OGH 1Ob26/77

OGH1Ob26/775.4.1978

SZ 51/41

Normen

B-VG Art94 Abs1
JN §1 Abs1
Wasserrechtsgesetz §138
B-VG Art94 Abs1
JN §1 Abs1
Wasserrechtsgesetz §138

 

Spruch:

Wird ein Wagebegehren, die Zuleitung von Wasser auf ein Grundstück zu unterlassen, auf das Nachbarrecht gestützt, ist der Rechtsweg selbst dann zulässig, wenn gleichzeitig versucht wird, die Beseitigung der die Zuleitung verursachenden Neuerung durch die Wasserrechtsbehörde zu erreichen

OGH 5. April 1978, 1 Ob 26/77 (KG Wels R 182/77; BG Frankenmarkt C 8/76 )

Text

Die Streitteile sind Grundnachbarn. Ihre Grundstücke liegen in der KG N nebeneinander an einem Hang. Oberhalb der beiden Liegenschaften befindet sich ein Feuerlöschteich, dessen Überwasser zunächst in einem natürlichen Graben zu einem von den Beklagten errichteten Einlaufbauwerk fließt und von dort in einem über den Grund des Beklagten führenden Kanal abgeleitet wird.

Die Klägerin behauptet, daß das bei starken Regenfällen und zur Zeit der Schneeschmelze vom zu schwach dimensionierten Kanal nicht abgeleitete Wasser in einem auf dem Grundstück 2233/3 der Beklagten an der Grundgrenze befindlichen natürlichen Gerinne hangabwärts zur Wegparzelle geflossen sei.

Das Grundstück 2269/2 der Klägerin sei dadurch nicht tangiert worden. Im Jahre 1974 hätten jedoch die Beklagten den offenen Bereich zwischen einem in Höhe der beiden Wohnhäuser beginnenden, hangabwärts entlang der Grundgrenze verlaufenden betonierten Zaunsockel und einer von ihnen neu errichteten Garage zugemauert, so daß das Überwasser nicht mehr über das ursprüngliche natürliche - Gerinne abfließen könne, sondern das Grundstück der Klägerin überschwemme.

Außerdem hätten die Beklagten oberhalb des Garagenzubaues bis zur Grundgrenze eine Aufschüttung vorgenommen und dadurch ebenfalls das Überwasser auf die Parzelle der Klägerin geleitet. Schließlich sei auch der Kanal undicht, so daß ständig Wasser austrete und das Grundstück der Klägerin ausschwemme. Die Maßnahmen der Beklagten bewirkten eine unmittelbare Wasserzuleitung auf das klägerische Grundstück und stellten eine unzulässige Immission dar. Die Klägerin begehrt von den Beklagten, ab sofort jede Zuleitung des Über- und Oberflächenwassers vom Grundstück 2233/3 auf das Grundstück 2269/2, die über das ortsübliche Maß hinausgeht, bei sonstiger Exekution zu unterlassen.

Die Beklagten wendeten unter Hinweis auf ein bei der Verwaltungsbehörde (BH Vöcklabruck) anhängiges Wasserrechtsverfahren Unzulässigkeit des Rechtsweges ein.

Das Erstgericht wies die Klage auf Grund abgesonderter Verhandlung über diese Prozeßeinrede zurück. Es stellte aus dem bezüglichen Wasserrechtsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck fest, daß die Klägerin bei der Wasserrechtsbehörde darüber Beschwerde geführt habe, daß im Zuge des Umbaues des den Beklagten gehörigen Hauses A 41 ein längs der gemeinsamen Grundgrenze verlaufendes Gerinne verbaut worden sei, und war der Ansicht, daß im Hinblick auf dieses vor der Verwaltungsbehörde noch anhängige Verfahren der Rechtsweg unzulässig sei.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens auf, weil das vor der Verwaltungsbehörde anhängige Verfahren kein Hindernis bilde, den auf § 364 Abs. 2 ABGB gestützten Abwehranspruch vor Gericht geltend zu machen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge und bestätigte den Beschluß des Rekursgerichtes mit der Maßgabe, daß in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses die von den Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verworfen wird.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend (EvBl. 1972/157 und 204; EvBl. 1971/295; EvBl. 1967/23; SZ 36/79 u, v. a.; Fasching I, 63). Entscheidend ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist (JBl. 1948, 17). Ohne Einfluß ist es hingegen, was der Beklagte einwendet (SZ 46/82; EvBl. 1972/204 u. a.), ebenso aber auch, ob der behauptete Anspruch begrundet ist; darüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges kommt es hingegen nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (EvBl. 1972/204 u. a.). Soweit nicht das Wasserrechtsgesetz anderes verfügt, sind für seine wasserrechtlichen Bestimmungen die Wasserrechtsbehörden, für seine anderen Bestimmungen die Gerichte bzw. die nach den einschlägigen Bestimmungen berufenen Behörden zuständig (SZ 46/82; vgl. Hartig - Grabmayr, Das österreichische Wasserrecht, 287). Es ist allerdings auch möglich, daß der gleiche Streitfall sowohl Gegenstand eines gerichtlichen als auch eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens sein kann; ein solcher Fall ist beispielsweise dann gegeben, wenn sich ein Gründeigentümer oder Wasserberechtigter durch eine eigenmächtige Neuerung beschwert erachtet; in einem solchen Fall kann sowohl ein auf § 138 Abs. 1 WRG gegrundeter Antrag bei der Wasserrechtsbehörde als auch eine auf das bürgerliche Recht gestützte Klage eingebracht werden (EvBl. 1977/36 u. a.; Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 388). Für die gerichtliche Zuständigkeit kommt es darauf an, ob der Kläger seinen Anspruch auf einen Privatrechtstitel stützt oder nicht. Für die Klage auf Verletzung des Eigentumsrechtes steht der Rechtsweg offen (EvBl. 1977/36; EvBl. 1972/204 u. a.).

Legt man diese grundsätzlichen Erwägungen der Beurteilung des vorliegenden Rechtsfalles zugrunde, dann erweist sich der Einwand der Unzulässigkeit des Rechtsweges durch die Beklagten, wie bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, als nicht stichhältig.

Die Klägerin leitet ihren Unterlassungsanspruch aus der eigenmächtigen Vornahme von Veränderungen am Nachbargrundstück der Beklagten ab, wodurch ihren Behauptungen zufolge ein natürliches Gerinne verändert und eine direkte Zuleitung von Ab- und Überwässern auf ihr Grundstück bewirkt wurde. Sie erblickt darin eine gegen das Verbot des § 364 Abs. 2 ABGB verstoßende Verletzung ihres Eigentumsrechtes. Nach den für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges allein entscheidenden Klagsbehauptungen wird somit ein privatrechtlicher Anspruch geltend gemacht, über den die Gerichte zu entscheiden haben (vgl. Krzizek a.a.O., 181; EvBl. 1977/36 u. a.). Der Versuch der Klägerin, sich daneben auch noch im Verwaltungsweg vor der Wasserrechtsbehörde Abhilfe zu verschaffen, hindert, wie ausgeführt, ihre Rechtsverfolgung vor Gericht nicht und kann daher unerörtert bleiben. Dies verkennen die beklagten Parteien in ihrem Revisionsrekurs. Es ist, wie erwähnt, durchaus möglich, daß aus ein und demselben Sachverhalt privatrechtliche und öffentlichrechtliche, hier wasserrechtliche Ansprüche abgeleitet werden, über die einerseits die Gerichte, anderseits die Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben. Dies wird durch Art. 94 B-VG nicht ausgeschlossen (vgl. Adamovich, Handbuch[6], 230). Der Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung beinhaltet nur einerseits das Verbot, dieselbe Behörde gleichzeitig als Gericht und Verwaltungsbehörde einzurichten (VfSlg. 4455), anderseits über dieselbe Frage durch Gericht und Verwaltungsbehörden, sei es im gemeinsamen Zusammenwirken, sei es im instanzenmäßigen Nacheinander, entscheiden zu lassen (VfSlg. 2683, 2842, 3507, 4359). Hingegen verbietet Art. 94 B-VG nicht, daß denselben Streitfall betreffende Ansprüche je nach ihrer Rechtsgrundlage teils vor Gericht, teils vor der Verwaltungsbehörde geltend gemacht werden. Ob Gericht oder Verwaltungsbehörde zur Entscheidung über einen bestimmten Anspruch zuständig ist, ist nicht eine durch Art. 94 B-VG geregelte Organisations-, sondern eine Kompetenzfrage (Adamovich a. a. O., 230).

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