VwGH Ra 2018/20/0360

VwGHRa 2018/20/036025.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, in der Rechtssache der Revision des T H in W, vertreten durch Dr. Franz Josef Arztmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 25, dieser vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 2018, W227 2139041-1/33E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 1997 §13 Abs2;
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200360.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 3. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 30. September 2016 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Bezug auf den Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Unter einem sprach die Behörde aus, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Syrien gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig sei. Weiters wurde dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 nicht von Amts wegen erteilt sowie festgestellt, dass er gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 3. Dezember 2015 verloren habe.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit der Maßgabe ab, dass "der Spruchteil I des angefochtenen Bescheides zu lauten" habe: "Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 03.12.2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 i. V.m. § 6 Abs. 1 Z 4 Asylgesetz 2005 abgewiesen.". Die Revision wurde nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

4 Als maßgeblich sah das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - an, dass der Revisionswerber im Jahr 2015 wegen des Verbrechens der Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung rechtskräftig verurteilt worden sei. Seine Gefährlichkeit zeige sich auch daran, dass er im Jahr 2017 zudem wegen Körperverletzung, Nötigung und Urkundenunterdrückung rechtskräftig verurteilt worden sei. Er belästige Kinder und Mädchen, suche mit anderen Hausbewohnern körperliche Konflikte und bedrohe andere mit einem Messer. Ab Mitte Dezember 2016 habe der Revisionswerber Haus- und Betretungsverbote in diversen Rechtsberatungsstellen und Notquartieren der Caritas erhalten.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe die Rechtslage verkannt, indem es davon ausgegangen sei, dass beim Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 6 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden könne. Auch sei das angefochtene Erkenntnis rechtswidrig, weil das Bundesverwaltungsgericht einen Asylausschlussgrund angenommen habe, ohne eine Abwägung der öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung mit den Interessen des Revisionswerbers am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat durchzuführen. Schließlich weiche das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das Bundesverwaltungsgericht lediglich über die Beschwerde hinsichtlich der Nichtzuerkennung von Asyl abgesprochen habe. Es sei aber keine Entscheidung über die Beschwerde wegen Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz, der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen und dem Verlust des Aufenthaltsrechtes getroffen worden.

9 Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 abzuweisen, wenn der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat. Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht. Gemäß § 6 Abs. 2 AsylG 2005 kann, wenn ein Ausschlussgrund nach § 6 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegt, der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 AsylG 2005 gilt.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss (erstens) ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür (zweitens) rechtskräftig verurteilt worden, (drittens) gemeingefährlich sein und (viertens) müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwer wiegend erweisen. In gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig.

11 Unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" fallen nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen. Auf die Strafdrohung allein kommt es bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, nicht an. Auch Taten, die sich gegen das Rechtsgut der sexuellen Integrität von Minderjährigen richten, sind grundsätzlich als "besonders schweres Verbrechen" im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 anzusehen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0531, mwN).

12 Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass aufgrund jener Straftat, aufgrund der der Revisionswerber wegen Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung rechtskräftig verurteilt worden sei, sämtliche Kriterien zur Bejahung des in § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 enthaltenen Tatbestandes erfüllt seien (vgl. zu den Voraussetzungen der Einstufung der Schlepperei als "besonders schweres Verbrechen" in der bisherigen Rechtsprechung etwa VwGH 24.3.2011, 2011/23/0061; 27.4.2006, 2003/20/0050). Dass und warum dies fallbezogen wegen besonderer - allenfalls vom Verwaltungsgericht rechtswidrig nicht festgestellter - Umstände anders zu sehen wäre, legt die Revision nicht einmal ansatzweise dar.

13 Wenn die Revision - erkennbar unter Bezugnahme auf den Spruch des angefochtenen Erkenntnisses - vorbringt, das angefochtene Erkenntnis habe die den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassenen Bescheid (mit Ausnahme der Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung) zur Gänze bekämpfende Beschwerde lediglich hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten behandelt, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses ist unzweifelhaft die Abweisung der gesamten Beschwerde zu entnehmen, wobei das Bundesverwaltungsgericht (bloß) hinsichtlich des Spruchpunktes I des bei ihm angefochtenen Bescheides zum Ausdruck gebracht hat, dass der Grund für Antragsabweisung abgeändert werde. Zudem enthält das angefochtene Erkenntnis auch eine Begründung zu jenen Aussprüchen, die der Revisionswerber als (vermeintlich) unerledigt ansieht.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 25. Oktober 2018

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