OGH 6Ob2341/96z

OGH6Ob2341/96z5.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Josef E*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der I*****gesellschaft mbH, ***** wider die beklagte Partei Dr.Georg Z*****, vertreten durch Dr.Herbert Hochegger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 300.000 S, infolge Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11.April 1996, GZ 3 R 16/96m-14, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 9.November 1995, GZ 30 Cg 370/94b-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beide Rekurse werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 13.725 S (darin 2.287,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Über das Vermögen der I*****gesellschaft mbH (im folgenden Gemeinschuldnerin) wurde am 31.März 1993 der Ausgleich und am 11. August 1994 der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Der beklagte Rechtsanwalt, ein Schulkollege des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin (im folgenden nur Geschäftsführer), vertrat mit Zustimmung des Ausgleichsverwalters die Gemeinschuldnerin im Ausgleichsverfahren und deren Geschäftsführer in dem gegen diesen anhängigen Strafverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien. Die zur Erfüllung des gerichtlich bestätigten Ausgleiches letztlich nur mehr erforderlichen 50 Mio S konnten nicht aufgebracht werden, auch ein angestrebter Zwangsausgleich im anschließenden Konkurs scheiterte an den erforderlichen Barmitteln.

Der Masseverwalter begehrte mit seiner auf § 29 Z 1 KO gestützten Anfechtungsklage vom Beklagten die Zahlung von 300.000 S sA mit dem wesentlichen Vorbringen, der Beklagte habe diesen Betrag am 1.Februar 1994 von der Gemeinschuldnerin als Akonto für die Verteidigung ihres Geschäftsführers im Strafverfahren erhalten. Da die getilgte Forderung wirtschaftlich nichts wert sei, komme der Beklagte als Gläubiger des ursprünglichen Anfechtungsgegners selbst als Anfechtungsgegner in Betracht. Im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung seien die Gemeinschuldnerin und ihr Geschäftsführer zahlungsunfähig gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte noch fest:

Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin habe letztmalig im November 1992 von dieser ein Gehalt ausgezahlt erhalten, danach sei dies aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich gewesen. Eine Liegenschaft des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin sei im Ausgleich verwertet und der gesamte Erlös an einen Hypothekargläubiger ausgezahlt worden. Die grundbücherlichen Belastungen einer weiteren Liegenschaft des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin seien Ende 1993 bereits höher gewesen als der Schätzwert, das Versteigerungsverfahren sei am 10. Juli 1995 mangels Anbotes eingestellt worden; sonst sei der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin vermögenslos gewesen. Es konne nicht festgestellt werden, ob er als Gesellschafter und Geschäftsführer einer weiteren Gesellschaft mbH dort ein Einkommen bezogen habe. Am 8.November 1993 habe der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin dem Beklagten in dessen Kanzlei einen aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin stammenden Barbetrag von 300.000 S als Akonto für seine Verteidigung in einem Strafverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien übergeben.

Rechtlich folgerte der Erstrichter daraus, die Gemeinschuldnerin habe "als wirtschaftlich Belastete" an den Beklagten eine Leistung erbracht, die diesem gegenüber dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin zugestanden sei. Der Beklagte habe hiefür der Gemeinschuldnerin keine Gegenleistung erbracht, sodaß die Leistung als unentgeltliche Verfügung iSd § 29 Z 1 KO anzusehen sei. Infolge Uneinbringlichkeit ("wirtschaftlich nichts wert") der getilgten Forderung beim Schuldner (Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin) im Leistungszeitpunkt sei ausnahmsweise der Gläubiger Anfechtungsgegner. Daß der Kläger einen anderen Zahlungszeitpunkt behauptet habe, sei wegen ausreichender Individualisierung der angefochtenen Leistung unschädlich.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete es als zulässig, weil aus Gründen der Rechtssicherheit ein Bedürfnis zur Klarstellung der Grenzen der ausreichenden Individualisierung der angefochtenen Rechtshandlung durch den Anfechtungskläger bestehe.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die zweite Instanz im wesentlichen die Auffassung, daß der Kläger eine Zahlung von 300.000 S am 1. Februar 1994 anfechte, die der Beklagte als Akonto für die Vertretung des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin in einem Strafverfahren erhalten habe. Der Beklagte habe eingewendet, das Akonto von 300.000 S bereits am 8.November 1993 erhalten zu haben, was der Kläger ausdrücklich als unrichtig mit dem Hinweis bestritten habe, am 8.November 1993 sei dieses Strafverfahren noch gar nicht anhängig gewesen. Nach der Aktenlage habe aber der Beklagte jedenfalls zwei Zahlungen über je 300.000 S erhalten, wobei der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin den ersten Betrag - einerlei, ob aus Mitteln der Gemeinschuldnerin oder ihres Geschäftsführers - persönlich überbracht habe, wogegen der zweite Betrag von der Gemeinschuldnerin überwiesen worden sei. Angaben über den bloß zur Klarstellung im Anfechtungsbegehren angeführten Rechtsgrund könnten, ohne daß eine Änderung des Klagegrundes (Rechtshandlung und anfechtungsrelevante Tatsachen) eintrete, im Laufe des Verfahrens zwar geändert oder ergänzt werden; die Grenzen einer solchen Klarstellung seien nicht zu eng zu ziehen. Im vorliegenden Fall habe indes der Kläger eine Zahlung an den Beklagten von 300.000 S am 1. Februar 1994 angefochten und bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung auch nicht geändert, obwohl bereits nach der Prozeßbehauptung des Beklagten und sodann durch entsprechende Verfahrensergebnisse zwei Zahlungen über je 300.000 S an den Beklagten evident gewesen seien. Wenn das Erstgericht nun zum Ergebnis gelange, die Anzahlung für die Vertretung des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin im Strafverfahren sei bereits im November 1993 erfolgt, was der Kläger bestritten habe, komme eine Klagestattgebung nicht in Frage, weil diese Überweisung vom Kläger trotz seiner Kenntnis davon nicht einmal eventualiter angefochten worden sei.

Einer sofortigen Klageabweisung stehe entgegen, daß Feststellungen über die vom Kläger angefochtene Überweisung vom 1.Februar 1994 fehlten und die Mängel- und Beweisrügen beider Parteien berechtigt seien. Sollte der Kläger im fortgesetzten Verfahren (auch) die Zahlung vom 8.November 1993 anfechten, würde dies eine Klageänderung darstellen. Die Entscheidung über ihre Zulässigkeit wäre auf die in § 235 Abs 3 ZPO genannten verfahrensrechtlichen Kriterien beschränkt.

Rechtliche Beurteilung

a) Der Rekurs des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gemäß § 29 Z 1 KO sind in den letzten zwei Jahren vor der Konkurseröffnung vorgenommene Rechtshandlungen anfechtbar, darunter unentgeltliche Verfügungen des Gemeinschuldners, soweit nicht hier unerhebliche Ausnahmen vorliegen. Es handelt sich um einen Fall der sogenannten Schenkungsanfechtung innerhalb des Konkurses. Zum Wesen dieses Anfechtungsgrundes, zum Begriff der unentgeltlichen Verfügung und zur Tatsache, daß darunter auch die Zahlung einer fremden Schuld fallen kann, hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung ÖBA 1993, 832 eingehend Stellung genommen. Daß nur ein Leistungs- und kein Rechtsgestaltungsbegehren gestellt wurde, ist nicht zu beanstanden (RZ 1993/5 mwN ua; Feil, Konkursordnung § 43 KO Rz 6), jedenfalls handelt es sich um eine Rechtsgestaltungsklage.

Nach der herrschenden Substantiierungstheorie hat der Kläger alle rechtserheblichen, für die Schlüssigkeit des Begehrens erforderlichen Tatsachen schon in der Klage vorzubringen. Der ein Leistungsbegehren stellende Anfechtungskläger hat daher die angefochtene Rechtshandlung, aus deren Unwirksamkeit er den Leistungsanspruch ableitet, bestimmt zu bezeichnen, soll doch rechtsgestaltend entschieden werden. Im Rahmen dieser Anfechtungserklärung mag zwar eine Klarstellung, Ergänzung oder Berichtigung der Tatsachengrundlage möglich und erlaubt sein. Solche Erklärungen dürfen aber nicht dazu führen, daß nach den Ergebnissen eine andere Rechtshandlung angefochten und das Leistungsbegehren nun aus dieser Rechtshandlung abgeleitet erscheint (ÖBA 1993, 239; ÖBA 1988, 283, je mwN; vgl zu den prozeßrechtlichen Grenzen für die Nachholung fehlender Rechtsgestaltungsbegehren auch Konecny, Zum Klagebegehren und zum Inhalt der Anfechtungsklagen im Konkurs in ÖBA 1987, 311 ff, 318 f). Nur die durch die Tatsachenbehauptungen gedeckten oder wenigstens indizierten Anfechtungsgründe sind zu berücksichtigen (ÖBA 1987, 193). Von dieser, der herrschenden Rechtsprechung entsprechenden Rechtsauffassung ist die Berufungsinstanz ausgegangen. Die Anwendung der Rechtsprechung auf einen konkreten Sachverhalt, der in seiner Bedeutung über den Einzelfall nicht hinausgeht, kann nicht mit Revision oder Rekurs bekämpft werden. Wenn sich mehrere Rechtshandlungen als einheitlicher, in mehreren Phasen verwirklichter und in seiner Gesamtheit anfechtbarer Vorgang darstellt, ist an die Anfechtungserklärung des Masseverwalters keine strenge Beurteilung anzulegen (1 Ob 9/75). Im vorliegenden Fall stellen sich aber die von den Parteien behaupteten beiden Zahlungen des Gemeinschuldners zu verschiedenen Zeitpunkten als zwei - schenkungsweise - "Rechtshandlungen" dar, weil sie jeweils verschiedene Tatbestandselemente enthalten.

Nach Wortlaut und Zweck des § 502 Abs 1 ZPO kann die Lösung einer Rechtsfrage, deren Bedeutung über den Anlaßfall nicht hinausgeht, keine erhebliche Bedeutung für die Rechtsentwicklung haben, weil dies voraussetzt, daß sie auch für andere Fälle in Betracht kommt. Die Kasuistik des Einzelfalls schließt daher im allgemeinen die Zulässigkeit der Revision oder des Rekurses aus. Nur unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Rechtssicherheit kann der Lösung einer Rechtsfrage, die nur für den Anlaßfall Bedeutung hat, eine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommen, weil jedermann darauf vertrauen kann, daß grobe Fehler des Berufungsgerichtes im Weg der Revision beseitigt werden. Die Auslegung des Parteienvorbringens, ob somit im Hinblick auf den Inhalt der Prozeßbehauptung eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist (RIS-Justiz RS0044273), stellt im allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar, weil nicht anzunehmen ist, daß sie in vergleichbarer Form neuerlich vorkommen wird (MietSlg 45.714 mwN; ÖA 1995, 64 ua, zuletzt 10 Ob 1608/95 = WoBl 1996, 146). Etwas anderes gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur, wenn die Auslegung des Parteienvorbringens mit dessen Wortlaut unvereinbar ist (MietSlg 45.714 mwN; RIS-Justiz RS0044273). Von einer solchen auffallenden Fehlbeurteilung der zweiten Instanz kann hier keine Rede sein, zumal auch der Beweisbeschluß auf eine Zahlung - nur darauf und nicht auf die Vereinbarung kommt es an (vgl SZ 61/110; RdW 1984, 43) - abgestellt war.

b) Der Rekurs des Beklagten ist gleichfalls nicht zulässig.

Die hier maßgebliche Vorschrift des § 519 Abs 2 ZPO bindet die Rekurszulässigkeit an die Voraussetzungen des § 502 ZPO, somit nach dessen Abs 1 daran, daß die Entscheidung über das Rechtsmittel von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Die Anfechtung der berufungsgerichtlichen Entscheidung ist daher nur möglich, wenn das Rechtsmittel die unrichtige Lösung einer in diesem Sinn erheblichen Rechtsfrage geltend macht (JBl 1992, 794; zuletzt 1 Ob 610/95; RIS-Justiz RS0102059). Nur in diesem Fall muß der Oberste Gerichtshof aus Anlaß des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluß die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht in jeder Richtung überprüfen. Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses (oder der Revision) ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden (§ 508a ZPO) und nicht auf jene Rechtsfragen beschränkt, die die zweite Instanz zur Begründung ihres Ausspruchs angeführt hat (zuletzt 1 Ob 610/95, 8 Ob 2/95 = ÖJZ-LSK 1996/5). Aber selbst wenn das Berufungsgericht - zu Recht - ausgesprochen hat, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof (oder die ordentliche Revision) sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision (der Rekurs) trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (1 Ob 610/95; 8 Ob 2/95 ua; Kodek in Rechberger, vor § 502 ZPO Rz 3).

Ein solcher Fall liegt hier vor, wendet sich doch das Rechtsmittel des Beklagten ausschließlich gegen die der ersten Instanz vom Berufungsgericht aufgetragene Verfahrensergänzung und bringt somit keine erheblichen Rechtsfragen iS des § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung. Denn bei Richtigkeit der einem Aufhebungsbeschluß zugrunde liegenden, hier gar nicht bestrittenen Rechtsauffassung der zweiten Instanz ist es dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nach ständiger Rechtsprechung versagt, die tatsächliche Notwendigkeit einer aufgetragenen Verfahrensergänzung zu prüfen (SZ 62/160 uva, jüngst 1 Ob 610/95; Kodek aaO § 519 ZPO Rz 5 mwN). Die Ausführungen des Beklagten in seinem Rekurs, mit denen er darzutun versucht, der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt reiche zur Klageabweisung aus, sind demnach zur Begründung der Rechtsmittelzulässigkeit ungeeignet.

Beide Rechtsmittel sind zurückzuweisen. Da nur die beklagte Partei in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen hat, sind nur ihr gemäß § 52 Abs 1 erster Satz, §§ 50, 41 ZPO die Kosten der Rekursbeantwortung zuzusprechen.

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