BVwG W284 1411044-2

BVwGW284 1411044-211.8.2021

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
FPG §55 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W284.1411044.2.00

 

Spruch:

W284 1411044-2/16E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.03.2020, Zl. 13-790983203-180743245, betreffend Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass das Einreiseverbot auf die Dauer von 7 (sieben) Jahren zu reduzieren war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.09.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am 20.11.2009 wurde der Beschwerdeführer vor dem damaligen Bundesasylamt (kurz: BAA) niederschriftlich einvernommen.

2. Mit Bescheid des BAA vom 16.12.2009, Zl. 09 09.983-BAI, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.12.2010 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründet wurde die Zuerkennung des subsidiären Schutzes mit der allgemeinen, instabilen Sicherheitslage im Irak und der damit verbundenen Gefahr im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers einer Verletzung seiner in Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte zu unterliegen.

3. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 07.09.2017, Zl. U 82/2017s, wurde der Beschwerdeführer wegen § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 1 Monat, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

4. Die ausschließlich gegen die Versagung des Asylstatus (Spruchpunkt I. des Bescheides des BAA vom 16.12.2009) erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.11.2018, Zl. L519 1411044-1/52-E, als unbegründet abgewiesen.

5. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 06.12.2018, Zl. Hv 63/2018i, wurde der Beschwerdeführer wegen §15 StGB iVm §§ 114 Abs.1, Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 4 2. Fall FPG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die Probezeit zum Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 07.09.2017, Zl. U 82/2017s, wurde auf 5 Jahre verlängert.

6. Zuletzt wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA bzw. belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) vom 05.12.2016, Zl. 13-790983203 (09 09.382), die befristete Aufenthaltsberechtigung – nach Antrag auf Verlängerung durch den Beschwerdeführer – bis zum 06.12.2018 erteilt.

7. Mit Schreiben des BFA vom 24.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Parteiengehör betreffend Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, beabsichtigte Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot gewährt und mitgeteilt, dass aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ein Aberkennungsverfahren einzuleiten sei. Gleichzeitig wurden die Länderfeststellungen zum Irak zur Einsichtnahme und Stellungnahme übermittelt.

Mit Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 12.03.2020, erstattete er Angaben zum Familienleben in Österreich, bestätigte seine strafgerichtlichen Verurteilungen und gab weiters an, dass er keine Familienangehörigen im Irak habe.

8. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 02.03.2020, Zl. 035 BE 8/2020x, wurde der Beschwerdeführer am 19.05.2020 bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, aus der Haft entlassen.

9. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der Behörde vom 18.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid vom 16.12.2009, Zl. 09 09.983-BAI, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Dem Beschwerdeführer wurde eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt VI.). Schließlich wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Das BFA führte aus, dass sich die Sicherheitslage seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich gebessert habe und im Hinblick auf die persönliche Situation davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Erbil, Mosul oder Kirkuk in der Lage sein werde, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten würde. Ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG sei nicht zu erteilen und ergebe sich nach Abwägung der Interessen, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Die Erlassung des Einreiseverbotes wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer mehrmals gerichtlich verurteilt wurde und zuletzt das Delikt der Schlepperei begangen habe.

10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht vollumfänglich Beschwerde.

11. Mit Eingabe vom 31.05.2021 wurden Integrationsunterlagen betreffend den Beschwerdeführer und medizinische Befunde den Zustand seines Sohnes betreffend eingebracht.

12. Am 11.06.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, wobei der Beschwerdeführer zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und insbesondere zu seinem Privat- und Familienleben im Bundesgebiet eingehend befragt wurde. Zwecks umfassender Beleuchtung des Privat- und Familienlebens wurde auch die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers als Zeugin geladen und befragt. Der minderjährige Sohn des Beschwerdeführers war bei der mündlichen Verhandlung zugegen, jedoch konnte von seiner Einvernahme Abstand genommen werden.

13. Mit Stellungnahme der Rechtsvertretung vom 24.06.2021 wurde insbesondere auf die prekäre Sicherheits- und allgemeinen Lage im Irak, die sich aufgrund der Corona-Pandemie nochmals verschlimmert habe, verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der 1983 geborene und demnach 37-jährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, Araber und schiitischer Moslem; er gehört der Minderheit der „Schabak“ an. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist in Mosul geboren und aufgewachsen, wo er die Schule besuchte und mit seinen Eltern und Geschwistern lebte. Er war nach einer Ausbildung zum Automechaniker Sicherheitsangestellter im irakischen Parlament, und zwar für den Minister für Minderheiten. Er lebte von 2004 bis 2007 in Bagdad. Der Beschwerdeführer spricht Arabisch.

Der Beschwerdeführer stellte am 17.08.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BAA vom 16.12.2009 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wurde. Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 31.12.2010 erteilt. Begründet wurde die Zuerkennung des subsidiären Schutzes mit der allgemeinen, instabilen Sicherheitslage im Irak und der damit verbundenen Gefahr im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers einer Verletzung seiner in Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte zu unterliegen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.11.2018 wurde die gegen die Versagung des Asylstatus gerichtete Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Zuletzt wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des BFA vom 05.12.2016 erneut eine bis zum 06.12.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Die Lage im Irak hat sich seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachhaltig und wesentlich gebessert.

Der Beschwerdeführer ist gesund und gehört keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung an.

Er ist ein arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit Schulbildung sowie mit im Herkunftsstaat erworbener Berufserfahrung.

Der Beschwerdeführer verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte im Irak.

Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 2013 mit XXXX , geb. XXXX , liiert; eine Verehelichung hat nicht stattgefunden. Gemeinsam haben sie einen Sohn, den am XXXX geborenen und demnach 6-jährigen XXXX ; die Lebensgefährtin und der Sohn des Beschwerdeführers genießen den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Österreich.

Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers arbeitet als Zimmermädchen und engagiert sich freiwillig beim Roten Kreuz. Sie ist gesund.

Der gemeinsame Sohn leidet an frühkindlichem Autismus. Sein Allgemeinzustand ist gut, er wird als „wach, freundlich, zugewandt“ befunden, seine Motorik ist unauffällig und er zeigt adäquaten Blickkontakt. Er schreibt einzelne Worte, spricht in ganzen Sätzen und kann lesen. Er hat unter den gesetzten Fördermaßnahmen guten Entwicklungsfortschritte gemacht und besucht den Kindergarten, mit Durchführung einer funktionellen Therapie. Empfohlen wird der weitere regelmäßige Besuch des Kindergartens mit Beibehaltung der funktionellen Therapie. Wiedervorstellungen sind lediglich jährlich angesetzt. Er bekommt wöchentliche Unterstützung, besucht den Verein „AUREA“ und seine Eltern unternehmen mit ihm regelmäßig diverse Freizeitaktivitäten wie Schwimmen und Wandern. Der Bub besucht aktuell einen Integrationskindergarten und kommt ab Herbst 2021 in die Integrationsklasse einer regulären Schule. Die Pflege und Obsorge ist jedenfalls durch die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und Mutter des Kindes gesichert.

Der Beschwerdeführer ist nicht unbescholten:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 07.09.2017, Zl. U 82/2017s, wurde der Beschwerdeführer wegen § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 1 Monat, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 06.12.2018, Zl. Hv 63/2018i, wurde der Beschwerdeführer wegen §15 StGB iVm §§ 114 Abs.1, Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 4 2. Fall FPG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Dem Urteil liegt zu Grunde, dass der Beschwerdeführer (gemeinsam mit acht weiteren Angeklagten) in einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitraum im August / September 2017 in wechselseitiger Beteiligung Schlepperfahrten von Ungarn, Italien oder Slowenien über Österreich, teils bis nach Deutschland durchführte und sich durch die wiederkehrende Begehung von solchen Schleppungen eine fortlaufende Einnahme über zumindest mehrere Wochen verschaffte. Der Beschwerdeführer schloss sich (gemeinsam mit sieben weiteren Angeklagten) weiters zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im August / September 2017 einer auf zumindest mehrere Monate hin angelegten und aus einer Vielzahl von Personen bestehenden Vereinigung an, welche darauf ausgerichtet war, Flüchtlinge gegen Entgelt rechtswidrig von der Türkei über mehrere Balkanstaaten nach Ungarn, Österreich und weiter nach Deutschland zu transportieren. Die Organisation und Koordination der rechtswidrigen Ein- und Durchreise über mehrere Staatsgrenzen hinweg erfolgte durch größere, multinational operierende und organisierte Tätergruppen. Diese Zusammenschlüsse von mehr als zwei Personen waren darauf angelegt, dass von ihren Mitgliedern fortlaufend Schleppungen von Fremden in die Europäische Union ausgeführt werden. Im Zeitraum zwischen August 2017 und Dezember 2017 kam es zu zahlreichen im Urteil angeführten Schleppungen (Akt II, AS 827-847), die der Beschwerdeführer (und sieben weitere Angeklagte) teils alleine, teils in wechselseitiger Beteiligung und teils mit anderen abgesondert verfolgten Mittätern stattfanden. Dabei handelte der Beschwerdeführer wissend, dass es sich bei den Flüchtlingen um Fremde handelte, deren Einreise und Durchreise rechtswidrig ist. Durch die Förderung dieser Ein- und Durchreisen wusste und wollte der Beschwerdeführer sich selbst und auch Dritte, durch das dafür geleistete Entgelt, unrechtmäßig bereichern. Weiters wollte und wusste er, dass er die rechtswidrige Ein- und Durchreise von zumindest drei Fremden förderte. Letztlich wusste und wollte er die rechtswidrige Ein- und Durchreise von Fremden im Rahmen eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen, welcher auf die Förderung ebensolcher illegaler Ein- und Durchreisen in die Europäische Union ausgerichtet war, fördern, wobei er willentlich wusste, dass das Fördern der rechtswidrigen Ein- und Durchreise von Fremden eine strafbare Handlung ist. Weiters kam es ihm darauf an, sich durch die wiederkehrende Durchführung von Schleppungen, über eine längere Zeit von zumindest einigen Wochen hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen, welches nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich einen Betrag von EUR 400,- überstieg, zu verschaffen. Dadurch hat der Beschwerdeführer die Verbrechen der Schlepperei nach den §§ 15 StGB, 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1, Z2, Abs. 4 erster Fall FPG (gewerbsmäßige Schlepperei bzw. in Bezug auf mindestens drei Fremden im Rahmen einer kriminellen Vereinigung) in objektiver und subjektiver Weise verwirklicht.

Als erschwerend wurde das Zusammentreffen von Verbrechen, die doppelte Deliktsqualifikation des § 114 Abs. 3 FPG, die Tatwiederholung im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit, die hohe Anzahl der Geschleppten und die teilweise Tatbegehung während offener Probezeit gewertet; als mildernd das teilweise reumütige Geständnis und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb.

Das Gericht erachtete unter Abwägung der Strafzumessungsgründe, und zwar im Hinblick auf die Persönlichkeit des Beschwerdeführers sowie unter Bedachtnahme auf die Auswirkungen der Straftaten und anderer zu erwartenden Folgen der Taten auf das künftige Leben des Beschwerdeführers in der Gesellschaft, die verhängte Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren als schuldangemessen und dem Unrechtsgehalt der Taten entsprechend und generalpräventiven Erwägungen gerecht. In Anbetracht der hohen Anzahl der Schlepperfahrten und der hohen Anzahl der Geschleppten und der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich schon einmal der Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht nicht würdig gezeigt hat, war eine unbedingte Freiheitsstrafe zu verhängen. Dies, um ihm sowie anderen auch das Unrecht der Tat nachhaltig vor Augen zu führen und damit Gelegenheit zu geben, die persönliche Lebenssituation zu überdenken und in Hinkunft den richtigen Weg einzuhalten. Es sei nämlich nicht anzunehmen gewesen, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Freiheitsstrafe oder eines Teiles der Strafen allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügt hätten, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Überdies könne eine gänzlich oder bedingte oder teilweise bedingte Nachsicht die Hemmschwelle für die Begehung solcher Taten senken, sodass es auch aus generalpräventiven Erwägungen erforderlich gewesen sei, die Strafe unbedingt auszusprechen. Eine außerordentliche Strafmilderung sei nicht in Betracht gekommen, da die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwogen haben und keine begründete Ansicht bestanden habe, dass der Beschwerdeführer auch bei Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen würde.

Der Beschwerdeführer befand sich seit 17.01.2018 in Untersuchungshaft. Seither ist sein tatsächlich gelebtes Familienleben infolge seiner Inhaftierung stark ausgedünnt gewesen. Die Lebensgefährtin kümmerte sich eigenständig um das gemeinsame Kind und war hierbei vorwiegend auf sich allein gestellt. Dennoch meisterte sie die Situation und ließ dem gemeinsamen Sohn auch die entsprechenden Förderungs-, bzw. Unterstützungsmaßnahmen angedeihen, welche die gewünschten Verbesserungen mit sich brachten. Im Herbst wird der Sohn des Beschwerdeführers in einer Integrationsklasse an einer Regelschule eingeschult.

Der Beschwerdeführer wurde am 19.05.2020 nach Zweidrittel der ausgesprochenen Haftstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten vorzeitig aus der Haft entlassen und lebt seither (d.h. seit einem Jahr und drei Monaten) im gemeinsamen Haushalt mit seinen Familienangehörigen. Ein tatsächlich gemeinsam gelebtes Familienleben besteht demnach gerade einmal wieder seit etwas weniger als einem Jahr und drei Monaten.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit September 2009 im Bundesgebiet und ist in der Lage sich auf Deutsch zu verständigen. Er war ab dem Jahr 2011 vereinzelt als Arbeiter beschäftigt und bezog immer wieder staatliche Leistungen. Nach Haftentlassung war er von 22.06.2020 bis 30.06.2020 zunächst geringfügig beschäftigt. Von 01.07.2020 bis 16.04.2021 arbeitete er als Mechaniker und ist seit 25.05.2021 (aktuell) im Kleintransportgewerbe als Paketfahrer beschäftigt.

Zur Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

KI vom 30.10.2019, Sicherheitsupdate 3. Quartal 2019 und jüngste Ereignisse (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (The Portal 9.10.2019).

Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 7.8.2019). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019). Der IS setzt nach wie vor auf Gewaltakte gegen Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter sowie beispielsweise auf Brandstiftung, um Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften zu entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung zu untergraben und soziale Spannungen zu verschärfen (ACLED 7.8.2019).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wiederaufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 7.8.2019). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungseinheiten (PMF/PMU/Hashd al Shabi) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

Am 7.7.2019 begann die „Operation Will of Victory“, an der irakische Streitkräfte (ISF), Popular Mobilization Forces (PMF), Tribal Mobilization Forces (TMF) und Kampfflugzeuge der US-geführten Koalition teilnahmen (ACLED 7.8.2019; vgl. Military Times 7.7.2019). Die mehrphasige Operation hat die Beseitigung von IS-Zellen zum Ziel (Diyaruna 7.10.2019; vgl. The Portal 9.10.2019). Die am 7. Juli begonnene erste Phase umfasste Anbar, Salah ad-Din und Ninewa (Military Times 7.7.2019). Phase zwei begann am 20. Juli und betraf die nördlichen Gebiete von Bagdad sowie die benachbarten Gebiete der Gouvernements Diyala, Salah ad-Din und Anbar (Rudaw 20.7.2019). Phase drei begann am 5. August und konzentrierte sich auf Gebiete in Diyala und Ninewa (Rudaw 11.8.2019). Phase vier begann am 24. August und betraf die Wüstenregionen von Anbar (Rudaw 24.8.2019). Phase fünf begann am 21.9.2019 und konzentrierte sich auf abgelegene Wüstenregionen zwischen den Gouvernements Kerbala, Najaf und Anbar, bis hin zur Grenze zu Saudi-Arabien (PressTV 21.9.2019). Eine sechste Phase wurde am 6. Oktober ausgerufen und umfasste Gebiete zwischen dem südwestlichen Salah ad-Din bis zum nördlichen Anbar und Ninewa (Diyaruna 7.10.2019).

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats Juli 2019 82 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 83 Tote und 119 Verletzten verzeichnet. 18 Tote gingen auf Leichenfunde von Opfern des IS im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im Juli auf 65 reduziert werden kann. Es war der zweite Monat in Folge, in dem die Vorfallzahlen wieder zurückgingen. Dieser Rückgang wird einerseits auf eine großangelegte Militäraktion der Regierung in vier Gouvernements zurückgeführt [Anm.: „Operation Will of Victory“; Anbar, Salah ad Din, Ninewa und Diyala, siehe oben], wobei die Vorfallzahlen auch in Gouvernements zurückgingen, die nicht von der Offensive betroffen waren. Der Rückgang an sicherheitsrelevanten Vorfällen wird auch mit einem neuerlichen verstärkten Fokus des IS auf Syrien erklärt (Joel Wing 5.8.2019).

Im August 2019 verzeichnete Joel Wing 104 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 103 Toten und 141 Verletzten. Zehn Tote gingen auf Leichenfunde von Jesiden im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der Todesfälle im August auf 93 angepasst werden kann. Bei einem der Vorfälle handelte es sich um einen Angriff einer pro-iranischen PMF auf eine Sicherheitseinheit von British Petroleum (BP) im Rumaila Ölfeld bei Basra (Joel Wing 9.9.2019).

Im September 2019 wurden von Joel Wing für den Gesamtirak 123 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 122 Toten und 131 Verletzten registriert (Joel Wing 16.10.2019).

Seit 1. Oktober kam es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019). Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019; Standard 4.10.2019), aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak (ISW 22.10.2019). Im Zuge dieser Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019). Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen (ISW 22.10.2019). Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an (Rudaw 13.10.2019). Zeitweilig, vom 2. bis zum 5. Oktober, wurde eine Ausgangssperre ausgerufen (Al Jazeera 5.10.2019; vgl. ISW 22.10.2019; Rudaw 13.10.2019) und eine Internetblockade vom 4. bis 7. Oktober implementiert (Net Blocks 3.10.2019; FAZ 3.10.2019; vgl. Rudaw 13.10.2019).

Nach einer kurzen Ruhephase gingen die gewaltsamen Proteste am 25. Oktober weiter und forderten bis zum 30. Oktober weitere 74 Menschenleben und 3.500 Verletzte (BBC News 30.10.2019). Insbesondere betroffen waren bzw. sind die Städte Bagdad, Nasiriyah, Hillah, Basra und Kerbala (BBC News 30.10.2019; vgl. Guardian 27.10.2019; Guardian 29.10.2019). Am 28. Oktober wurde eine neue Ausgangssperre über Bagdad verhängt, der sich jedoch tausende Demonstranten widersetzen (BBC 30.10.2019; vgl. Guardian 29.10.2019). Über 250 Personen wurden seit Ausbruch der Proteste am 1. Oktober bis zum 29. Oktober getötet (Guardian 29.10.2019) und mehr als 8.000 Personen verletzt (France24 28.10.2019).

BAGDAD

Der IS versucht weiterhin seine Aktivitäten in Bagdad zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Fast alle Aktivitäten des IS im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019). Im Juli gelang es dem IS zwei Selbstmordattentate im Gouvernement auszuführen, weswegen Bagdad die Opferstatistik des Irak in diesem Monat anführte (Joel Wing 5.8.2019). Sowohl am 7. als auch am 16. September wurden jeweils fünf Vorfälle mit „Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen“ (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Während der Proteste im Südirak im Oktober 2019, von denen auch Bagdad betroffen war, stoppte der IS seine Angriffe im Gouvernement (Joel Wing 16.10.2019).

Im Juli 2019 wurden vom Irak-Experten Joel Wing im Gouvernement Bagdad 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 15 Toten und 27 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 14 Vorfälle erfasst, mit neun Toten und elf Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 16.10.2019).

Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).

Islamischer Staat (IS)

Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).

Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018). Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018).

Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).

Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).

Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen

Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 6.2.2018).

So wurden beispielsweise im September 2018 vom Irak-Experten Joel Wing 210 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 195 Todesopfern im Irak verzeichnet. Dem standen im September des Jahres 2017 noch 306 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 728 Todesopfern gegenüber. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im September 2018 waren Bagdad mit 65 Vorfällen, Diyala mit 36, Kirkuk mit 31, Salah al-Din mit 21, Ninewa mit 18 und Anbar mit 17 Vorfällen (Joel Wing 6.10.2018).

Laut Angaben von UNAMI, der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak, wurden im September 2018 im Irak insgesamt 75 irakische Zivilisten durch Terroranschläge, Gewalt und bewaffnete Konflikte getötet und weitere 179 verletzt (UNAMI 1.10.2018). Insgesamt verzeichnete UNAMI im Jahr 2017 3.298 getötete und 4.781 verwundete Zivilisten. Nicht mit einbezogen in diesen Zahlen waren zivile Opfer aus der Provinz Anbar im November und Dezember 2017, für die keine Angaben verfügbar sind. Laut UNAMI handelt es sich bei den Zahlen um absolute Mindestangaben, da die Unterstützungsmission bei der Überprüfung von Opferzahlen in bestimmten Gebieten eingeschränkt ist (UNAMI 2.1.2018). Im Jahr 2016 betrug die Zahl getöteter Zivilisten laut UNAMI noch 6.878 bzw. die verwundeter Zivilisten 12.388. Auch diese Zahlen beinhalten keine zivilen Opfer aus Anbar für die Monate Mai, Juli, August und Dezember (UNAMI 3.1.2017)

Sicherheitslage Bagdad

Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom „Baghdad Operations Command“ kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Im Jahr 2016 verzeichnete die Provinz Bagdad noch immer die höchste Zahl an Opfern im gesamten Land. Die Sicherheitslage verbesserte sich jedoch in Bagdad als die Schlacht um Mosul begann. Während Joel Wing im Januar 2016 in Bagdad noch durchschnittlich 11,6 Angriffe pro Tag verzeichnete, sank diese Zahl zwischen April und September 2017 auf durchschnittlich 3 Angriffe pro Tag (OFPRA 10.11.2017; vgl. Joel Wing 8.7.2017, Joel Wing 4.10.2017). Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS-Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen (OFPRA 10.11.2017).

Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. UNAMI berichtete, dass es von Januar bis Oktober 2017 in Bagdad fast täglich zu Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern kam. Laut UNAMI zielten einige Angriffe auf Regierungsgebäude oder Checkpoints ab, die von Sicherheitskräften besetzt waren, während viele andere Angriffe auf Zivilisten gerichtet waren. Der IS führte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durch, einschließlich Autobomben- und Selbstmordattentate (USDOS 20.4.2018).

Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018).

Insgesamt kam es im September 2018 in der Provinz Bagdad zu 65 sicherheitsrelevanten Vorfällen. Damit verzeichnete Bagdad die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im ganzen Land (Joel Wing 6.10.2018). Auch in der ersten und dritten Oktoberwoche 2018 führte Bagdad das Land in Bezug auf die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle an. Wenn man jedoch die Größe der Stadt bedenkt, sind Angriffe immer noch selten (Joel Wing 9.10.2018 und Joel Wing 30.10.2018).

In Bezug auf die Opferzahlen war Bagdad von Januar bis März 2018, im Mai 2018, sowie von Juli bis September 2018 die am schwersten betroffene Provinz im Land (UNAMI 1.2.2018; UNAMI 2.3.2018; UNAMI 4.4.2018; UNAMI 31.5.2018; UNAMI 1.8.2018; UNAMI 3.9.2018; UNAMI 1.10.2018). Im September 2018 verzeichnete UNAMI beispielsweise 101 zivile Opfer in Bagdad (31 Tote, 70 Verletzte) (UNAMI 1.10.2018).

Gouvernement Ninewa

Der Islamische Staat (IS) hat seine Präsenz in Ninewa durch Kräfte aus Syrien verstärkt und führte seine Operationen hauptsächlich im Süden und Westen des Gouvernements aus (Joel Wing 3.5.2019). Er verfügt aber auch in Mossul über Zellen (Joel Wing 5.6.2019). Es wird außerdem vermutet, dass der IS vorhat in den Badush Bergen, westlich von Mossul, Stützpunkte einzurichten (ISW 19.4.2019).

Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Ninewa 40 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 33 Toten und 25 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020), im Februar 2020 waren es zwölf Vorfälle mit 35 Toten und 15 Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Die meisten der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Ninewa ereigneten sich im Süden des Gouvernements (Joel Wing 3.2.2020).

Ebenso wurde ein Rückgang von assyrischen Christen in vormals gemischt-konfessionellen Regionen im Gouvernement Ninewa verzeichnet, sowie von vormals ethnisch-konfessionell gemischten Orten in den Distrikten Mossul, Sinjar und Telfar, in denen die Zahl der kurdischen Sunniten, Jesiden und Schabak zurückging. Im Gouvernement Diyala sind turkmenisch-sunnitische Mischgebiete verschwunden, während sich die turkmenische Präsenz in der Region um Kirkuk verstärkt zu haben scheint (IOM 2019).

Sicherheitskräfte und Milizen

Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle ausgeübt (USDOS 20.4.2018).

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören (USDOS 20.4.2018).

Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen. Sie sind noch nicht befähigt, landesweit den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen sind hierfür die Hauptursachen. Ohnehin gibt es kein Polizeigesetz, die individuellen Befugnisse einzelner Polizisten sind sehr weitgehend. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt (AA 12.2.2018).

Straffreiheit ist ein Problem. Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen im ganzen Land in Einrichtungen des Innen- und Verteidigungsministeriums. Nach Angaben internationaler Menschenrechtsorganisationen findet Missbrauch vor allem während der Verhöre inhaftierter Personen im Rahmen der Untersuchungshaft statt. Probleme innerhalb der Provinzpolizei des Landes, einschließlich Korruption, bleiben weiterhin bestehen. Armee und Bundespolizei rekrutieren und entsenden bundesweit Soldaten und Polizisten. Dies führt zu Beschwerden lokaler Gemeinden bezüglich Diskriminierung aufgrund ethno-konfessioneller Unterschiede durch Mitglieder von Armee und Polizei. Die Sicherheitskräfte unternehmen nur begrenzte Anstrengungen, um gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren (USDOS 20.4.2018).

Volksmobilisierungseinheiten (PMF)

Der Name „Volksmobilisierungseinheiten“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere „Minderheiten-Einheiten“ der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 20.4.2018). Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.2.2018).

Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.2.2018). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten das Assad-Regime in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. In der Praxis gehorchen aber mehrere Einheiten auch dem Iran und der iranischen Revolutionsgarde. Ende 2017 war keine einheitliche Führung und Kontrolle der PMF durch Premierminister und ISF feststellbar, insbesondere nicht der mit dem Iran verbundenen Einheiten. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben „iranisch“ ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes (USDOS 20.4.2018).

Die Schwäche der ISF hat es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa‘ib Ahl al-Haqq und den Kata’ib Hisbollah, erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Die PMF waren und sind ein integraler Bestandteil der Anti-IS-Operationen, wurden jedoch zuletzt in Kämpfen um sensible sunnitische Ortschaften nicht an vorderster Front eingesetzt. Es gab eine Vielzahl an Vorwürfen von Plünderungen und Gewalttaten durch die PMF. Diese Meldungen haben sich mit dem Konflikt um die umstrittenen Gebiete zum Teil verschärft (AA 12.2.2018).

Die Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des „Obersten Rates für die Islamische Revolution im Irak“ gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war [Anm. der „Oberste Rat für die Islamische Revolution im Irak“ wurde später zum „Obersten Islamischen Rat im Irak“ (OIRI), siehe Abschnitt „Politische Lage“]. Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft der PMF. Sie ist besonders mächtig, weil sie Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und ist Miliz und politische Partei in einem (Süß 21.8.2017).

Die Kata’ib Hizbullah (Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades) wurden 2007 von Abu Mahdi al-Muhandis gegründet und werden auch von diesem angeführt. Die Miliz kann als Eliteeinheit begriffen werden, die häufig die gefährlichsten Operationen übernimmt und vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv ist. Ihre Personalstärke ist umstritten, teilweise ist die Rede von bis zu 30.000 Mann. Die Ausrüstung und militärische Ausbildung ihrer Mitglieder sind besser als die der anderen Milizen innerhalb der PMF. Kata’ib Hizbullah arbeiten intensiv mit Badr und der libanesischen Hizbullah zusammen und gelten als Instrument der iranischen Politik im Irak. Die Miliz wird von den USA seit 2009 als Terrororganisation geführt (Süß 21.8.2017).

Die Asa‘ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz‘ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz‘ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Asa‘ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata’ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz‘ali ist einer der bekanntesten Anführer der PMF (Süß 21.8.2017).

Die Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) wurden im Juni 2014 nach der Fatwa von Großayatollah Ali al-Sistani, in der alle junge Männer dazu aufgerufen wurden, sich im Kampf gegen den IS den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten im Irak anzuschließen, von Muqtada as-Sadr gegründet. Die Gruppierung kann de facto als eine Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee bezeichnet werden. Diese ist zwar 2008 offiziell aufgelöst worden, viele ihrer Kader und Netzwerke blieben jedoch aktiv und konnten 2014 leicht wieder mobilisiert werden. Quellen sprechen von einer Gruppengröße von 50.000, teilweise sogar 100.000 Mann, ihre Schlagkraft ist jedoch mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass Sadr politische Distanz zu Teheran wahren will, was in einer nicht ganz so großzügigen Unterstützung Irans resultiert. Das Haupteinsatzgebiet der Miliz liegt im südlichen Zentrum des Irak, wo sie vorgibt, die schiitischen heiligen Stätten zu schützen. Ebenso waren Saraya as-Salam aber auch mehrfach an Kämpfen nördlich von Bagdad beteiligt (Süß 21.8.2017).

Auch die Kata’ib al-Imam Ali (Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) ist eine der Milizen, die im Juni 2014 neu gebildet wurden. Sie sticht hervor, weil sie sich rasant zu einer schlagkräftigen Gruppe entwickelte, die an den meisten wichtigen Auseinandersetzungen im Kampf gegen den IS beteiligt war. Dies lässt auf eine beträchtliche Kämpferzahl schließen. Die Funktion des Generalsekretärs hat Shibl al-Zaidi inne, ein früherer Angehöriger der Sadr-Bewegung. Zaidi steht in engem Kontakt zu Muhandis und den Pasdaran, weshalb die Miliz intensive Beziehungen zur Badr-Organisation, den Kata’ib Hizbullah und den iranischen Revolutionsgarden unterhält. Die Miliz betreibt außerdem wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit, wodurch ihr Bekanntheitsgrad schnell gestiegen ist. Vor allem der Feldkommandeur Abu Azrael erlangte durch Videos mit äußerst brutalen Inhalten zweifelhafte Berühmtheit. Die Gruppe scheint Gefangene routinemäßig zu foltern und hinzurichten (Süß 21.8.2017).

Rechtsstellung und Aktivitäten der PMF

Obwohl das Milizenbündnis der PMF unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).

Die militärischen Erfolge der PMF gegen den IS steigerten ihre Popularität vor allem bei der schiitischen Bevölkerung, gleichzeitig wurden allerdings auch Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Hinrichtungen, Entführungen und Zerstörung von Häusern veröffentlicht (Süß 21.8.2017). In Gebieten, die vom IS zurückerobert wurden, klagen Einheimische, dass sich die PMF gesetzwidrig und unverhohlen parteiisch verhalten. In Mosul beispielsweise behaupteten mehrere Einwohner, dass die PMF weit davon entfernt seien, Schutz zu bieten, und durch Erpressung oder Plünderungen illegale Gewinne erzielten. PMF-Kämpfer haben im gesamten Nordirak Kontrollpunkte errichtet, um Zölle von Händlern einzuheben. Auch in Bagdad wird von solchen Praktiken berichtet. Darüber hinaus haben die PMF auch die Armee in einigen Gebieten verstimmt. Zusammenstöße zwischen den PMF und den regulären Sicherheitskräften sind häufig. Auch sind Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen der PMF weitverbreitet. Die Rivalität unter den verschiedenen Milizen ist groß (ICG 30.7.2018).

Neben der Finanzierung durch den irakischen, sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf – mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Ein Naheverhältnis zu dieser war den Milizen quasi von Beginn an in die Wiege gelegt. Vor allem bei Stammesmilizen waren Schmuggel und Mafiatum weit verbreitet. Die 2003/4 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem dermaßen hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen – oft noch in Kombination mit offiziellen Positionen im irakischen Sicherheitsapparat. Die Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem großangelegten Ölschmuggel, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel. Entführungen sind/waren ein wichtiges Geschäft aller Gruppen, dessen hauptsächliche Opfer zahlungsfähige Iraker sind/waren (Posch 8.2017).

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter und unmenschliche Behandlung sind laut der irakischen Verfassung ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die UN-Anti-Folter-Konvention (CAT) unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren angewandt, etwa bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte. Laut Informationen von UNAMI sollen u. a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den Praktiken gehören. Das im August 2015 abgeschaffte Menschenrechtsministerium hat nach eigenen Angaben 500 Fälle unerlaubter Gewaltanwendung an die Justiz übergeben, allerdings wurden die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen (AA 12.2.2018).

Es gibt Berichte, dass die Polizei mit Gewalt Geständnisse erzwingt und Gerichte diese als Beweismittel akzeptieren. Weiterhin misshandeln und foltern die Sicherheitskräfte der Regierung, einschließlich der mit den PMF verbundenen Milizen, Personen während Verhaftungen, Untersuchungshaft und nach Verurteilungen. Internationale Menschenrechtsorganisationen dokumentierten Fälle von Folter und Misshandlung in Einrichtungen des Innenministeriums und in geringerem Umfang in Haftanstalten des Verteidigungsministeriums sowie in Einrichtungen unter KRG-Kontrolle. Ehemalige Gefangene, Häftlinge und Menschenrechtsgruppen berichteten von einer Vielzahl von Folterungen und Misshandlungen (USDOS 20.4.2018).

Gegen Ende der Kämpfe um Mossul zwischen Mai und Juli 2017 häuften sich Berichte, wonach irakische Einheiten, darunter Spezialkräfte des Innenministeriums, Bundespolizei und irakische Sicherheitskräfte, Männer und Jungen, die vor den Kämpfen flohen, festnahmen, folterten und außergerichtlich hinrichteten (AI 22.2.2018).

In ihrem Kampf gegen den IS haben irakische Streitkräfte Hunderte von IS-Verdächtigen gefoltert, hingerichtet oder gewaltsam verschwinden lassen. Zahlreiche gefangene IS-Verdächtige haben behauptet, die Behörden hätten sie durch Folter zu Geständnissen gezwungen. Während der Militäreinsätze zur Befreiung von Mosul, haben irakische Streitkräfte mutmaßliche IS-Kämpfer, die auf dem Schlachtfeld oder in dessen Umfeld gefangen genommen worden waren, ungestraft gefoltert und hingerichtet, manchmal sogar nachdem sie Fotos und Videos der Misshandlungen auf Social Media Seiten veröffentlicht hatten (HRW 18.1.2018).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Mit Stand August 2018 waren laut irakischer Bundesdirektion für Nichtregierungsorganisationen 3.550 NGOs registriert. In der Autonomen Region Kurdistan betrug die Zahl registrierter NGOs 4.300 Seit 2010 gibt es ein Gesetz zu NGOs, das die Beschränkungen der Auslandsfinanzierung von NGOs erleichtert, die Ablehnung von Registrierungsanträgen einschränkt, strafrechtliche Sanktionen beseitigte, unbegründete Überprüfungen und Inspektionen untersagt, sowie gerichtliche Kontrollen über die Suspendierung von NGOs schuf (ICNL 14.9.2018).

Trotz positiver rechtlicher Rahmenbedingungen hat sich im Zuge der seit 2014 anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen das Arbeitsumfeld für Menschenrechtsorganisationen deutlich verschlechtert. Im gesamten Irak existierten allein im Bereich Menschenrechte zuletzt etwa 350 registrierte NGOs. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen, unterliegen in ihrer Registrierung keinen besonderen Einschränkungen. Die schwierige Sicherheitslage und weiterbestehende regulatorische Hindernisse erschweren dennoch die Arbeit vieler NGOs. Sie unterliegen der Kontrolle durch die Behörde für Angelegenheiten der Zivilgesellschaft. Zahlreiche NGOs berichten von bürokratischen und intransparenten Registrierungsverfahren, willkürlichem Einfrieren von Bankkonten sowie unangekündigten und einschüchternden „Besuchen“ durch Vertreter des Ministeriums. Die Präsenz von ausländischen NGOs im Zentral- und Südirak ist nach wie vor gering. Dies gilt nicht für die Region Kurdistan-Irak, wo viele ausländische NGOs tätig sind, die derzeit aber unter verschärften Kontrollen durch die Zentralregierung in ihrer Arbeit beeinträchtigt sind (AA 12.2.2018).

Nationale und internationale NGOs operieren in den meisten Fällen unter geringer staatlicher Einflussnahme, jedoch gibt es Berichte über staatliche Einmischung, wenn NGOs der Regierung oder bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppen Menschenrechtsverletzungen vorwerfen. Im Südirak berichten einige NGOs von Regierungsbeamten, die ihre Arbeit behindert bzw. sie belästigt haben, insbesondere was die Finanzen betrifft. Die kurdische Autonomieregion verfügt über eine aktive Gemeinschaft von meist kurdischen NGOs, viele mit engen Beziehungen zu den politischen Parteien PUK und KDP (USDOS 20.4.2018).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren, dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen, sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.2.2018).

Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen und Erpressung durch PMF-Elemente; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; stark reduzierte Strafen für so genannte „Ehrenmorde“; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Menschenhandel. Militante Gruppen töteten bisweilen LGBTI-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 20.4.2018).

Im Zuge des internen bewaffneten Konflikts begingen Regierungstruppen, kurdische Streitkräfte, paramilitärische Milizen, die US-geführte Militärallianz und der IS auch 2017 Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwere Menschenrechtsverstöße. Der IS vertrieb Tausende Zivilpersonen, zwang sie in Kampfgebiete und missbrauchte sie massenhaft als menschliche Schutzschilde. Er tötete vorsätzlich Zivilpersonen, die vor den Kämpfen fliehen wollten, und setzte Kindersoldaten ein. Regierungstruppen und kurdische Streitkräfte sowie paramilitärische Milizen waren für außergerichtliche Hinrichtungen von gefangen genommenen Kämpfern und Zivilpersonen, die dem Konflikt entkommen wollten, verantwortlich. Außerdem zerstörten sie Wohnhäuser und anderes Privateigentum. Sowohl irakische und kurdische Streitkräfte als auch Regierungsbehörden hielten Zivilpersonen, denen Verbindungen zum IS nachgesagt wurden, willkürlich fest, folterten sie und ließen sie verschwinden. Prozesse gegen mutmaßliche IS-Mitglieder und andere Personen, denen terroristische Straftaten vorgeworfen wurden, waren unfair und endeten häufig mit Todesurteilen, die auf „Geständnissen“ basierten, welche unter Folter erpresst worden waren. Die Zahl der Hinrichtungen war weiterhin besorgniserregend hoch (AI 22.2.2018).

Es gibt zahlreiche Berichte, dass der IS und andere terroristische Gruppen, sowie einige Regierungskräfte, einschließlich der PMF, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen begangen haben. Es gibt keine öffentlich zugängliche umfassende Darstellung zum Umfang des Problems verschwundener Personen. Obwohl die PMF offiziell unter dem Kommando des Premierministers stehen, operieren einige PMF-Einheiten nur unter begrenzter staatlicher Aufsicht oder Rechenschaftspflicht (USDOS 20.4.2018).

Religionsfreiheit

Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Gemäß Art. 2 Abs. 1 ist der Islam Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung (AA 12.2.2018). Es darf kein Gesetz erlassen werden das den „erwiesenen Bestimmungen des Islams“ widerspricht (USDOS 29.5.2018; vgl. RoI 15.10.2005). In Abs. 2 wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert. Explizit erwähnt werden in diesem Zusammenhang Christen, Jesiden und Mandäer-Sabäer, jedoch nicht Anhänger anderer Religionen (RoI 15.10.2005; vgl. USDOS 29.5.2018).

Art. 3 der Verfassung legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Irak fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes (AA 12.2.2018; vgl. UNHCR 15.1.2018). Art. 43 verpflichtet den Staat zum Schutz der religiösen Stätten. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle, in anderen islamischen Ländern existierende Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht (AA 12.2.2018). Das Zivilgesetz sieht einen einfachen Prozess für die Konversion eines Nicht-Muslims zum Islam vor. Die Konversion eines Muslims zu einer anderen Religion ist jedoch gesetzlich verboten (USDOS 29.5.2018).

Die folgenden religiösen Gruppen werden durch das Personenstandsgesetz anerkannt: Muslime, chaldäische Christen, assyrische Christen, assyrisch-katholische Christen, syrisch-orthodoxe Christen, syrisch-katholische Christen, armenisch-apostolische Christen, armenisch-katholische Christen, römisch-orthodoxe Christen, römisch-katholische Christen, lateinisch-dominikanische Christen, nationale Protestanten, Anglikaner, evangelisch-protestantische Assyrer, Adventisten, koptisch-orthodoxe Christen, Jesiden, Sabäer-Mandäer und Juden. Die staatliche Anerkennung ermöglicht es den Gruppen, Rechtsvertreter zu bestellen und Rechtsgeschäfte wie den Kauf und Verkauf von Immobilien durchzuführen. Alle anerkannten religiösen Gruppen haben ihre eigenen Personenstandsgerichte, die für die Behandlung von Ehe-, Scheidungs- und Erbschaftsfragen zuständig sind. Laut der jesidischen NGO Yazda gibt es jedoch kein Personenstandsgericht für Jesiden (USDOS 29.5.2018).

Das Gesetz verbietet die Ausübung des Bahai-Glaubens und der wahhabitischen Strömung des sunnitischen Islams (USDOS 29.5.2018; vgl. UNHCR 15.1.2018).

Die alten irakischen Personalausweise enthielten Informationen zur Religionszugehörigkeit einer Person, was von Menschenrechtsorganisationen als Sicherheitsrisiko im aktuell herrschenden Klima religiös-konfessioneller Gewalt kritisiert wurde. Mit Einführung des neuen Personalausweises wurde dieser Eintrag zeitweise abgeschafft. Mit Verabschiedung eines Gesetzes zum neuen Personalausweis im November 2015 wurde allerdings auch wieder ein religiöse Minderheiten diskriminierender Passus aufgenommen: Art. 26 besagt, dass Kinder eines zum Islam konvertierenden Elternteils automatisch auch als zum Islam konvertiert geführt werden (AA 12.2.2018). Es wird berichtet, dass das Gesetz faktisch zu Zwangskonvertierungen führt, indem Kinder mit nur einem muslimischen Elternteil (selbst Kinder, die infolge von Vergewaltigung geboren wurden) als Muslime angeführt werden müssen. Christliche Konvertiten berichten auch, dass sie gezwungen sind, ihr Kind als Muslim zu registrieren oder das Kind undokumentiert zu lassen, was die Berechtigung auf staatliche Leistungen beeinträchtigt (USDOS 29.5.2018).

Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im irakischen Parlament vertreten. Grundlage bildet ein Quotensystem bei der Verteilung der Sitze (fünf Sitze für die christliche Minderheit sowie jeweils einen Sitz für Jesiden, Sabäer, Mandäer und Schabak). Das kurdische Regionalparlament sieht jeweils fünf Sitze für Turkmenen, Chaldäer und assyrische Christen sowie einen für Armenier vor (AA 12.2.2018).

Es gibt weiterhin Berichte, dass die irakischen Sicherheitskräfte (ISF), einschließlich der Peshmerga und schiitischer Milizen, sunnitische Gefangene töten. Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren festzuhalten. Internationale Menschenrechtsorganisationen erklären, dass die Regierung es immer noch verabsäumt ethnisch-konfessionelle Verbrechen zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, einschließlich Verbrechen, die von bewaffneten Gruppen in den vom IS befreiten Gebieten ausgeübt wurden. Sunnitische Araber berichten weiterhin, dass manche Regierungsbeamte bei Festnahmen und Inhaftierungen konfessionelles Profiling vornehmen, sowie Religion als bestimmenden Faktor bei der Vergabe von Arbeitsplätzen benützen (USDOS 29.5.2018).

Minderheiten sind auch weiterhin mit Belästigungen, einschließlich sexueller Übergriffe, und Einschränkungen durch lokale Behörden in einigen Regionen konfrontiert. Da Religion, Politik und Ethnizität oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, viele Vorfälle als ausschließlich auf religiöser Identität beruhend zu kategorisieren. Einige Jesiden und christliche Führer berichten von Belästigungen und Misshandlungen durch kurdische Sicherheitskräfte, einschließlich Anforderungen für Sicherheitsgenehmigungen, die von den Asayish auferlegt werden und die die Bewegungsfreiheit von Jesiden zwischen der Provinz Dohuk und dem Sinjar-Gebiet einschränken. Christen berichten von Belästigungen und Misshandlungen an zahlreichen Checkpoints, die von Einheiten der Volksmobilisierungseinheiten (PMF) betriebenen werden. Dadurch wird die Bewegungsfreiheit im Gebiet der Ninewa-Ebene behindert (USDOS 29.5.2018).

Christen und Jesiden geben an, dass die Zentralregierung in Bagdad eine gezielte demografische Veränderung fördert, indem sie Schiiten mit Land und Häusern ausstattet, damit diese in traditionell christliche Gebiete ziehen (USDOS 29.5.2018).

Vertreter religiöser Minderheiten berichten, dass die Zentralregierung im Allgemeinen nicht in religiöse Handlungen eingreift und sogar für die Sicherheit von Gotteshäusern und anderen religiösen Stätten, einschließlich Kirchen, Moscheen, Schreinen, religiösen Pilgerstätten und Pilgerrouten, sorgt (USDOS 29.5.2018).

Minderheiten

In der irakischen Verfassung vom 15.10.2005 ist der Schutz von Minderheiten verankert (AA 12.2.2018). Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten unter weitreichender faktischer Diskriminierung und Existenzgefährdung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen (AA 12.2.2018).

Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Autonomen Region Kurdistan, oft benachteiligt (AA 12.2.2018).

Die wichtigsten ethnisch-religiösen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17 bis 22 Prozent) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak und die vor allem im Norden des Landes lebenden, überwiegend sunnitischen Kurden (15 bis 20 Prozent) (AA 12.2.2018). Genaue demografische Aufschlüsselungen sind jedoch mangels aktueller Bevölkerungsstatistiken sowie aufgrund der politisch heiklen Natur des Themas nicht verfügbar (MRG 5.2018). Zahlenangaben zu einzelnen Gruppen variieren oft massiv (siehe unten).

Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Allerdings ist nach dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins die irakische Gesellschaft teilweise in ihre (konkurrierenden) religiösen und ethnischen Segmente zerfallen – eine Tendenz, die sich durch die IS-Gräuel gegen Schiiten und Angehörige religiöser Minderheiten weiterhin verstärkt hat. Gepaart mit der extremen Korruption im Lande führt diese Spaltung der Gesellschaft dazu, dass im Parlament, in den Ministerien und zu einem großen Teil auch in der nachgeordneten Verwaltung, nicht nach tragfähigen, allgemein akzeptablen und gewaltfrei durchsetzbaren Kompromissen gesucht wird, sondern die zahlreichen ethnisch-konfessionell orientierten Gruppen oder Einzelakteure ausschließlich ihren individuellen Vorteil suchen oder ihre religiös geprägten Vorstellungen durchsetzen. Ein berechenbares Verwaltungshandeln oder gar Rechtssicherheit existieren nicht (AA 12.2.2018).

Die Hauptsiedlungsgebiete der religiösen Minderheiten liegen im Nordirak in den Gebieten, die seit Juni 2014 teilweise unter Kontrolle des IS standen. Hier kam es zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäern, Kakai, Schabak und Christen. Es liegen zahlreiche Berichte über Zwangskonversionen, Versklavung und Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Folter, Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenmord und Massenvertreibungen vor. Auch nach der Befreiung der Gebiete wird die Rückkehr der Bevölkerung durch noch fehlenden Wiederaufbau, eine unzureichende Sicherheitslage, unklare Sicherheitsverantwortlichkeiten sowie durch die Anwesenheit von schiitischen Milizen zum Teil erheblich erschwert (AA 12.2.2018).

In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden (AA 12.2.2018; vgl. KAS 8.2017). Mit der Verabschiedung des Gesetzes zum Schutze der Minderheiten in der Autonomen Region Kurdistan durch das kurdische Regionalparlament im Jahr 2015 wurden die ethnischen und religiösen Minderheiten zumindest rechtlich mit der kurdisch-muslimischen Mehrheitsgesellschaft gleichgestellt. Dennoch ist nicht immer gewährleistet, dass die bestehenden Minderheitsrechte auch tatsächlich umgesetzt werden (KAS 8.2017).

Es gab auch Berichte über die Diskriminierung von Minderheiten (Turkmenen, Arabern, Jesiden, Shabak und Christen) durch Behörden der Kurdischen Autonomieregierung in den sogenannten umstrittenen Gebieten (USDOS 20.4.2018). Darüber hinaus empfinden Angehörige von Minderheiten seit Oktober 2017 erneute Unsicherheit in den sog. umstrittenen Gebieten aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte und v.a. der schiitischen Milizen (AA 12.2.2018).

Im Zusammenhang mit der Rückeroberung von Gebieten aus IS-Hand wurden problematische Versuche einer ethnisch-konfessionellen Neuordnung unternommen, besonders in der ethnisch-konfessionell sehr heterogenen Provinz Diyala (AA 12.2.2018).

Dazu muss hervorgehoben werden, dass ein und dieselbe Gruppe in einer Gegend eine Minderheit sein, in einer anderen jedoch die Mehrheitsbevölkerung stellen kann und umgekehrt (Lattimer EASO 26.4.2017; vgl. Prochazka 11.8.2014).

Durch den Vorstoß des IS und seiner aktiven Kampagne zur Umwälzung der religiösen Demografie des Landes kam es zu drastischen Veränderungen in der konfessionellen und ethnischen Verteilung der Bevölkerung im Irak (FH 2018; vgl. Ferris und Taylor 8.9.2014). Viele Schiiten und religiöse Minderheiten, die vom IS vertrieben wurden, sind bis heute nicht in ihre Häuser zurückgekehrt. Die Rückkehr irakischer Streitkräfte in Gebiete, die seit 2014 von kurdischen Streitkräfte gehalten wurden, führte Ende 2017 zu einer weiteren Runde demografischer Veränderungen, wobei manche kurdischen Bewohner auszogen und Araber zurückkehrten. In Gebieten, die von schiitischen Milizen befreit wurden, gab es wiederum Berichte von der Vertreibung sunnitischer Araber. Dasselbe gilt für Gebiete, die von den kurdischen Peshmerga befreit wurden (FH 2018; vgl. GNI 20.11.2016).

Schabak

Die Schabak sind eine heterodoxe Glaubensgemeinschaft (AA 12.1.2019) und eine ethnischlinguistische Minderheit (MRG 11.2017d), die im 15. Jahrhundert aus dem heutigen Aserbaidschan in den Nordirak einwanderte. Schätzungen zur Bevölkerungszahl der Schabak variieren stark. Gemäß einer Schätzung umfasst die Gemeinschaft der Schabak heute ca. 100.000 (AA 12.1.2019) oder 250.000 (MRG 11.2017d) oder auch zwischen 350.000 und 400.000 Personen (USDOS 21.6.2019). Wieder eine andere Schätzung geht von 200.000 bis 500.000 aus (OHCHR 9.1.2017). Ihr Siedlungsgebiet liegt in Dörfern der Ninewa-Ebene östlich von Mossul, sowie in Mossul selbst (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019; MRG 11.2017d).

Schabak sind im Irak seit 1952 als eigene ethnische Minderheit anerkannt (OHCHR 9.1.2017), obwohl sie weder in der irakischen noch der kurdischen Verfassung als solche erwähnt werden. Die meisten Schabak betrachten sich als eine eigene ethnische Gruppe, weder als Araber noch als Kurden (MRG 11.2017d). Kurdische Behörden sehen sie als Kurden (OHCHR 9.1.2017). Die Schabak verfügen über eine eigene Sprache (AA 12.1.2019). 70-75% der Schabak identifizieren sich als Schiiten, der Rest als Sunniten (MRG 11.2017d; vgl. USDOS 21.6.2019).

Unter dem Islamischen Staat (IS) wurde Schabak-Eigentum in Mossul mit einem „R“ für Rafida“ markiert – ein Begriff mit dem der IS Schiiten und andere, die ihre Auslegung des Islams ablehnen, bezeichnet (OHCHR 9.1.2017). Die Schabak wurden wiederholt Opfer von gezielten Angriffen, bisher aber nur außerhalb der Kurdischen Region im Irak (KRI) (AA 12.1.2019). In den umstrittenen Gebieten sind Schabak Diskriminierung durch die kurdischen Behörden ausgesetzt (USDOS 21.6.2019).

In der Ninewa-Ebene, rund um Qaraqosh, Bartalla, und Karamles, ist die schiitische Schabak-PMF-Miliz, die 30. Brigade, an der Belästigung und Vertreibung von christlichen Minderheiten beteiligt (USDOS 21.6.2019).

 

Bewegungsfreiheit

Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit, Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an (USDOS 20.4.2018). Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich etwas, nachdem die vom IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden (FH 1.2018).

Die Regierung respektiert das Recht auf Bewegungsfreiheit jedoch nicht konsequent. In einigen Fällen beschränken die Behörden die Bewegungsfreiheit von Vertriebenen und verbieten Bewohnern von IDP-Lagern, ohne eine Genehmigung das Lager zu verlassen. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften, die Bewegungsfreiheit im Land einzuschränken, Ausgangssperren zu verhängen, Gebiete abzuriegeln und zu durchsuchen. Es gab zahlreiche Berichte, dass Sicherheitskräfte (ISF, Peshmerga, PMF) Bestimmungen, die Aufenthaltsgenehmigungen vorschreiben, um die Einreise von Personen in befreite Gebiete unter ihrer Kontrolle zu beschränken, selektiv umgesetzt haben (USDOS 20.4.2018).

Die kurdische Autonomieregierung schränkt die Bewegungsfreiheit in den von ihr verwalteten Gebieten ein (USDOS 20.4.2018). Innerirakische Migration aus dem Zentralirak in die Autonome Region Kurdistan ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug jedoch kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss sich bei der Asayish-Behörde des jeweiligen Bezirks anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht (AA 12.2.2018). Die Behörden verlangen von Nicht-Ortsansässigen, Genehmigungen einzuholen, die einen befristeten Aufenthalt in der Autonomieregion erlauben. Diese Genehmigungen waren in der Regel erneuerbar. Bürger, die eine Aufenthaltserlaubnis für die Autonome Region Kurdistan bzw. die von ihr kontrollierten Gebiete einholen wollen, benötigen einen in der Region ansässigen Bürgen. Bürger, die aus dem Zentral- oder Südirak in die Autonome Region Kurdistan einreisen (egal welcher ethno-religiösen Gruppe sie angehörten, auch Kurden) müssen Checkpoints passieren und Personen- und Fahrzeugkontrollen über sich ergehen lassen (USDOS 20.4.2018).

Die Behörden der Autonomen Region Kurdistan wenden Beschränkungen unterschiedlich streng an. Die Wiedereinreise von IDPs und Flüchtlingen wird - je nach ethno-religiösem Hintergrund und Rückkehrgebiet - mehr oder weniger restriktiv gehandhabt. Beamte hindern Personen, die ihrer Meinung nach ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, an der Einreise in die Region. Die Einreise ist für Männer oft schwieriger, insbesondere für arabische Männer, die ohne Familie reisen (USDOS 20.4.2018).

Aufgrund militärischer Operationen gegen den IS erhöhten die irakischen Streitkräfte, PMF und Peshmerga die Zahl der Checkpoints und errichteten in vielen Teilen des Landes provisorische Straßensperren (USDOS 20.4.2018). Diese Checkpoints unterliegen oft undurchschaubaren Regeln verschiedenster Gruppierungen (NYT 2.4.2018). Der IS richtet falsche Checkpoints ein, um Zivilisten zu entführen bzw. Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten zu verüben (albawaba 12.3.2018; vgl. GardaWorld 29.3.2018, Kurdistan24 29.3.2018, Iraqi News 28.6.2018).

In Bagdad selbst sollen seit Dezember 2017 hingegen 305 Checkpoints und Straßensperren entfernt worden sein. Über tausend Straßen sind in Bagdad seit dem offiziellen Sieg über den IS wieder geöffnet worden (AAA 8.8.2018; vgl. AAA 29.1.2018, Iraqi News 29.1.2018).

Die Regierung verlangt von Bürgern, die das Land verlassen, eine Ausreisegenehmigung. Diese Vorschrift wird jedoch nicht routinemäßig durchgesetzt (USDOS 20.4.2018). An den Grenzen zu den Nachbarstaaten haben sich in den letzten Monaten immer wieder Änderungen der Ein- und Ausreisemöglichkeiten, Kontrollen, Anerkennung von Dokumenten etc. ergeben. Nach wie vor muss mit solchen Änderungen – auch kurzfristig – gerechnet werden (AA 12.2.2018).

Die Bewegungsfreiheit von Frauen wird im Allgemeinen durch Recht und Brauchtum nicht respektiert. So hindert das Gesetz Frauen beispielsweise daran, ohne die Zustimmung eines männlichen Vormunds oder gesetzlichen Vertreters einen Reisepass zu beantragen. In den vom IS kontrollierten Gebieten war es Frauen angeblich verboten, ihr Zuhause ohne männlichen Verwandten zu verlassen (USDOS 20.4.2018).

Grundversorgung und Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.2.2018). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsraten, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert demnach im gesamten Land erheblich (K4D 18.5.2018).

Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die genannten Defizite werden durch die grassierende Korruption zusätzlich verstärkt. Nach Angaben des UN-Programms „Habitat“ leben 70 Prozent der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.2.2018).

In vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wiederhergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.2.2018).

Wirtschaftslage

Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des sogenannten Islamischen Staates und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mosul zerstört worden. Dies trifft das Land, nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg, Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits, vorsichtig-positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im Oktober 2018 für das Jahr 2019. Ob der Wiederaufbau zu einem nachhaltigen positiven Aufschwung beiträgt, hängt aus Sicht der Weltbank davon ab, ob das Land die Korruption in den Griff bekommt (GIZ 11.2018).

Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 11.2018). Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor (AA 12.2.2018).

Noch im Jahr 2016 wuchs die irakische Wirtschaft laut Economist Intelligence Unit (EIU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um 11 Prozent. Im Folgejahr schrumpfte sie allerdings um 0,8 Prozent. Auch 2018 wird das Wachstum um die 1 Prozent betragen, während für 2019 wieder ein Aufschwung von 5 Prozent zu erwarten ist (WKO 2.10.2018). Laut Weltbank wird erwartet, dass das gesamte BIP-Wachstum bis 2018 wieder auf positive 2,5 Prozent ansteigt. Die Wachstumsaussichten des Irak dürften sich dank der günstigeren Sicherheitslage und der allmählichen Belebung der Investitionen für den Wiederaufbau verbessern (WB 16.4.2018). Die positive Entwicklung des Ölpreises ist dafür auch ausschlaggebend. Somit scheint sich das Land nach langen Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen wieder in Richtung einer gewissen Normalität zu bewegen. Dieser positiven Entwicklung stehen gleichwohl weiterhin Herausforderungen gegenüber (WKO 2.10.2018).

So haben der Krieg gegen den IS und der langwierige Rückgang der Ölpreise seit 2014 zu einem Rückgang der Nicht-Öl-Wirtschaft um 21,6 Prozent geführt, sowie zu einer starken Verschlechterung der Finanz- und Leistungsbilanz des Landes. Der Krieg und die weit verbreitete Unsicherheit haben auch die Zerstörung von Infrastruktur und Anlageobjekten in den vom IS kontrollierten Gebieten verursacht, Ressourcen von produktiven Investitionen abgezweigt, den privaten Konsum und das Investitionsvertrauen stark beeinträchtigt und Armut, Vulnerabilität und Arbeitslosigkeit erhöht. Dabei stieg die Armutsquote [schon vor dem IS, Anm.] von 18,9 Prozent im Jahr 2012 auf geschätzte 22,5 Prozent im Jahr 2014 (WB 18.4.2018).

Jüngste Arbeitsmarktstatistiken deuten auf eine weitere Verschlechterung der Armutssituation hin. Die Erwerbsquote von Jugendlichen (15-24 Jahre) ist seit Beginn der Krise im Jahr 2014 deutlich gesunken, von 32,5 Prozent auf 27,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nahm vor allem bei Personen aus den ärmsten Haushalten und Jugendlichen und Personen im erwerbsfähigen Alter (25-49 Jahre) zu. Die Arbeitslosenquote ist in den von IS-bezogener Gewalt und Vertreibung am stärksten betroffenen Provinzen etwa doppelt so hoch wie im übrigen Land (21,1 Prozent gegenüber 11,2 Prozent), insbesondere bei Jugendlichen und Ungebildeten (WB 16.4.2018).

Der Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.2.2018). Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden. Gute Berufschancen bietet jedoch derzeit das Militär. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit 350-1.500 USD, je nach Position und Ausbildung (IOM 13.6.2018).

Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, zu unterstützen. Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten (IOM 13.6.2018).

Stromversorgung

Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.2.2018). Sie deckt nur etwa 60 Prozent der Nachfrage ab, wobei etwa 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 22.12.2017). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Autonomen Region Kurdistan erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.2.2018).

Wasserversorgung

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen (AA 12.2.2018). Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.7.2018). Die Wasserknappheit dürfte sich kurz- bis mittelfristig noch verschärfen. Besonders betroffen sind die südlichen Provinzen, insbesondere Basra. Der Klimawandel ist dabei ein Faktor, aber auch große Staudammprojekte in der Türkei und im Iran, die sich auf den Wasserstand von Euphrat und Tigris auswirken und zur Verknappung des Wassers beitragen. Niedrige Wasserstände führen zu einem Anstieg des Salzgehalts, wodurch das bereits begrenzte Wasser für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet wird (UNOCHA 31.8.2018).

Parallel zur Wasserknappheit tragen veraltete Leitungen und eine veraltete Infrastruktur zur Kontaminierung der Wasserversorgung bei (UNOCHA 31.8.2018). Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 12.2.2018). Im August meldete Iraks südliche Provinz Basra 17.000 Fälle von Infektionen aufgrund der Kontaminierung von Wasser. Der Direktor der Gesundheitsbehörde Basra warnte vor einem Choleraausbruch (Iraqi News 28.8.2018).

Nahrungsversorgung

Laut Welternährungsorganisation sind im Irak zwei Millionen Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen (FAO 8.2.2018). 22,6 Prozent der Kinder sind unterernährt (AA 12.2.2018). Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen mindestens 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe (USAID 23.2.2018).

Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge hat der Irak in den letzten vier Jahren jedoch 40 Prozent seiner landwirtschaftlichen Produktion verloren. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurde unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Das Land ist stark von Nahrungsmittelimporten abhängig (AW 11.2.2018; vgl. USAID 1.8.2017).

Das Sozialsystem wird vom sogenannten „Public Distribution System“ (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schweren Ineffizienzen gekennzeichnet ist (K4D 18.5.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 20.4.2018).

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.2.2018). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich. Hinzu kommt, dass durch die Kampfhandlungen nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden muss, sondern auch schwierige Schusswunden und Kriegsverletzungen behandelt werden müssen (AA 12.2.2018).

Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.2.2018).

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m² in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.6.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.2.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UN-Habitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner Identität und insbesondere zu seiner Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Schulbildung und beruflichen Tätigkeit im Irak und seinen Sprachkenntnissen basieren auf den in seinen Verfahren gleichgebliebenen und daher als glaubwürdig erachteten Angaben. Einsicht wurde auch in die Vorverfahren (insbesondere das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.03.2020) genommen und die bereits dort zugrunde gelegten Feststellungen herangezogen. Festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer aus Mosul stammt, einem Erwerb nachging und auch mehrere Jahre in Bagdad lebte.

Im Falle des 37-jährigen Beschwerdeführers, der durchgehend und demnach glaubwürdig angab, gesund zu sein, haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass er mit Blick auf COVID-19 einer Risikogruppe angehören würde.

Dass der Beschwerdeführer sich seit dem Jahr 2009 im Bundesgebiet befindet und den Status des subsidiär Schutzberechtigten genoss und die befristete Aufenthaltsberechtigung zuletzt bis 06.12.2018 verlängert wurde, ergibt sich aus den bereits im Verfahrensgang genannten Bescheiden des BAA und BFA (Akt I, AS 235; Akt II, AS 489).

Aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers ergeben sich auch seine Kenntnisse der deutschen Sprache, zumal er in der mündlichen Verhandlung in der Lage war, die Fragen der erkennenden Richterin zu verstehen und auch auf Deutsch zu antworten.

Mangels Vorlage einer Heiratsurkunde konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit XXXX verheiratet ist und wird daher von einer Lebensgemeinschaft ausgegangen. Aufgrund der Angaben in der mündlichen Verhandlung und der Vorlage der Geburtsurkunde von XXXX , war festzustellen, dass es sich bei diesem um den gemeinsamen Sohn handelt.

Der (verbesserte) Gesundheitszustand des Sohnes des Beschwerdeführers lässt sich den im Akt aufliegenden Befunden entnehmen, so etwa zuletzt dem neuropädiatrischen Befundbericht der Medizinischen Universität XXXX vom 10.06.2020. Mit diesem Befund wurde dem unter frühkindlichem Autismus leidenden Kind eine positive Entwicklung bescheinigt und festgehalten, dass eine Erweiterung der Therapie nicht erforderlich ist. Dementsprechend wurde auch die Wiedervorstellung zur Verlaufskontrolle – weitmaschig – mit einem Jahr empfohlen. Einen guten Eindruck hinterließ der sechsjährige Bub auch persönlich bei Gericht. Wenngleich er nicht zeugenschaftlich einvernommen wurde, bestätigte sich zu Beginn und Ende der Verhandlung sein freundlich, waches und zugewandtes Wesen und steht dieses mit den einen positiven Entwicklungsverlauf zeichnenden Befunden somit in Einklang.

Aus den älteren Befunden (etwa Befundbericht der Medizinischen Universität XXXX vom 27.02.2020 sowie vom 12.07.2019) geht hervor, dass stets die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers die Untersuchungstermine und Anamnesegespräche mit dem gemeinsamen Sohn wahrgenommen/absolviert hat, weshalb auch festgestellt wurde, dass die Mutter des gemeinsamen Kindes diesen adäquat betreute und weiterhin betreuen kann. Weiters ergab sich auch in der Zeit der Corona-bedingten Ausgangsbeschränkungen die Mutter als Hauptbezugsperson („er hat viel mit der Mutter gespielt“) für den Sechsjährigen, wie sie im Zuge der im Befundbericht protokollierten Anamnesegespräche darlegte. Damit decken sich auch ihre Angaben in der mündlichen Verhandlung, zumal sie vom Bundesverwaltungsgericht als Zeugin geladen und einvernommen wurde.

Durch ihre Einvernahme verschaffte sich die erkennende Richterin einen persönlichen und umfassenden Eindruck zu den familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und befragte ihn und seine Lebensgefährtin im Detail, wie sich das gemeinsame Familienleben im Bundesgebiet gestaltet(e), und zwar vor, während und nach der Haft des Beschwerdeführers. Dabei wurde aus Sicht der erkennenden Richterin kein glaubwürdiges Bild der aktuellen familiären Situation gezeichnet, insbesondere im Hinblick auf die Betreuung des gemeinsamen Sohnes, den die Zeugin, wie eben angesprochen, von Geburt an und insbesondere während der Haft des Beschwerdeführers in ihrer Obhut und Betreuung hatte und auch weiterhin hat. Vordergründig erweckte diese den Eindruck, den Beschwerdeführer in einem besonders guten Licht darstellen zu wollen und brachte im Zuge der Befragung etwa vor, diverse Phobien zu haben, weshalb sie nicht in der Lage wäre, jenen Freizeitaktivitäten nachzugehen, die dem Sohn wohltuend und zuträglich seien. So gab sie zunächst an, nicht mit dem Auto fahren zu können, weil sie eine „Phobie“ habe und aus diesem Grund nur ihr Ehemann den Sohn in den Kindergarten fahren könne (VNS, S. 12). Zudem könne auch nur der Beschwerdeführer mit dem Kind wandern und schwimmen gehen, weil sie sowohl eine „Wasserphobie“, als auch eine „Bergephobie“ habe. Schließlich steigerte sie ihre Angstzustände noch dahingehend, dass sie auch Angst vor Tieren habe, weshalb nur der Beschwerdeführer die dem Sohn wohltuende Tier-Therapie wahrnehmen könnte (VNS, S. 13). Aufgrund der bereits genannten Befunde stellt sich die Situation aber anders dar und ist klar hervorgekommen, dass die Mutter des Sohnes sich gut um ihren Sohn gekümmert hat und ihm insbesondere die erforderlichen Therapien, Untersuchungen und Kontrollen hat angedeihen lassen, welche auch die gewünschten Erfolge mit sich brachten. Dadurch, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch die Lebensgefährtin alles daran setzten, ihre Lebenssituation „geschönt“ darzustellen um dem Beschwerdeführer zu einer günstigeren Position im Verfahren zu verhelfen, konnten sie kein gutes Bild von sich zeichnen. Ihren Beteuerungen betreffend die Unentbehrlichkeit des Beschwerdeführers ist jedoch klar zu entgegnen, dass es seiner Lebensgefährtin auch in der Zeit, als der Beschwerdeführer für etwa drei Jahre im Gefängnis saß, möglich war, den Alltag mit ihrem Sohn zu bewältigen und die erforderlichen Schritte zu setzen, damit dieser bereits im Jahr 2020 – noch bevor der Beschwerdeführer überhaupt aus der Haft entlassen worden war – deutliche Fortschritte machen konnte, die auch ärztlich (chronologisch) belegt sind. Dies widerspricht eindeutig den Bemühungen der Lebensgefährtin, die Darstellungen des Familienlebens so zu gestalten, als ob die Fortschritte des Kindes ohne den Beschwerdeführer gar nicht möglich gewesen wären und ohne ihn das Kindeswohl, auf welches seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Bedacht genommen wird, beeinträchtigt werden würde. Dies entspricht keinesfalls der Sach- und Faktenlage, zumal – wie bereits erwähnt – die Besserung des Zustandes bereits vor Haftentlassung eingetreten ist und das Kind ab Herbst eine Integrationsklasse an einer Regelschule besuchen wird, somit als „schulreif“ qualifiziert wurde.

In diesem Zusammenhang ist nochmal klar hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer einen Großteil des gemeinsamen Familienlebens im Gefängnis verbrachte und auch erst seit relativ kurzer Zeit wieder auf freiem Fuß ist, weshalb insgesamt betrachtet nicht davon auszugehen war, dass die Zeugin es ohne den Beschwerdeführer nicht schaffen könnte, (auch weiterhin) die gebotenen Schritte im Sinne des Wohlergehens des Kindes zu setzen und für ein Fortkommen ihres Sohnes zu sorgen. Auch die mit einem Jahr - äußerst weitmaschig - avisierten medizinischen Kontrolluntersuchungen belegen, dass der sechsjährige Sohn einen positiven Entwicklungsverlauf verzeichnen konnte, andernfalls eine straffere medizinische Überwachung empfohlen worden wäre. Letztere ist aus ärztlicher Sicht aber eben gerade nicht als erforderlich angesehen worden.

Dass der Beschwerdeführer sich aktuell um das Familienleben und das Wohlergehen seines Sohnes bemüht, ist zwar zu begrüßen, jedoch kann unter Berücksichtigung des Gesagten keinesfalls davon ausgegangen werden, dass dieses mit der An- oder Abwesenheit seiner Person stehen und fallen würden (siehe weiters konkrete Ausführungen zum Familienleben unter Pkt.II.A.3.3.).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer hin und wieder als Arbeiter tätig war und auch aktuell einem Erwerb nachgeht ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung (VNS, S. 9), dem im Akt aufliegenden Auszug der Sozialversicherung (Beilage /.C), dem Arbeitszeugnis vom 26.04.2021 und dem Arbeitsvertrag vom 25.05.2021 (Beilage /.B).

Die Feststellung zu den Verurteilungen ergeben sich aus einem Auszug aus dem Strafregister (Stand: 16.02.2021) und insbesondere dem im Akt aufliegenden Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 06.12.2018 (Akt II, AS 799ff).

Dass der Beschwerdeführer in der Haft regelmäßig von seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn besucht wurde, ergibt sich aus der seitens des Bundesverwaltungsgerichtes angeforderten Besucherliste der JA XXXX und den korrelierenden Angaben in der mündlichen Verhandlung. Ebenso aus der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer zeitweise Ausgang gewährt wurde (VNS, S. 8 und 13).

Die Feststellungen zur aktuellen Wohnsituation gründen auf den aktuellen ZMR-Auszügen (Stand: 16.02.2021) betreffend den Beschwerdeführer, seine Lebensgefährtin und den gemeinsamen Sohn, die seit seiner Entlassung am 19.05.2020 mit dem Beschwerdeführer an derselben Adresse wohnhaft sind. Die Haftentlassung des Beschwerdeführers mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 02.03.2020 am 19.05.2020 lässt sich einem Auszug aus dem Strafregister entnehmen.

Festzustellen war, dass der Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte im Irak verfügt. Zum einen konnte dies dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.11.2018 entnommen werden, wo dem Verfahren familiäre Bezugspunkte in den Irak zu Grunde gelegt wurden. Dies wurde dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zum gegenständlichen Verfahren vorgehalten und vermochte er dies nicht glaubhaft zu entkräften (Verhandlungsniederschrift, S. 7). Der Beschwerdeführer gab auch an, dass sein vormals in Österreich lebender Bruder zu seiner Familie in den Irak zurückgekehrt ist und ist davon auszugehen, dass dieser unbehelligt im Irak lebt. Soweit der Beschwerdeführer behauptet, dieser wäre ums Leben gekommen, kann dies nur als Schutzbehauptung bewertet werden, um eine potentielle Gefahr seiner Person für den Fall einer Rückkehr zu veranschaulichen. Hätte dieses Vorbringen nämlich der Wahrheit entsprochen, so wäre zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer Details zu diesem tragischen Vorfall macht; erstaunlicherweise fehlten hierzu jedoch sämtliche Ausführungen (VNS, S. 7), weshalb dieses Vorbringen keiner positiven Feststellung zuzuführen war.

Mit Blick darauf, dass arabische, alleinstehende, körperlich leistungsfähige Männer im arbeitsfähigen Alter in der Stadt Bagdad sogar ohne Unterstützung durch ihre Familie bzw. ihren Stamm bestehen können (verwiesen wird hierzu auf die rechtliche Beurteilung), muss auf die familiäre Situation des Beschwerdeführers jedoch nicht tiefergreifend eingegangen werden.

Der Beschwerdeführer führte in seiner niederschriftlichen Einvernahme ansonsten keine konkreten persönlichen Rückkehrbefürchtungen ins Treffen. Lediglich in der Stellungnahme seiner Rechtsvertretung vom 24.06.2021 wird auf die schwierige Lage des Beschwerdeführers für den Fall einer Rückkehr in den Irak hingewiesen; nicht zuletzt, weil er der Minderheit der Schabak angehöre. Jedoch beschränkten sich die Ausführungen auf allgemeine und oberflächliche Angaben, indem auf die Sicherheitslage im Irak und die dort – wie auf der gesamten Welt – herrschende Corona-Pandemie verwiesen wird. Aus dieser bloß allgemein gehaltenen Gefährdungsbeschreibung lässt sich jedoch keine den Beschwerdeführer im Besonderen treffende Bedrohungssituation ableiten.

Ein genereller Ausschluss von Mitgliedern der Schabak etwa vom Arbeitsmarkt und von Bildungseinrichtungen liegt in Anbetracht der Quellenlage sowie den vom Bundesverwaltungsgericht bei der Bearbeitung ähnlich gelagerter, den Irak betreffender Verfahren gewonnenen Wahrnehmungen ebenfalls nicht vor. Hinzu tritt, dass im Irak diese auch im irakischen Parlament repräsentiert sind. So war auch der Beschwerdeführer selbst für den Minister für Minderheiten tätig und hat zu keinem Zeitpunkt angegeben dadurch persönliche Probleme – abgesehen von den im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.03.2020 als unglaubwürdig erachteten Drohungen – gehabt zu haben.

Aus dem Vorbringen in Zusammenschau mit den Länderberichten war auch nicht festzustellen, dass der gesamten irakischen Bevölkerung aufgrund der aktuell herrschenden Lage eine Verletzung ihrer in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen würde. Insgesamt ergibt sich aus einer Zusammenschau der Quellen eine Sicherheitslage, die es auch im Zentralirak Personen erlaubt, relativ unbehelligt in den dortigen Städten zu leben, ohne damit zwingend rechnen zu müssen, Opfer von Verfolgung, Willkür oder kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden. Es besteht auch etwa in Bagdad keine derart instabile Sicherheitslage, dass jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen Risiko iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt ist. Eine allgemeine Gefährdung für Rückkehrer ist im Hinblick auf die angeführten Länderberichte nicht objektivierbar. Soweit in der Beschwerde des Weiteren von der Gefährdung der Volksgruppe der Schabak die Rede ist, wird übersehen, dass es sich beim Beschwerdeführer dennoch um einen schiitischen Moslem handelt, sohin jene Volksgruppe, die die Mehrheit im Irak darstellt. Den Länderberichten ist zu entnehmen ist, dass die Mehrheit der Einwohner Bagdads Schiiten sind.

Den Länderberichten entsprechend ergibt sich weiters ein eindeutiges Bild im Irak, wonach die jährlichen Zahlen der zivilen Opfer, insbesondere nach dem Jahr 2014 (Höhepunkt der Opferzahlen von 20.218), kontinuierlich gesunken sind (2015: 17.578; 2016: 16.393; 2017: 13.183) und in den Jahren 2018 (3.319) und 2019 (1.542) vierstellige Zahlen im unteren Bereich aufweisen. Damit ist der Einwand der Stellungnahme vom 24.06.2021, wonach es zu keiner nachhaltigen und wesentlichen Verbesserung der allgemeinen und der Sicherheitslage gekommen sei, widerlegt.

Ansonsten wurden keinerlei maßgeblichen Aspekte in der Beschwerde geäußert, die einer Rückkehr entgegenstehen würden.

Die Feststellungen zum Irak stützen sich auf die angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Sofern im Verfahren gerügt wird, dass die Länderberichte ein anderes Bild zur Lage im Irak zeichnen, wird auch nicht behauptet, dass die herangezogene Berichtslage unzutreffend oder nicht hinreichend aktuell ist.

Die Rechtsvertretung bezieht sich ausschließlich auf die mit den Länderberichten übereinstimmende Berichtslage und wurde insgesamt den Länderfeststellungen der belangten Behörde nicht konkret und substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Zu A)

Abweisung der Beschwerde:

1. Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkte I.-II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen (Z 1); er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 2) oder er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Gemäß § 9 Abs. 3 AsylG ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

Gemäß § 9 Abs. 4 AsylG ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.

Die belangte Behörde hat die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG gestützt, weil sie von einer zwischenzeitigen Änderung der Lage im Herkunftsstaat ausgeht und daher die Voraussetzungen für die Zuerkennung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht mehr vorliegen.

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak mit sich bringen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 13.12.2017, Ra 2017/01/0187, mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU ) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH vom 17. Februar 2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite).

Nach der dargestellten Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des EuGH ist von einem realen Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen, wenn stichhaltige Gründe für eine derartige Gefährdung sprechen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016, mwN).

Nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden ist (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137). Unter Darstellung der maßgebenden persönlichen Verhältnisse des Fremden (insbesondere zu seinen finanziellen Möglichkeiten und zum familiären und sonstigen sozialen Umfeld) ist allenfalls weiter zu prüfen, ob ihm der Zugang zur notwendigen medizinischen Behandlung nicht nur grundsätzlich, sondern auch tatsächlich angesichts deren konkreter Kosten und der Erreichbarkeit ärztlicher Hilfsorganisationen möglich wäre (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137 unter Hinweis auf VwGH 17.12.2003, 2000/20/0208).

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände", welche eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak unzulässig machen könnten.

Im vorliegenden Fall lebte und arbeitete der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat in Mosul. Dem Bescheid des BFA vom 16.12.2009, mit dem ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, lag ausschließlich zu Grunde, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat aufgrund der allgemeinen, instabilen Sicherheitslage im Irak und dem damit verbundenen Entzug der Lebensgrundlage nicht zulässig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht ist sich darüber im Klaren, dass die Sicherheitslage in Teilen des Irak nach wie vor von Spannungen geprägt ist. Jedoch hat sich die Sicherheitslage, sowohl in Mossul, als auch in Bagdad, seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wesentlich und nachhaltig verbessert, zudem können keine risikoerhöhenden Umstände im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers erkannt werden und hat weder der Beschwerdeführer selbst dahingehend ein substantiiertes und glaubhaftes Vorbringen erstattet, noch kann aus den Feststellungen zur Lage im Irak abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer alleine schon aufgrund seiner bloßen Anwesenheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung durch Anschlagskriminalität oder bürgerkriegsähnliche Zustände Ereignisse ausgesetzt wäre.

Die Sicherheitslage in der Hauptstadt Bagdad, wo dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung möglich und zumutbar ist, stellt sich nach den nun getroffenen Länderfeststellungen nicht dergestalt dar, dass jeder dorthin Zurückkehrende der realen Gefahr unterläge, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte ausgesetzt zu sein oder für ihn die ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt anzunehmen wäre. Dort besteht ein (vergleichsweise) geringeres Niveau an Gewaltausschreitungen; der IS ist schwer angeschlagen. Die Sicherheitslage ist angesichts der Erfolge, welche die irakische Regierung in der militärischen Auseinandersetzung mit dem IS verzeichnen konnte, zum Entscheidungszeitpunkt wesentlich stabiler, als zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Jahr 2009 und ist eine nachhaltige und wesentliche Besserung der Lage im Irak festzustellen gewesen, insbesondere auch in Bezug auf den letzten Verlängerungsbescheid des BFA vom 05.12.2016. Wie beweiswürdigend dargestellt, gab es nämlich 2017 (d.h. zum Zeitpunkt der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung) noch 13.183 zu verzeichnende Opfer und nur ein Jahr später, im Jahr 2018, bereits wesentlich weniger, und zwar 3.319 – um die 10.000 Opfer weniger. Da im darauffolgenden Jahr 2019 diese Zahl weiter auf 1.542 gesunken ist, war nicht nur eine wesentliche, sondern auch nachhaltige Besserung der Lage festzustellen, weshalb das BFA zurecht ein Prüfungsverfahren hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einleitete.

Zudem handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen und gesunden Mann, bei welchem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt wird. Er verfügt über langjährige Schulbildung und eine Ausbildung zum Automechaniker und war mehrere Jahre als Sicherheitsangestellter (Security) im irakischen Parlament erwerbstätig. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat in der Lage sein wird, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Außerdem beherrscht er Arabisch als Muttersprache. Er kann, wenn auch nur vorübergehend, auf die finanzielle und soziale Unterstützung (in Form einer Wohnmöglichkeit) von seinen im Irak lebenden Verwandten (Bruder und dessen Familie) zu denen der Kontakt wiederhergestellt werden kann, zurückgreifen. Es sind auch keine Gründe hervorgekommen, weshalb er nicht auch nach seiner Rückkehr einen Beruf, etwa als Automechaniker, den er auch im Bundesgebiet ausübte, wieder aufnehmen können sollte. Der Beschwerdeführer verfügt über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse für den Irak. Er hat auch nicht vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Es erscheint daher eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Bagdad nicht ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers insgesamt auch zumutbar, zumal er in seinem Asylverfahren auch angab, mehrere Jahre in Bagdad gelebt zu haben. Zudem ist die wichtigste ethnisch-religiöse Gruppierung jene der (arabischen) Schiiten, die 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung ausmachen, wozu der Beschwerdeführer zählt, weshalb auch im Hinblick auf die Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers kein erhöhtes Risiko einer Gefährdung seiner Person erblickt werden kann.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass es im Irak nach wie vor zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Jedoch nicht in einem Ausmaß und gezielt systematisch auf alle Mitglieder der Schabak, sodass diesen Schutz zu gewähren wäre. Bei einer Abwägung der Feststellungen zu Übergriffen einerseits und den aus den Feststellungen zur Sicherheitslage ersichtlichen Angaben zu zivilen Opfern, der Bevölkerungszahl andererseits ist indes nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes noch nicht davon auszugehen, dass sämtliche Schabak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ungerechtfertigte Eingriffe von erheblicher Intensität in ihre schützende persönliche Sphäre zu gewärtigen hätten. Aus den Länderberichten lässt sich keine erhöhte Gefährdung der Volksgruppe der Schabak herleiten, weshalb auch aufgrund der bloßen Zugehörigkeit zu dieser keine Verletzung seiner in Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte für den Fall einer Rückkehr zu erblicken war.

Es kann sohin nicht erkannt werden, dass dem erwerbsfähigen Beschwerdeführer im Falle einer Ansiedlung in Bagdad die notwendigste Lebensgrundlage entzogen und dadurch die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.

Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK bilden.

Im gegenständlichen Fall gehört der gesunde Beschwerdeführer keiner Personengruppe mit speziellem Risikoprofil an, weshalb sich daraus kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 und Nr. 13 verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Betreffend die Sicherheitslage im Irak, ist auf die Länderfeststellungen in gegenständlichem Erkenntnis zu verweisen. Der Beschwerdeführer kann die Hauptstadt Bagdad auch sicher erreichen (vgl. zum Prüfungsmaßstab betreffend die Möglichkeiten und Umstände, wie ein Rückkehrer in seine Herkunftsprovinz gelangt, VfGH vom 26.02.2019, E 4766 2018, Rz 19). Gegenteiliges wurde im Laufe sämtlicher Verfahren auch nicht behauptet.

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erfolgte zu Recht und war daher mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet (Z 1), noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist (Z 2), noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt wurde (Z 3).

Die Entscheidung ist daher gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.

3. Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Im Bundesgebiet befinden sich die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und der gemeinsame, am XXXX geborene und nun sechseinhalbjährige Sohn. Beide sind in Österreich subsidiär Schutzberechtigte und leben aktuell im gemeinsamen Haushalt. Die Rückkehrentscheidung stellt somit jedenfalls einen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dar, den es zu beleuchten und abzuwägen gilt.

Zu gewichten ist, dass der Beschwerdeführer bereits strafrechtlich aufgefallen und mit der österreichischen Strafrechtsordnung wiederholt und zuletzt massiv in Konflikt geraten ist, weshalb sich ein negativ zu bewertendes Persönlichkeitsbild zeichnete:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 07.09.2017, Zl. U 82/2017s, wurde er wegen § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 1 Monat, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt. Diese Verurteilung konnte ihn nicht davon abhalten, weiter straffällig zu werden.

Noch während dieser Probezeit wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 06.12.2018, Zl. Hv 63/2018i, wegen §15 StGB iVm §§ 114 Abs.1, Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 4 2. Fall FPG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dabei verwirklichte er das Verbrechen der Schlepperei nach den §§ 15 StGB, 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1, Z2, Abs. 4 erster Fall FPG (gewerbsmäßige Schlepperei bzw. in Bezug auf mindestens drei Fremden im Rahmen einer kriminellen Vereinigung) in objektiver und subjektiver Weise.

Als erschwerend wurde das Zusammentreffen von Verbrechen, die doppelte Deliktsqualifikation des § 114 Abs. 3 FPG, die Tatwiederholung im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit, die hohe Anzahl der Geschleppten und die teilweise Tatbegehung während offener Probezeit gewertet; als mildernd das teilweise reumütige Geständnis und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch verblieb. In Anbetracht der hohen Anzahl der Schlepperfahrten und der hohen Anzahl der Geschleppten und der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich schon einmal der Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht nicht würdig gezeigt hat, war eine unbedingte Freiheitsstrafe zu verhängen. Dies, um ihm das Unrecht der Tat nachhaltig vor Augen zu führen und damit Gelegenheit zu geben, die persönliche Lebenssituation zu überdenken und in Zukunft rechtskonform zu leben. Es war im Falle des Beschwerdeführers nämlich nicht anzunehmen, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Freiheitsstrafe oder eines Teiles der Strafen allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügt hätten, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Überdies könnte eine gänzlich oder bedingte oder teilweise bedingte Nachsicht die Hemmschwelle für die Begehung solcher Taten senken, sodass es auch aus generalpräventiven Erwägungen erforderlich war, die Strafe unbedingt auszusprechen. Eine außerordentliche Strafmilderung kam nicht in Betracht, da die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwogen haben und keine Überzeugung bestand, dass der Beschwerdeführer auch bei Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen würde.

Die Art der Begehung des Deliktes (Gewerbsmäßigkeit, über einen längeren Zeitraum, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung) lässt erkennen, dass der Beschwerdeführer keinesfalls bloß in einem kurzen Moment unüberlegt gehandelt hat. Die Anzahl der Schleppungen lässt auch erkennen, dass der Beschwerdeführer eine offensichtlich gleichgültige Einstellung gegenüber den Bestimmungen des Fremdenrechts an den Tag legt und er Schleppernetzwerke nicht pönalisiert, sondern sich diesen anschließt, um aus den Schicksalen flüchtender Menschen selbst Gewinn zu schlagen.

Obzwar man dem Beschwerdeführer zu Gute halten kann, dass die letzte Straftat mittlerweile mehrere Jahre zurückliegt, war der mit dem Straftat verbundene Eingriff in die Interessen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, den Bestimmungen des Fremdenrechts und den gesamteuropäischen Grenzschutz derart erheblich und massiv, dass zum Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Minderung oder gar ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung angenommen werden kann, zumal der Beschwerdeführer erst im Mai 2020 aus der Haft entlassen wurde und die Zeit seines Wohlverhaltens entsprechend kurz ist.

Auch dem Aspekt der Gewerbsmäßigkeit kommt große Bedeutung zu. Gerade die in der gewerbsmäßigen Tatbegehung gelegene Tendenz des Fremden, sich durch die wiederkehrende Begehung einer strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu sichern, stellt für sich eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (vgl. VwGH 24.5.2005, 2002/18/0289). Allein diese Umstände rechtfertigen nach Ansicht des erkennenden Gerichtes jedenfalls die Annahme, dass ein Verbleib des Fremden im Bundesgebiet eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Während der Haftzeit hatte der Beschwerdeführer zwar Ausgang am Wochenende. Die Integration des Beschwerdeführers hat jedoch in der für ihn wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangene Straftat eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren.

Darüber hinaus ist aber insbesondere festzuhalten, dass den Beschwerdeführer auch die familiären Bindungen im Bundesgebiet und die von ihm nunmehr beteuerten privaten Bindungen nicht von der Begehung der genannten Straftaten abhalten konnten. Auch die Tatsache, dass er zeitweise als Arbeiter beschäftigt war, konnten ihn nicht davon abbringen, zunächst wegen Diebstahls und nur weniger als ein Jahr später wegen des Deliktes der (qualifizierten) Schlepperei verurteilt zu werden. Dabei handelt es sich um Vermögensdelikte bzw. Delikte der Grenzkriminalität und zwar mit dem Vorsatz, sich weitere Einnahmequellen zu verschaffen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer vor seiner Verurteilung am Arbeitsmarkt präsent war, ihm die daraus bezogenen Einnahmequellen aber offenbar nicht reichten. Es ist aus jetziger Sicht des Gerichtes nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass der Beschwerdeführer in einem ungünstigen Moment nicht wieder eine solche Entscheidung treffen würde, weshalb aktuell – insbesondere nach Einvernahme durch die erkennende Richterin und Verschaffung eines persönlichen Eindrucks – keine für den Beschwerdeführer günstige (positive) Zukunftsprognose erstellt werden konnte.

Wie beweiswürdigend – ausführlich - dargelegt, ist zudem die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn aufgrund des langen Haftaufenthaltes des Beschwerdeführers insgesamt deutlich zu relativieren und weist die Beziehung zu seinem Sohn auch mit Blick darauf eine deutlich geminderte Intensität auf.

Sein Sohn war gerade einmal drei Jahre alt, als über den Beschwerdeführer am 17.01.2018 die Untersuchungshaft verhängt wurde. Sohin war er während einer wichtigen und intensiven (Kleinkind-)Phase seines Sohnes – abgesehen von etwaigen Besuchen – weitgehend abwesend und weder in seine frühkindliche Entwicklungs- noch seine medizinisch erforderliche Betreuungsphase eingebunden. Vielmehr war seine Lebensgefährtin ausschließlich für das Wohlergehen und die Förderungsmaßnahmen des Sohnes zuständig und ist erneut zu betonen, dass die positiven Entwicklungsfortschritte bereits zu einem Zeitpunkt festgestellt wurden, als der Beschwerdeführer sich noch in Haft befand. Gerade mit Blick auf das Wohlergehen des Kindes ist auch festzuhalten, dass der Sohn und dessen Mutter füreinander die Hauptbezugspersonen sind und waren und in diese Beziehungskonstellation auch kein Eingriff stattfindet, genießen sie doch auch weiterhin den Status von subsidiär Schutzberechtigten in Österreich. Dass sich der Beschwerdeführer nunmehr vordergründig auf das Wohlergehen seines Sohnes zu stützen versucht, ändert nichts daran, dass das bisherige Familienleben durch die (auch gemessen am Alter des sechseinhalbjährigen Sohnes) – langjährige – Inhaftierung des Beschwerdeführers bereits stark ausgedünnt war. Das nunmehr vom Beschwerdeführer hervorgestrichene Verantwortungsbewusstsein seinem Sohn gegenüber hat auch keinen Einfluss auf den Beschwerdeführer dahin gehabt, dass er sich von Straftaten abhalten hätte lassen. Die in Rede stehende Tat der Schlepperei beging er nämlich während der aufrechten Probezeit infolge eines anderen, vorangegangenen Deliktes.

Dem Beschwerdeführer ist es möglich und zumutbar, seine Lebensgefährtin und sein Kind etwa in Ländern wie der Türkei zu besuchen, wohin sowohl er, als auch seine Lebensgefährtin und sein Sohn problemlos fliegen können und die sicher erreichbar sind. Soweit persönliche Besuche nicht möglich sein sollten, können sie zur Überbrückung dieser Zeit auf moderne Telekommunikationsmittel (Skype, WhatsApp, Viber, Telegram, uvm.) zurückgreifen und gab die Lebensgefährtin in der mündlichen Verhandlung auch an, dass der Sohn auch jetzt schon mit seinem Vater auf diese Weise gerne kommuniziert.

Aus diesem Grund und in Gesamtschau des konkreten Einzelfalles (und wird an dieser Stelle abermals auf die diesbezüglichen beweiswürdigenden Überlegungen verwiesen) war daher nicht davon auszugehen, dass das im Bundesgebiet bestehende Familienleben einer aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit jedenfalls geboten Rückkehrentscheidung hindernd entgegensteht.

Obwohl der Sohn des Beschwerdeführers mit seiner Mutter und Hauptbezugsperson weiterhin zum Aufenthalts im Bundesgebiet berechtigt ist und weiterhin den Status des subsidiär Schutzberechtigten genießt, gilt es das Kindeswohl zu beachten, mag sich die Rückkehrentscheidung auch gegen den Beschwerdeführer (und nicht seinen minderjährigen Sohn) richten.

§ 138 ABGB regelt die Berücksichtigung des Kindeswohls im Rahmen des (zivilrechtlichen) Kindschaftsrechts (vgl. die Gesetzesmaterialien zu BGBl. I Nr. 15/2013, RV 2004 BlgNR, 24. GP , S. 16, wonach das "Wohl des minderjährigen Kindes ... der leitende Grundsatz des Kindschaftsrechts" ist und dort "in allen Angelegenheiten, die die Obsorge oder den persönlichen Kontakt betreffen, als leitender Gesichtspunkt zu berücksichtigen ist.").

Insbesondere ist der Frage der angemessenen Versorgung und sorgfältigen Erziehung der Kinder (Z 1), der Förderung ihrer Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten (Z 4) sowie allgemein um die Frage ihrer Lebensverhältnisse (Z 12) nachzugehen. Aus der genannten Bestimmung ergibt sich überdies, dass auch die Meinung der Kinder zu berücksichtigen ist (Z 5) und dass Beeinträchtigungen zu vermeiden sind, die Kinder durch die Um- und Durchsetzung einer Maßnahme gegen ihren Willen erleiden könnten (Z 6). Ein weiteres Kriterium ist die Aufrechterhaltung von verlässlichen Kontakten zu wichtigen Bezugspersonen und von sicheren Bindungen zu diesen Personen (Z 9).

Im Rahmen der nach § 9 BFA-VG 2014 vorzunehmenden Interessenabwägung kommt den Kriterien des § 138 ABGB nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl. VwGH 14.12.2020, Ra 2020/20/0408) lediglich die Funktion eines "Orientierungsmaßstabs" für die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht zu. Zudem sei nochmals klargestellt, dass die Berücksichtigung des Kindeswohls im Kontext aufenthaltsbeendender Maßnahmen lediglich einen Aspekt im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung darstellt; das Kindeswohl ist daher bei der Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen von Fremden nicht das einzig ausschlaggebende Kriterium. Die konkrete Gewichtung des Kindeswohls im Rahmen der nach § 9 BFA-VG 2014 vorzunehmenden Gesamtbetrachtung bzw. Interessenabwägung hängt vielmehr von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und wiegen im Falle des Beschwerdeführers die begangenen Straftaten, das infolge langjähriger Inhaftierung ausgedünnte, tatsächlich gelebte Familienleben und die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens (in Zusammenschau mit dem bloß vorläufig gewährten Aufenthaltsrecht als subsidiär Schutzberechtigter) schwerer.

Auch der Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers erweist sich nicht als unzulässig:

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058).

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gründet sich seit Dezember 2009 auf den Status eines subsidiär Schutzberechtigten. Zu Gunsten des Beschwerdeführers schlagen seine Deutschkenntnisse und Bemühungen, sich als am Arbeitsmarkt als Arbeiter zu integrieren, aus. Er legte jedoch keine Deutschprüfung (etwa A2-Niveau) vor und ist es ihm trotz seiner jahrelangen Bemühungen letzten Endes nicht gelungen, sich nachhaltig am Arbeitsmarkt einzufügen; er lebte immer wieder von Sozialleistungen des Staates. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass er sich zusätzliche Einkünfte aus illegalen Quellen zu verschaffen versuchte, weshalb er auch letztlich zwei Mal verurteilt wurde – ein Mal wegen Diebstahls und ein Mal wegen gewerbsmäßiger Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Organisation. Dass er auch aktuell einem Erwerb als Arbeiter nachgeht, ist zwar zu begrüßen, ist aber ebenso wenig geeignet, im Hinblick auf das kriminelle Verhalten, dem Privatleben des Beschwerdeführers außerordentliches Gewicht zu verleihen.

Weiters brachte der Beschwerdeführer weder vor, Mitglied in einem Verein oder ehrenamtlich tätig zu sein, noch verfügt er über ein ausgeprägtes soziales Umfeld in Österreich. Anderweitige Integrationsaspekte liegen nicht vor. Der Beschwerdeführer hat weder Freundschaften zu Österreichern dargetan, noch verfügt er hier über ein starkes soziales Netz.

Zum Familienleben, seinem strafrechtlich relevanten Verhalten und dem Unrechtsgehalt seiner Taten wird auf obige Ausführungen verwiesen.

Zudem musste dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein, dass der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nur ein befristetes Aufenthaltsrecht gewährt, welches nach Ablauf nur verlängert wird, wenn die Voraussetzungen auch weiterhin gegeben sind.

Schließlich sind die Bindungen zum Heimatstaat des Beschwerdeführers trotz seines Aufenthaltes im Bundesgebiet auch weiterhin gegeben. Er hat dort seine Ausbildung absolviert und seine Sozialisation erfahren. Er spricht Arabisch und ging im Irak einer geregelten Arbeit nach. Es ist – wie beweiswürdigend ausgeführt – davon auszugehen, dass sein Bruder und dessen Familie im Irak leben, zu denen der Kontakt jederzeit wieder aufgenommen bzw. intensiviert werden kann. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte, mag er anfangs auch auf Gelegenheitsarbeiten zurückgreifen müssen. Demnach wäre seine Arbeitssituation im Irak auch keine, die sich von seiner derzeitigen Situation im Bundesgebiet unterscheiden würde. Der Beschwerdeführer kann sich im Irak wieder eine Existenzgrundlage schaffen. Es ist daher nicht von einer völligen Entwurzelung des Beschwerdeführers, sondern von einer auch weiterhin bestehenden starken Bindung des Beschwerdeführers zum Irak auszugehen.

Die öffentlichen Interessen an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme sind auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens als deutlich gewichtiger einzustufen, als das Interesse des Beschwerdeführers an der Fortführung seiner Beziehung und seinem Aufenthalt in Österreich.

Da sich der Beschwerdeführer, wie bereits erwähnt, insgesamt drei Jahre in Haft befand –sind integrative Aspekte bereits deutlich gemindert und seine sozialen Bindungen entsprechend geringer einzustufen.

Auf Grund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Dem Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens ist fallbezogen der Vorrang einzuräumen. Durch die angeordnete Rückkehrentscheidung liegt eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor.

Mit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.

Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG folgt aus der Nichtgewährung bzw. Aberkennung des subsidiären Schutzes (vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0044 bis 0046 mwN).

4. Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus § 55 Abs. 2 erster Satz FPG und kann gemäß § 55 Abs. 3 FPG bei Überwiegen besonderer Umstände einmalig mit einem längeren Zeitraum festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich kein Vorbringen erstattet. Besondere Umstände können insbesondere die Dauer des bisherigen Aufenthaltes oder das Abschließen des bereits begonnenen Schulsemesters eines schulpflichtigen Kindes oder gleichwertige Gründe sein (vgl. Erläuterungen zur RV, 1078 Blg NR XXIV. GP, 31). Bei den "besonderen Umständen" kann es sich nur um solche handeln, die bei der Regelung der persönlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Organisation der freiwilligen Ausreise zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 20.02.2014, 2013/21/0114 unter Hinweis auf VwGH 16.05.2013, 2012/21/0072). Die aktuell bestehenden Beschränkungen auf Grund der Corona-Pandemie sind keine besonderen Umstände, welche die Einräumung einer mehr als 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise notwendig machen.

5. Verhängung eines Einreiseverbotes (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):

Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden (§ 53 Abs. 1 FPG).

Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 3 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 06.12.2018, Zl. Hv 63/2018i, wegen §15 StGB iVm §§ 114 Abs.1, Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 4 2. Fall FPG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, womit er die Z 5 des § 53 Abs. 3 FPG erfüllt.

Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände und in Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers kann eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften sowie an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als gegeben angenommen werden (vgl. VwGH 19.05.2004, Zl. 2001/18/0074).

Zu den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers ist auf die Ausführungen unter Punkt II.2 und II.3.3. zu verweisen. Im Rahmen einer gewichtenden Abwägung zwischen der Schutzwürdigkeit des dort erörterten Privat- und Familienlebens und dem Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Verhinderung von Straftaten, ist angesichts des bereits dargelegten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers in Verbindung mit seinem Persönlichkeitsbild letzterem der Vorrang einzuräumen.

Die Erlassung eines Einreiseverbotes ist somit zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, zumal keine maßgeblichen Umstände ersichtlich sind, die dafür sprechen würden, dass der Beschwerdeführer bei entsprechender Gelegenheit nicht rückfällig wird.

Das von der belangten Behörde angeordnete Einreiseverbot erweist sich somit dem Grunde nach als zulässig, weshalb eine gänzliche Aufhebung des Einreiseverbotes nicht in Betracht kam.

Im gegenständlichen Fall erweist sich allerdings die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbots „unbefristet“ als nicht angemessen. Dies aus folgenden Erwägungen:

Das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers ist unbestritten den Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit massiv zuwidergelaufen. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbots im gegenständlichen Fall in jenen Fällen kaum noch Spielraum lassen würde, in denen eine Person eine größere Anzahl von Delikten begeht, es sich um zu schützende Rechtsgüter höheren Ranges handelt oder deutlich längere Haftstrafen verhängt wurden.

Nun wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht verkannt, dass seit der letzten rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers kein so langer Zeitraum des Wohlverhaltens verstrichen ist, um von einem Wegfall seiner Gefährdung zu sprechen, demgemäß kann auch die diesbezügliche Zukunftsprognose derzeit nicht positiv ausfallen und können weitere strafbare Handlungen der geschilderten Art zukünftig nicht ausgeschlossen werden. Betrachtet man andererseits die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten, für die er verurteilt wurde, so sehen die dafür maßgeblichen Strafbestimmungen einen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren vor. Dieser Strafrahmen wurde vom Strafgericht bei Weitem nicht zur Gänze ausgeschöpft. Daher steht das von der belangten Behörde verhängte unbefristete Einreiseverbot im Vergleich zu der im gegenständlichen Fall tatsächlich verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und dem konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten in Missverhältnis.

Zudem sprach der Verwaltungsgerichtshof zum Strafdelikt der Schlepperei bereits aus, dass es sich dabei nicht per se um ein besonders schweres Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 handelt, sondern besondere Umstände hinzutreten müssen, die die Tat als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erscheinen lassen (vgl. VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0360; 24.03.2011, 2011/23/0061; 27.04.2006, 2003/20/0050).

Unter diesen Prämissen ist die vom Bundesamt verhängte unbefristete Einreiseverbot zu hoch angesetzt und war in einer Gesamtbetrachtung die Dauer des Einreiseverbots auf sieben Jahre herabzusetzen. Diese Zeit ist ausreichend, damit der Beschwerdeführer sein Wohlverhalten unter Beweis stellen kann. Der Beschwerdeführer kann auch weiterhin, wie oben ausgeführt, Kontakt zu seinem Sohn und der Lebensgefährtin halten; die zu gewichtenden öffentlichen Interessen überwiegen, wie bereits ausführlich dargelegt, die privaten Interessen des Beschwerdeführers an seinem Verbleib in Österreich.

Aufgrund des Gesagten kann auch keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden, denn es kann zum heutigen Entscheidungszeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer nicht auch in Zukunft eine Belastung der öffentlichen Hand bedingt oder seinen Unterhalt (erneut) aus illegalen Quellen zu beschaffen versuchen wird.

Der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch die Erlassung eines Einreiseverbotes ist daher verhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnten eine Abstandnahme von der Erlassung eines Einreiseverbotes nicht rechtfertigen.

Eine gänzliche Behebung des Einreiseverbotes kommt im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht in Betracht. Die Dauer von sieben Jahren erweist sich als erforderlich um der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Interessen wirksam zu begegnen.

Sohin war die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, dass das Einreiseverbot auf die Dauer von sieben Jahren herabzusetzen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der umfassend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes übereinstimmt.

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