ 1978/109; SZ 57/65; RZ 1989/108 uva) entspricht; er hält aber diese Rechtsprechung für unrichtig. Das Ereignis, das den Fristbeginn auslöst, sei bei einer Zustellung während der Gerichtsferien nicht der Tag der Zustellung, sondern der vollständige Ablauf der Gerichtsferien; nur bei dieser Auslegung stehe dem Rechtsmittelwerber auch in diesem Fall die gesamte Rechtsmittelfrist zur Verfügung. Dem kann nicht gefolgt werden:

Das Ersturteil wurde dem Beklagten während der vom 24. Dezember 1992 bis 6.Jänner 1993 dauernden winterlichen Gerichtsferien (§ 222 ZPO) zugestellt. Da die Streitsache weder unter § 224 Abs 1 ZPO fällt noch vom Erstgericht zur Ferialsache erklärt worden ist (§ 224 Abs 2 ZPO), findet auf die Rechtsmittelfrist § 225 Abs 1 ZPO Anwendung, wonach die Frist, wenn ihr Beginn in die Gerichtsferien fällt, um den bei ihrem Beginn noch übrigen Teil der Gerichtsferien verlängert wird. Die Frist wird also in ihrem Ablauf gehemmt (Fasching II 1027), die Zustellung gilt aber sehr wohl als in den Gerichtsferien vollzogen (RZ 1978/109). Es besteht daher keinerlei Grundlage dafür, erst - wie der Beklagte fordert - den ersten Tag nach den Gerichtsferien, hier also den 7.1.1993, als den Tag der Zustellung zu behandeln, von dem an (§ 464 Abs 2 ZPO) die Frist nach § 125 ZPO zu berechnen ist. Da die Zeit bis zum Ende der Gerichtsferien - hier also die neun Tage vom 29.12.1992 bis zum 6.1.1993 -, gemäß § 225 Abs 1 ZPO nicht mitzuzählen ist, hat die gesamte Rechtsmittelfrist mit (einschließlich) 7.1.1993 zu laufen begonnen, somit am 3.2.1993 geendet (RZ 1989/108).

§ 125 ZPO sieht eine unterschiedliche Art der Berechnung vor, je nachdem ob eine Frist nach Tagen oder nach Wochen (Monaten oder Jahren) bestimmt ist: Bei der Berechnung einer Frist, die nach Tagen bestimmt ist, wird nach § 125 Abs 1 ZPO "der Tag nicht mitgerechnet, in welchen der Zeitpunkt oder die Ereignung fällt, nach der sich der Anfang der Frist richten soll." Nach § 125 Abs 2 ZPO endet eine nach Wochen bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Ob aber das Gesetz eine Frist mit sieben Tagen (oder einem Vielfachen davon) oder mit einer Woche (oder mehreren Wochen) bestimmt, ändert nichts am Ergebnis, ob nun nach § 125 Abs 1 oder nach Abs 2 ZPO berechnet wird (so schon SZ 57/65). Hätte der Gesetzgeber die Berufungsfrist mit 28 Tagen bestimmt, dann wäre der für den Fristenlauf maßgebende Tag der Zustellung (§ 464 Abs 2 ZPO), also der 28.12.1992, nicht mitzurechnen; die Rechtsmittelfrist wäre um die verbleibenden neun Tage der Gerichtsferien (29.12.1992 bis 6.1.1993) zu verlängern, so daß sie mit dem 37.Tag, also dem 3.2.1993, enden würde. Die Regel des § 125 Abs 2 ZPO ist dann problemlos anzuwenden, wenn die Zustellung vor den Gerichtsferien erfolgt ist, weil diese im Sommer sechs und im Winter zwei ganze Wochen umfassen, der letzte Tag einer nach Wochen bemessenen Rechtsmittelfrist demnach wiederum auf einen Tag fällt, dessen Benennung dem Tag der Zustellung entspricht. Wird aber in den Gerichtsferien zugestellt, so kann diese Berechnungsregel dann nicht ohne weiteres wörtlich angewendet werden, wenn der gemäß § 225 Abs 1 ZPO außer Betracht zu lassende "übrige Teil der Gerichtsferien" - wie hier - weder genau eine Woche noch mehrere ganze Wochen umfaßt. Die Berechnungsregel des § 125 Abs 2 ZPO ist in diesem Fall nur dann brauchbar, wenn man - indem man die Zeit der Fristenhemmung gemäß § 225 Abs 1 ZPO fiktiv dem Zeitpunkt der Zustellung vorausgehen läßt - als Tag der Zustellung den letzten Tag der Gerichtsferien annimmt; der letzte Tag der Frist entspricht dann in seiner Benennung diesem Tag. Auch nach dieser Berechnung hat im vorliegenden Fall die Berufungsfrist am 3.2.1993 geendet, welcher ebenso wie der 6.1.1993 ein Mittwoch war.

Dem Rekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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