VwGH Ra 2016/15/0060

VwGHRa 2016/15/006015.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie die Hofrätin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision der M GmbH & Co. KG in O, vertreten durch die Marsoner + Partner GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 6020 Innsbruck, Andreas Hofer Straße 43, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 1. Juni 2016, Zl. RV/3101155/2014, betreffend Umsatzsteuer 2012, den Beschluss gefasst:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs6;
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art176;
62008CJ0538 X Holding VORAB;
62009CJ0438 Dankowski VORAB;
BAO §21 Abs1;
UStG 1972 §12 Abs2 Z2 litc;
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 litb;
UStG 1994 §12 Abs2 Z2;
UStG 1994 Anh Art12 Abs1 Z1;
UStG 1994 Anh Art12 Abs4;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 In einem Begleitschreiben zur Umsatzsteuererklärung 2012 teilte die Revisionswerberin mit, sie sei im Mai 2012 gegründet worden. Sie beabsichtige, ein Motorradmuseum zu betreiben. Seit der Gründung der Gesellschaft würden Motorräder angeschafft. Im Juni 2012 seien von einem Fahrzeug- und Kunstmuseum in Deutschland historische Motorräder erworben worden. Die Revisionswerberin habe die Vorsteuer in der Jahreserklärung für 2012 als abzugsfähige Vorsteuer behandelt. Die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 sei nicht anzuwenden, da die Motorräder keine üblichen Krafträder iSd UStG seien; sie dienten ausschließlich der Zurschaustellung im Museum.

2 Mit Bescheid vom 9. Mai 2014 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für das Jahr 2012 fest. Das Finanzamt berücksichtigte die von der Revisionswerberin geltend gemachten Vorsteuern bezüglich der innergemeinschaftlichen Erwerbe der Motorräder nicht und führte hiezu aus, Krafträder, die in einem Museum zur Schau gestellt würden, seien nicht vorsteuerabzugsberechtigt.

3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und wandte insbesondere ein, die Motorräder dienten ausschließlich der Zurschaustellung im Museum. Die Motorräder seien bis zu 80 Jahre alt, eine tatsächliche Nutzung als Kraftfahrzeug sei somit in der Regel bereits altersbedingt ausgeschlossen. Die wirtschaftliche Zweckbestimmung aller erworbenen Fahrzeuge sei einzig die Ausstellung im Motorradmuseum und nicht die Nutzung als Fahrzeug. Die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 sei auf Kraftfahrzeuge und nicht auf Ausstellungsgegenstände für Museen anzuwenden. Kraftfahrzeuge seien nach § 2 Abs. 1 Z 1 KFG "zur Verwendung auf Straßen bestimmte" und "durch technisch freigemachte Energie angetriebene Fahrzeuge". Die im Museum ausgestellten Gegenstände seien nicht mehr zum Straßenverkehr zugelassen und auch nicht mehr zur Beförderung von Personen oder Sachen auf Straßen bestimmt.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

5 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Frage nach dem Vorliegen eines Fahrzeuges iSd § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 sei losgelöst von einer zolltarifarischen oder kraftfahrrechtlichen Einstufung, die lediglich Indizwirkung hätten, nach dem optischen Eindruck und der darauf beruhenden Verkehrsauffassung zu entscheiden. Abzustellen sei nicht auf den Verwendungszweck des Kraftfahrzeuges im Einzelfall, sondern auf den Zweck, dem das Kraftfahrzeug nach seiner typischen Beschaffenheit und Bauart von vornherein und allgemein zu dienen bestimmt sei. Bei den Fahrzeugen handle es sich unbestreitbar um solche, die nach der Verkehrsauffassung als Motorräder angesehen würden (Fahrzeuge mit zwei Rädern, einem Motor, Sitzplatz für ein oder zwei Personen). Die Fahrzeuge seien ursprünglich zur Beförderung von Personen vorgesehen gewesen und seien auch zu diesem Zweck hergestellt worden. Der Einwand, es handle sich um keine Krafträder im Sinne des UStG, erweise sich als unzutreffend. Es handle sich um Motorräder, die in einem Museum ausgestellt und somit einer Verwendung zugeführt würden, die nicht unter die Ausnahme zum Vorsteuerausschluss fiele.

6 Zum Vorliegen von Fahrzeugen im Sinne des den Vorsteuerabzug ausschließenden § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 bestehe einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung (Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes u.a. vom 16. Dezember 1980, 1681, 2817, 2818/80; vom 24. Jänner 2007, 2003/13/0072; vom 21. September 2006, 2004/15/0072), von der das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. 8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, nach § 2 Abs. 1 Z 1 KFG seien Kraftfahrzeuge "zur Verwendung auf Straßen bestimmte" und "durch technisch frei gemachte Energie angetriebene Fahrzeuge". Im vorliegenden Fall seien alte Motorräder, die ausschließlich als Ausstellungsstücke in einem Museum verwendet würden, von einem Museum an ein anderes Museum geliefert worden. Eine Verwendung auf Straßen sei mangels Zulassung nach dem KFG nicht zulässig und technisch ausgeschlossen. Der Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 sei eine der Mehrwertsteuersystemrichtlinie widersprechende Ausnahmebestimmung für Österreich. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien Ausnahmebestimmungen eng auszulegen. Die Ausnahmebestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 sei daher unionsrechtlich zwingend auf u.a. Krafträder anzuwenden, die zur Verwendung auf Straßen bestimmt seien. Eine extensive Ausdehnung des Begriffes auf Gegenstände, die nicht mehr zur Verwendung auf Straßen bestimmt seien, widerspreche der Rechtsprechung des EuGH. Österreich sei unionsrechtlich verpflichtet, den systemwidrigen Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 nicht über seinen Wortlaut hinaus auf Ausstellungsgegenstände in Museen zu erweitern.

12 Die Revision ist nicht zulässig.

13 Gemäß Artikel 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer - neben den in § 12 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG genannten Vorsteuerbeträgen - unter anderem die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen abziehen. Dies gilt nicht für die sich auf Grund des Abs. 4 ergebende Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb. Nach Art. 12 Abs. 4 UStG 1994 gilt § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 nicht für den innergemeinschaftlichen Erwerb.

14 Nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80% dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen, nicht als für das Unternehmen ausgeführt.

15 Artikel 12 Abs. 4 UStG 1994 lässt die Fiktion des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 beim innergemeinschaftlichen Erwerb (jedenfalls; vgl. zur allfälligen Überflüssigkeit der Regelung Ruppe/Achatz, UStG4, Art 12 Tz 12) nicht greifen, sodass hinsichtlich dieser Gegenstände ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegt. Artikel 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 schließt allerdings - wie § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 - den Abzug der Vorsteuer daraus aus.

16 Nach ständiger - auf die Verkehrsauffassung abstellender - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Umsatzsteuerrecht ist für die Abgrenzung der Fahrzeugarten die wirtschaftliche Zweckbestimmung und nicht der Verwendungszweck im Einzelfall entscheidend. Maßgeblich ist der Zweck, dem das Fahrzeug nach seiner typischen Beschaffenheit und Bauart von vornherein und allgemein zu dienen bestimmt ist. Entscheidend ist u.a. das typische Erscheinungsbild eines Fahrzeuges an Hand seiner charakteristischen, das Fahrzeug von einem anderen Fahrzeug unterscheidenden Eigenschaften. Die kraftfahrrechtliche Einordnung der Fahrzeuge ist im Hinblick auf die dem Steuerrecht eigentümliche wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht bindend (vgl. zuletzt VwGH vom 16. Dezember 2015, 2012/15/0216, mwN).

17 Demnach sind etwa Rennwagen, die nach ihrer wirtschaftlichen Zweckbestimmung nur für den Einsatz bei Rennsportveranstaltungen auf speziell für den Motorsport konzipierten Rennstrecken gebaut wurden und für die eine andere Verwendungsmöglichkeit nicht besteht, keine Personenkraftwagen im Sinne des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 (vgl. VwGH vom 28. Oktober 2009, 2007/15/0222, VwSlg. 8481/F).

18 Hingegen unterliegen etwa Motorräder, die von einem Zeitschriftenverlag lediglich zu Testzwecken angeschafft wurden und die nicht zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen wurden, dem Vorsteuerausschluss (vgl. VwGH vom 21. September 2006, 2004/15/0072, VwSlg. 8161/F). Auch der Umstand, dass Fahrzeuge, bei denen es sich teilweise auch um "Oldtimer" handelte, lediglich als Filmrequisiten verwendet und nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr eingesetzt wurden, steht dem Vorsteuerausschluss nicht entgegen (vgl. VwGH vom 24. Jänner 2007, 2003/13/0072, VwSlg. 8198/F).

19 Dass die von der Revisionswerberin angekauften Fahrzeuge auf Grund ihrer Beschaffenheit und Bauart von vornherein und allgemein nicht zur Personenbeförderung bestimmt gewesen seien, wurde im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Dass sie - nach dem Revisionsvorbringen - nicht mehr zur Beförderung von Personen oder Sachen auf Straßen bestimmt sind, bewirkt aber nicht, dass es sich bei diesen Gegenständen nicht mehr um Krafträder handeln würde. Auch dass diese Gegenstände nunmehr in einem Museum ausgestellt werden, ändert nichts an deren charakteristischen Eigenschaften, die zu einer Beurteilung als Kraftrad führen.

20 Das Recht auf Vorsteuerabzug ist als integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ein grundlegendes Prinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (vgl. etwa EuGH vom 15. April 2010, C-538/08 und C-33/09 , X-Holding BV und Oracle Nederland BV, Rn 37). Dieser Grundsatz des Rechts auf Vorsteuerabzug wird insbesondere durch die Ausnahmebestimmung des Artikels 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (vgl. nunmehr Artikel 176 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem) eingeschränkt. Diese Ausnahmebestimmung ist - wie die Revision an sich zutreffend aufzeigt - nach der Rechtsprechung des EuGH "eng" auszulegen. Nach dieser Rechtsprechung setzt die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie eingeräumte Möglichkeit voraus, dass die Natur oder die Art der Gegenstände und Dienstleistungen, für die der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, hinreichend konkretisiert ist, um sicherzustellen, dass diese Möglichkeit nicht dazu dient, allgemeine Ausschlüsse von dieser Regelung vorzusehen (vgl. neuerlich EuGH, X-Holding BV und Oracle Nederland BV, Rn 44; vgl. auch EuGH vom 22. Dezember 2010, C-438/09 , Dankowski, Rn 46).

Die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 wurde unverändert aus der bis zum Beitritt Österreichs zur EU (am 1. Jänner 1995) geltenden Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 übernommen (vgl. etwa VwGH vom 22. April 2009, 2006/15/0235, VwSlg. 8429/F). Es handelte sich hiebei um die Beibehaltung eines Ausschlusses iSd Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie.

21 Die hier vorliegende Regelung sieht keinen allgemeinen Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug vor, sondern führt die Gegenstände konkret an. Die im vorliegenden Fall zu beurteilenden Gegenstände sind - auch bei nicht-extensiver Auslegung - als Krafträder iSd § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 anzusehen.

22 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. September 2016

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