BVwG W260 2166665-1

BVwGW260 2166665-111.4.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W260.2166665.1.00

 

Spruch:

W260 2166665-1/11E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 21.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer") reiste illegal ins Bundesgebiet ein und hat am 28.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

2. Bei der Erstbefragung am 29.06.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe Afghanistan aufgrund eines persönlichen Problems verlassen. Zu seinen allgemeinen Lebensumständen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre und schiitischer Moslem sei. Er sei Analphabet und habe keine Ausbildung absolviert. Seine Eltern leben noch in Afghanistan. Der Beschwerdeführer stamme aus der Provinz Uruzgan. Er habe sich vor ungefähr sechs Jahren für ca. drei bis vier Jahre im Iran aufgehalten. Vor rund eineinhalb Monaten habe er Kabul verlassen und sei mittels Schlepper nach Österreich gelangt.

 

3. Aufgrund von EURODAC-Treffern zu Norwegen und Dänemark wurden Konsultationen mit diesen Ländern geführt.

 

Einem Schreiben der dänischen Asylbehörden vom 17.07.2015 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in Dänemark am 29.05.2009 einen Asylantrag gestellt hat, unmittelbar danach verschwunden ist und Dänemark vermutlich am 30.05.2009 wieder verlassen hat. Das Verfahren wurde am 25.08.2009 eingestellt.

 

Einem Schreiben der norwegischen Asylbehörden vom 28.07.2015 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in Norwegen am 07.06.2009 einen Asylantrag gestellt hat. Der Asylantrag wurde in letzter Instanz am 16.09.2010 abgewiesen und der Beschwerdeführer am 13.10.2014 nach Afghanistan rücküberführt.

 

4. Laut Aktenvermerk des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 21.09.2015 wurde das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt, da der Beschwerdeführer die Unterkunft der Betreuungseinrichtung ohne Angabe einer weiteren Unterkunft verlassen hat.

 

5. Der Beschwerdeführer wurde am 16.10.2015 von Norwegen nach Österreich überstellt.

 

6. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 17.11.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "belangte Behörde") im Beisein seines Vertreters sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer legte die Kopie seiner Tazkira sowie Integrationsunterlagen vor.

 

Es habe Magenprobleme und müsse Tabletten nehmen. Psychisch gehe es ihm auch nicht gut. Derzeit sei er deswegen aber nicht in Behandlung. Seine Eltern seien bereits verstorben. Er habe keine Geschwister und sei ledig. Der Beschwerdeführer habe sechs Jahre lang in Norwegen gelebt, sei dann nach Afghanistan zurückverbracht worden, habe sechs Monate in Kabul in einer Pension gewohnt und sei dann nach Österreich gereist. Er habe als Friseur und in Norwegen auch als Fliesenleger gearbeitet.

 

Der Beschwerdeführer gab an, dass er seit ungefähr neun bis zehn Jahren ohne religiöses Bekenntnis sei.

 

Zu seine Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater bei einer Gruppe namens "Sepah" gearbeitet habe und Feinde, die "Mujahedin" gehabt habe. Sie hätten den Vater und die Mutter des Beschwerdeführers getötet. Deshalb könne der Beschwerdeführer nicht in Afghanistan leben. Er sei damals im Alter von elf oder zwölf Jahren auch persönlich von den "Mujahedin" bedroht worden und sei dann in den Iran und weiter nach Norwegen geflüchtet. Außerdem werden in Afghanistan Menschen im Namen der Religion getötet. Eine Frau namens "Farkhander" sei getötet worden, weil sie einen Koran verbrannt habe. Für den Beschwerdeführer gäbe es keinen Gott und keinen Koran. Das sei alles Lüge. Er habe deshalb mit drei religiösen Leuten gestritten und sei mit einem Messer gestochen worden. Die Stichverletzung habe er bei seinem letzten Aufenthalt in Kabul davongetragen. Deshalb sei er geflüchtet. Außerdem werden Hazara in Afghanistan getötet.

 

7. Der Beschwerdeführer erstattete am 28.11.2016 namens seines bevollmächtigten Rechtsvertreters eine Stellungnahme.

 

8. Mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 21.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle der Rückkehr führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft habe machen können. Der Beschwerdeführer sei trotz Nachfragen nicht dazu in der Lage gewesen, konkrete Tatumstände zu nennen, sondern habe sich auf die Schilderung von vagen Allgemeinplätzen beschränkt. Er habe seine Angaben auch durch keinerlei Beweise untermauern können. Ihm drohe auch auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara in Afghanistan keine konkret gegen ihn gerichtete psychische oder physische Gewalt. Der Beschwerdeführer sei ein junger, gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei zusammengefasst davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in keine aussichtslose Lage gedrängt werde, die eine solche Rückkehr unzumutbar erscheinen lasse; seine Grundversorgung sei gewährleistet.

 

9. Der Beschwerdeführer erstattete namens seines bevollmächtigten Vertreters fristgerecht Beschwerde und führte darin begründend zusammengefasst aus, dass er aus religiösen Gründen bzw. wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe asylrelevant verfolgt werde. Er sei ohne Bekenntnis und daher sowohl verbal als auch tätlich angegriffen worden. Er habe begründete Angst, wegen seiner Ablehnung von jeglicher Religion in Afghanistan getötet zu werden. Mangels Schutzwilligkeit bzw. Schutzfähigkeit der heimatlichen Behörden habe er flüchten müssen. Die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes sei nicht nachvollziehbar, zumal nur selektiv Aussagen des Beschwerdeführers herangezogen worden seien. Die Befragung sei zudem äußert kurz gewesen. Der Beschwerdeführer zitierte Ausschnitte aus einer UNHCR Richtlinie. Bereits daraus gehe hervor, dass eine Verfolgungssituation glaubwürdig erscheine. Der Beschwerdeführer sei auch aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthaltes in intensiver Gefahr, als "verwestlicht" angesehen zu werden. Hinsichtlich der Frage der Zuerkennung von subsidiärem Schutz führte der Beschwerdeführer aus, dass er im Herkunftsstaat kein familiäres und soziales Netz aufweisen könne und die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan sehr instabil sei. Er zitierte diverse Berichte (z.B. EASO). Der Beschwerdeführer habe sich in Österreich intensiv um eine Integration bemüht.

 

10. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 04.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2017 wurde eine mündliche Verhandlung für den 29.11.2017 anberaumt.

 

12. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht am 27.11.2017 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den Beschwerdeführer keine Verurteilungen aufscheinen.

 

13. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.11.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines bevollmächtigten Rechtsvertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt.

 

Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen, eine Kopie der Tazkira, einen Artikel über seine Heimatregion und eine Bestätigung des Magistrates der Stadt Wien von 24.11.2017 über den Religionsaustritt des Beschwerdeführers vor, die als Beilagen ./I bis ./IV zum Akt genommen wurden.

 

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden folgende Unterlagen in das gegenständliche Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingebracht: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.09.2017, welche dem Beschwerdeführer bereits übermittelt wurde; Gutachten Mag. Karl Mahringer zu GZ: BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017; Gutachten Mag. Karl Mahringer, Aktualisierung des Gutachtens vom 5.3.2017; Auszug aus gutachterlicher Stellungnahme des Ländersachverständigen Dr. RASULY vom 17.02.2016 im zur Zl. W119 2012211-1 protokollierten Verfahren zur Frage der Situation der Hazara in Afghanistan; Auszug aus UNHCR-Richtlinen zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender samt Begleitschreiben von 04.05.2016; Auszug aus UNHCR-Richtlinen zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender samt Begleitschreiben von 19.04.2016, Konversion vom Islam; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2017, Afghanistan Christen, Konvertiten, etc.; ACCORD Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 [a-10159], Situation der Apostaten etc.

 

Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen sowie innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

 

14. Der Beschwerdeführer erstattete namens seines bevollmächtigten Vertreters am 19.12.2017 eine Stellungnahme, verwies auf die Asylrelevanz seines Vorbringens und zitierte disbezüglich UNHCR-Richtlinien zu "Potentiellen Risikoprofilen". Hinsichtlich den Länderfeststellungen zu Afghanistan verwies der Beschwerdeführer auf den UNHCR-Bericht vom Dezember 2016. Weiters wurde Stellung genommen zum Gutachten von Mag. Mahringer. Insgesamt lasse die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan eine Rückkehr nicht zu. Der Beschwerdeführer habe zudem kein adäquates Auffangnetz in Afghanistan. Er habe lange Zeit im westlichen Ausland verbracht und sei in Afghanistan entwurzelt.

 

Die belangte Behörde erstattete keine Stellungnahme.

 

15. Einem Schreiben des AMS Wien Esteplatz vom 13.10.2017, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 09.02.2018, ist zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 eine befristete Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.

 

16. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs aktuelles Länderberichtsmaterial übermittelt: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 08.01.2019, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender Stand August 2018, eine auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2018, Seiten 21-25 und 98-109. Weiters wurde der Beschwerdeführer in diesem Schreiben aufgefordert etwaige aktuelle Integrationsunterlagen, sowie etwaige Krankenunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln.

 

17. Der Beschwerdeführer erstattete namens seines bevollmächtigten Vertreters am 05.02.2019 eine Stellungnahme und führte zusammengefasst aus, die aktuellen Berichte belegen deutlich die katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftslage in Afghanistan sowie die mangelnde Effizienz der Zentralbehörden, jemanden wie den Beschwerdeführer zu beschützen. Die Risikoprofile der UNHCR-Richtlinien vom August 2018 zeigen, dass sich der Beschwerdeführer von der Masse der Bevölkerung abhebe und kein sicheres Leben in Afghanistan führen können. Kabul und Herat können als innerstaatliche Fluchtalternative nicht herangezogen werden, da sich die Situation dort verschlechtert habe. Mazar-e Sharif sei von der mangelden Nahrungsmittelversorgung ebenfalls schwer getroffen. Die Arbeitsmarktlage sei dort für insbesondere für Rückkehr sehr schlecht. Hinsichtlich der Situation von jungen Männern werde auch auf das Gutachten von Stahlmann vom 28.03.2018 verwiesen. Eine asylrelevante Verfolgung sei auch aus dem Grund der Blutrache und der "Verwestlichung" des Beschwerdeführers anzunehmen.

 

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

 

18. Mit Schreiben vom 28.03.2019 übermittelte der bevollmächtigte Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ein Empfehlungsschreiben, Deutschkursbestätigungen sowie Bestätigungen über eine geringfügige Beschäftigung in den Monaten November 2017 bis Jänner 2018.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , im Dorf XXXX , in der Provinz Uruzgan. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist gesund und ledig; er hat keine Kinder. Seine Muttersprache ist Dari.

 

Der Beschwerdeführer wuchs in der Provinz Uruzgan auf. Er besuchte keine Schule und absolvierte keine Berufsausbildung.

 

Er hat keine Familienangehörigen im Herkunftsstaat.

 

Der Beschwerdeführer ist Zivilist.

 

Nach einem Aufenthalt im Iran lebte der Beschwerdeführer ungefähr von Juni 2009 bis Oktober 2014 als Asylwerber in Norwegen. Der Asylantrag wurde abgelehnt und der Beschwerdeführer nach Afghanistan rücküberstellt, wo er sich rund sechs Monate in Kabul aufhielt.

 

Der Beschwerdeführer hat Berufserfahrung als Frisör in Norwegen und als Fliesenleger im Iran.

 

Der Beschwerdeführer reiste 2015 von Afghanistan aus und über den Iran, die Türkei, Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er illegal einreiste und am 28.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer stellte am 28.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

 

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen, aufgrund der Ermordung seiner Eltern verfolgt zu werden, konnte nicht glaubhaft gemacht werden.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines behaupteten Abfalles vom muslimischen Glauben psychischer und oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre noch, dass dies einer der Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes gewesen ist. Personen, die sich - ohne Zuwendung zu einer anderen Religion - lediglich nicht für den Islam interessieren und etwa nicht in die Moschee gehen, sind keiner maßgeblichen Gefahr ausgesetzt. Der Beschwerdeführer geht aktiv keiner (neuen) religiösen Überzeugung nach.

 

Dem Beschwerdeführer droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt

 

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund einer "Verwestlichung" in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

 

Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat Afghanistan auch keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen seiner Rasse, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

 

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

 

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

 

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Uruzgan aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

 

Dem Beschwerdeführer steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem Beschwerdeführer würde bei seiner Rückkehr in diese Stadt kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

 

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat in Afghanistan zwar keine Schulbildung oder Berufsausbildung absolviert, ist aber mobil und anpassungsfähig und hat bereits Berufserfahrung als Frisör und als Fliesenleger in Norwegen und im Iran gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif wird nutzen können.

 

Die Stadt Mazar-e Sharif ist von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.

 

Der Beschwerdeführer ist gesund.

 

Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

 

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

 

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Juni 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

 

Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

 

Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig.

 

Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A2. Er hat an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. In seiner Freizeit spielt der Beschwerdeführer Fußball. Der Beschwerdeführer war einige Monate lang bei der MA 48 geringfügig beschäftigt. Er hat ehrenamtlich als Friseur gearbeitet.

 

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen. Neben losen Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.

 

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

 

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

 

1.5.1. Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

 

1.5.1.1. Herkunftsprovinz Uruzgan

 

Die Provinz ist auch unter den Namen Rozgan oder Uruzganis bekannt und liegt in Zentralafghanistan. Sie grenzt nördlich an die Provinz Daikundi, südlich an Zabul und Kandahar, südwestlich an Helmand und östlich an Ghazni. Die Provinz-Hauptstadt ist Tarinkot (Pajhwok o. D.a). Sie besteht aus folgenden Distrikten:

Shahid-e-Hassas/Charchino, Dehrawud, Tarinkot/Tirinkot, Chora/Chinarto, Khasuruzgan und Gizab. Der Distrikt Gizab, früher Teil von Daikundi, fällt nun unter die Verwaltung von Uruzgan. Eine Abzweigung der Ring Road, die sogenannte Kandahar- Uruzgan-Autobahn, führt durch die Provinz. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

362.253 geschätzt. Uruzgan ist mehrheitlich von Paschtunen und ihren Teilstämmen Popalzi, Achakzai, Noorzai, Barakzai, Alkozai, Durrani bewohnt. Weitere in der Provinz lebende Ethnien sind Hazara und Kuchi (Pajhwok o.D.b).

 

Uruzgan war 2017 die Provinz mit der viert-höchsten Opium-Produktion Afghanistans. Die Regierung plant das Anlegen von Pistazien-Feldern in Kandahar, Uruzgan und Helmand, um den lokalen Bauern eine Alternative zur Opium-Produktion zu bieten. Die Provinz Uruzgan soll 140 Felder bekommen.

 

Der Provinz Uruzgan - lange Zeit eine der umstrittensten Provinzen im Süden des Landes - wird nachgesagt, der Geburtsort des Talibangründers Mullah Omar zu sein. Im Jahr 2001 war sie Ort einer Guerillaoperation - geführt vom ehemaligen Präsident Karzai - um die Taliban zu vertreiben. Die Provinz hat somit für beide Seiten des Konfliktes symbolischen Wert. Sowohl im Dezember 2017, als auch im Jänner und März 2018 zählte Uruzgan Berichten zufolge zu den volatilen Provinzen im Süden Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen sind in einer Anzahl von Distrikten aktiv. Auch zählt Uruzgan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam.

 

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 170 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in Uruzgan 575 zivile Opfer (87 getötete Zivilisten und 488 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und Luftangriffen. Dies bedeutet einen Rückgang von 26% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Uruzgan gehört zu den Provinzen mit der höchsten Anzahl registrierter Anschläge im Jahr 2017.

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte sowie die afghanische Armee führen hartnäckig Anti- Terrorismus Operationen in der Provinz durch, um die Aktivitäten von Aufständischen und Terroristen zu verringern. Insbesondere in den unruhigen Distrikten der Provinz werden regierungsfeindliche bewaffnete Kräfte bekämpft.

 

Die Provinz Uruzgan zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr besteht, dass der Beschwerdeführer ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte.

 

1.5.1.2 Provinz Balkh

 

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar- e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

 

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

 

1.5.2. Sichere Einreise

 

Die Stadt Mazar- e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

 

1.5.3. Wirtschafts- und Versorgungslage

 

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

 

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

 

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).

 

1.5.3.1. Wirtschaftslage der Stadt Mazar-e Sharif

 

Mazar- e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar- e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar- e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar- e Sahrif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.

 

1.5.4. Medizinische Versorgung

 

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar- e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar- e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

 

1.5.5. Ethnische Minderheiten

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

 

Die schiitische Minderheit der Hazara, zu welchen der Beschwerdeführer zählt, macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.

 

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.

 

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.

 

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt. Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke.

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.

 

1.5.6. Religion

 

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten und etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten.

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi- Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung.

 

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll lautislamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte.

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert.

 

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert; so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion. Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze.

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht- muslimischen Glauben deklariert. Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen.

 

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet.

 

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung. Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen.

 

1.5.7. Rückkehrer

 

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

 

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

 

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

 

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

 

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

 

Afghanische Flüchtlinge im Iran

 

Die letzten zwei bis drei Jahre zeigen doch auf eine progressivere Entwicklung für Afghanen im Iran, wo sich die Maßnahmen der iranischen Behörden auf einen höheren Integrationsgrad der Afghanen zubewegen. Die freiwillige Rückkehr der afghanischen Flüchtlinge ist immer noch das Hauptziel der iranischen Flüchtlingspolitik, aber man hat eingesehen, dass dies im Moment nicht in größerem Maße geschehen kann. Deshalb versucht man Maßnahmen zu ergreifen, die die Situation für die Afghanen verbessern, während man darauf wartet, dass eine Rückkehr stattfinden kann. Es gibt heute einen politischen Willen, die Fähigkeit der Afghanen, sich besser selbst zu versorgen und selbstständiger zu werden, zu unterstützen, aber gleichzeitig sind die Ressourcen des Iran begrenzt und dies bedeutet eine große Herausforderung für die iranischen Behörden. Es gibt auch von den iranischen Behörden nicht zuletzt aus sicherheitsmäßigen Aspekten Interesse daran, mehr Kenntnisse über die Anzahl der sich illegal im Land aufhaltenden Staatsbürger zu erhalten. Dieses hatte zur Folge, dass die iranischen Behörden im Jahr 2017 mit einer Zählung (headcount) und der Registrierung der Afghanen, die sich illegal im Land aufhalten, begonnen haben. In dieser ersten Runde hat man einige ausgewählte Kategorien priorisiert, beispielsweise nicht-registrierte Afghanen, die mit iranischen Staatsbürgern verheiratet sind und Kinder in der Schule haben.

 

Im Gegensatz zu Pakistan leben nur 3% der afghanischen Flüchtlinge in Iran in Camps. Auch wenn die Flüchtlingslager für Amayesh-registrierte ("Amayesh" ist die Bezeichnung für das iranische Flüchtlingsregistrierungssystem, Anm.) Personen vorgesehen sind, leben dort in der Praxis auch nicht-registrierte Afghanen.

 

Die Mehrheit der Afghanen, die sich sowohl legal als auch illegal im Land aufhalten, wohnen in von Afghanen dominierten urbanen und halb-urbanen Gebieten. Schätzungen zufolge leben circa 57% der Afghanen im Iran in der Provinz Teheran, Isfahan sowie Razavi-Chorsan (mit Maschhad als Hauptort). Um die 22% leben in den Provinzen Kerman, Fars und Ghom, während die Übrigen in den anderen Provinzen verteilt sind. Die afghanische Flüchtlingspopulation im Iran besteht aus einer Anzahl unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Schätzungen über die registrierten Afghanen zufolge gehört die Mehrheit von ihnen der Ethnie der Hazara an, gefolgt von Tadschiken, Paschtunen, Belutschen und Usbeken. Es fehlen Zahlen zur nicht-registrierten Gemeinschaft, dennoch stellen auch hier die Hazara und die Tadschiken eine Mehrheit dar.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Namen, Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der mangelnden Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens und ist seine Identität für dieses Verfahren hinreichend geklärt.

 

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Dänemark und in Norwegen Asylanträge gestellt hat, ergibt sich aus den im Verwaltungsakt (vgl. dort AS 75ff) befindlichen Schreiben der dänischen und norwegischen Asylbehörden.

 

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

 

2.2.1. Der Beschwerdeführer brachte als fluchtauslösende Ereignisse im Wesentlichen vor, dass seine Eltern vor vielen Jahren von einer feindlichen Gruppierung getötet worden seien und der Beschwerdeführer Afghanistan deshalb verlassen habe müssen. Außerdem gehöre er keiner Religion an bzw. sei vom islamischen Glauben abgefallen und könne daher nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren. Weiters würde er aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara in Afghanistan umgebracht werden.

 

2.2.2. Die belangte Behörde kommt im angefochtenen Bescheid zum Schluss, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnte und ist aus folgenden Gründen im Recht:

 

2.2.2.1. Zunächst ist zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung, befragt zu seinen Fluchtgründen, angegeben hat, er habe Afghanistan aufgrund eines persönlichen Problems verlassen (vgl. AS 19). Von den in weiterer Folge geschilderten Fluchtgründen (Ermordung der Eltern, Religionsaustritt, Volksgruppenzugehörigkeit) war in der Erstbefragung keine Rede.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung "insbesondere

der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden ... und

hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen" (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12). Diese Regelung bezweckt den Schutz der Asylwerber davor, sich im direkten Anschluss an die Flucht aus ihrem Herkunftsstaat vor uniformierten Staatsorganen über traumatische Ereignisse verbreitern zu müssen, weil sie unter Umständen erst vor kurzem vor solchen geflohen sind, weshalb an die dennoch bei der Erstbefragung erstatteten, in der Regel kurzen Angaben zu den Fluchtgründen im Rahmen der Beweiswürdigung keine hohen Ansprüche in Bezug auf Stringenz und Vollständigkeit zu stellen sind (vgl. auch VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189 mwN). Ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

 

Es wird daher im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des Beschwerdeführers nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Es ist dem Beschwerdeführer aber sehr wohl vorzuwerfen, dass er seine angeblichen Fluchtgründe nicht zumindest erwähnt hat. Die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers wird daher bereits durch diesen Umstand massiv geschmälert.

 

Noch dazu ist besonders hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung vorgebracht hat, dass er - entgegen seinem späteren Vorbringen - schiitischer Moslem sei (vgl. AS 9).

 

Bei der hier im Blickfeld der Beweiswürdigung stehenden Aussage zum eigenen Religionsbekenntnis des Beschwerdeführers handelte es sich aber nicht um die Darstellung des - bei der Erstbefragung nicht im Vordergrund stehenden und im Detail auszubreitenden - Fluchtgrundes, sondern die Religionszugehörigkeit gehört, neben Geburtsdatum, Geburtsort, Beruf und Ausbildung, zu den Merkmalen der Identität, die bei der Erstbefragung gerade im Zentrum stehen, ermittelt und festgehalten werden sollen.

 

Da der "Religionsaustritt" in weiterer Folge zudem als einer der Gründe für eine drohende Verfolgung in Afghanistan vorgebracht wurde und der Beschwerdeführer in der Einvernahme bei der belangten Behörde am 29.06.2015 angab, bereits seit neun bis zehn Jahren ohne Religionsbekenntnis zu sein (vgl. AS 183), ist es völlig unverständlich, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung eine Zugehörigkeit zum Islam bejaht hat. Bereits diese Widersprüche und Unstimmigkeiten lassen nur den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer - wie in weiterer Folge noch näher ausgeführt - keine asylrelevante Verfolgung aufgrund religiöser Gründe in Afghanistan zu befürchten hat.

 

Nicht unerwähnt bleiben darf, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung unter Punkt 5. ("Angaben über Familienangehörige im Herkunftsland oder anderen Drittstaaten") seinen Vater und seine Mutter erwähnt hat (vgl. AS 13), obwohl er in weiterer Folge erzählte, dass seine Eltern bereits vor vielen Jahren getötet worden seien und dieser Vorfall ein Grund für seine Ausreise aus Afghanistan gewesen sei.

 

Auch dieser Umstand trägt zusammenfassend ausgeführt nicht zur Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers als Person bei.

 

2.2.2.2. Zum vorgebrachten Fluchtgrund, dass die Eltern des Beschwerdeführers ermordet worden seien, ist zunächst einmal zu sagen, dass der Beschwerdeführer dies erstmals in der Einvernahme bei der belangten Behörde vorgebracht hat. Er gab an, dass sein Vater einer Gruppe namens "Sepah" angehört habe und es Differenzen mit den feindlichen "Mujahedin" gegeben habe. Der Vater und die Mutter seien von diesen getötet worden (vgl. AS 179f). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung bestätigte er - im Rahmen der Befragung zu seiner Identität, Herkunft und den persönlichen Lebensumständen - diese Angaben und erklärte ergänzend, dass sein Vater und sein Onkel Mitglieder von "Sepah" gewesen seien. Es sei zu einer militärischen Auseinandersetzung gekommen und sein Vater sei im Kampf getötet worden. Seine Mutter sei in derselben Nacht zu Hause getötet worden. Der Onkel habe den Beschwerdeführer zuvor abgeholt und in den Iran gebracht. Der Beschwerdeführer habe erst im Iran vom Tod der Eltern erfahren. Unterlagen, die den Mord an seinen Eltern belegen, könne er nicht vorlegen (vgl. S 12f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017). Der Beschwerdeführer legte lediglich einen Artikel vor, der bestätigen soll, dass sein Onkel väterlicherseits damals ein Kommandant gewesen sei und sein Vater ebenfalls für diese Gruppe gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer wurde vom erkennenden Richter aufgefordert zu schildern, was diesem Artikel zu entnehmen sei. Der Beschwerdeführer erklärte, dass die Schrift auf dem Dokument, bis auf die Überschrift, unleserlich sei: "Parteien Afghanistans". Die Parteien seien Mehrzahl. Für ihn sei noch leserlich, dass die Schrift über dem ersten Foto in der Mitte "Iwaz Ali Etemadi" sei. Das sei der Name des Mannes auf dem Foto in der Mitte. Der Dolmetscher ergänzte die Aussage, wonach auf einer kleinen Überschrift im Kopf des Dokumentes "Gründung Wahadat" stehe. Dabei könnte es sich laut Dolmetscher um eine Partei handeln. Der Beschwerdeführer gab in diesem Zusammenhang wenig nachvollziehbar an, dass ihm das Originaldokument auf dem Seeweg in Eile mit seinem Pass ins Wasser gefallen sei. Er habe ein Foto von diesem Dokument in seinem Handy gehabt und das Foto hier entwickeln lassen (vgl. S 6 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017).

 

Zu der vom Dolmetscher genannten "Wahadat" Partei sagte der Beschwerdeführer, der Artikel handle von dieser Partei. Manche Mitglieder der Partei seien auf dem Foto abgebildet. Wie der Dolmetscher laut gelesen habe, von der Person namens Rahimi, stehe auch ein Foto darauf. Darunter auch das Foto seines Onkels väterlicherseits namens Haji Samad. Der Beschwerdeführer argumentierte, er sei damals klein gewesen. Er könne nur das Foto seines Onkels in diesem Artikel erkennen (vgl. wiederum S 6 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017). Der Aufforderung des erkennenden Richters, das Dokument in besserer Qualität vorzulegen, konnte der Beschwerdeführer trotz Versprechen ("BFV gibt informativ bekannt, dass er versuchen wird, den Artikel im Rahmen der Stellungnahme leserlich vorlegen wird und einen Beweisantrag hiezu formulieren wird", vgl. S 13 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017) bis zum heutigen Tag nicht nachgekommen ist und erachtete dies das Bundesverwaltungsgericht auch im Hinblick auf die mangelnde Beweiskraft eines Zeitungsartikels als nicht maßgeblich, die Echtheit dieses Beweismittels amtswegig zu erforschen.

 

Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Beschwerdeverhandlung - im Rahmen der Befragung zu den konkreten Fluchtgründen - noch einmal aufgefordert, zur vorgebrachten Ermordung seiner Eltern durch eine feindliche Gruppe weitere Angaben zu machen und zu schildern, wovor er konkret im Falle einer Rückkehr Angst habe. Der Beschwerdeführer antwortete aber nur, dass er damals sehr klein gewesen sei und darüber nicht viele Angaben machen könne (vgl. S 22 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017).

 

Insgesamt kommt der erkennende Richter hinsichtlich des vorgebrachten Fluchtgrundes der Ermordung der Eltern des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis, dass die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers vage und nicht substantiiert sind, durch keinerlei taugliche Beweise untermauert werden und daher nicht glaubhaft gemacht wurden. Die geschilderten Vorfälle liegen zudem - selbst bei Wahrheitsunterstellung - zeitlich so weit zurück, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer nicht erkannt werden kann, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr aus Norwegen im Jahr 2014 rund ein halbes Jahr unbehelligt in Kabul leben konnte und jedenfalls hinsichtlich der früheren Probleme seiner Eltern keine aktuellen Vorfälle geltend gemacht hat.

 

2.2.2.3. Zum behaupteten Religionsaustritt ist vorweg noch einmal auf die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers hinzuweisen:

 

War der Beschwerdeführer in der Erstbefragung seinen Angaben zufolge noch schiitischer Moslem, so erzählte er in Einvernahme bei der belangten Behörde, dass er bereits seit neun bis zehn Jahren ohne religiöses Bekenntnis sei. Während seines letzten Aufenthaltes in Kabul in den Jahren 2014/2015 sei eine Frau namens "Farkhander" getötet worden, weil sie den Koran verbrannt habe. Der Beschwerdeführer habe deshalb mit Leuten gestritten und habe eine Stichverletzung davongetragen (vgl. AS 179f).

 

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu diesem Vorfall befragt und gab an, er habe in Kabul in einem Hotel/ einer Pension gewohnt und sei beim Frühstück gesessen, als im Fernsehen über dem Tod dieser Frau namens "Farkhander" berichtet worden sei. Sie sei wegen dem Koran getötet worden. Es sei eine Diskussion entstanden und der Beschwerdeführer habe seinen Unmut gegen den Koran deutlich gemacht. Am Tisch seien auch drei Mullahs gesessen. Der Beschwerdeführer sei angegriffen und als Ungläubiger bezichtigt worden. Von diesem Vorfall habe er eine Schnittwunde am Unterarm und am Handgelenk davongetragen (vgl. S 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017).

 

Der Beschwerdeführer konnte diesen Vorfall aber nicht glaubhaft machen. Es ist aus Sicht des erkennenden Richters nämlich nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer, hätte dieser Vorfall wie geschildert stattgefunden, relativ problemlos aus der für ihn heiklen Situation entkommen konnte.

 

Zudem schilderte er die Umstände der Flucht selbst widersprüchlich:

 

Der Beschwerdeführer gab an, dass er zuerst von den drei Mullahs angegriffen worden sei. Unmittelbar danach seien alle anderen Menschen auch aufgestanden und haben auch auf ihn eingeschlagen (vgl. 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017). Dass er in Anbetracht der großen Gegnerzahl dennoch "durch die Hintertür des Hotels" fliehen konnte ist nicht glaubwürdig, insbesondere da er aufgrund seiner Verletzungen sicherlich in seiner Beweglichkeit und Reaktion beeinträchtigt und daher leicht zu verfolgen gewesen wäre. Dem Beschwerdeführer ist zudem vorzuhalten, dass er angab, unmittelbar nach dem Angriff durch die Hintertür des Hotels geflüchtet zu sein und gleich den Schlepper angerufen zu haben. Befragt, wo seine Sachen gewesen seien und was er bei sich gehabt habe, sagte der Beschwerdeführer, er habe nicht vieles bei sich gehabt, nur eine Tasche und ein paar Kleidungsstücke wie eine Hose, eine Jacke und zwei T-Shirts. Befragt, warum der Beschwerdeführer mit einer Tasche, einer Hose und einer Jacke, im Restaurant seines Hotels gegessen habe, antwortete er, dass er nicht mit seiner Tasche essen gewesen sei. Seine Tasche habe sich in seinem Zimmer befunden. Auf Vorhalt, er habe vorhin angegeben, gleich nach dem Vorfall durch die Hintertür geflüchtet zu sein, erklärte der Beschwerdeführer abschweifend und nicht konkret auf die Frage bezogen, dass der Speisesaal des Hotels ungefähr so wie hier sei. Es gäbe eine Tür zwischen dem Saal und der Küche. Eine andere Tür gäbe es, wo die Menschen hereinkommen (vgl. 17f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017).

 

Den aufgezeigten Widerspruch löst dieser Erklärungsversuch des Beschwerdeführers jedenfalls nicht auf.

 

Weiters befragt, was der Beschwerdeführer, als er das Hotel verlassen habe, außerhalb der Tasche, deren Inhalt er vorhin angegeben habe und der Kleidung, welche er am Körper selbst getragen habe, noch bei sich gehabt habe, sagte der Beschwerdeführer plötzlich anderslautend, in seiner Tasche haben sich eine Jacke, eine Hose und zwei T-Shirts befunden. Diese Tasche habe er bei der Flucht nicht mitgehabt. Diese Tasche habe sich im Zimmer befunden. Der Reisepass sei in seiner Hosentasche gewesen. Befragt, warum er das nicht von sich aus angegeben habe, sagte der Beschwerdeführer, er habe es so ungefähr gesagt, aber wie der erkennende Richter es verstanden habe, könne er nicht sagen. Auf Nachfrage an den Dolmetscher gab dieser aber an, dass der Beschwerdeführer das Wort Reisepass in seiner Beantwortung der Fragen nicht gesagt habe (vgl. S 17f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017). Der Beschwerdeführer gab nochmals an, dass er bei seiner Flucht die Tazkira und seinen Pass in seiner Hosentasche gehabt habe und auch sein Handy. Die andere Kleidungstasche habe er nicht dabeigehabt. Erneut befragt ob er vor dem Verlassen des Hotels noch sein Zimmer aufgesucht habe, sagte der Beschwerdeführer, der Vorfall sei in der Früh passiert. Er sei beim Essen gewesen und sie haben diesen Bericht im Fernsehen "geschaut". Er habe seine Tazkira, seinen Pass und sein Telefon bei sich gehabt. Die andere Tasche sei in seinem Zimmer gewesen (vgl. S 19 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017).

 

In Zusammenschau der aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass der Vorfall, bei dem er im Zuge eines Streites wegen islamkritischen Aussagen verletzt worden sei, tatsächlich und in der geschilderten Art und Weise stattgefunden hat.

 

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erstmals angegeben hat, er habe dem Schlepper erzählt, dass er Afghanistan verlassen möchte, weil er auch von der Polizei verfolgt werde. Auf Nachfrage des erkennenden Richters, warum er von der Polizei verfolgt werde, sagte der Beschwerdeführer kryptisch, er werde vielleicht verfolgt, weil er keine Religion habe und weder an Gott, noch an den Koran glaube. Nachgefragt, ob er Angst habe, von der Polizei verfolgt zu werden oder tatsächlich von der Polizei verfolgt werde, sagte der Beschwerdeführer, er habe zu dem Zeitpunkt sehr viel Angst gehabt. Davor habe er auch Angst gehabt: Angst, überfallen zu werden. Nach diesem Vorfall habe er noch mehr Angst gehabt (vgl. S 19 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017).

 

Mit diesen nicht substantiierten Aussagen konnte der Beschwerdeführer weder eine bereits erlittene Verfolgung durch die afghanische Polizei noch eine drohende Gefahr glaubhaft machen. Die geschilderte "Angst" ist in keiner Weise konkret und daher nicht nachvollziehbar.

 

2.2.2.4. Auch die weiteren Angaben des Beschwerdeführers zu seiner behaupteten Abkehr vom Islam sind in Zusammenschau der Umstände nicht geeignet darzulegen, dass der Beschwerdeführer aufgrund des behaupteten Religionsaustrittes asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat zu befürchten hätte:

 

Zur Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0426, mit Verweis auf VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0091-0092, mwN). Nach ergangenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs vom 26.02.2018, E 3296/2017/16, kommt für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion handelt, der inneren (Glaubens-)Überzeugung maßgebliche Bedeutung zu und ist dabei insbesondere der persönliche Eindruck wesentlich.

 

Ein ähnlicher Beurteilungsmaßstab hat somit auch bei der Beurteilung der Frage, ob eine Apostasie, also ein Abfall vom muslimischen Glauben, tatsächlich dauerhaft vorliegt, zu gelten.

 

Die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht haben den Eindruck von einem jungen Mann vermittelt, der der Religion sehr kritisch gegenübersteht. Er sieht die Religion als etwas, das er von seinen eigenen Vorfahren geerbt hat und das mit vielen Vorschriften verbunden ist. Man müsse laut Koran beten und fasten. Es gäbe strikte Kleidervorschriften und im Namen der Religion werden Frauen und Kinder unterdrückt und getötet. An so eine Religion könne man nicht glauben (vgl. S 21 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017).

 

Für den erkennenden Richter entstand somit der Eindruck, dass sich der Beschwerdeführer insbesondere an den strengen Verhaltensregeln des Islam stört. Ein dauerhafter Abfall vom Glauben konnte jedoch nicht erkannt werden, allenfalls ein Desinteresse, welches schon aufgrund der Wortwahl einer "Verleugnung" des Islam keinesfalls nahekommt. Dies insbesondere aufgrund seiner - wie bereits dargestellten - widersprüchlichen Aussagen zwischen Erstbefragung und Einvernahme bei der belangten Behörde und seiner Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, wo er auch nicht in der Lage war, ein Schlüsselerlebnis für seine behauptete Abkehr vom Glauben anzugeben. Dazu befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er der Meinung sei, alle Menschen haben die gleichen Rechte, sowohl Frauen, Kinder und Männer. Nach Wiederholung der Frage nach seinem Schlüsselerlebnis, gab der Beschwerdeführer an, die wichtige Rolle in seinem Leben sei die willkürliche Tötung der Kinder und Frauen gewesen. Danach habe er geglaubt, das könne nicht der Koran, der Gott und die Religion sein. In Afghanistan werden täglich Anschläge verübt. Dabei kommen Zivilisten ums Leben. Wenn diese Menschen dort an Gott glauben, frage er sich, warum dieser Gott ihnen nicht helfe (vgl. S 21 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017). Der Beschwerdeführer vermittelt mit diesen Aussagen den Eindruck, den muslimischen Glauben mit den kriegerischen Auseinandersetzungen in muslimischen Ländern gleichzusetzen und seine kritische Haltung gegenüber dem Islam aufgrund der negativen Assoziationen, die damit in Verbindung gebracht werden, zu haben.

 

Erneut vom erkennenden Richter befragt, wann der Beschwerdeführer die willkürliche Tötung von Frauen und Kindern gesehen habe bzw. wann das Schlüsselerlebnis gewesen sei, sagte der Beschwerdeführer, er habe nach der Ermordung seiner Eltern keinen Glauben mehr gehabt. Hätte es den Koran und den Gott gegeben wären seine Eltern nicht getötet worden (vgl. S 21f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017). Folgt man dieser Aussage, so liegt das "Schlüsselerlebnis" schon sehr viele Jahre zurück und ist es nicht nachvollziehbar, wieso der Beschwerdeführer erst im Jahr 2017 in Österreich, also viele Jahre nach den Geschehnissen in Afghanistan, seinen Religionsaustritt durchführt. Auffallend und als wesentlich zu berücksichtigen ist auch der Umstand, dass diese Austrittserklärung des Beschwerdeführers vom 24.11.2017 somit erst fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung vor dem Magistrat der Stadt Wien abgegeben wurde.

 

Auf Vorhalt, dass er bereits bei der belangten Behörde am 17.11.2016 angegeben habe, ohne Bekenntnis zu sein, aber erst knapp vor der mündlichen Beschwerdeverhandlung tatsächlich seinen Religionsaustritt vor einer Behörde erklärt zu haben, sagte der Beschwerdeführer, er sei vor einigen Jahren aus der Religion ausgetreten, als er von Norwegen nach Afghanistan rücküberführt worden sei. Aufgrund dieser Sache habe er nicht in Afghanistan leben können. Er sei zum Magistrat gegangen und habe die Sache dort dargelegt und habe eine Bestätigung verlangt (vgl. S 16 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017).

 

Diese Begründung des Beschwerdeführers ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ebenso wie die vorgelegte Austrittserklärung nicht geeignet, einen dauerhaften Abfall vom islamischen Glauben zu dokumentieren. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass diese Austrittserklärung noch unmittelbar vor Durchführung der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer abgegeben wurde, um sich eine günstigere Position im Asylverfahren zu verschaffen. Ein dauerhafter Abfall vom muslimischen Glauben, kann dadurch aber - wie bereits erwähnt - nicht glaubhaft gemacht werden und ist in einer kritischen Haltung auch kein explizit feindlicher Auftritt des Beschwerdeführers gegenüber dem Islam erkennbar.

 

Unglaubwürdig und an dieser Stelle der Beweiswürdigung besonders hervorzuheben ist schließlich auch die Erklärung des Beschwerdeführers auf die Frage, weshalb er nicht bereits während seines Aufenthaltes in Norwegen den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft angemeldet habe: Es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass dort Religionsfreiheit herrsche und dass man dort auch Freiheiten habe, mit oder ohne Religion zu leben. Am Anfang seines Aufenthaltes in Norwegen habe er geglaubt, dass die Gesetze dieses Landes genauso seien wie im Iran und Afghanistan.

 

Auf Nachfrage, ob er geglaubt habe, dass Norwegen eine islamische Republik sei, sagte der Beschwerdeführer, er habe gedacht, dass die ganze Welt so wie Afghanistan und der Iran sei. Dass die Religion Islam überall auf der ganzen Erde herrsche. Nach einigen Jahren seines Aufenthaltes in Norwegen sei ihm erst bewusstgeworden, dass man sehr viele Freiheiten habe (vgl. S 20 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017).

 

Dass der Beschwerdeführer zu Beginn seines Aufenthaltes in einem westlichen Land eine derartige Denkweise gehabt hat, ist unter Umständen noch nachvollziehbar. Dass er aber innerhalb seines fünfjährigen Aufenthaltes in Norwegen nicht offiziell vom islamischen Glauben ausgetreten ist, ist nicht verständlich. Vielmehr zeigt es auch, dass das Thema "Religion" bzw. "Religionsaustritt" für den Beschwerdeführer - weder in Norwegen noch in Österreich - bestimmend bzw. übermäßig relevant war. Ansonsten hätte er den Religionsaustritt nicht erst kurz vor der Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers überzeugt den erkennenden Richter davon, dass der Beschwerdeführer zwar ein junger Mann ist, der sich mit Glaubensfragen beschäftigt und aktuell auf der Suche nach einer religiösen Identität ist, es liegt bei ihm aber keine - wie von der Rechtsprechung gefordert - dauerhaft verfestigte Glaubensüberzeugung vor. Der Beschwerdeführer konnte somit nicht glaubhaft darlegen, dass bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund des Abfalls vom islamischen Glauben eine konkrete Verfolgungsgefahr für ihn bestehen würde.

 

Dass eine Person mit einem solchen Profil bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Verfolgung ausgesetzt wäre, ergibt sich aus einer Gesamtschau der in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen (insbesondere auch der vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachten ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation:

Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Situation von 1] vom Islam abgefallenen Personen [Apostaten], 2] christlichen KonvertitInnen, 3] Personen, die Kritik am Islam äußern, 4] Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5] Rückkehrern aus Europa [jeweilige rechtliche Lage, staatliche und gesellschaftliche Behandlung, Diskriminierung, staatlicher bzw. rechtlicher Schutz bzw. Schutz durch internationale Organisationen, regionale Unterschiede, Möglichkeiten zur Ausübung des christlichen Glaubens, Veränderungen hinsichtlich der Lage der christlichen Gemeinschaft] [a-10159], 01.06.2017). In dieser Anfragebeantwortung wird klar unterschieden zwischen Personen, die vom Islam "abgefallen" sind oder "Kritik am Islam äußern" einerseits und Personen, die sich (bloß) "nicht an die Regeln des Islam halten".

 

Insbesondere geht daraus festgestelltermaßen hervor, dass Personen, die sich - ohne Zuwendung zu einer anderen Religion - lediglich nicht für den Islam interessieren und etwa nicht in die Moschee gehen, keiner Gefahr ausgesetzt sind. Grundsätzlich ist zu erwähnen, dass der Abfall vom Islam nach islamischem Recht mit massiven Strafen bedroht ist und ein solches Verhalten aus rechtlicher Sicht schon verwirklicht ist, wenn der Islam verleugnet wird. Faktisch stellt sich die Situation jedoch - wie sich einerseits aus der oa. ACCORD-Anfrage vom 01.06.2017, andererseits aber auch derart dar, dass erst bei offener Kritik am Islam bzw. erkennbar angenommenen anderen Glauben Probleme auftreten. Für das gegenständliche Beschwerdeverfahren bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer einen mit seiner Religion zusammenhängenden Vorfall in seiner Heimat sowie seine dauerhafte Abkehr vom Islam - wie oben dargelegt - nicht glaubhaft gemacht hat. Vielmehr fällt er - wie dargelegt - in die Kategorie "nicht an die Regeln des Islam halten".

 

Dass er allein wegen seiner behaupteten Abneigung, sich an die Regeln des Islam zu halten, seines Desinteresses und seiner kritischen Haltung gegenüber dem Islam, Verfolgung zu befürchten hat, kann nicht erkannt werden und wird auch keine Änderung in seinem bisherigen Aussageverhalten oder Vorlage neuer Beweismittel in der Stellungnahmemöglichkeit, die dem Beschwerdeführer im Zuge der am 05.02.2019 übermittelten Schreibens eingeräumt wurde, behauptet oder vorgelegt.

 

2.2.2.5. Der Beschwerdeführer stützte sein Fluchtvorbringen auch darauf, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre. In der Einvernahme bei der belangten Behörde sagte er, dass er als Hazara in Afghanistan getötet werde (vgl. AS 179). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer befragt, ob er aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit persönlich bedroht worden sei. Der Beschwerdeführer schilderte, dass er nicht persönlich bedroht worden sei, weil er auch selten das Hotel verlassen habe, aber wenn er selten draußen gewesen sei, habe er sehr viel Angst gehabt. Er habe auch das Gefühl gehabt, dass er von einer Person verfolgt werde. Er habe Angst vor Attentaten gehabt (vgl. S 20 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017). Befragt, ob er noch etwas Ergänzendes zur behaupteten Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppen der Hazara vorbringen möchte, sagte der Beschwerdeführer, Hazara werden insbesondere in ihren Moscheen angegriffen und auch Angehörige der Nationalarmee, die zur Volksgruppe der Hazara zugehören, werden angegriffen. Die Angreifer werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Es gäbe tagtäglich Tötungen der Hazara. Darüber werde nicht berichtet. Diese Tötungen seien sowohl in größeren Städten als auch in den ländlichen Bereichen üblich. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen auszuführen, ob er persönlich wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden sei. Der Beschwerdeführer antwortete, er habe aufgrund der Religion Probleme in Afghanistan, deshalb könne er nicht in Afghanistan leben. Er sei ein Hazara. Er könnte auch in Afghanistan verfolgt werden. Aufgrund der Feindschaft seines Vaters mit dieser Gruppe. Sollte diese Gruppe mitbekommen, dass er in Afghanistan sei, werde er auch umgebracht (vgl. S 22 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017).

 

Die Aussagen des Beschwerdeführers sind lediglich allgemein gehalten bzw. basieren auf Mutmaßungen und war er daher nicht in der Lage eine konkret gegen ihn gerichtete, asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara glaubhaft zu machen.

 

In der Beschwerde machte der Beschwerdeführer geltend, dass er auch aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthaltes in intensiver Gefahr sei, als "verwestlicht" angesehen zu werden.

 

Aus der Berichtslage lässt sich aber für Afghanen im Hinblick auf einen langjährigen Aufenthalt im Iran (und in Europa) und einer damit zusammenhängenden "Verwestlichung" allgemein keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretende Verfolgungsgefahr bzw. Diskriminierungsgefahr von asylrelevanter Intensität ableiten noch wurden solche vom Beschwerdeführer selbst glaubhaft ausgeführt.

 

2.2.2.6. Aus einer Gesamtschau der oben angeführten Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren ergibt sich, dass eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus asylrelevanten Gründen in seinem Herkunftsstaat nicht glaubhaft gemacht werden konnte und nicht maßgeblich wahrscheinlich ist.

 

Es konnte weder eine konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete asylrelevante Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen bei einer Rückkehr für wahrscheinlich erscheinen lassen.

 

2.3. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde und den Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.

 

Der erkennende Richter kommt unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, wonach die Provinz Uruzgan zu den volatilen Provinzen zählt, zum Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in diese Provinz allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist.

 

Es ist dem Beschwerdeführer hingegen möglich, in die Stadt Mazar-e Sharif als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative zurückzukehren. Mazar- e Sharif ist, wie aus den zitierten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, für Zivilisten, wie es der Beschwerdeführer ist, weitgehend sicher, sodass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in diese Stadt mit keinen Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit zu rechnen hat. Sein Fluchtvorbringen wird, wie schon oben ausgeführt, als nicht glaubhaft erachtet, woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht Gefahr laufen wird, aus einer individuellen Bedrohung ernsthaft Schaden zu nehmen. Eine Reise nach Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher und legal möglich, die Kosten für die Anreise werden ihm im Rahmen der Rückkehrhilfe grundsätzlich ersetzt.

 

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in der Lage sein wird, in Mazar- e Sharif für seine grundlegendsten Bedürfnisse selbst aufzukommen, obwohl er keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in dieser Stadt hat, ergeben sich aus seinen eigenen Angaben im gegenständlichen Asylverfahren unter Berücksichtigung der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen. Laut den zitierten EASO Leitlinien vom Juni 2018 ist in der Stadt Mazar- e Sharif die Lebensmittelsicherheit gewährleistet und die darin unter Punkt 1.5.3.1 genannte Basisinfrastruktur steht dem Beschwerdeführer zur Verfügung. Dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergibt sich insbesondere auch aus den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Länderfeststellungen, wonach jedenfalls zweifelsfrei feststeht, dass derzeit, trotz der Dürre im Umland, keine exzeptionellen Umstände in dieser Stadt gegeben sind, die annehmen lassen würden, dass der Beschwerdeführer dort keine Lebensgrundlage vorfindet, und von ihm die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.

 

Aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse sind die Lebensgrundlage und die Existenz des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr bei Inanspruchnahme der angebotenen Rückkehrhilfe auch ohne soziales Netz und finanzielle Unterstützung durch seine Familie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausreichend gesichert.

 

Die diesbezüglichen Feststellungen decken sich auch mit den diesem Verfahren zugrundliegenden UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, wonach UNHCR der Auffassung ist, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist zwar der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne besonderen Gefährdungsfaktoren, wie es der Beschwerdeführer ist, dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (vgl. S 134f der UNHCR Richtlinie vom 30.08.2019 in der deutschen Übersetzung).

 

Im Gutachten von Stahlmann, welches der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zitiert, wird zwar der Schluss gezogen, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestehe. Dabei ist jedoch zu beachten, dass in diesem Gutachten eine subjektive Quellenauswahl und Quelleninterpretation vorgenommen wird. Von regionalen Einzelfällen werden Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit gezogen. Die Gutachterin trifft zur Sicherheitslage in Afghanistan teilweise nur sehr allgemein gehaltene Aussagen, die im Übrigen einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen, und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen vollkommen außer Acht. Insbesondere weist das Gutachten von Stahlmann nicht denselben Beweiswert für das erkennende Gericht auf, wie länderkundliche Informationen (z.B. Länderinformationsblatt, UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2019, EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018), die einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchliefen, und vermag daher die auf objektiven und für jedermann nachvollziehbaren Quellen beruhenden Länderinformationen nicht zu entkräften.

 

Im gegenständlichen Verfahren nahm das Bundesverwaltungsgericht eine individuelle Einzelfallprüfung vor, wie sie sowohl von EASO als auch von UNHCR für die Annahme einer innerstaatlichen Flucht- und Schutzalternative gefordert wird. Das erkennende Gericht kommt zu dem Schluss, dass entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers, in seinem Fall eine Rückkehr nach Afghanistan möglich und zumutbar ist.

 

Der Beschwerdeführer ist nach seinen eigenen glaubhaften Angaben in der Beschwerdeverhandlung gesund. Ausgehend von diesen Ermittlungsergebnissen wird keine Feststellung getroffen, dass der Beschwerdeführer auch im Falle seiner Rückkehr aufgrund seines Gesundheitszustandes in einen unmittelbaren lebensbedrohlichen Zustand geraten wird bzw. dass keine Gründe gesundheitlicher Natur einer Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat entgegenstehen.

 

2.4. Zu den Feststellungen zum (Privat) Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

 

Betreffend das Privatleben und die Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden dessen Angaben in den mündlichen Beschwerdeverhandlungen (vgl. S 13ff der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017) sowie die von ihm im Laufe des Verfahrens vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.

 

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug.

 

2.5. Zu den Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

 

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

Die Parteien des Verfahrens haben alle genannten Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme vom erkennenden Gericht übermittelt bekommen und haben von diesem Recht auch teilweise Gebrauch gemacht.

 

Die vom Beschwerdeführer in seinen Stellungnahmen zitierten Länderinformationen finden Großteils Deckung in dem von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erstellten Länderinformationen zu Afghanistan. Insoweit es hier Abweichungen zu den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen gibt, wird dem entgegengehalten, dass diese Länderinformationen der Staatendokumentation auf dem aktuellen Stand sind, und alle, für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Aspekte berücksichtigen.

 

Insoweit in der Stellungnahme vom 05.02.2019 auf die schlechte Sicherheitslage in Kabul und Herat Bezug genommen wird, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer, folgend der Empfehlung der UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Mazar-e Sharif, nicht jedoch nach Kabul oder Herat verwiesen wird.

 

Der Beschwerdeführer nimmt in seiner Stellungnahme vom 19.12.2017 Bezug auf die in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Gutachten von Mag. Karl Mahringer. Dazu ist lediglich auszuführen, dass diese Gutachten nicht in die gegenständliche Entscheidung einbezogen wurden und insbesondere keine Feststellungen basierend auf diesen Gutachten getroffen wurden.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

 

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).

 

3.1.2. Wie oben ausgeführt ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine begründete Furcht vor Verfolgung darzutun. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer asylrelevante Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

 

Da sich weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beschwerdeführers ergeben haben, ist kein unter

Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar.

 

Darüber hinaus ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 auch dann abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht (vgl. die untenstehenden Ausführungen zu § 8 Abs. 3 AsylG 2005).

 

3.1.3. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, gelang es dem Beschwerdeführer auch nicht, eine konkrete Gefahr vor Verfolgung gegen seine Person aus Gründen des behaupteten "Abfalls vom Glauben" glaubhaft zu machen.

 

Es konnte vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft dargelegt werden, dass bei ihm eine solch dauerhaft verfestigte innere Glaubensüberzeugung vorliegt, die es ihm unmöglich machen würde, nach Afghanistan zurückzukehren, da ihm dort aufgrund seiner inneren Glaubensüberzeugung eine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung drohen würde. Auf Basis der oben dargelegten Rechtslage (bzw. Rechtsprechung) kann bei den hier getroffenen Feststellungen daher nicht von einer maßgeblichen Gefährdung aufgrund der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Distanz vom Islam ausgegangen werden (dazu, dass sich diese im Fall des Beschwerdeführers bloß als mangelnde Praxis bzw. als Desinteresse an seiner vorbestehenden Religionszugehörigkeit manifestiert, siehe die einschlägigen Feststellungen und beweiswürdigenden Überlegungen). Es kann daher auch aus diesem Grund nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, droht.

 

3.1.4. Auch eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers in Afghanistan aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara konnte nicht festgestellt werden.

 

In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob der Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Afghanistan auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:

 

Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind. In einer Gesamtschau der vorliegenden Länderberichte erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan für gegeben zu erachten.

 

Auch der Verwaltungsgerichtshof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara irgendwo in Afghanistan an, zum Unterschied zur Region Quetta Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048).

 

Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.

 

3.1.5. Auch wenn der Beschwerdeführer ein oder mehrere Risikoprofile der UNHCR-Richtlinien erfüllen würde, führt dies nicht per se zu einer asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung. Vielmehr erfordern die gegenständlichen UNHCR-Richtlinien eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass zu keinem Zeitpunkt eine konkrete auf Beschwerdeführer bezogene Verfolgung in Afghanistan festgestellt werden konnte.

 

Der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde daher zu Recht abgewiesen.

 

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind nach der Statusrichtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden (Art. 15 lit. a und b), sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (lit. c) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/01606-12).

 

Unter Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573).

 

Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Diese Gefährdung bzw. Bedrohung muss von einem Akteur im Sinne des Art. 6 der Statusrichtlinie ausgehen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/01606-12).

 

Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikels 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095).

 

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 30.06.2005, 2002/20/0205, mwN). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0588).

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.

 

3.2.2. Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

 

§ 11 AsylG 2005 unterscheidet dabei nach seinem klaren Wortlaut zwei getrennte und selbständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative:

 

Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Demgemäß verbietet sich die Annahme, der Schutz eines Asylwerbers sei innerstaatlich zumindest in einem Teilgebiet gewährleistet, jedenfalls dann, wenn in dieser Region Verhältnisse herrschen, die Art. 3 MRK widersprechen. Zum anderen setzt die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative voraus, dass dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann.

 

Für den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers Afghanistan gilt es an dieser Stelle auszuführen, dass nach Ansicht des EGMR die allgemeine Situation in Afghanistan nicht dergestalt ist, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers eine ernsthafte Bedrohung für die durch Artikel 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. EGMR Urteil Husseini v. Sweden vom 13.10.2011, Beschwerdenummer 10611/09, Ziffer 84 sowie das Erkenntnis des EGMR, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Artikel 3 EMRK verstoße würde: EGMR AGR/Niederlande, 12.01.2016, 13.442/08; VwGH 23.02.2016, 2015/01/0134). Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage ist damit eine Rückkehr nach Afghanistan nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

 

3.2.3. Die Zumutbarkeit des Aufenthaltes ist daher von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen. Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die Art. 3 EMRK widersprechen (oder auf Grund derer andere Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllt wären), wäre eine innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthaltes in diesem Gebiet zu verneinen (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/001).

 

Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen.

 

Dabei ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005; vgl. auch die im Wesentlichen gleichlautenden Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 Statusrichtlinie).

 

Der Verwaltungsgerichtshof führt in seiner jüngsten Rechtsprechung hiezu aus, dass mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Asylwerber in diesem Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

 

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Asylwerber bei Rückführung in das als innerstaatliche Fluchtalternative geprüfte Gebiet vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

 

Mit Bezug auf die Verhältnisse in Afghanistan wurde ua. ausgeführt, es könne zutreffen, dass ein alleinstehender Rückkehrer ohne familiären Rückhalt und ohne finanzielle Unterstützung in der afghanischen Hauptstadt Kabul (anfangs) mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sei. Soweit es sich aber um einen jungen und gesunden Mann, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge, handle, sei - auf der Grundlage der allgemeinen Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat - nicht zu erkennen, dass eine Neuansiedlung in Kabul nicht zugemutet werden könne. Dies stehe auch im Einklang mit der Einschätzung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 (in diesem Punkt gleichlautend auch die aktuellen UNCHR Richtlinien vom 30.08.2018), denen zufolge es alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität möglich sei, auch ohne Unterstützung durch die Familie in urbaner Umgebung zu leben (vgl. VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118).

 

Im Ergebnis bestätigte auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.12.2017, Zl. E 2068/2017, mit dem die Beschwerde eines afghanischen Staatsangehörigen abgewiesen wurde, der nicht in Afghanistan geboren wurde, nie dort gelebt hat und auch über keine Angehörigen in Afghanistan verfügt, die jüngere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095), wonach mit dem alleinigen Hinweis auf die schwierige Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und damit keine Verletzung von Artikel 3 EMRK dargetan wird.

 

3.2.4. Es bedarf somit wie zuvor ausgeführt, im Rahmen einer Einzelfallprüfung einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat.

 

Im Fall des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Feststellungen zu seiner persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses bei der Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan.

 

Nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist - wie oben bereits dargestellt - davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer weder aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Asylgründe sein Land verlassen hat, noch, dass er im Falle seiner Rückkehr einer realen Gefahr im Sinne von Artikel 2 oder Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre, die eine Zuerkennung subsidiären Schutzes notwendig machen würde. Denn auch unabhängig vom individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers sind keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Artikel 3 EMRK iVm § 8 AsylG 2005 darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v. United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 133699/03).

 

Wie festgestellt kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Uruzgan aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

 

Der Beschwerdeführer kann aber aufgrund der allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände festgestelltermaßen auf eine andere Region des Landes - nämlich in die Stadt Mazar- e Sharif- verwiesen werden. Der Rückreiseweg in diese Stadt ist festgestellter Maßen sicher über deren internationalen Flughafen möglich und finanziell abgesichert, zumal gemäß § 52a BFA-VG iVm § 12 Abs. 2 GVG-B 2005 die Rückkehrhilfe jedenfalls die notwendigen Kosten der Rückreise umfasst. Zusätzlich stehen dem Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr diverse Hilfsprogramme (ERIN, RESTART II, "Post Arrival Assistance") zur Verfügung.

 

Mazar- e Sharif wird sowohl von UNHCR als auch von EASO als hinreichend sicher bezeichnet, sodass kein Zivilist, wie es der Beschwerdeführer ist, reelle Gefahr läuft, dort Opfer von Gewalthandlungen zu werden. Das heißt, dass Mazar- e Sharif für Normalbürger, die nicht mit Ausländern bzw. Sicherheitskräften zusammenarbeiten, ausreichend sicher und über den Flughafen gut erreichbar ist. Auch der Zugang zu Unterkunft und grundlegender Versorgung sowie zu Erwerbsmöglichkeiten ist jeweils in ausreichendem Umfang gewährleistet.

 

Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter, ist gesund, hat zwar keine Schulbildung absolviert, verfügt aber über Berufserfahrung als Friseur in Norwegen und als Fliesenleger im Iran. Er spricht Dari, ist in Afghanistan aufgewachsen und damit mit den sprachlichen und kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut und hat die Möglichkeit, sich allenfalls durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern.

 

Es wird dabei nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer lange Zeit im Iran und in Norwegen verbracht hat. Laut den EASO Leitlinien 2018 ist in diesem Fall auf die Kriterien eines Unterstützungsnetzwerkes, Kenntnisse der afghanischen Kultur und den sozialen und ökonomischen Hintergrund Bedacht zu nehmen (EASO Leitlinien 2018, Seite 109):

 

Der Beschwerdeführer hat zwar in Mazar-e-Sharif selbst kein Unterstützungsnetzwerk, gehört aber keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung. Der Beschwerdeführer hat die Jahre seines Lebens in Afghanistan verbracht und ist aufgrund seiner Sozialisierung in einer afghanischen Familie mit den kulturellen und sozialen Gegebenheiten des Landes ausreichend vertraut. Der Beschwerdeführer kann zudem allenfalls Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen, wodurch er Unterstützung für die Existenzgründung bei einer Rückkehr erlangen kann. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Hinweise auf Basis der offiziellen Länderinformationen. Insgesamt bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre.

 

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reicht es auch nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung des Artikels 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche Umstände konnte der Beschwerdeführer im Verfahren jedoch nicht glaubhaft machen.

 

3.2.5. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass für den Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar- e Sharif besteht und ihm diese auch zumutbar ist, zumal sich aus den Länderfeststellungen ergibt, dass der Beschwerdeführer in dieser Stadt nach eventuell anfänglichen Schwierigkeiten Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen kann, wie es auch andere Landsleute führen können (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, mwN).

 

Der Beschwerdeführer konnte auch, wie zuvor ausgeführt, im gesamten Verfahren keine individuellen Umstände glaubhaft machen, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung des Artikels 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Rückverbringung des Beschwerdeführers nach Afghanistan steht daher nicht im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005, weshalb dem Beschwerdeführer nach den genannten Bestimmungen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuzuerkennen ist.

 

3.3. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird (§ 58 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

 

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

 

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

 

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

 

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

"Schutz des Privat- und Familienlebens

 

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

 

Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführer weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, welche insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitenden Prostitutionshandel zu erteilen ist, und der Beschwerdeführer auch nicht Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG substantiiert behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

 

Gemäß Artikel 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne von Artikel 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, 44328/98, Solomon v. Niederlande; 09.10.2003, 48321/99, Slivenko v. Lettland; 22.04.2004, 42703/98, Radovanovic v. Österreich;

31.01.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande;

31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie ua v. Norwegen).

 

Bei Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist. Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216; zum hohen Stellenwert der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften siehe etwa: VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; VwGH 16.01.2007, 2006/18/0453; vgl. auch EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen).

 

Gegenständlich haben sich keine Anhaltspunkte für ein Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich ergeben und wurden auch nicht vorgebracht.

 

Auch betreffend das Privatleben in Österreich ist aufgrund der gemäß Artikel 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung nicht zu erkennen, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme einen unzulässigen Eingriff in die Rechte des Beschwerdeführers darstellen würde:

 

Der Beschwerdeführer gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet, stellte am 28.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens. Er war sich von Anfang an seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst. Auch übersteigt die Dauer dieses Asylverfahrens noch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013).

 

Der Beschwerdeführer hat während seines mehr als dreieinhalbjährigen Aufenthaltes in Österreich diverse Deutschkurse besucht, allerdings keine Prüfung abgelegt. Er weist nur geringe Deutschkenntnisse auf. Der Beschwerdeführer hat an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. In seiner Freizeit spielt er Fußball. Der Beschwerdeführer war drei Monate lang geringfügig bei der MA 48 beschäftigt. Er hat freiwillig als Friseur gearbeitet.

 

Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Bemühungen erste Integrationsschritte gesetzt hat. Der von ihm erreichte Integrationsgrad ist aber keinesfalls in einem derartigen Umfang gegeben, um vorliegend von entscheidungserheblicher Relevanz zu sein und den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben zu genügen.

 

Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Vor dem Hintergrund der Aufenthaltsdauer von etwas mehr als dreieinhalb Jahren im Bundesgebiet kann auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Empfehlungsschreiben von einer verfestigten und gelungenen Eingliederung des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft nicht ausgegangen werden.

 

Hingegen hat der Beschwerdeführer den Großteil seines bisherigen Lebens in Afghanistan und im Iran verbracht, ist dort aufgewachsen und hat dort seine Sozialisation erfahren. Auch wenn der Beschwerdeführer keine Verwandten in Afghanistan hat, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen würde. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat Afghanistan auszugehen.

 

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (z.B. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 19.04.2012, 2011/18/0253).

 

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Artikel 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 kommt daher ebenfalls nicht in Betracht.

 

Aus den tragenden Gründen des vorliegenden Erkenntnisses betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten ergibt sich ferner, dass gegenständlich auch keine Gründe für eine Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 50 Abs. 1 und 2 FPG vorliegen. Einer Abschiebung nach Afghanistan steht auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegen (§ 50 Abs. 3 FPG).

 

Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige besondere Umstände vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Die Beschwerde ist sohin auch hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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