OGH 1Ob23/77

OGH1Ob23/7731.8.1977

SZ 50/109

Normen

JN §1
Wasserrechtsgesetz §138
JN §1
Wasserrechtsgesetz §138

 

Spruch:

Wird die Wiederherstellung einer von der zuständigen Wasserrechtsbehörde genehmigten Anlage aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt, ist hiefür der Rechtsweg zulässig

Kann ein Anspruch sowohl vor den Gerichten als auch vor der Wasserrechtsbehörde geltend gemacht werden, muß bei Undeutlichkeit des Vorbringens des Klägers das Gericht vor seiner Entscheidung über eine Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges den Kläger zur Klarstellung auffordern, auf welchen konkreten Rechtsgrund er die Klage stützt

OGH 31. August 1977, 1 Ob 23/77 (KG Korneuburg 5 R 160/77; BG Mistelbach C 26/77 )

Text

Die Klägerinnen sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 525 KG H mit den Grundstücken 901 und 903 je Acker; auf dem letztgenannten Grundstück errichteten die Klägerinnen ein Einfamilienhaus. Die beiden Grundstücke werden durch das öffentliche Gerinne H-Bach (Grundstück 2033) voneinander getrennt. U. a. über Antrag der Erstklägerin erteilte die Bundeshauptmannschaft Mistelbach mit Bescheid vom 26. März 1973 gemäß §§ 11 bis 13, 38, 98 Abs. 1, 111 WRG nachträglich die unbefristete Bewilligung zur Verrohrung bzw. Verkleidung der Sohle der Böschung des H-Baches im Bereich des Grundstücks 903 nach Maßgabe des dem Verfahren bzw. der mündlichen Verhandlung vom 13. März 1973 vorgelegten Projektes; die Erhaltung der verbauten Strecke oblag den Anrainern nach Maßgabe der anteiligen Uferlänge; allfällige Schäden, die durch Hochwasser an den Verbauungen und an den Grundstücken auftreten, sind auf Kosten der jeweiligen Gründeigentümer zu beheben. Die Klägerinnen behaupten. Mit Zustimmung der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach entlang des ihnen gehörigen Grundstückes 901 das Bachbett mit Steinen ausgelegt und an der westlichen Seite des Bachbettes aus Beton eine Stützmauer in einer Länge von 18 m, einer Fundamenttiefe von 30 cm und einer Höhe von 75 cm errichtet zu haben, um das auf dem Grundstück 903 gelegene Einfamilienhaus vor Wasser zu schützen.

Die Klägerinnen begehren von der beklagten Partei, einem Wasserverband, die Wiedererrichtung der Stützmauer aus Beton auf dem Grundstück 2033 der EZ 525 KG H entlang dem Grundstück 903 der Liegenschaft EZ 525 KG H. Sie hätten am 2. Juli 1976 feststellen müssen, daß die beklagte Partei die Mauer in ihrer gesamten Länge niedergerissen und die einzelnen Mauerbruchstücke auf dem östlichen Teil des Grundstückes 901 abgelagert hätte.

Die beklagte Partei wendete u. a. Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, da es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch handle. Die Räumung des Gerinnes sei nach einem Hochwasser notwendig geworden und im Jahre 1976 durchgeführt worden; im Zuge der Räumung sei die Entfernung der Mauer unbedingt erforderlich gewesen.

Das Erstgericht hob das bisherige Verfahren bis zur Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Ein zivilrechtlicher Anspruch wäre nur dann rechtlich denkbar, wenn die beklagte Partei oder sonst ein Wasserverband in Grundstücksangelegenheiten Eingriffe vornehmen würde, die nicht in das Gebiet des öffentlichen Gewässers hineingehörten. Die Klägerinnen behaupteten in ihrem Vorbringen keineswegs, daß die Entfernung der Mauer auf ihrem und nicht auf öffentlichem Grund geschehen sei. Da ein Eingriff in private Sphären nicht behauptet werde, sei es allein Sache der zuständigen Wasserrechtsbehörde, darüber zu befinden, ob die entfernte Stützmauer im Sinne des genannten Bescheides errichtet werden durfte oder nicht; es sei nicht Angelegenheit des Zivilgerichtes zu prüfen, ob die Wiederherstellung der entfernten Mauer berechtigt oder nicht berechtigt sei.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verwarf. Im § 138 WRG werde bestimmt, daß unabhängig von Bestrafung und Schadenersatz derjenige, welcher Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes übertreten habe, im öffentlichen Interesse oder auf Verlangen des Betroffenen von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten sei, u. a. auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen oder unterlassene Arbeiten nachzuholen. Diese Gesetzesbestimmung klammere Schadenersatzansprüche ausdrücklich aus; es sei daher im Gesetz keine Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde zur Entscheidung über den Ersatz von Schäden, die durch eigenmächtige Neuerungen oder Unterlassungen entstanden seien, begrundet. Die beschädigte Stützmauer sei gar nicht Gegenstand eines wasserrechtsbehördlichen Genehmigungsverfahrens und des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 16. März 1973 gewesen, was allem Anschein nach dafür spreche, daß die Mauer nicht auf öffentlichem Grund, sondern auf dem Privatgrund der Klägerinnen errichtet worden sei. Ob dies tatsächlich zutreffe, könne im übrigen angesichts der dargestellten Lösung der Zuständigkeitsfrage dahingestellt bleiben. Nach dem Urteilsbegehren handle es sich um einen Anspruch auf Leistung eines Schadenersatzes durch Naturalrestitution.

Über Revisionsrekurs der beklagten Partei hob der Oberste Gerichtshof die Beschlüsse der Untergerichte auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges nach Verfahrensergänzung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Entscheidend ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches. Ohne Einfluß ist es hingegen, was der Beklagte einwendet, ebenso aber auch, ob der behauptete Anspruch begrundet ist; darüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges kommt es hingegen nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. Soweit nicht das Wasserrechtsgesetz anders verfügt, sind für seine wasserrechtlichen Bestimmungen die Wasserrechtsbehörden, für seine anderen Bestimmungen die Gerichte bzw. die nach den einschlägigen Bestimmungen berufenen Behörden zuständig (SZ 46/82; vgl. Hartig - Grabmayr, Das österr. Wasserrecht, 287). Es ist allerdings auch möglich, daß der gleiche Rechtsstreit sowohl Gegenstand eines wasserrechtlichen als auch eines gerichtlichen Verfahrens sein kann; ein solcher Fall ist dann gegeben, wenn sich ein Gründeigentümer, der zugleich Wasserberechtigter ist, gegen eine eigenmächtige Neuerung beschwert; in einem solchen Fall kann sowohl ein auf § 138 Abs. 1 WRG gegrundeter Antrag bei der Wasserrechtsbehörde als auch eine auf das bürgerliche Recht gestützte Klage eingebracht werden (EvBl. 1977/36 u. a.; Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 388). Für die gerichtliche Zuständigkeit kommt es darauf an, ob der Kläger seinen Anspruch auf einen Privatrechtstitel stützt oder nicht. Der Rechtsweg ist so zulässig bei Verletzung des Eigentumsrechtes (EvBl. 1977/36; EvBl. 1972/204) oder eines Fischereirechtes (SZ 46/82) oder bei Erhebung eines Schadenersatzanspruches (§ 138 Abs. 1 WRG; VfSlg. 6214/1969).

Im vorliegenden Fall verlangen die Klägerinnen von der beklagten Partei die Wiederherstellung einer von der zuständigen Wasserrechtsbehörde genehmigten Anlage. Es handelt sich um einen Bau am Ufer eines öffentlichen Gewässers und damit um eine im § 38 Abs. 1 WRG erwähnte Anlage, deren Errichtung oder Abänderung der wasserrechtsbehördlichen Bewilligung bedurfte, gleichgültig ob sie sich im Bereich des öffentlichen Gewässers auf öffentlichem Gut oder auf dem Grund der Klägerinnen befand. Wurden eigenmächtig Neuerungen vorgenommen und etwa die Beseitigung der wasserrechtsbehördlich genehmigten Anlage durchgeführt, hätten die Klägerinnen gewiß die Möglichkeit, sich unter Berufung auf § 138 Abs. 1 WRG an die Wasserrechtsbehörde zu wenden. Das schloß aber einen privatrechtlichen Anspruch, der vor dem Gericht zu verfolgen ist, nicht aus. Unzulässigkeit des Rechtsweges ist nur gegeben, wenn kein privatrechtlicher Rechtsgrund geltend gemacht wird. Ausdrücklich erwähnt § 138 Abs. 1 WRG Schadenersatzansprüche. Hiedurch wird aber keine besondere Schadenersatzpflicht begrundet; die Bestimmung des § 138 Abs. 1 WRG setzt vielmehr das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch nach dem Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch voraus (Hartig - Grabmayr a. a. O., 448; Haager - Vanderhaag, Komm. Zum Wasserrechtsgesetz, 456). Es müssen die allgemeinen Voraussetzungen für eine Schadenersatzpflicht erfüllt sein, das Verhalten muß also widerrechtlich und schuldhaft gewesen sein. Dem Vorbringen der Klägerinnen ist nun aber entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes nicht zu entnehmen, daß der beklagten Partei ein solches Verhalten vorgeworfen wird. Es kann aber nicht ohne weiteres gesagt werden, daß die Klägerinnen ihren Anspruch auf ihr Eigentumsrecht stützen, läßt sich doch aus dem begehrten Urteilsspruch eher ableiten, daß die zerstörte Stützmauer auf öffentlichem Gut liegt, soll doch die Stützmauer auf dem Grundstück 2033, nach dem Klagsvorbringen dem öffentlichen Gerinne H-Bach, also auf öffentlichem Gut, wiedererrichtet werden. Andererseits heißt es im Klagebegehren allerdings, daß das Grundstück 2033 zur EZ 525 KG H gehöre, welche Liegenschaft im Eigentum der Klägerinnen steht. Das Vorbringen der Klägerinnen ist so widersprüchlich und läßt jedenfalls den Rechtsgrund, auf den sie ihren Anspruch stützen, nicht deutlich erkennen. Wenn Unzulässigkeit des Rechtsweges eingewendet wurde und der Anspruch an sich sowohl vor den Gerichten als auch vor der Wasserrechtsbehörde geltend gemacht werden kann, ist es aber erforderlich, vor der Entscheidung über die Einrede klarzustellen, auf welchen konkreten Rechtsgrund die Klage gestützt wird. Undeutliches Vorbringen allein rechtfertigt hingegen noch nicht die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, weil auch nicht feststeht, daß der Anspruch nur vor der Wasserrechtsbehörde geltend gemacht werden kann. Bei der Undeutlichkeit des Vorbringens der Klägerinnen in der Klage wäre es vielmehr erforderlich gewesen, sie zur konkreten Darstellung des Rechtsgrundes, auf den sie ihren Anspruch stützen, aufzufordern. Da dies nicht geschehen ist, bedarf es einer Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz.

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