VwGH Ra 2022/15/0099

VwGHRa 2022/15/009920.3.2024

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Baden Mödling in 2500 Baden bei Wien, Josefsplatz 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. September 2022, Zl. RV/7100605/2022, betreffend Umsatzsteuer 2019 (mitbeteiligte Partei: R A in M), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §20
EStG 1988 §20 Abs1 Z1
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita
EURallg
SteuerreformG 2000
UStG 1994 §12 Abs10
UStG 1994 §12 Abs2 Z1
UStG 1994 §12 Abs2 Z1 lita
UStG 1994 §12 Abs2 Z1 litb
UStG 1994 §12 Abs2 Z2
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 lita
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 litb
UStG 1994 §3a Abs1a idF 2003/I/134
UStG 1994 §3a Abs1a idF 2004/I/027
VwRallg
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs6 Unterabsatz2
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art168a
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art168a Abs1
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art176

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022150099.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte machte in der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2019 eine positive Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 in Höhe von 3.644,73 € geltend, die vom Finanzamt bei der Umsatzsteuerveranlagung 2019 nicht anerkannt worden ist.

2 Einer gegen den Umsatzsteuerbescheid 2019 erhobenen Beschwerde gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung insoweit Folge, als es eine positive Vorsteuerkorrektur in Höhe von 1.113,53 € berücksichtigte.

3 Der Mitbeteiligte stellte einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (BFG).

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde teilweise Folge und änderte den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass es eine positive Vorsteuerberichtigung in Höhe von 3.632,92 € in Ansatz brachte. Es stellte fest, dem Mitbeteiligte sei im Juli 2011 von seinem Vater ein aus mehreren Wohnungen bestehendes, nicht parifiziertes Gebäude ins Alleineigentum übertragen worden. Nach der Übertragung habe der Mitbeteiligte eine thermische Sanierung des Gebäudes durchgeführt und den Dachboden ausgebaut, wodurch zwei weitere Wohnungen geschaffen worden seien. Diese Arbeiten seien im Jahr 2011 begonnen worden und im April 2012 abgeschlossen gewesen. Eine der neu geschaffenen Wohnungen, auf die rund 70 % des Dachgeschoßes bzw. rund 18 % der Gesamtnutzfläche des Gebäudes entfielen, sei vom Mitbeteiligten und seiner Familie genutzt worden. Alle weiteren Wohnungen seien spätestens Anfang 2012 zu Wohnzwecken vermietet worden. Der Mitbeteiligte habe den Vorsteuerabzug aus den gesamten im Zusammenhang mit der thermischen Sanierung und dem Dachgeschoßausbau angefallenen Kosten geltend gemacht. Der Vorsteuerabzug habe somit auch jenen Teil der Kosten umfasst, der auf die vom Mitbeteiligten und seiner Familie ab April 2012 genutzte Wohnung entfallen sei.

5 Im Jahr 2016 habe beim Mitbeteiligten eine Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2011 bis 2015 stattgefunden. Die Prüferin habe den im Zusammenhang mit der thermischen Sanierung und dem Dachgeschoßausbau stehenden Vorsteuern insoweit die Anerkennung versagt, als sie auf jene Wohnung entfielen, die vom Mitbeteiligten und dessen Familie ab April 2012 privat genutzt worden sei (70 % der Vorsteuern im Zusammenhang mit dem Dachgeschoßausbau, 18 % der Vorsteuern im Zusammenhang mit der thermischen Sanierung). Ab November 2018 habe der Mitbeteiligte auch die bis dahin privat genutzte Wohnung umsatzsteuerpflichtig an Dritte vermietet.

6 Die auf die privat genutzte Wohnung entfallenden, vom Finanzamt im Gefolge der im Jahr 2016 durchgeführten Betriebsprüfung nicht anerkannten Vorsteuern aus dem Dachgeschoßausbau und der thermischen Gebäudesanierung hätten in Summe 50.387,77 € betragen.

7 Der Mitbeteiligte habe gegenüber dem Finanzamt zu keinem Zeitpunkt eine von der Fiktion des § 12 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 abweichende Erklärung dahingehend abgegeben, dass nur der unternehmerisch genutzte (vermietete) Teil des Gebäudes seinem Unternehmen zuzuordnen sei.

8 Strittig sei, ob im Hinblick auf die Wohnung, die vom Mitbeteiligten zunächst privat genutzt und ab November 2018 umsatzsteuerpflichtig vermietet worden sei, eine positive Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 zu erfolgen habe, oder ob es sich dabei um eine nicht zum nachträglichen Vorsteuerabzug berechtigende Einlage aus der Privatsphäre des Mitbeteiligten in dessen umsatzsteuerliches Unternehmen handle.

9 Nach ständiger Judikatur des EuGH komme dem Unternehmer ein Wahlrecht dahingehend zu, ein Investitionsgut, das sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für private Zwecke verwendet werde, in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zuzuordnen, oder in vollem Umfang im Privatvermögen zu belassen, oder auch nur im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung in das Unternehmen einzubeziehen.

10 § 12 Abs. 2 Z 1 lit. b UStG 1994 sehe in diesem Zusammenhang eine schriftliche Mitteilung des Unternehmers an das Finanzamt vor. Diese sei aber nur erforderlich, wenn ein Unternehmer einen sowohl unternehmerisch als auch privat genutzten Gegenstand (bei Erreichen der Geringfügigkeitsgrenze von 10 %), entgegen der in § 12 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 aufgestellten Fiktion, nicht zu 100 % dem Unternehmen zuordnen möchte, sondern ‑ entsprechend dem Ausmaß der unternehmerischen Nutzung ‑ nur anteilig. Der Mitbeteiligte habe dem Finanzamt zu keinem Zeitpunkt schriftlich mitgeteilt, dass nur der unternehmerisch genutzte (vermietete) Teil des in Rede stehenden Gebäudes seinem Unternehmen zuzuordnen sei. Mangels einer solchen Mitteilung gelte das gesamte Gebäude (einschließlich der privat genutzten Wohneinheit) ex lege als seinem Unternehmen zugeordnet. Aufgrund der Bestimmung des § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994, die der mit 1. Jänner 2011 in Kraft getretenen unionsrechtlichen Bestimmung des Art. 168a MwStSyst-RL entspreche, sei dem Mitbeteiligten der Vorsteuerabzug hinsichtlich der thermischen Sanierung und des Dachgeschoßausbaus aber nur insoweit zugestanden, als die geltend gemachten Vorsteuern nicht auf die vom Mitbeteiligten und dessen Familie privat genutzte Wohnung entfielen und somit nicht mit einem (nicht steuerbaren) Eigenverbrauch gemäß § 3a Abs. 1a letzter Satz UStG 1994 in Zusammenhang stünden.

11 Die ab November 2018 erfolgte Ausdehnung der unternehmerischen Nutzung des dem Unternehmen des Mitbeteiligten zugeordneten Gebäudes in der Form, dass die bis dahin vom Mitbeteiligten und dessen Familie privat genutzte Wohnung nunmehr an Dritte vermietet worden sei, stelle eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 12 Abs. 10 UStG 1994 in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 117/2016 dar, die eine positive Vorsteuerberichtigung nach sich ziehe. Entgegen der im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerdevorentscheidung vertretenen Rechtsansicht liege keine Einlage der Wohnung aus der Privatsphäre des Mitbeteiligten in den Unternehmensbereich vor, weil das gesamte Gebäude (einschließlich der privat genutzten Wohnung) ex lege dem Unternehmen des Mitbeteiligten zugeordnet gewesen sei.

12 Die Aufwendungen für den Dachgeschoßausbau, im Zuge dessen die privat genutzte Wohnung geschaffen worden sei, stellten der Vorsteuerberichtigung zugängliche, nachträgliche Herstellungskosten im Sinne des § 12 Abs. 10 Unterabsatz 2 UStG 1994 dar. Auch die Aufwendungen für die thermische Gebäudesanierung (Großreparatur) seien einer Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 UStG 1994 zugänglich. Die thermische Gebäudesanierung und der Dachgeschoßausbau seien im April 2012 fertig gestellt worden, danach sei die Innutzungnahme erfolgt. Der Berichtigungszeitraum von 19 Jahren habe demnach mit Beginn des Jahres 2013 zu laufen begonnen, die Änderung der Verhältnisse im Hinblick auf die zunächst privat genutzte und ab November 2018 vermietete Wohnung sei im Jahr 2018 eingetreten. Die positive Vorsteuerberichtigung betreffend die in Rede stehende Wohnung betrage daher im Streitjahr 2019 ‑ wie auch vom Finanzamt in einer Vorhaltsbeantwortung vom 27. Juli 2022 rechnerisch dargelegt ‑ 2.519,39 € (1/20 von 50.387,77 €).

13 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision richtet sich laut der Anfechtungserklärung dagegen, dass das BFG eine positive Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 im Ausmaß von 1/20 in Höhe von 2.519,39 € aus dem privat veranlassten Dachgeschoßausbau anerkannt habe.

14 Zu ihrer Zulässigkeit trägt die Revision vor, das angefochtene Erkenntnis stehe in Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des EuGH. Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei kein nachträglicher Vorsteuerabzug bei Einlagen aus der Privatsphäre vorgesehen (Hinweis auf VwGH 18.2.1999, 98/15/0138; 20.4.1999, 99/14/0080; 18.12.2017, Ra 2016/15/0084). Bereits im Erkenntnis vom 18. Februar 1999, 98/15/0138, dem ein dem gegenständlichen Revisionsfall vergleichbarer Sachverhalt zugrunde gelegen sei (ein Gebäude werde nach umfangreichen Sanierungsarbeiten vom Miteigentümer zunächst privat genutzt und erst später vermietet), habe der Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt, dass kein nachträglicher Vorsteuerabzug bei Einlagen aus dem Privatvermögen vorgesehen sei. Auch der EuGH habe wiederholt klargestellt, dass die Anwendung der Vorsteuerberichtigung voraussetze, dass eine Person beim Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen als Steuerpflichtiger handle (Hinweis auf EuGH 11.7.1991, Lennartz, C‑97/90 ; 19.7.2012, X, C‑334/10 ; 25.7.2018, Gmina Ryjewo, C‑140/17 ). Eine positive Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 UStG 1994 sei nicht zulässig. Überdies habe das BFG weder Feststellungen noch eine Beurteilung dahingehend getroffen, ob der Mitbeteiligte bei der Herstellung der privat genutzten Wohnung die Absicht gehabt habe, diese unternehmerisch zu nutzen.

15 Die Revision sei ‑ so das Finanzamt weiter ‑ auch zulässig, weil es keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob die „Einlage“ einer als nicht für das Unternehmen erworbenen Immobilie zu einer positiven Vorsteuerberichtígung führen könne bzw. welche Kriterien maßgeblich seien, um beurteilen zu können, ob eine Immobilie für das Unternehmen erworben bzw. hergestellt worden sei, um nach einer zuerst erfolgten privaten Nutzung bei späterer unternehmerischer Nutzung zu einer Vorsteuerberichtigung zu berechtigen. Insbesondere liege eine ungeklärte Rechtsfrage dahingehend vor, ob ‑ mangels Vornahme einer von § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 abweichenden Zuordnung ‑ allein die gesetzlich geregelte (100 %) Zuordnung zum Unternehmensvermögen ausreiche, um nach einer zuerst privaten Nutzung einer Immobilie bei späterer unternehmerischen Nutzung zu einer positiven Vorsteuerberichtigung zu berechtigen.

16 Der Mitbeteiligte hat im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren auf seine Stellungnahme im Verfahren vor dem BFG verwiesen.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

19 § 12 UStG 1994 in der für den Revisionsfall maßgeblichen Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2016 (AbgÄG 2016), BGBl. I Nr. 117/2016, lautet auszugsweise:

„Vorsteuerabzug

§ 12. (1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1. a) Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

[...]

(2)

1. a) Lieferungen und sonstige Leistungen sowie die Einfuhr von Gegenständen gelten als für das Unternehmen ausgeführt, wenn sie für Zwecke des Unternehmens erfolgen und wenn sie zu mindestens 10% unternehmerischen Zwecken dienen.

b) Der Unternehmer kann Lieferungen oder sonstige Leistungen sowie Einfuhren nur insoweit als für das Unternehmen ausgeführt behandeln, als sie tatsächlich unternehmerischen Zwecken dienen, sofern sie mindestens 10% unternehmerischen Zwecken dienen.

Diese Zuordnung hat der Unternehmer bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraumes dem Finanzamt schriftlich mitzuteilen.

2. Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren,

a) deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 oder der §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 sind,

[...]

(10) Ändern sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer in seinem Unternehmen als Anlagevermögen verwendet oder nutzt, in den auf das Jahr der erstmaligen Verwendung folgenden vier Kalenderjahren die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren (Abs. 3), so ist für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges durchzuführen.

Dies gilt sinngemäß für Vorsteuerbeträge, die auf nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten, aktivierungspflichtige Aufwendungen oder bei Gebäuden auch auf Kosten von Großreparaturen entfallen, wobei der Berichtigungszeitraum vom Beginn des Kalenderjahres an zu laufen beginnt, das dem Jahr folgt, in dem die diesen Kosten und Aufwendungen zugrunde liegenden Leistungen im Zusammenhang mit dem Anlagevermögen erstmals in Verwendung genommen worden sind.

Bei Grundstücken (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) tritt an die Stelle des Zeitraumes von vier Kalenderjahren ein solcher von neunzehn Kalenderjahren.

Bei der Berichtigung, die jeweils für das Jahr der Änderung zu erfolgen hat, ist für jedes Jahr der Änderung von einem Fünftel, bei Grundstücken (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) von einem Zwanzigstel der gesamten auf den Gegenstand, die Aufwendungen oder die Kosten entfallenden Vorsteuer auszugehen; im Falle der Lieferung ist die Berichtigung für den restlichen Berichtigungszeitraum spätestens in der letzten Voranmeldung des Veranlagungszeitraumes vorzunehmen, in dem die Lieferung erfolgte.

[...]

(12) Die Bestimmungen der Abs. 10 und 11 gelten sinngemäß auch für Gegenstände, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören. [...]“

20 Nach dem Wortlaut des bis 31. Dezember 1994 geltenden § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 galten Lieferungen und sonstige Leistungen in Zusammenhang mit Pkw nicht als für das Unternehmen ausgeführt. Bereits nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum UStG 1972 (vgl. VwGH 16.12.1991, 91/15/0045) war dieser Bestimmung die Bedeutung beizulegen, dass ein bloßer Vorsteuerausschluss vorliegt und daher im Falle der Änderung der Verhältnisse eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges iSd § 12 Abs. 10 UStG 1972 vorzunehmen ist (vgl. auch das Vorabentscheidungsersuchen VwGH 22.9.1999, 98/15/0136).

21 Dem § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 entspricht im UStG 1994 die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994, die nach der ‑ insbesondere auch vor dem Hintergrund des Regimes der unionsrechtlichen MwSt‑Richtlinien ergangenen ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls nur eine Vorsteuerausschlussregelung darstellt (vgl. etwa VwGH 15.9.2016, Ra 2016/15/0060; 22.5.2014, 2011/15/0176; 25.11.2010, 2009/15/0121; 22.4.2009, 2006/15/0235; 21.9.2006, 2004/15/0074; 28.2.2002, 99/15/0269; 31.1.2002, 2002/15/0003; 29.1.2002, 99/14/0292; und 29.1.2002, 99/14/0288; sowie den Beschluss VwGH 29.3.2001, 2000/14/0155). Ändern sich in Bezug auf ein Fahrzeug die Verhältnisse, sodass es ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr die Voraussetzungen des Vorsteuerausschlusses erfüllt, kann es ‑ soweit die weiteren Voraussetzungen dafür gegeben sind ‑ zu einer positiven Vorsteuerkorrektur nach § 12 Abs. 10 UStG 1994 kommen (vgl. Kollmann/Schuchter in Melhardt/Tumpel, UStG3, § 12 Tz 306).

22 § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 iVm § 20 Abs. 1 Z 1 und 2 lit. a EStG 1988 normierte in Bezug auf privat genutzte Gebäude oder Gebäudeteile von natürlichen Personen einen Vorsteuerausschluss. Auch bei Personengesellschaften fällt das von einem Gesellschafter privat genutzte Gebäude bzw. ein privat genutzter Gebäudeteil unter die Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 iVm § 20 Abs. 1 Z 1 und 2 lit. a EStG 1988 (vgl. VwGH 10.2.2016, 2013/15/0181; 19.9.2013, 2011/15/0157; 24.6.2010, 2006/15/0170; 25.11.2010, 2006/15/0132; 28.10.2004, 2001/15/0028).

23 Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 28. Juni 2012, 2009/15/0217, und 29. März 2012, 2009/15/0210, aussprach, hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ein Steuerpflichtiger, der ein Investitionsgut sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet, für mehrwertsteuerliche Zwecke die Wahl, diesen Gegenstand in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zuzuordnen oder ihn nur im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung in sein Unternehmen einzubeziehen. Wenn er ein solches gemischt genutztes Investitionsgut als Unternehmensgegenstand behandelt, so ist die beim Erwerb dieses Gegenstands geschuldete Vorsteuer grundsätzlich vollständig und sofort abziehbar, allerdings verbunden mit einer entsprechenden Verpflichtung zur Zahlung der Mehrwertsteuer auf die private Verwendung des Unternehmensgegenstands. Der Grundsatz des Rechts auf Abzug der Mehrwertsteuer wird aber durch die Ausnahmebestimmung des Artikels 17 Abs. 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie (nunmehr Art. 176 MwSt‑RL) eingeschränkt, wonach Mitgliedstaaten die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie bestehenden Regelungen über den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts beibehalten dürfen, worunter für Österreich etwa die Regelung betreffend privat genutzte Gebäude(teile) des Steuerpflichtigen in § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 iVm § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 fällt.

24 Aus den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 2013, 2010/15/0085, 28. Juni 2012, 2009/15/0222, und 28. Juni 2012, 2009/15/0217, ergibt sich, dass der Verwaltungsgerichtshof auch für Zeiträume nach der durch BGBl. I Nr. 134/2003, mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2004 vorgenommenen Einführung des § 3a Abs. 1a UStG 1994 und nach der Ergänzung dieser Regelung durch BGBl. I Nr. 27/2004 (Erweiterung des § 3a Abs. 1a um einen weiteren ‑ letzten ‑ Satz und des § 12 Abs. 3 UStG 1994 um eine Z 4, Inkrafttreten gemäß § 28 Abs. 24 Z 2 UStG 1994 mit Ablauf des April 2004), den (anteiligen) Vorsteuerausschluss für ein Gebäude, bei welchem räumliche Bereiche überwiegend oder gänzlich für private Wohnzwecke des Unternehmers genutzt werden, vorrangig auf die spezielle Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 stützt (ebenso zuletzt VwGH 17.11.2022, Ra 2022/15/0023). Dabei ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass ‑ bis zum Inkrafttreten des Art. 168a MwSt-RL ‑ in einem Gebäude des Betriebsvermögens privat genutzte räumliche Teile von untergeordneter Bedeutung (unter ca. 20 %) nicht von einer Vorsteuerausschlussregelung erfasst waren (vgl. VwGH 10.2.2016, 2013/15/0181; 22.5.2013, 2010/13/0067; und 19.3.2013, 2010/15/0085), wobei aber die private Nutzung solcher untergeordneter Gebäudeteile zu einer Umsatzsteuerpflicht auf den Betrag der Kosten für diese Verwendung führte (vgl. VwGH 14.6.2022, Ra 2020/15/0085; 28.5.2019, Ra 2018/15/0058; und 27.9.2017, Ra 2015/15/0045).

25 Die mit 1. Jänner 2011 umzusetzende Regelung des Art. 168a Abs. 1 MwSt-RL ordnet u.a. an, dass bei Gebäuden, die sowohl unternehmerischen Zwecken als auch für den privaten Bedarf des Unternehmers dienen, der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, soweit das Gebäude privaten Zwecken dient. Mit Inkrafttreten des Art. 168a Abs. 1 MwSt-RL ist die in Rede stehende Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 richtlinienkonform dahingehend zu interpretieren, dass (für Zeiträume ab 1. Jänner 2011) ein privat genutzter räumlicher Teil eines Betriebsgebäudes auch bei bloß untergeordneter Bedeutung (unter ca. 20 %) nicht (mehr) zum Vorsteuerabzug führen kann. Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Umsatzsteuer der Jahre 2009 bis 2014 einer aus zwei Personen gebildeten Vermietungsgemeinschaft zuletzt ausgesprochen (vgl. VwGH 17.11.2022, Ra 2022/15/0023):

„Gebäude, in denen bestimmte räumliche Teile dem privaten Wohnbedarf des Unternehmers dienen, andere hingegen unternehmerischen Zwecken, werden im Ausmaß der privaten Wohnzwecken dienenden Teile von der Vorsteuerausschlussregelung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 für Lieferungen und sonstige Leistungen, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben iSd § 20 EStG 1988 darstellen, erfasst. [...] Auch Art. 168a Abs. 1 MwStSyStRl 2006/112/EG (eingeführt durch RL 2009/162/EU mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2011) gibt nunmehr vor, dass bei Grundstücken, die sowohl für unternehmerische wie auch für private Zwecke verwendet werden, ein Vorsteuerabzug nur zusteht, soweit eine Verwendung für unternehmerische Zwecke gegeben ist.“

26 Aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben wird in § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 seit dem StRefG 2000, BGBl. I 1999/106, normiert, dass gemischt genutzte Gegenstände grundsätzlich ‑ weil in der Mehrzahl der Fälle für den Unternehmer günstiger ‑ zur Gänze dem Unternehmen zugeordnet sind (vgl. ErlRV 1766 BlgNR 20. GP  65), dem Unternehmer aber die Möglichkeit eingeräumt ist, sie auch nur insoweit als für das Unternehmen ausgeführt zu behandeln, als sie unternehmerischen Zwecken dienen. Dabei muss eine solche nur anteilige Zuordnung aber bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraumes dem Finanzamt schriftlich mitgeteilt werden.

27 Im Revisionsfall hat der Mitbeteiligte im Juli 2011 ein aus mehreren Wohnungen bestehendes Gebäude (Zinshaus) erhalten, dessen Wohnungen umsatzsteuerpflichtig vermietet wurden. Unmittelbar danach nahm er eine Sanierung des Gebäudes vor und baute den Dachboden aus, wodurch zwei weitere Wohnungen geschaffen wurden. Für diese Bau- und Sanierungsmaßnahmen machte der Mitbeteiligte den Vorsteuerabzug geltend. Eine der im Zuge des Dachgeschoßausbaues neu geschaffenen Wohnungen, auf die rund 70 % des Dachgeschoßes bzw. rund 18 % der Gesamtnutzfläche des Gebäudes entfielen, wurde vom Mitbeteiligten und seiner Familie genutzt. Aufgrund der Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 konnte das Finanzamt die mit der Sanierung und dem Dachgeschoßausbau zusammenhängenden Vorsteuern insoweit nicht zum Abzug zulassen, als sie auf die vom Mitbeteiligten und dessen Familie privat genutzte Wohnung entfielen.

28 Die in Rede stehende Dachgeschoßwohnung wurde ab November 2018 nicht mehr vom Mitbeteiligten und seiner Familie privat genutzt, sondern umsatzsteuerpflichtig an Dritte vermietet. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde des Mitbeteiligten dahingehend Folge, dass die umsatzsteuerpflichtige Vermietung der zunächst vom Steuerpflichtigen privat genutzten Wohnung zu einer positiven Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 iVm Abs. 12 UStG 1994 („Zwanzigstelberichtigung) führe.

29 Die Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 steht einer Zuordnung des Wirtschaftsgutes zum Unternehmen nicht entgegen. Der Mitbeteiligte hat von der Möglichkeit, gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 lit. b UStG 1994 bloß einen räumlichen Teil des Gebäudes dem Unternehmen zuzuordnen, nicht Gebrauch gemacht. Die Zuordnung des Gesamtgebäudes ergibt sich daher bereits aus § 12 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994. Abgesehen davon hat der Mitbeteiligte den Vorsteuerabzug zunächst ‑ wenn auch im Hinblick auf § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 unberechtigt ‑ in Bezug auf das Gesamtgebäude geltend gemacht, was das Finanzamt in der Folge korrigieren musste.

30 Indem der Mitbeteiligte den betreffenden räumlichen Teil des Gebäudes (Dachgeschoßwohnung) ab November 2018 nicht mehr für gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 zum Vorsteuerausschluss führende Zwecke verwendete, sondern steuerpflichtig vermietete, war bereits für das Jahr 2018 eine positive Vorsteuerberichtigung vorzunehmen. Das Streitjahr 2019 ist bereits das zweite Jahr der Vorsteuerberichtigung.

31 Soweit die Revision mit Verweis auf das Erkenntnis vom 18. Februar 1999, 98/15/0138, vorbringt, der Verwaltungsgerichtshof habe in einem mit dem gegenständlichen Revisionsfall vergleichbaren Sachverhalt, bei dem ein Gebäude nach umfangreichen Sanierungsarbeiten vom Miteigentümer zunächst privat genutzt und erst später vermietet worden sei, keinen nachträglichen Vorsteuerabzug aufgrund der Einlage des Gebäudes aus dem Privatvermögen anerkannt, ist ihr entgegen zu halten, dass das zitierte Erkenntnis zum UStG 1972 ergangen ist. Im Anwendungsbereich des UStG 1994 hat der Gesetzgeber ‑ auf der Grundlage unionsrechtlicher Vorgaben ‑ in § 12 Abs. 2 Z 1 angeordnet, dass bloß teilweise für das Unternehmen gewidmete Gegenstände grundsätzlich zur Gänze dem Unternehmen zugeordnet sind. Im gegenständlichen Fall lag ‑ wie oben angeführt ‑ eine Zuordnung des Gesamtgebäudes zum Unternehmen vor. Der Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 steht einer Zuordnung zum Unternehmen ‑ wie bereits ausgeführt ‑ nicht entgegen. Zu Recht hat das BFG daher angenommen, dass ab 2018, sohin auch für das Streitjahr 2019, eine positive Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 iVm Abs. 12 UStG 1994 vorzunehmen war.

32 Die Revision vermag sohin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen. Nicht von der Anfechtungserklärung der Revision umfasst ist die Frage, ob im gegenständlichen Fall gemäß § 28 Abs. 38 Z 2 UStG 1994 die Bestimmung des § 12 Abs. 10 UStG 1994 bereits in der Fassung des 1. StabG 2012 anzuwenden war oder ob die Vorsteuerberichtigung noch auf der Grundlage von Zehnteln zu berechnen gewesen wäre.

33 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. März 2024

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