OGH 1Ob83/99h

OGH1Ob83/99h27.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann M*****, vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wider die beklagten Parteien 1) Valentin K*****, 2) Erich R*****, 3) Hermann P*****, 4) Josef S*****, 5) Franz B*****, und 6) W*****, alle vertreten durch Dr. Branco Perc, Rechtsanwalt in Bleiburg, wegen Wiederherstellung und Unterlassung (Streitwert 80.000 S) infolge ordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgerichts vom 5. Februar 1999, GZ 36 R 5/99h-8, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Bezirksgerichts Bleiburg vom 21. Dezember 1998, GZ C 854/98 v-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 8.216,64 S (darin 1.369,44 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger und die übrigen Beklagten sind Mitglieder der sechstbeklagten Partei, einer Wassergenossenschaft, deren Obmann der Erstbeklagte ist. Zwei Liegenschaften im Eigentum des Klägers waren zu ihrer Versorgung mit Trink- und Nutzwasser an die Wasseranlage der sechstbeklagten Partei angeschlossen. Die Abzweigung für die Hauswasserleitung des Klägers befand sich auf dessen Grundstück 213/1, das die Erst- bis Fünftbeklagten am 4. März 1998 mittels eines Baggers aufgruben. Sie entfernten sodann das T-Stück (Verbindung zwischen der Hauswasserleitung und dem Hauptwasserstrang) und unterbanden dadurch die Wasserzufuhr zu den Liegenschaften des Klägers, der sodann bei der Wasserrechtsbehörde am 6. April 1998 u.

a. beantragte, den gesetzmäßigen Zustand wiederherzustellen und

"durch geeignete Maßnahmen und Verfügungen ... in Hinkunft derartige

massive Eingriffe" in seine "Privatrechtssphäre" hintanzuhalten. Mit

Bescheid vom 31. Juli 1998 wies die Wasserrechtsbehörde erster

Instanz "das Verlangen" des Klägers, "die durch die

Wassergenossenschaft ... unterbrochene Verbindung zwischen der

genossenschaftlichen Versorgungsleitung und seiner

Hausanschlußleitung durch Einbau eines T-Stückes durch die

Wassergenossenschaft wieder herstellen zu lassen", als "unzulässig"

ab, weil solche Ansprüche nur "vor den Zivilgerichten geltend gemacht

werden" könnten. Der Landeshauptmann von Kärnten wies den Antrag des

Klägers im Berufungsverfahren "mangels Zuständigkeit der

Wasserrechtsbehörde" zurück; sie habe zwar im Rahmen ihrer Aufsicht

über die Wassergenossenschaften auch über derartige Streitigkeiten

aus dem Genossenschaftsverhältnis zu entscheiden, vor deren Befassung

sei jedoch die "genossenschaftsinterne Schlichtungsstelle" anzurufen.

Der Kläger begehrte, die beklagten Parteien schuldig zu erkennen, den ursprünglichen Zustand der Verbindung zwischen der "Hauptleitung der Wasserversorgungsanlage der Wassergenossenschaft" und seiner "Hauswasseranschlußleitung" wiederherzustellen und in Hinkunft jede "Störung" dieser Anschlußleitung zu unterlassen. Er brachte vor, die Erst- bis Fünftbeklagten hätten die "Hauswasseranschlußleitung" auf seinem Grundstück durch Unterbrechung der Verbindung mit dem Hauptleitungsstrang vorsätzlich beschädigt, damit in sein Grundeigentum und in sein Eigentum an der "Hauswasseranschlußleitung" eingegriffen, aber auch deliktisch gehandelt und ihn dadurch in der Bewirtschaftung seiner Landwirtschaft erheblich beeinträchtigt. Ferner falle jenen Beklagten eine "eigenmächtige Neuerung im Sinne des Wasserrechtsgesetzes" in Verletzung seines Wasserbezugsrechts zur Last. Die sechstbeklagte Partei habe dieses Verhalten "in die Wege geleitet, geduldet und durch einen rechtsunwirksamen Beschluß genehmigt.

Die beklagten Parteien erhoben die Einrede der Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs und wendeten ein, der Klagegrund resultiere aus einer Streitigkeit aus dem Genossenschaftsverhältnis, über die gemäß § 85 WRG ausschließlich die Wasserrechtsbehörde zu entscheiden habe.

Das Erstgericht wies die Klage, der Rechtsansicht der beklagten Parteien folgend, zurück.

Das Gericht zweiter Instanz hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es sprach überdies aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 52.000 S, nicht jedoch 260.000 S übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Nach seiner Ansicht hat die Wasserrechtsbehörde in Ausübung ihres Aufsichtsrechts gemäß § 85 Abs 1 WRG auch über alle Streitfälle aus dem Genossenschaftsverhältnis zu entscheiden. Der Kläger stütze sein Begehren aber nicht auf ein genossenschaftliches Wasserbezugsrecht, sondern auf die Verletzung seines Eigentumsrechts und auf Schadenersatz. Damit mache er privatrechtliche Ansprüche geltend, über die die Zivilgerichte abzusprechen hätten. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es zu einer solchen Fallgestaltung an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangle; dem Kläger könnte es auch "nicht so sehr um den Eingriff in sein Eigentum und um die Beseitigung des Eingriffs", als vielmehr um die Klärung nicht privatrechtlicher Streitfragen aus dem Genossenschaftsverhältnis gehen. Insofern sei eine Undeutlichkeit des Streitgegenstands denkbar, was eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Ergänzung des Verfahrens durch eine richterliche Anleitung des Klägers, den "Rechtsgrund konkret darzustellen", zur Folge haben müßte.

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach herrschender Ansicht ist der Streitgegenstand zweigliedrig;

er wird durch das Begehren und das diesem zugrundegelegte Tatsachenvorbringen, den Klagegrund, bestimmt (SZ 68/220; SZ 68/12;

SZ 64/71; SZ 63/43; SZ 59/14; SZ 48/113; Fasching, LB2 Rz 1158;

Rechberger in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 15 Vor § 226;

Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 252). Nach dem jeweiligen Streitgegenstand ist auch die Zulässigkeit des Rechtswegs aufgrund des rechtlichen Wesens des geltend gemachten Anspruchs zu beurteilen. Dabei ist nur maßgeblich, ob der Kläger einen Anspruch behauptet, über den wegen seiner Rechtsnatur die Zivilgerichte im streitigen Verfahren zu entscheiden haben (SZ 68/220; SZ 61/88; SZ 58/156; SZ 36/115 uva).

Gerade für die Abwehr behaupteter Eigentumseingriffe steht dem Beschwerten gewöhnlich der Rechtsweg offen (1 Ob 143/97d; 1 Ob 2344/96d; SZ 51/41; SZ 50/109; SZ 49/7; SZ 46/82 uva). Gleiches gilt für Schadenersatzansprüche. Belanglos ist dabei immer, ob der Klageanspruch auch berechtigt ist, weil hierüber erst mit der Sachentscheidung abzusprechen ist (1 Ob 143/97d; 1 Ob 2344/96d; SZ 51/41; SZ 50/109 uva). Die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs ist also schon dann zu bejahen, wenn der Klageanspruch - abgesehen von hier nicht bedeutsamen Ausnahmen (siehe etwa SZ 68/220) - auf einen Privatrechtstitel gestützt wird. Deshalb ist es auch unerheblich, was der Beklagte einwendet; das gilt auch dann, wenn er dem erhobenen Anspruch mit einer Einwendung, der ein öffentlich-rechtlicher Titel zugrundeliegt, entgegentritt (1 Ob 143/97d; 1 Ob 2344/96d; SZ 47/40 uva). Derselbe Sachverhalt kann nach diesem Gesichtspunkt selbst Gegenstand eines gerichtlichen und eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens sein (1 Ob 2344/96d; SZ 50/109 ua), was gerade auch in wasserrechtlichen Angelegenheiten möglich ist (SZ 50/109 ua). Insofern müßte daher eine Ausnahme von der Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung über bürgerliche Rechtssachen (§ 1 JN) in dem hiefür erforderlichen "besonderen Gesetz" klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden (1 Ob 2344/96d; SZ 66/12; SZ 59/107 ua).

2. Der Kläger stützt sein Begehren eindeutig auf eine Verletzung seines Eigentumsrechts und auf Schadenersatz. Derartige Ansprüche werden der Entscheidungskompetenz der Gerichte auch nicht vom Wasserrechtsgesetz entzogen. Das gilt auch für den hier geltend gemachten Schadenersatzanspruch. Demzufolge wurde die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs im angefochtenen Beschluß nach der unter

1. referierten Rechtslage zutreffend bejaht.

Dagegen führen die beklagten Parteien nichts Stichhältiges ins Treffen. Soweit sie behaupten, der Kläger habe einen privatrechtlichen Anspruch gar nicht geltend gemacht, werden sie durch die Klagebehauptungen widerlegt. Überdies wirft die Auslegung des Parteivorbringens, also die Frage, ob im Hinblick auf die Prozeßbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, gewöhnlich keine erhebliche Rechtsfrage auf (6 Ob 2341/96z uva). Gleiches gilt für die Beurteilung, ob das bisherige Tatsachenvorbringen als Anspruchsgrundlage ausreicht (4 Ob 127/98z; 7 Ob 360/98m). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist (6 Ob 2341/96z ua). Für den Prozeßstandpunkt der beklagten Parteien wäre daher im Revisionsrekursverfahren selbst dann nichts zu gewinnen, wenn das Klagevorbringen tatsächlich mehrdeutig wäre. Ob aber den beklagten Parteien ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Klägers angelastet werden kann, ist - entgegen deren Ansicht - erst für die Sachentscheidung von Bedeutung.

3. Wie sich aus den Darlegungen zu 1. und 2. ergibt, hängt die Entscheidung im Anlaßfall daher nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ab. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 526 Abs 2 ZPO auch nicht an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer solchen Rechtsfrage gebunden. Soweit die beklagten Parteien auch die Kostenentscheidung des Rekursgerichts bekämpfen, ist ihr Rechtsmittel gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO absolut unzulässig.

Der Revisionsrekurs ist somit gemäß § 526 Abs 2 ZPO einerseits mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage, andererseits wegen absoluter Unzulässigkeit zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger wies auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der beklagten Parteien hin. Ihm sind daher die tarifmäßigen Kosten seiner Rechtsmittelbeantwortung als solche einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtswegs zuzuerkennen. Der Kostenberechnung ist allerdings anstelle des verzeichneten dreifachen Einheitssatzes, wofür es an einer Rechtsgrundlage fehlt, nur der einfache Einheitssatz von 60 % zugrundezulegen.

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