Spruch:
Der Lauf einer nach Wochen bestimmten Rechtsmittelfrist beginnt mit dem ersten der Partei voll zur Verfügung stehenden Tag
OGH 29. 3. 1984, 8 Ob 225/83 (OLG Linz 3a R 193/83; LG Linz 7 Cg 232/82)
Text
Die Klägerin begehrte aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus einem Verkehrsunfall von den Beklagten die Zahlung von 60 382.90 S sA; überdies stellte sie ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für alle künftigen Schäden aus diesem Verkehrsunfall gerichtetes Feststellungsbegehren. Es handelt sich um keine Ferialsache iS des § 224 ZPO.
Das Erstgericht gab mit Urteil vom 28. 6. 1983 dem Klagebegehren statt; dieses Urteil wurde dem Beklagtenvertreter am 24. 8. 1983 zugestellt.
Das Urteil des Erstgerichtes wurde von den Beklagten hinsichtlich des Abspruches über das Leistungsbegehren zur Gänze und hinsichtlich der Entscheidung über das Feststellungsbegehren insoweit, als die Haftung der Beklagten für mehr als ein Viertel der künftigen Unfallschäden der Klägerin festgestellt wurde, mit Berufung bekämpft. Diese Berufung wurde am 23. 9. 1983 zur Post gegeben.
Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß die Berufung der Beklagten als verspätet zurück. Wenn, wie im vorliegenden Fall, der Beginn der Berufungsfrist in die Gerichtsferien falle, werde zufolge § 225 Abs. 1 ZPO die Frist um den bei ihrem Beginn noch übrigen Teil der Gerichtsferien verlängert. Daraus ergebe sich zunächst, daß die Zustellung an sich schon während der Gerichtsferien (am 24. 8. 1983) wirksam geworden sei und bei einer Berechnung nach Tagen der 26. 8. 1983 schon in den Fristenlauf einzurechnen sei. Beginne aber bei einer Zustellung während der Gerichtsferien die Berufungsfrist mit dem 26. 8. 1983 in dem Sinn, daß der 26. 8. 1983 bereits der erste Tag der vierwöchigen Frist sei, dann müsse diese Frist am 22. 9. 1983 und nicht am 23. 9. 1983 enden, weil vier Wochen nicht 29, sondern 28 Tage bedeuteten. Der Berufungswerber hätte aber für seine Berufung 29 Tage Zeit, wenn der 26. 8. 1983 nicht in die Frist eingerechnet würde, obwohl er ihn voll zur Verfügung gehabt habe. Zum selben Ergebnis komme man, wenn man iS des § 225 ZPO die vierwöchige Frist ab 24. 8. 1983 (einem Mittwoch) ansetze. Vier Wochen endeten dann am Mittwoch, dem 21. 9. 1983, und seien um den bei ihrem Beginn noch übrigen Teil der Gerichtsferien (1 Tag = 25. 8. 1983) zu verlängern, sodaß die Berufungsfrist wieder mit Donnerstag, dem 22. 9. 1983, ende. Die erst am 23. 9. 1983 zur Post gegebene Berufung der Beklagten sei daher als verspätet zurückzuweisen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 464 ZPO beträgt die Berufungsfrist vier Wochen; sie beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung. Nach § 125 Abs. 1 ZPO wird bei Berechnung einer nach Tagen bestimmten Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen der Zeitpunkt oder die Ereignung fällt, nach der sich der Anfang der Frist richten soll. Gemäß § 125 Abs. 2 ZPO enden nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. § 225 Abs. 1 ZPO ordnet schließlich an, daß dann, wenn der Beginn der Frist in die Gerichtsferien fällt, die Frist um den bei ihrem Beginn noch übrigen Teil der Gerichtsferien verlängert wird.
Die Zustellung des Urteiles des Erstgerichtes an den Beklagtenvertreter am 24. 8. 1983, also innerhalb der gemäß § 222 ZPO vom 15. 7. bis 25. 8. dauernden Gerichtsferien, hat zur Folge, daß die Zustellung als innerhalb der Gerichtsferien vollzogen gilt, daß aber die Berufungsfrist erst mit dem Ende der Gerichtsferien zu laufen begann (Fasching, Kommentar II 1027; RZ 1978/109 ua.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten endete aber die vierwöchige Frist nicht am 23. 9. 1983 (der ebenso wie der 26. 8. 1983 ein Freitag war), sondern schon am Donnerstag, dem 22. 9. 1983. Die Vorschrift des § 125 Abs. 2 ZPO über die Berechnung von nach Wochen bestimmten Fristen geht nämlich von dem Normalfall aus, daß der Tag, in welchem das Ereignis fällt, das den Fristenlauf auslöst, der betreffenden Partei nicht mehr ganz zur Verfügung steht und daher analog der Vorschrift des § 125 Abs. 1 ZPO über die Berechnung einer nach Tagen bestimmten Frist nicht mitzurechnen ist (vgl. Neumann, Kommentar[4] I 687). Wenn jedoch - wie im vorliegenden Fall - das den Lauf der Berufungsfrist auslösende Ereignis, nämlich die Zustellung des Urteiles des Erstgerichtes an den Beklagtenvertreter, innerhalb der Gerichtsferien erfolgte und somit der Fristenlauf bereits um 0 Uhr des ersten Tages nach den Gerichtsferien, des 26. 8. 1983, beginnt, wobei der Zustellungstag infolge der durch die Gerichtsferien bewirkten Hemmung der Frist ohnehin nicht mitzählt, dann endet der Lauf der Frist von vier Wochen mit Ablauf des 28. - der Partei voll zur Verfügung stehenden - Tages, also mit Ablauf des 22. 9. 1983. Nur diese Art der Berechnung verhindert, daß eine Frist von 28 Tagen und eine solche von vier Wochen an zwei verschiedenen Tagen enden, was dann der Fall wäre, wenn eine nach Tagen bestimmte Frist am 26. 8., eine nach Wochen bestimmte Frist aber im Ergebnis erst um einen Tag später zu laufen begänne (4 Ob 536/76). Für eine solche unterschiedliche Berechnung und Dauer von Fristen bieten jedoch die Bestimmungen des § 125 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO keine Handhabe.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)