VwGH Ra 2018/15/0058

VwGHRa 2018/15/005828.5.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des S F in S, vertreten durch die Marsoner + Partner GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 6020 Innsbruck, Andreas Hofer Straße 43, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. März 2018, Zl. RV/3100863/2017, betreffend Umsatzsteuer 2004 und 2005, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1994 §10 Abs2 Z4 lita
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilB litb
62000CJ0269 Seeling VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150058.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber führt eine Fremdenpension. In den Jahren 2004 und 2005 nahm er einen Um- und Zubau zum bestehenden Hotelgebäude vor. Von den Baukosten machte er einen Vorsteuerabzug von 100 % geltend. Anlässlich einer Außenprüfung wurde der Vorsteuerabzug nur im Ausmaß der betrieblichen Nutzung (des Um- und Zubaus) zugelassen.

2 Gegen die entsprechend den Prüfungsfeststellungen geänderten Umsatzsteuerbescheide 2004 und 2005 erhob der Revisionswerber Berufung (nunmehr Beschwerde), in der er beantragte, den Vorsteuerabzug zur Gänze zu gewähren. Zur Begründung verwies er auf das Urteil des EuGH vom 8. Mai 2003, C-269/00 , Seeling. 3 Im ersten Rechtsgang gab das Bundesfinanzgericht (BFG) der Beschwerde des Revisionswerbers Folge. Es stellte fest, dass sich durch den Um- und Zubau bezogen auf das Gesamtgebäude (inklusive Altbestand) eine Nutzflächenverteilung von 81,93 % betrieblich zu 18,07 % privat ergebe. Die Nutzung für private Wohnzwecke sei damit weiterhin untergeordnet (unter 20 %). Der im Zuge des Bauvorhabens neu errichtete privat genutzte Gebäudeteil habe auch unter Bedachtnahme auf die Verkehrsauffassung kein eigenständiges Gewicht erlangt. Es handle sich dabei um Wohnräume, die einem Gebäude eingegliedert seien, welches auch sonst Personen als Unterkunft (Gästebetreuung) diene. Da die Nutzung für private Wohnzwecke auch nach dem Zu- und Umbau die Richtschnur von 20 % nicht überschreite, sei das gesamte Gebäude dem Betriebsvermögen zuzurechnen und seien die gesamten Vorsteuern gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 abzugsfähig. Mit der umsatzsteuerlichen Behandlung des privat genutzten Gebäudeteils setzte sich das BFG im ersten Rechtsgang nicht auseinander.

4 Mit Erkenntnis vom 27. September 2017, Ra 2015/15/0045, hob der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung des BFG über Revision des Finanzamtes wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf. Der Verwaltungsgerichtshof hielt der von der (seinerzeit) mitbeteiligten Partei vertretenen Rechtsauffassung, der Vorsteuerabzug stehe im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH im Falle eines hier vorliegenden untergeordnet privat genutzten Gebäudes zur Gänze zu, während die private Verwendung des Gebäudes (seit 1. Mai 2004) auf Grund der nationalen Bestimmung des § 3a Abs. 1a letzter Satz UStG 1994 nicht steuerpflichtig sei, die Rechtsprechung des EuGH entgegen. Dieser hat schon im Urteil vom 19. Jänner 1982, Rs 8/81, Becker, auf den systematischen Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit von Vorsteuern und dem Bewirken steuerpflichtiger Umsätze hingewiesen. Auch in den Urteilen vom 28. November 2013, C-319/12 , MDDP, Rn. 45, und vom 26. Februar 2015, C-144/13 , C-154/13 und C-160/13 , VDP Dental Laboratory NV, Rn. 40, hat der EuGH ausgesprochen, dass Art. 168 MwStSystRL dem Steuerpflichtigen nicht erlaubt, sowohl von der im nationalen Recht vorgesehenen Befreiung Gebrauch zu machen als auch das (im Unionsrecht begründete) Vorsteuerabzugsrecht in Anspruch zu nehmen. Stützt der Steuerpflichtige - wie im damaligen Revisionsfall - sein Recht auf Vorsteuerabzug auf Unionsrecht, weil der Eigenverbrauch nach der durch das BGBl. I Nr. 27/2004 gestalteten nationalen Rechtslage zu Unrecht als nicht steuerpflichtig behandelt und aus diesem Grund der Vorsteuerabzug versagt werde, kann er nicht zugleich gestützt auf nationales Recht die Nichtbesteuerung des Eigenverbrauchs in Anspruch nehmen. Weiters sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass es der mitbeteiligten Partei (dem nunmehrigen Revisionswerber) aber unbenommen bleibe, sich (insgesamt) auf die Anwendung des nationalen Rechts (nichtsteuerpflichtiger Eigenverbrauch mit Vorsteuerausschluss) zu stützen. 5 Im fortgesetzten Verfahren forderte das BFG den Revisionswerber auf, "für die Streitjahre 2004 und 2005 die Bemessungsgrundlagen für den zu erfassenden Verwendungseigenverbrauch hinsichtlich der Nutzung für private Wohnzwecke (18,07 % der Gesamtnutzfläche) mit Anführung des Steuersatzes" bekannt zu geben.

6 Der Revisionswerber übermittelte entsprechende Berechnungen und ergänzte sein Vorbringen. Zur Replik des Finanzamtes nahm der Revisionswerber neuerlich Stellung.

7 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde teilweise Folge, indem es den Vorsteuerabzug für den Um- und Zubau zur Gänze gewährte, zugleich aber die Privatnutzung des Hotelgebäudes der Eigenverbrauchsbesteuerung unterzog. Die Privatnutzung sei als fiktive Dienstleistung - entgegen der vom Revisionswerber im fortgesetzten Verfahren vertretenen Rechtsansicht - nicht dem ermäßigten, sondern dem Normalsteuersatz von 20 % zu unterwerfen (Hinweis auf Schwaiger, Urlaub mit Vorsteuerabzug: die schöne Seite des Puffer-Erkenntnisses, UFSjournal 2009, 412; Krumenacker, Vorsteuerabzug und Besteuerung der Privatnutzung, SWK 6/2013, 364; Bürgler/Six/Stifter in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON2.07 § 3a UStG (Stand 1.1.2016, rdb.at), Rz. 25; Mayr/Ungericht, UStG4 (2014), § 3a Anm. 47; Mayr, Teilweise privat genutzte Ferienwohnungen - Rechtslage 2004 bis 2010 und ab 2011, ÖStZ 2015/291, 217). Aus diesem Grund seien die dem Normalsteuersatz unterliegenden Umsätze für das Jahr 2004 um 982,21 EUR und für das Jahr 2005 um 3.343,82 EUR zu erhöhen.

8 Weiters sprach das BFG aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei, weil die Rechtsfrage der Eigenverbrauchsbesteuerung durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 2017, Ra 2015/15/0045, bereits geklärt sei.

9 Der Revisionswerber erachtet sich durch das angefochtene Erkenntnis in seinem Recht auf den ermäßigten Steuersatz nach § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 verletzt. Die außerordentliche Revision sei zulässig, weil es im Anwendungsbereich des UStG 1994 an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des für die Nutzung von Unternehmensgebäuden zu privaten Wohnzwecken anzuwendenden Steuersatzes fehle.

 

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist aus dem von ihr geltend gemachten Grund

zulässig; sie ist aber nicht begründet.

12 Nach Art. 12 Abs. 3 lit. a der Sechsten Richtlinie 77/388 /EW G können die Mitgliedstaaten abweichend von dem Grundsatz, dass der normale Steuersatz gilt, einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Die ermäßigten Mehrwertsteuersätze nach dieser Bestimmung können nur auf die Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen angewandt werden, die in Anhang H der Richtlinie angeführt sind (vgl. EuGH 18.1.2001, C-83/99 , Kommission/Spanien, Rn. 18, und EuGH 18.3.2010, C-3/09 , Erotic Center, Rn. 15). 13 Darüber hinaus darf Österreich nach der Übergangsbestimmung des Art. 28 Abs. 2 lit. j der RL 77/388/EWG idF der RL 2000/17/EG des Rates vom 30. März 2000, auf die Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke unbefristet einen ermäßigten Steuersatz anwenden (vgl. nunmehr Art. 117 Abs. 2 Mehrwertsteuersystemrichtlinie, 2006/112/EG ).

14 Auf dieser unionsrechtlichen Grundlage bestimmt § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 (in der in den Streitjahren geltenden Fassung), dass sich der Umsatzsteuersatz für die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke, ausgenommen eine als Nebenleistung erbrachte Lieferung von Wärme, auf 10 % ermäßigt.

15 Der Revisionswerber vertritt dazu die Ansicht, dass die gegenständlich vorliegende Nutzung von Gebäuden für private Wohnzwecke des Unternehmers "systematisch konsistent und richtlinienkonform" gleich der Vermietung von Gebäuden für Wohnzwecke mit dem ermäßigten Steuersatz von 10 % zu besteuern sei.

16 Im Urteil vom 8. Mai 2003, C-269/00 , Seeling, hat der EuGH ausgeführt, dass ein Steuerpflichtiger, der sich dafür entscheidet, ein Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuzuordnen, und später einen Teil des Gebäudes für seinen privaten Bedarf verwendet, zum Abzug der auf die gesamten Herstellungskosten dieses Gebäudes entrichteten Vorsteuerbeträge berechtigt und dementsprechend verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer auf den Betrag der Ausgaben für diese Verwendung zu zahlen (Rn. 43). 17 Die "Vermietung von Grundstücken" iSd Art. 13 Teil B lit. b der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie besteht darin, dass der Vermieter eines Grundstücks dem Mieter gegen Zahlung des Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, seine Sache in Besitz zu nehmen und andere von ihr auszuschließen (Rn. 49 des Urteils Seeling mit weiterführenden Hinweisen).

18 Die für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen erfolgende Verwendung einer Wohnung in einem Gebäude, das der Steuerpflichtige insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet hat, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Bei ihr fehlt es nämlich nicht nur an der Zahlung eines Mietzinses, sondern auch an einer wirklichen Vereinbarung über die Dauer des Nutzungsrechts und über das Recht, die Wohnung in Besitz zu nehmen und andere von ihr auszuschließen (Rn. 50 und 51 des Urteils Seeling). 19 Die vom Revisionswerber bekämpfte Ungleichbehandlung der Vermietung von Wohnraum mit der Privatnutzung eines Unternehmensgebäudes widerspricht somit wegen dieser sachlichen Unterschiede der Leistungen nicht dem Unionsrecht. Ein ermäßigter Steuersatz kann in Fällen des Verwendungseigenverbrauchs nicht zur Anwendung gelangen (vgl. ergänzend zu der schon vom BFG angeführten Fachliteratur Ruppe/Achatz, UStG5, § 10 Tz. 76). 20 Die Revision erweist sich daher als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 28. Mai 2019

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