Normen
ABGB §523
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm §1
ABGB §523
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm §1
Spruch:
Über Bestand und Umfang der auf einem Privatrechtstitel beruhenden Wasserbezugs- und Wasserleitungsdienstbarkeiten haben die ordentlichen Gerichte zu erkennen.
Entscheidung vom 7. Juni 1963, 1 Ob 86/63.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die beiden Kläger haben ihr Begehren auf Unterlassung der Wasserentnahme, auf Einwilligung in die Löschung der Dienstbarkeit der Wasserleitung, auf Entfernung der Wasseranlage, auf Feststellung der Schadenersatzpflicht für die bei der Entfernung entstandenen Schäden und auf Festellung gerichtet, daß die Wasserleitungsservitut erloschen sei. Sie behaupten, ihre Vorbesitzer an nunmehr ihnen gehörigen Grundstücken hätten der Marktkommune K. durch Servitutsvertrag vom 31. Dezember 1870 die Dienstbarkeit der Wasserleitung über die nunmehr ihnen gehörigen Grundstücke als unregelmäßige Dienstbarkeit eingeräumt. Der Zweck dieser alten Wasserleitung, nämlich die Wasserversorgung des Marktes K., sei durch eine im Jahre 1950 neuerrichteten Wasserleitung weggefallen. Die servitutsberechtigte Marktkommune besteht auch nicht mehr, sodaß die Dienstbarkeit erloschen sei. Die sechste beklagte Partei - die Agrargemeinschaft K. - maße sich die Rechtsnachfolge nach der Marktkommune K. an und habe die gegenständliche Wasserleitungsanlage an die erste bis fünfte beklagte Partei verkauft, die sie nunmehr widerrechtlich benütze.
Das Erstgericht wies, der Einrede der beklagten Parteien folgend, die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es stützte seine Entscheidung auf die Bestimmung des § 29 (1) WRG. 1959, wonach das Erlöschen eines Wasserbezugsrechtes von der zuständigen Wasserrechtsbehörde festzustellen ist, weiters auf jene des § 70 (1) dieses Gesetzes, wonach bei im Grundbuch eingetragenen Wasserrechtsdienstbarkeiten der Eigentümer des belasteten Grundstückes die ausdrückliche Aufhebung der Dienstbarkeit bei der Wasserrechtsbehörde und nicht bei Gericht verlangen kann.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verworfen und dem Erstgericht aufgetragen wurde, das Verfahren unter Abstandnahme von dem gebrauchen Zurückweisungsgrund fortzusetzen. Gestützt auf das in der Klage enthaltene Vorbringen, ging das Rekursgericht davon aus, daß die Kläger als Grundstückseigentümer den Standpunkt vertreten, die Beklagten maßen sich eine seinerzeit vertraglich eingeräumte, nunmehr aber erloschene Dienstbarkeit an. Streitigkeiten aus Wasserbenützungsansprüchen, die sich auf einen Privatrechtstitel (Vertrag) stützen, fallen aber, so führt das Rekursgericht aus, ebensowenig in die Kompetenz der Wasserrechtsbehörde wie Streitigkeiten, die von den Gründeigentümern in Abwehr eines angeblich angemaßten, aber ihrer Meinung nach erloschenen Wasserleitungsrechtes als Negatorienklage erhoben werden. Der Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde unterstunden nur nach dem Wasserrechtsgesetz entstandene und zu beurteilende Wasserrechte, die durch Hoheitsakt, Zwangseinräumung oder Vergleich vor der Wasserrechtsbehörde zustande gekommen seien. Die Unzulässigkeit des Rechtsweges ließe sich auch nicht aus § 12 des oö.
Teilungsregulierungslandesgesetzes vom 28. Juni 1909, LGBl. Nr. 36, ableiten, weil sich die in diesem Gesetz erwähnten Teilungen und Regulierungen nur auf gemeinschaftliche Grundstücke und Rechte beziehen, nicht aber auf eine angebliche Wasserleitungsdienstbarkeit zwischen benachbarten Gründeigentümern. Die Einleitung des Regulierungsverfahrens bezüglich der Agrargemeinschaft Marktkommune K. habe mit dem gegenständlichen, auf einen Vertrag gestützten Anspruch der Kläger auf Unterlassung, Einwilligung und Feststellung nichts zu tun, der nach der Klagserzählung nicht zwischen den Mitgenossen der ehemaligen Marktkommune, sondern von zwei dieser Gemeinschaft außenstehenden Personen erhoben werde.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Für die Entscheidung der Frage, ob der Rechtsweg zulässig ist oder nicht, sind ausschließlich die Klagsbehauptungen maßgeblich (SZ. XXIII 81, SZ. XIX 199 u. a.). Nach diesen behaupten die Kläger im gegenständlichen Fall das Erlöschen einer mit Vertrag vom 31. Dezember 1870 eingeräumten Dienstbarkeit des Wasserbezuges. Sie begehren die Einwilligung in die Löschung dieser grundbücherlich einverleibten Dienstbarkeit und knüpfen an dieses Begehren das weitere Begehren auf Unterlassung der weiteren Wassernutzung, auf Entfernung der Wassernutzungsanlagen und auf Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz. Dieses Begehren gehört, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, auf den Rechtsweg.
Die im gegenständlichen Fall zur Erörterung stehende Frage der Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Gericht und Verwaltungsbehörde bei der Entscheidung über Wasserbenützungsansprüche ist in der Judikatur und Lehre eingehend behandelt worden. Es ist einhellige Ansicht, daß über den Bestand und Umfang von auf einem Privatrechtstitel beruhenden Wasserbezugs- und Wasserleitungsdienstbarkeiten die ordentlichen Gerichte zu judizieren haben, denen allein das Entscheidungsrecht darüber zusteht, ob und in welchem Umfang den Streitteilen (hier den Beklagten) das privatrechtliche Wasserbezugsrecht zustehe und ob ein Eingriff ihrerseits deshalb vorliegt, weil das vertraglich vereinbarte Recht bereits erloschen ist (EvBl. 1958 Nr. 307, EvBl. 1954 Nr. 47, SZ. XIX 155, SZ. XIII 216, VwGH. E. v. 21. Mai 1927 Slg. A 14802, v. 9. März 1909 Slg. 6588 A, v. 8. Jänner 1908 Z 147, ebenso Klang[2] II S. 574, Lachout, Nachbarrecht, ÖJZ. 1953 S. 591, Fasching I S. 94, Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz S. 389, Haagen - Vanderhaag, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, S. 168, 183); ebenso einhellig wird die Ansicht vertreten, daß die Kompetenz der Verwaltungsbehörde dann zu bejahen ist, wenn es sich um nach dem Wasserrechtsgesetz entstandene und zu beurteilende Wasserrechte handelt (SZ. XIII 216, SZ. VII. 51, SZ. VI 75, VwGH. E. v. 5. Oktober 1910 Z. 9877). Auf den gegenständlichen Fall bezogen ergibt sich aus dieser Rechtsansicht folgendes: Die Kläger behaupten, daß eine vertraglich eingeräumte Dienstbarkeit der Führung einer Wasserleitung und der Wasserentnahme erloschen ist und daß den Beklagten aus dieser von ihnen noch benützten Dienstbarkeit keine Rechte zustehen, die Klage ist somit als Negatorienklage im Sinne des § 523 ABGB. zu qualifizieren. Die Kläger behaupten nicht, daß die von den Beklagten ausgeübten Rechte auf einer behördlichen Genehmigung, die von der Wasserrechtsbehörde erteilt worden ist, beruhen. Sie streben nicht eine allgemeine Regelung des Wasserabflusses über ihre Grundstücke, die in die Kompetenz der Wasserrechtsbehörde fallen würde, an. Die Beklagten haben die Prozeßbehauptung der Kläger, das bestandene Recht stütze sich auf einen Vertrag, unangefochten gelassen, von ihrer Seite wurde nicht etwa behauptet, die Wasseranlage und -bezugsrechte stützen sich auf eine Entscheidung der Wasserrechtsbehörde. Es handelt sich demnach gegenständlich nicht um die Entscheidung über das Erlöschen oder die Aufhebung jener Wasserbezugsrechte, die im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens nach den Vorschriften des Wasserrechtsgesetzes durch Hoheitsakt bzw. Zwangseinräumung entstanden oder durch Vergleich vor der Wasserrechtsbehörde begrundet worden sind (§§ 27, 29, 70 Wasserrechtsgesetz 1959), sondern nur um die Frage des Erlöschens einer vertraglich eingeräumten Dienstbarkeit und die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen. Aus dem Gesagten erhellt, daß die Zulässigkeit des Rechtsweges vom Rekursgericht mit Recht bejaht worden ist.
Diesen Erwägungen vermögen die Beklagten in ihrem Revisionsrekurs nichts Stichhältiges entgegenzusetzen. Ihr Versuch, für ihren Standpunkt, daß für das gegenständliche Verfahren die Wasserrechtsbehörde zuständig sei, den vom Amt der oö.
Landesregierung am 23. März 1962, Wa 679/2-1962, erlassenen Bescheid heranzuziehen, schlägt fehl; wie bereits der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 1. März 1963, K I-1/62, ausgesprochen hat, hat die oö. Landesregierung auf das seitens der Kläger gestellte Begehren auf Löschung eines im Wasserbuch der zuständigen Bezirkshauptmannschaft eingetragenen Wasserbenützungsrechtes zum Betriebe einer Wasserversorgungsanlage eine Sachentscheidung im abweislichen Sinn deshalb gefällt, weil die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde die Einräumung von Zwangsrechten im Sinne des WRG. voraussetzt, solche aber im gegenständlichen Fall nicht vorliegen, die Rechte vorliegend vielmehr durch Abschluß von Verträgen erworben worden sind. Es wurde demnach auch von dieser Behörde ausgesprochen, daß zu einem Einschreiten der Wasserrechtsbehörde zufolge der Stützung der Ansprüche auf einen Vertragstitel die Legitimation fehlt.
Ohne Erfolg bleiben muß auch der Versuch der Beklagten, die Bestimmungen des oö. Teilungsregulierungslandesgesetzes für ihren Standpunkt, daß die Zulässigkeit des Rechtsweges zu versagen sei, heranzuziehen. Das Rekursgericht hat bereits darauf hingewiesen, daß es sich im gegenständlichen Fall um einen Rechtsstreit über den Bestand einer Wasserrechtsservitut, die auf vertraglicher Basis zustande gekommen ist, handelt, und nicht um die Erörterung von Fragen einer Teilung und Regulierung von gemeinschaftlichen Grundstücken und Rechten, sodaß die Tatsache der Einleitung eines Regulierungsverfahrens bezüglich der Agrargemeinschaft Marktkommune K. mit dem gegenständlichen Anspruch auf Unterlassung, Einwilligung und Feststellung, der nicht zwischen Mitgenossen der ehemaligen Marktkommune, sondern von zwei dieser Gemeinschaft außenstehenden Personen erhoben worden ist, nichts zu tun hat. Wenn also, worauf im Revisionsrekurs hingewiesen wird, die oö. Landesregierung die Agrarbezirksbehörde beauftragt hat, das Verfahren zur Regulierung der Benützungs- und Verwaltungsrechte der Agrargemeinschaft Marktkommune K. einzuleiten, so wird sich dieses Verfahren auf die Behandlung der Agenden beschränken, welche in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde fallen, die Durchführung des gegenständlichen Zivilrechtsstreites wird durch dieses Verfahren, in dem über die Berechtigung der zivilrechtlichen Ansprüche der klagenden Parteien zu entscheiden sein wird, nicht betroffen.
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