BVwG L518 1436454-5

BVwGL518 1436454-519.5.2017

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L518.1436454.5.00

 

Spruch:

L518 1436452-5/6E

 

L518 1436453-5/6E

 

L518 1436454-5/4E

 

L518 1436455-5/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch RAe Mag. Bischof und Mag. Lepschi, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.09.2016, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird betreffend Spruchpunkten I und II gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

 

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid betreffend Spruchpunkt III und IV gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF aufgehoben und die Angelegenheit diesbezüglich zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch RAe Mag. Bischof und Mag. Lepschi, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird betreffend Spruchpunkten I und II gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

 

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid betreffend Spruchpunkt III und IV gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF aufgehoben und die Angelegenheit diesbezüglich zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch RAe Mag. Bischof und Mag. Lepschi, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.09.2016, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird betreffend Spruchpunkten I und II gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

 

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid betreffend Spruchpunkt III und IV gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF aufgehoben und die Angelegenheit diesbezüglich zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch RAe Mag. Bischof und Mag. Lepschi, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird betreffend Spruchpunkten I und II gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

 

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid betreffend Spruchpunkt III und IV gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF aufgehoben und die Angelegenheit diesbezüglich zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als kurz als "bP1" bis "bP4" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien. Die bP reisten gemeinsam nicht rechtmäßig in Österreich ein. Am 02.05.2013 stellten die bP ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz.

 

Die bP1 und bP 2 sind die Eltern der bP 3 und minderjährigen bP4.

 

Zusammengefasst brachten die volljährigen bP im Verfahren zum ersten Antrag auf internationalen Schutz Folgendes vor:

 

Der Bruder der bP 1 habe 1985 einen "Unfall" beim Militär gehabt. Aus seiner Waffe hätte sich unbeabsichtigt ein Schuss gelöst und sei ein Militärkamerad durch diese Kugel getötet worden. Im Dezember 2012 seien dann mehrmals mehrere Personen bzw. die Tochter des Ermordeten zu den bP gekommen. Während sich diese Personen vorerst nur nach dem Bruder der bP 1 erkundigt hätten, seien später körperliche Übergriffe und Drohungen erfolgt.

 

Die bP 2 stütze sich ebenfalls auf dieses Vorbringen, wobei sie zusätzlich angegeben hat, bei einem dieser Übergriffe auch vergewaltigt worden zu sein.

 

Auch die bP 3 wurde kurz im Rahmen der Einvernahme der Mutter befragt und gab diese an, dass sie am Weg zum Sporttrainer von der Tochter des Ermordeten angesprochen worden wäre. Sie habe jedoch fliehen können.

 

Die bP legten vor der belangten Behörde ihre armenischen Geburtsurkunden, eine Heiratsurkunde der bP 1 und 2 sowie das Wehrdienstbuch der bP 1 vor.

 

I.2. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit Bescheiden der belangten Behörde (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, BFA) vom 25.06.2013 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Gegen die Bescheide wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

 

I.3. Für den 02.04.2014 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer Beschwerdeverhandlung. Die Ladung wurde von der bP 2 am 13.03.2014 persönlich übernommen. Die Ladungen für die rechtsfreundliche Vertretung sowie die bP 1 wurden beim zuständigen Postamt hinterlegt.

 

In der Ladung wurden die bP über die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens von einer Verhandlung aufgeklärt.

 

Am 02.04.2014, 9.00 Uhr fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, zu welcher die bP sowie der rechtsfreundliche Vertreter der bP nicht erschienen sind.

 

Mit Entscheidungen des BVwG vom 28.04.2014 wurden die Beschwerden der bP gegen die Bescheide vom 25.06.2013 gemäß §§ 3 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl I 2005/100 idgF als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wurden die Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

 

In diesen Entscheidungen wurde festgestellt, dass ein Bruder des Ehegatten der bP 1 in Österreich lebt und wie seine Familie im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Ein besonders berücksichtigungswürdiges Verhältnis zu diesen in Österreich lebenden Familienangehörigen wurde nicht festgestellt und wurde ausführlich der – insbesondere psychische – Gesundheitszustand der Familie ausgiebig erörtert.

 

I.4. Am 15.07.2014 stellten die bP ihre jeweils zweiten Anträge auf internationalen Schutz in Österreich, welche mit Bescheiden des BFA vom 24.02.2015 abgewiesen wurden.

 

Die neuerlichen Anträge seien gestellt worden, da es konkrete neue Hinweise gäbe, dass die bP 1 in Armenien noch immer gesucht werde. Am 7. oder 8.7.2014 habe ihm sein Bruder via Skype mitgeteilt, dass er in Armenien nach wie vor verfolgt werde. Die Verfolger seien auch im Haus und an der Arbeitsstelle des Bruders gewesen und hätten dort nach ihm gefragt. Sie hätten gedroht, die bP 1 und ihre Familie umzubringen.

 

Auch in den zweiten Asylverfahren wurden die Anträge auf internationalen Schutz nach Entscheidungen der erstinstanzlichen Behörde mit Entscheidungen des BVwG vom 28.07.2015 nach mündlicher Verhandlung am 25.06.2014 abgewiesen und wurden unter einem in diesen Verfahren Rückkehrentscheidungen nach Armenien verfügt.

 

Vorgelegt wurden bereits in diesem Verfahren Unterstützungsschreiben von Privatpersonen, Deutschkursteilnahmebestätigungen, Arbeitsvorverträge, medizinische Befunde, Schreiben betreffend Freizeitgestaltung etc.

 

Mit diesen Erkenntnissen des BVwG vom 28.07.2015 (zugestellt durch Hinterlegung am 04.08.2015) wurde rechtskräftig festgestellt, dass die bP in ihrem Herkunftsstaat keiner Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung zu befürchten haben.

 

Ebenso wurde rechtskräftig festgestellt, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen in Bezug auf den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Letztlich wurde rechtskräftig festgestellt, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellen.

 

Die Rückkehrentscheidungen wurden damit begründet, dass einerseits die gesamte Familie von der Rückkehr betroffen sei und andererseits kein besonderes Bindungsverhältnis zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden oder eine besondere Integration in Österreich vorliege.

 

I.5. Hinsichtlich der gegen die Entscheidungen des BVwG vom 28.07.2015 beim VfGH eingebrachten Beschwerden wurde vom VfGH die Behandlung mit Beschluss vom 19.11.2015, E 2144-2147/2015-8 abgelehnt. Begründend wurde explizit ausgeführt, dass dem BVwG nicht entgegengetreten werden kann, wenn es aufgrund der Umstände des Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiegt.

 

I.6. Nach rechtskräftigem Abschluss der Verfahren kamen die bP ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nicht nach, sondern stellten am 22.10.2015 jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Diese Anträge wurden im Wesentlichen durch Bekräftigung des bisherigen Vorbringens begründet. Weiters wurden Dokumente vorgelegt.

 

I.7. Mit Verfahrensanordnung vom 25.01.2016 wurde den bP von der belangten Behörde aufgetragen, weitere Unterlagen vorzulegen und einen Fragenkatalog zur Integration zu beantworten.

 

I.8. Die belangte Behörde erlangte für die bP bzw. die gesamte Familie Heimreisedokumente.

 

I.9. Mit Schreiben vom 11.02.2016 wurden weitere Unterlagen vorgelegt und eine Stellungnahme zu den gestellten Fragen abgegeben. Die bP 2 gab an, in Österreich keine Familienangehörigen – außer den Verwandten ihres Ehegatten – zu haben. Sie lebe gemeinsam mit ihrem Gatten und den beiden Kindern. Die bP 4 besuche die Schule, einen Judo Verein und habe sich gut integriert. Die Eltern und ein Bruder der bP 2 lebten in Armenien. Die bP 2 habe den A2 Kurs abgeschlossen, helfe in der Unterkunft mit und unterstütze eine ältere Dame. Sie verfüge über eine Arbeitsplatzzusage.

 

I.10. Am 23.02.2016 wurden ein Abschiebeauftrag auf dem Luftweg für den XXXX 2016, ein Durchsuchungsauftrag sowie ein Festnahmeauftrag hinsichtlich der bP erlassen. Beim Versuch, der bP 2 die Information über die bevorstehende Abschiebung zu übergeben, verweigerte die bP 2 am 24.02.2016 die Unterschrift, die bP 1 und bP 3 waren nicht anwesend und haben sich in der Folge der Abschiebung durch Untertauchen entzogen. Die bP 2 und 4 wurden am XXXX 2016 abgeschoben.

 

Am 08.03.2016 langte über den rechtsfreundlichen Vertreter eine Beschwerde "wegen Festnahmeauftrag" bei der belangten Behörde ein.

 

Die Beschwerden der bP gegen die Festnahmeaufträge wurden mit Erkenntnissen des BVwG vom 12.04.2016 als unzulässig zurückgewiesen.

 

Weiters wurden die Beschwerden der bP 2 und bP 4 gegen die Abschiebungen abgewiesen.

 

I.11. Mit Bescheiden vom 18.03.2016 wurden die Anträge der bP 2 und bP 4 gemäß § 55 AsylG abgewiesen. Die gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerden wurden mit Erkenntnis des BVwG vom 24.05.2016 gemäß § 28 VwGVG iVm § 55 AsylG, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

I.12.1. bP 1 und bP 3 brachten am 22.06.2016 erneut gegenständliche, dritte Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

 

Die bP 1 gab erstbefragt an, dass sie im Dezember 2015 eine Ladung der örtlichen Polizei in XXXX erhalten habe. Sie sei dieser aufgrund des Aufenthalts in Österreich nicht nachgekommen. Sie wären mit Geburtsurkunde und Asylkarten aus Österreich ausgereist und illegal ohne Dokumente in Armenien eingereist. Als sie am XXXX 2016 wieder in Armenien eingereist wären, seien sie und die bP 3 an der Grenze festgenommen worden. Die bP 1 sei bei der Polizeibehörde befragt worden. Es sei ihr schwerer Betrug vorgeworfen worden, sie sei aber unschuldig. Zusätzlich leide die bP 3 an Mittelmeerfieber und müsse regelmäßig Medikamente einnehmen, welche ihr aber manchmal grundlos verwehrt worden wären. Die bP 3 sei am XXXX April freigelassen worden, da sie einen Krankheitsschub gehabt hätte. Die bP 1 sei am XXXX von der Polizei derart geschlagen worden, dass sie bewusstlos geworden sei und ins Krankenhaus gekommen wäre. Hierzu lege die bP 1 einen Krankenhausbericht vor. Sie sei während des Krankenhausaufenthalts von der Polizei bewacht worden, hätte aber über das Fenster fliehen können.

 

Die bP 1 und bP 3 hätten gemeinsam mit der bP 2 und bP 4 nunmehr wiederum Armenien verlassen. In der Ukraine hätte man sie getrennt und wisse die bP 1 jetzt nicht, wo sich die bP 2 und 4 aufhalten, sie sollten aber ebenfalls von Schleppern nach Österreich gebracht werden.

 

Vor der belangten Behörde stützte die bP 1 sich wiederum darauf, dass sie von der armenischen Polizei zu Unrecht einer Straftat beschuldigt worden sei und bei er Polizei festgehalten und misshandelt worden sei. Ihr sei vorgeworfen worden, dass sie bei einem Bauunternehmen gearbeitet habe und dort betrügerisch Baumaterial verkauft hätte. Sie habe aber nie bei dieser Firma gearbeitet. Er wurde ausführlich zu seinem Aufenthalt im Krankenhaus und seiner dortigen Flucht sowie zu dem angeblichen Vorwurf des Betruges in Zusammenhang mit seiner Arbeit für eine Baufirma befragt.

 

Die bP 1 legte Geburtsurkunden, ein Diplom über ein vierjähriges Polytechnikum mit Abschluss samt Notenliste, eine Krankenhaus – Aufenthaltsbestätigung und eine Ladung der armenischen Polizei vor.

 

Die bP 3 führte aus, dass sie die Misshandlungen beim Vater gesehen habe und letztlich die ganze Familie aufgrund der Probleme der bP 1 in Armenien leiden würde. Eigene Fluchtgründe habe sie keine, sie leide aber unter Mittelmeerfieber und müsse seit ca. dem fünften Lebensjahr jeden Tag zwei Tabletten einnehmen.

 

Auch die bP 3 legte eine Geburtsurkunde vor.

 

I.12.2. Die Anträge der bP 1 und 3 auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die bP Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der bP als nicht glaubwürdig aufgrund des in der Beweiswürdigung näher dargestellten, unplausiblen Vorbringens (vgl. Beweiswürdigung unten).

 

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

 

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

 

Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.

 

I.12.3. Gegen diese Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

 

Insbesondere wurde vorgebracht, dass im Bundesgebiet noch die Kernfamilienangehörigen, nämlich die Ehegattin und der jüngere Sohn der bP 1 aufhältig sind.

 

Vorgelegt wurden von den bP 1 und 3 mit der Beschwerde:

 

? Schreiben des Arbeitgebers der bP 3

 

? Lehrvertrag und Berufsschulzeugnis bP 3

 

? Unterschriftenliste aus der Schule der bP 4

 

? Bericht USDOS – Country Report on Human Rights Practices 2015

 

I.13.1. Die bP 2 und bP 4 stellten am 27.09.2016 nach Wiedereinreise Anträge auf internationalen Schutz und sind seit 26.09.2016 wieder in Österreich gemeldet.

 

Die bP 2 gab erstbefragt an, dass zuerst ihr älterer Sohn und der Gatte nach Österreich geschleppt worden wären. Nach der Abschiebung hätten sie in Armenien Probleme bekommen, da die "Leute" der Meinung gewesen wären, sie hätten dort nach der Ausreise nichts mehr zu "suchen". Sie habe Angst, dass die armenischen Behörden sie "mit Fragen quälen" und sei sie in Armenien von der Polizei abgeholt worden und zu ihrer Flucht befragt worden. Man hätte ihr unterstellt, schlecht in Österreich über Armenien gesprochen zu haben. Sie habe erst jetzt erfahren, dass sie über ein italienisches Visum, gültig von XXXX verfügt. Die bP 1 verweigerte die Zustimmung dazu, unter Wahrung ihrer Anonymität ihre Angaben in Armenien zu überprüfen.

 

Vor der belangten Behörde gab die bP 2 an, dass sie nach der Abschiebung einen Monat lang bei ihrer Familie und dann bei einer Freundin in XXXX gelebt habe. Sie erhielten hier keine staatliche Unterstützung und würde von den finanziellen Unterstützungen von Verwandten in Österreich leben. Sie wurde zum Krankenhausaufenthalt des Ehegatten und dessen Flucht befragt und traf dazu vage Angaben. Weiters führte sie konkret nach ihren Problemen in Armenien aus, dass sie im Rahmen der Abschiebung am Flughafen in Armenien gemeinsam mit allen anderen Abgeschobenen zur Einvernahme mitgenommen worden sei. Sie wären alle drei bis vier Stunden einvernommen worden und dann seinen sie nach Hause geschickt worden unter der Auflage, dass sie eine Meldeadresse bekannt geben sollen. Mehrfach sprach sie von einer "Gefahr", welche sie konkret nachgefragt in Zusammenhang mit den alten Fluchtgründen aus den vorangegangenen Asylverfahren brachte. Schließlich bezog sie sich letztlich wiederum vorwiegend auf die Fluchtgründe der bP 1.

 

Vorgelegt wurde ein Schulzeugnis der bP 4, eine Heiratsurkunde, eine Geburtsurkunde der bP 4, ein GISA Auszug betreffend der Gewerbeanmeldung durch die bP 1 am 20.01.2017 und eine Deutschprüfungsbestätigung, Niveau A2 für die bP 2.

 

I.13.2. Die Anträge der bP 2 und 3 auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die bP Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der bP als nicht glaubwürdig und asylrelevant aufgrund der in der Beweiswürdigung unten näher dargestellten Würdigung.

 

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

 

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

 

Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.

 

I.13.3. Gegen diese Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz von der bP 2 und bP 4 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

 

Vorgelegt wurde eine Gewerbeanmeldung der bP 1.

 

I.14. Am 04.04.2017 langte die Übersetzung des von der bP 2 vorgelegte Mail ihrer Freundin, welche bestätigte, dass die bP in ihrer Wohnung in XXXX lebten, ein.

 

I.15. Mit Schreiben vom 02.05.2017 wurde ein Lehrvertrag der bP 3 vorgelegt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

 

Bei den beschwerdeführenden Parteien handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier christlichen Glaubens.

 

Die beschwerdeführenden Parteien bP1, bP2 und bP 3 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

 

Die Pflege, Obsorge und der Unterhalt der minderjährigen bP 4 ist durch ihre Eltern gesichert.

 

Die bP 1 besuchte nach der Grundschule für vier Jahre ein Polytechnikum in Armenien, schloss als Techniker ab und bestritt den Lebensunterhalt als Baustellenarbeiter. Die bP 2 absolvierte nach der Grund- und Mittelschule eine Ausbildung zur Buchhalterin und ging zumindest zeitweise einer Erwerbstätigkeit in Armenien nach.

 

Die bP 1 nimmt bei Bedarf Medikamente gegen Kopfschmerzen, die bP2 ist aktuell in keiner Behandlung, erhielt in Armenien jedoch wegen psychischer Beschwerden Anafralin und hat zeitweise Kopfschmerzen. bP3 und bP4 haben seit der Kindheit familiäres Mittelmeerfieber, welches bereits in Armenien behandelt wurde.

 

Jedenfalls die Eltern der bP 2 leben nach wie vor im Heimatdorf der bP2.

 

Ein Bruder der bP 1, XXXX , geb. XXXX befindet sich seit der Asylantragstellung 2001 in Österreich (AIS 01 26.628-BAG) und ist – wie seine Ehegattin und die Kinder - im Besitz eines Aufenthaltstitels (NAG), nachdem die Asylanträge 2010 negativ entschieden wurden. Mit diesem bestand bis ca. 2011 kein Kontakt.

 

Die bP 3 hat in Armenien 9 Jahre lang die Schule besucht, in Österreich besuchte sie die Polytechnische Schule. Sie hat einen Lehrvertrag.

 

Die bP 4 besucht die Neue Mittelschule in Österreich.

 

Die bP 3 und 4 sprechen aufgrund ihres Schulbesuches in Österreich Deutsch, die bP 2 hat die Deutschprüfung A2 abgelegt.

 

Die Identität der bP steht nicht fest.

 

Die bP haben über die im gegenständlichen Erkenntnis genannten Mitglieder der Kernfamilie hinausgehend keine relevanten familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

 

Die bP sind strafrechtlich unbescholten.

 

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Armenien

 

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien werden folgende Feststellungen getroffen:

 

1. Politische Lage

 

Armenien (arm.: Hayastan) ist knapp 29.800 km² groß und hat etwas über 3 Millionen Einwohner. Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier, 1,2% Jesiden, 0,4% Russen und Angehörige kleinerer Minderheiten wie Assyrer, Kurden oder Griechen (NSS-RA, vgl. CIA 21.4.2015).

 

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik mit einem seit 1995 semi-präsidentiellen System (SPO 17.2.2014).

 

Das Einklammern-Parlament (Nationalversammlung) hat 131 Mitglieder und wird alle fünf Jahre gewählt. Dabei kommt eine Mischung aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht zur Anwendung. Die Parlamentswahlen vom 6.Mai 2012 ergaben folgende Stimmenverteilung:

Republikanische Partei 44,1%, Partei „Blühendes Armenien" 30,2%, Armenischer Nationalkongress 7,1%, Rechtsstaatspartei 5,5%, Armenisch-Revolutionäre Föderation (Daschnaken) 5,7%, Partei "Erbe" 5,8%. Dank der zusätzlich errungenen Direktmandate verfügt die Republikanische Partei über die absolute Mehrheit der Parlamentssitze. Gleichwohl bildete sie eine Koalition mit der Rechtsstaatspartei, die jedoch im April 2014 die Regierung verließ. Der einstige Koalitionspartner "Blühendes Armenien" war bereits 2012 in Opposition gegangen (AA 3 .2015a, vgl. 6.5.2012 RA-CEC).

 

Obschon der Wahlkampf für die Parlamentswahlen kompetitiv verlief, und die mediale Wahlberichterstattung ausgewogen war, herrschte in der Öffentlichkeit ein Mangel an Vertrauen in die Integrität des Wahlprozesses, begleitet von Vorwürfen des Stimmenkaufs. Laut OSZE gab es Fälle von Missbrauch durch die Verwendung von Verwaltungsressourcen zugunsten der Republikanischen Partei, beispielsweise durch den Einsatz von Lehrern und Schülern im Wahlkampf (OSCE/ODHIR 26.6.2012).

 

Nach dem überraschenden Rücktritt von Premierminister Tigran Sargsyan Anfang April 2014 ernannte Präsident Serzh Sargsyan den bisherigen Parlamentspräsidenten Hovik Abrahamyan zu dessen Nachfolger. Im neuen Kabinett sind 12 der insgesamt 19 Minister parteilos. Viele stehen jedoch der Oppositionspartei "Blühendes Armenien" nahe (AA 3 .2015a, vgl. RFL/RL 3.4.2014).

 

Am 1.Jänner 2015 wurde Armenien offiziell Mitglied der von Russland angeführten Eurasischen Wirtschaftsunion, deren Zollverträge schrittweise bis 2022 implementiert werden sollen. Die Unterzeichnung im Oktober 2014 wurde von Protesten und scharfer Kritik begleitet. Gegner des Vertrages fürchten insbesondere ökonomische Nachteile sowie Einschränkungen der Meinungsfreiheit (CN 2.1.2015).

 

Der armenische Präsident Sargsyan meinte anlässlich seines Besuches bei Vladimir Putin in Moskau Anfang September 2014, dass der Beitritt Armeniens zur Eurasischen Wirtschaftsunion die logische Ergänzung zur Mitgliedschaft Armeniens bei der "Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit" - OVKS sei. Er bekräftigte, dass dies keine Absage an den Dialog mit der Europäischen Union sei, mit welcher ein Assoziierungsabkommen abgeschlossen werden soll (EM o. D.).

 

Aus armenischer Sicht stellte die Vorverlegung der türkischen Feierlichkeiten zum hundertjährigen Gedenken an die Schlacht bei Galipoli just auf den 24. April, den Tag des Genozids, eine Provokation dar. Der armenische Präsident warf der Türkei Geschichtsrevisionismus vor, mit dem Versuch durch die vorverlegte Galipoli-Gedenkveranstaltung vom Völkermord abzulenken. Sargsyan ordnete Mitte Februar 2015 daraufhin an, die noch nicht ratifizierten Zürcher Protokolle zur Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen XXXX und Ankara aus dem Parlament zurückzuziehen (NZZ 24.4.2015, vgl. RFE/RL 16.2.2015, Standard 24.4.2015).

 

Nichtsdestoweniger sprach sich Sargsyan in einem Interview mit der türkischen Zeitung Hürriyet Daily News am Vorabend der Gedenkfeiern für die Normalisierung der bilateralen Beziehungen ohne Vorbedingungen aus. Insbesondere die Öffnung der Grenze würde helfen, eine Atmosphäre des Vertrauens herzustellen und die regionale Wirtschaft zu fördern (HDN 24.4.2015).

 

2. Sicherheitslage

 

Kernproblem für die armenische Außenpolitik bleibt der Konflikt um Nagorny Karabach und die in diesem Zusammenhang geschlossenen Grenzen zu Aserbaidschan und zur Türkei. Seit dem Krieg um das überwiegend von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach (1992-94) halten armenische Verbände rund 17% des aserbaidschanischen Staatsgebiets (Bergkarabach und sieben umliegende Provinzen) besetzt (AA 3 .2015b).

 

Der Territorialkonflikt um Nagorny Karabach zwischen Armenien und Aserbaidschan ist immer wieder durch Perioden von höherer bzw. niedrigerer Intensität gekennzeichnet. Eine Lösung zeichnet sich derzeit nicht ab, trotz gegenteiliger Beteuerungen seitens der Konfliktparteien (ICG 26.9.2013).

 

Im Februar 2015 stimmten die Vertreter der Minsker Gruppe, die seit 1994 unter der OSZE-Schirmherrschaft als diplomatisches Instrument zur Lösung des Konflikts dient, darin überein, dass sich die militärische Situation sowohl entlang der Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan als auch entlang der sogenannten Kontaktlinie (das heißt, der international nicht anerkannten Grenze zu Bergkarabach) verschlimmert habe. Im Jänner 2015 gab es mit zwölf Toten die höchste Zahl an Opfern seit dem Waffenstillstandsabkommen von 1994 (OSCE 7.2.2015).

 

Bereits im Verlaufe des Jahres 2014 sind laut "The Armenian Weekly" 72 Menschen - 39 Aseri und 33 Armenier - im Zuge des Konflikts umgekommen, verglichen zu 34 Personen im Jahr 2012 (AW 4.2.2015).

 

Den wiederholten bewaffneten Auseinandersetzungen folgen jeweils Vermittlungsinitiativen, insbesondere durch die Vertreter der Minsker-Gruppe der OSZE. So lud Russlands Präsident, Vladimir Putin, unilateral die Präsidenten beider Länder nach der Eskalation im Sommer 2014 nach Sotschi ein. Ende Oktober fand ein weiteres Treffen unter der Ägide der Minsker Gruppe in Paris statt, wobei es mehr um Vertrauensbildung als um die tatsächliche Lösung des Konflikts ging (RFE/RL 10.8.2014, RFE/RL 30.10.2014). Das Treffen endete mit der Absichtserklärung, den Dialog mit einem weiteren Treffen der beiden Präsidenten im September 2015 am Rande der UN-Vollversammlung fortzusetzen (Reuters 27.10.2014).

 

Die Verletzung der Waffenruhe ist durch wechselseitige Schuldzuweisungen gekennzeichnet. Überdies droht Aserbaidschan angesichts der ausbleibenden diplomatischen Lösung, das umstrittene Territorium mit Gewalt zurückzuerobern (BBC 7.4.2015, vgl. RFE/RL 23.1.2015, FH 23.1.2014).

 

Aserbaidschan sieht für 2015 Militärausgaben von fünf Milliarden Dollar vor, was mehr als das Staatsbudget Armeniens ist. Russland ist der Hauptverbündete Armeniens in der Region und beliefert das Land mit Waffen im Gegenzug für das Beibehalten der russischen Militärpräsenz in Armenien (FPN 23.1.2015).

 

2.1. Regionale Problemzone Nagorny Karabach

 

Nagorny Karabach ist seit 1994 de facto unabhängig von Aserbaidschan und unterhält enge politische, wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu Armenien (FH 23.1.2014).

 

Nagorny Karabach ist isoliert. Finanziell und militärisch hängt es von Armenien ab. Die Einwohner besitzen armenische Pässe. Der internationale Flughafen in Stepanakert kann nicht benutzt werden, weil die aserbaidschanische Seite mit dem Abschuss der Flugzeuge droht (BBC 7.4.2015).

 

Als Resultat des armenisch-aserbaidschanischen Konflikts um die Region Nagorny Karabach halten die armenischen Separatisten den größten Teil Nagorny Karabachs sowie sieben weiterer aserbaidschanische Territorien unter ihrer Kontrolle. 2013 galten laut aserbaidschanischen Angaben immer noch rund 4.000 Personen als vermisst. Der UNHCR bezifferte die Anzahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) auf aserbaidschanischer Seite auf 600.000 Personen. Die große Mehrheit floh während der kriegerischen Auseinandersetzungen um Nagorny Karabach zwischen 1988 und 1993 (USDOS 27.2.2014).

 

Laut Angaben der selbsternannten Republik von Nagorny Karabach (auch Republik Artsach) umfasst das Gebiet mehr als 12.000 km², wobei hiervon 1041 km² unter aserbaidschanischer Okkupation stünden. Die Bevölkerung belief sich 2013 auf rund 147.000 Einwohner, wovon 95% Armenier sind, nebst Russen, Ukrainern, Griechen, Georgiern und Aseri (NKR 6.5.2015).

 

Politische Opposition wird unter den gegebenen Umständen des unsicheren Status von Nagorny Karabach im Allgemeinen als Zeichen der Illoyalität und als Sicherheitsrisiko betrachtet. Oppositionsgruppen sind in den letzten Jahren entweder verschwunden oder in die Regierung aufgenommen worden. Die meisten Medien werden von der Regierung kontrolliert. Die meisten Journalisten üben Selbstzensur aus, insbesondere wenn es um Themen geht, die den Friedensprozess betreffen (FH 23.1.2014).

 

Die Meinungsfreiheit scheint unter der generellen Situation zu leiden. Obgleich keine offizielle Zensur besteht, gibt es keine Verbreitung von Ideen und Standpunkten, die in Opposition zur Regierung stehen. Die Situation hat sich jedoch seit der letzten Dekade deutlich verbessert. Durch ausländische Unterstützung insbesondere der EU konnten zahlreiche Initiativen im NGO- und Medienbereich umgesetzt werden (CSS 17.9.2014). Beispielsweise finanziert die EU "[D]ie Europäische Partnerschaft für die Friedliche Lösung des Konflikts um Berg-Karabach" - EPNK. Dieses seit 2010 bestehende Netzwerk von fünf europäischen Organisationen arbeitet mit NGOs Vorort in Bereichen wie Friedensdialog, Analyse und Forschung sowie Film und Medien zusammen (EPNK o.D.; EC 6.11.2012).

 

Die generelle Situation hinsichtlich politischer und ziviler Freiheiten hat sich laut den Vergleichszahlen von "Freedom House" seit 2012 nur unwesentlich verbessert. Sowohl die Versammlungs- als auch die Vereinigungsfreiheit sind durch das Gesetz eingeschränkt. Allerdings wird den Gewerkschaften erlaubt, sich zu organisieren. Offiziell nicht registrierte religiöse Gruppen sind für ihre Aktivitäten bestraft worden, und Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen wurden inhaftiert (FH 23.1.2014, FH 2012).

 

Im Unterschied zur Republik Armenien, wo seit 2013 ein Zivildienst außerhalb der Armee geschaffen wurde, werden Wehrdienstverweigerer – insbesondere Zeugen Jehovas – mit Gefängnis bestraft. Aufsehen erregte der Fall des Zeugen Jehova, A.Avanesyan, der von Armenien an die nicht anerkannten Behörden Nagorny Karabachs ausgeliefert wurde, welche ihn in Folge zu 30 Monaten Gefängnis verurteilten (Forum 18 12.11.2014).

 

Am 3.Mai 2015 fanden Parlamentswahlen statt, die allerdings international nicht anerkannt werden. Laut offiziellen Angaben der Zentralen Wahlkommission übersprangen bei einer Wahlbeteiligung von rund 71% fünf Parteien die Fünf-Prozent-Hürde. Die Partei "Freies Heimatland" errang 47,4%; die "Demokratische Partei Artsachs" 19,1% und die Partei "Armenische Revolutionäre Föderation- Dashnaktsutyun" 18,8% der Stimmen. Die beiden Oppositionsparteien "Bewegung-88" und die "Partei der Nationalen Wiedergeburt" schafften gleichfalls den Einzug ins Parlament. Über hundert internationale Beobachter waren anwesend (CN 4.5.2015; CS.eu). Aserbaidschan betrachtet die Wahlen als Verstoß sowohl gegen internationale Normen als auch gegen aserbaidschanisches Recht und drohte vorab mit Strafverfolgung gegen ausländische Wahlbeobachter (CN 1.5.2015).

 

3. Rechtsschutz/Justizwesen

 

Im Rahmen der Strategie zur Justizreform (2012-16) wurde die Unabhängigkeit der Richter durch Festlegung der Pflichten der Selbstverwaltungsstrukturen gesetzlich gestärkt. Die Ernennung, Beurteilung und Beförderung von Richtern wurde transparenter gestaltet. Die formelle Rolle des Staatspräsidenten in der endgültigen Bestellung der Richter wurde in der Gesetzesreform jedoch bestätigt. Das öffentliche Misstrauen gegenüber dem Justizsystem und dessen Integrität besteht weiterhin (EC 25.3.2015).

 

Die Rechtsstaatlichkeit bleibt durch die mangelnde Gewaltenteilung geschwächt. Der starken Rolle des Präsidentenamtes, begleitet von einem ineffizienten Parlament, steht ein fügsames Justizwesen gegenüber. Der Mangel an Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz schwächt in weiterer Folge auch die Effizienz der staatlichen Verwaltung (BS 2014).

 

Trotz der verfassungsmäßig garantierten richterlichen Unabhängigkeit mangelt es an dieser in der Praxis. Die richterliche Unabhängigkeit wird durch externe Akteure sowohl der vollziehenden Gewalt als auch innerhalb des Justizsystems, etwa durch Richter der höheren Instanzen, beeinflusst (CoE-CommDH 10.3.2015).

 

Das Prinzip der "Telefonjustiz" - Machthaber nehmen Einfluss auf laufende Verfahren - ist in politisch heiklen Fällen nach wie vor verbreitet (AA 7.2.2014).

 

Der Gerichtsbarkeit mangelt es nicht bloß an Vertrauen, sondern sie gilt auch als von Korruption durchdrungen und in enger Verbindung zur Exekutive stehend. Die Korruption in der Justiz wurde auch vom UN-Hochkommissar für Menschenrechte bei einem Besuch im Oktober 2014 kritisiert. Nur ein Viertel der Bevölkerung hat Vertrauen in die Justiz (FH 28.1.2015, vgl. BS 2014).

 

Im Dezember 2013 veröffentlichte der armenische Ombudsmann einen Sonderbericht, worin er nicht nur die unfairen und willkürlichen Entscheidungen der Gerichte kritisierte, sondern auch die grassierende Korruption im Justizwesen. Die Studie, basierend auf zahlreichen anonymen Interviews mit Richtern, Staats- und Rechtsanwälten, ergab dass Richter oft bestochen werden. In der Regel werden zehn Prozent der Schadensersatzsumme verlangt (AL 10.12.2013).

 

Der Justizrat ist für die Ernennung und Entlassung von Richtern zuständig. Dieser kann Richter wegen des Delikts eines Justizirrtums auch dann anklagen, wenn gegen das Ersturteil kein Einspruch erhoben wurde. Gegen die Entscheidungen des Justizrates kann keine Berufung eingelegt werden (USDOS 27.2.2014, vgl. CoE-CommDH 10.3.2015).

 

Verfahren erfüllten üblicherweise die meisten Standards für einen fairen Prozess, jedoch waren sie der Sache nach oft unfair, da viele Richter sich veranlasst sehen, gemeinsam mit den Staatsanwälten Verurteilungen zu erwirken. Die Richter sträuben sich Expertisen von Polizeiexperten anzufechten, wodurch sie es dem Angeklagten erschweren sich glaubwürdig zu verteidigen. Angeklagte und ihre Verteidiger verfügen kaum über die Möglichkeit, Regierungszeugen und Beweismittel der Polizei, die das Gereicht zumal als unanfechtbar ansieht, in Frage zu stellen (USDOS 27.2.2014, vgl. CoE-CommDH 10.3.2015).

 

Laut dem Menschrechtskommissar des Europarats werde überproportional, oft ohne richterlichen Bescheid die Untersuchungshaft verhängt, welche zudem unverhältnismäßig lange sei. Ansuchen auf Freilassung auf Kautionen werden per se abgelehnt (CoE-CommDH 10.3.2015).

 

Überdies verabsäumten armenische Gerichte laut der Internationalen Föderation für Menschenrechte, wie eigentlich von Gesetz wegen vorgesehen, spezifische Fakten oder Erläuterungen zum jeweiligen Fall vorzulegen, warum die Untersuchungshaft als Zwangsmaßnahme anzuwenden sei. Stattdessen würden abstrakte Annahmen hinsichtlich des Fluchtrisikos oder der möglichen Behinderung weiterer Ermittlungen als Gründe angeführt (FIDH/CSI 5.5.2014).

 

Angeklagte, Strafverteidiger und die geschädigte Partei haben das Recht, gegen ein Gerichtsurteil in Berufung zu gehen. Es gibt keine Geschworenengerichtsbarkeit. Ein Einzelrichter entscheidet in allen Gerichtsverfahren außer bei Verbrechen, die mit lebenslanger Haftstrafe bedroht sind. Angeklagte haben das Recht, eine Rechtsberatung zu beanspruchen. Der Staat ist verpflichtet, auf Antrag einen Verteidiger zur Verfügung zu stellen. Außerhalb Jerewans wurde diese Verpflichtung aufgrund des Mangels an Verteidigern oft nicht eingehalten (USDOS 27.2.2014).

 

4. Sicherheitsbehörden

 

Die Polizei führt willkürliche Festnahmen ohne Haftbefehl aus, schlägt Häftlinge während der Einvernahme und des Haftaufenthaltes und gebraucht Folter, um Geständnisse zu erwirken (FH 12.6.2014, vgl. AA 7.2.2014, HRW 29.1.2015).

 

Laut armenischem Ombudsmann gab es 2013 zahlreiche Beschwerden über Polizeigewalt, wobei lediglich vier Beschwerden von der Polizei registriert wurden. Zahlreiche Personen, darunter auch Jugendliche, seien von den Polizeistellen "eingeladen" und gegen deren Willen festgehalten worden, obwohl die Polizei keine solche Befugnis habe. Zu den positiven Entwicklungen zähle, dass 2013 141 Polizisten infolge der Untersuchung durch die Interne Sicherheitsabteilung für unrechtmäßiges Verhalten zur Verantwortung gezogen wurden (RA-HRD 2014).

 

Die Polizei ist, ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD), direkt der Regierung unterstellt. Allein der Präsident hat die Befugnis, die Leiter beider Behörden zu ernennen. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt. Für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz ist der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch Verhaftungen durchführen dürfen. Fallweise treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird.

 

Der Polizeichef füllt in Personalunion die Funktion des Innenministers aus. Ein Innenministerium gibt es nicht mehr. Das Fehlen der politischen Instanz wird damit begründet, dass damit eine "Politisierung" der Sicherheitsorgane verhindert werden soll (AA 7.2.2014).

 

Der Polizei und dem NSD mangelt es an Ausbildung, Ressourcen und an Strukturen zur Vorbeugung von Misshandlungsfällen. Straffreiheit bleibt weiterhin ein Problem und es gibt keinen unabhängigen Mechanismus für Untersuchungen von Übergriffen durch die Polizei. Bürger können die Polizei vor Gericht in eingeschränktem Ausmaß anklagen. Korruption bei der Polizei bleibt weiterhin ein Problem (US DOS 19.4.2013).

 

5. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Die Verfassung verbietet die Anwendung von Folter. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass systematisch Folter praktiziert wird. Menschenrechtsorganisationen berichten aber immer wieder glaubwürdig von Fällen, bei denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu Folterungen gekommen sein soll (AA 25.1.2013)

 

Die meisten Fälle von Misshandlungen kamen in den Polizeistationen vor, die nicht unter öffentlicher Beobachtung standen, und nicht in Gefängnissen oder Hafteinrichtungen der Polizei, die solcher Beobachtung unterliegen (US DOS 27.2.2014).

 

Der Menschenrechtskommissar des Europarates zeigte sich besorgt, dass erzwungene Geständnisse regelmäßig bei Gericht Verwendung finden. Überdies gäbe es Fälle, bei denen Personen, die Beschwerde gegen Misshandlung während der Einvernahme einlegten, wegen Falschaussage verurteilt wurden (CoE-CommDH 10.3.2015).

 

Folteropfer können den Rechtsweg nutzen einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den EGMR zu wenden. Abgesehen davon gibt es allerdings keinen Mechanismus, Folterverdachtsfälle gegenüber Beamten zu untersuchen, da beispielsweise Dienstaufsichtsbeschwerden nicht vorgesehen sind. Betroffene beschweren sich nur selten, weil sie Repressalien befürchten (AA 7.2.2014).

 

Die armenischen Behörden bekennen sich zum Ziel, die Standards des Europarats bezüglich des Vorgehens gegen Folter und Misshandlung einzuhalten. Gleichzeitig wurden 2014 Beschwerden über Folter und Misshandlungen während der Untersuchungshaft ignoriert, ohne dass entsprechende Untersuchungen eingeleitet wurden.

 

Das armenische Gesetz verbietet Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Allerdings sind greifbare Ergebnisse ausgeblieben, die das nationale Recht hinsichtlich der Kriminalisierung von Folter in Einklang mit Artikel 1 der Konvention gegen Folter bringen. Die gegenwärtige Definition von Folter in Armenien beinhaltet nicht Straftaten, welche durch Behördenvertreter begangen werden. Infolgedessen wurde niemand aus den Exekutiv- oder Sicherheitsorganen je wegen Folter verurteilt. Wenn es überhaupt zur Bestrafung oder Verurteilung kommt, dann für geringere Delikte, wie den Missbrauch der Amtsgewalt. In mehreren Fällen wurden verurteilte Beamte amnestiert (CoE-CommDH 10.3.2015, vgl. EC 25.3.2015).

 

Der Direktor des Civil Society Instituts und Mitglied des UN-Unterkomitees für die Folterprävention, Arman Danielyan, bezeichnete die Aussage des Justizministers als Hoffnungsschimmer, wonach der Folterbegriff im Strafrecht in Einklang mit dem Wortlaut der UN-Anti-Folterkonvention gebracht werden soll. Dies bedeute, dass auch bei Ausbleiben einer privaten Klage von Amtswegen ermittelt werden muss, wenn es sich um einen Fall von Folter handelt. Überdies sah er im Jahr 2014 eine gestiegene Bereitschaft seitens der Betroffenen, offiziell Beschwerden einzureichen. Insbesondere habe der Sonderermittlungsdienst (Special Investigation Service – SIS) verstärkt Aktivitäten gesetzt, wobei konkrete Resultate noch abzuwarten seien (HRA 16.1.2015).

 

Der Sonderermittlungsdienst, eine Beschwerdeeinrichtung zur Untersuchung von strafrechtlichen Vergehen von Behörden, berichtete für das Jahr 2014 von 546 Fällen, in denen ermittelt wurde. Dies bedeutete eine deutliche Steigerung gegenüber den Jahren 2012 und 2013, als lediglich 204 bzw. 239 Fälle behandelt wurden (SIS 26.1.2015).

 

6. Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

 

Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen sind registriert. Diese haben Zugang zu Medien, Behörden und Vertretern internationaler Organisationen.

 

Die Arbeit der NGOs, die sich mit Themen wie Medien, Versammlungs- und Meinungsfreiheit oder Korruption beschäftigen, wird allerdings seitens der Exekutive nicht unterstützt. Gelegentlich werden Fälle bekannt, in denen NGOs behindert werden. So wird immer wieder berichtet, dass Menschenrechtsorganisationen der Zugang zu verwertbaren Informationen und Zahlen durch Behörden und Regierung erschwert wird (AA 7.2.2014).

 

Im September 2014 initiierte die Regierung ein neues Gesetz über Öffentliche Organisationen. Zur Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs wurde eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern des Justizministeriums und zivilgesellschaftlicher Organisationen gebildet. Hierbei wurden zahlreiche öffentliche Diskussionen mit über 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen veranstaltet. Der Gesetzesentwurf erlaubt eine flexible Regulierung der öffentlichen Organisationen und stärkt deren Rolle. Durch die Festlegung der erlaubten Geschäftstätigkeiten, beispielsweise die Gründung einer Stiftung sowie einer gesteigerten Transparenz der staatlichen Finanzierung, sollen die Entwicklung, Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit gestärkt werden. Die Schaffung des neuen Gesetzes wurde seitens der EU durch das Programm: "Unterstützung für ein demokratisches Regieren in Armenien" mit rund 950.000 Euro gefördert (EC 25.3.2015, EU 10.4.2015).

 

7. Ombudsmann

 

Das Büro des Ombudsmannes hat das Mandat die Menschenrechte und grundlegende Freiheiten vor dem Missbrauch durch die Regierung zu schützen. Die Effektivität ist durch die begrenzten finanziellen Mittel eingeschränkt. Eine Zusatzfinanzierung seitens der Regierung, um die Rolle als "Nationaler Präventiver Mechanismus (NPM) im Sinne des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe der Vereinten Nationen" auszuüben, blieb aus (USDOS 27.2.2014).

 

Die Verfassungsänderung im November 2005 hat die Institution einer vom Parlament gewählten Ombudsperson für Menschenrechte geschaffen. De facto muss die Ombuds-person einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen (AA 7.2.2014).

 

Angesichts des Versagens der Justiz, was den Schutz der Bürger- und Menschenrechte anlangt, gilt die Ombudsmannsstelle als positive Ausnahme. Als einzige Institution stellt sie das staatliche Versagen beim Schutz und der Verletzung der bürgerlichen Freiheiten in Frage (BS 2014).

 

8. Wehrdienst

 

Männer armenischer Staatsangehörigkeit unterliegen vom 18. bis zum 27. Lebensjahr der allgemeinen Wehrpflicht (24 Monate). Es besteht die Möglichkeit der Rückstellung aus sozialen Gründen (z.B. Hochschulstudium, pflegebedürftige Eltern, zwei oder mehr Kinder), die in Armenien beantragt werden muss. Männliche Armenier ab 16 Jahren sind zur Wehrregistrierung verpflichtet. Sofern sie sich im Ausland aufhalten und sich nicht vor dem Erreichen des 16. Lebensjahres aus Armenien abgemeldet haben, müssen sie zur Musterung nach Armenien zurückkehren; andernfalls darf ihnen kein Reisepass ausgestellt werden. Nach der Musterung kann die Rückkehr ins Ausland erfolgen. Ab dem 18. Lebensjahr muss entweder der Wehrdienst abgeleistet werden oder eine Rückstellung erfolgen. Die Einberufung zu jährlichen Reserveübungen ist möglich. Laut Informationen des Verteidigungsministeriums soll es für Personen mit legalem Daueraufenthalt im Ausland auf Antrag Befreiungsmöglichkeiten auch im wehrpflichtigen Alter geben: Eine interministerielle Härtefall-Kommission prüft die Anträge auf Befreiung vom Wehrdienst (AA 7.2.2013, vgl. OSCE 14.4.2014).

 

Menschenrechtsverletzungen in der Armee und Todesfälle ohne Bezug auf Kampfhandlungen sind weiterhin ein ernsthaftes Problem. Die Behörden zeigen erst in jüngster Zeit ein Problembewusstsein, indem sie beispielsweise die Ombudsmannstelle beauftragt haben, die Menschenrechtssituation in den Streitkräften zu beobachten (CoE-PA 27.8.2014).

 

8.1. Wehrersatzdienst

 

Die Anzahl der Wehrdienstverweigerer ist gering. Eine Ausnahme bilden die Zeugen Jehovas: Seit 1991 sind nach Angaben der Jerewaner Gemeinde der Zeugen Jehovas 481 Personen wegen Verweigerung des Wehr- bzw. des Wehrersatzdienstes innerhalb der militärischen Struktur verurteilt worden, von denen sich derzeit jedoch keiner mehr in Haft befindet. Hintergrund der Verweigerungen ist, dass bis zur vollständigen Umsetzung des Gesetzes über den alternativen Wehrdienst keine Möglichkeit geboten wurde, den Ersatzdienst außerhalb der militärischen Strukturen abzuleisten. Seitdem diese Möglichkeit geschaffen wurde, gibt es keine Ersatzdienstleistenden innerhalb des Militärs. Bei der "Wintereinberufung" 2013 wurden 72 Wehrdienstverweigerer erfasst.

 

2011 wurde erstmals drei zu einer Haftstrafe verurteilten Totalverweigerern eine Entschädigung in Höhe von 20.000 € durch den Europäischen Gerichtshof für Menschen-rechte zugesprochen. Das Urteil wurde umgesetzt (AA 7.2.2014).

 

Die Europäische Union bewertet die Entwicklungen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Wehrersatzdienst im Jahr 2013 als positiv. Alle Ansuchen zur Überführung in den Zivildienst wurden positiv beantwortet. Die Zivildiener arbeiteten vorwiegend in Alters- und Waisenheimen sowie in psychiatrischen Anstalten (EC 25.3.2015).

 

8.2. Wehrdienstverweigerung / Desertion

 

Wehrpflichtige, die sich zunächst ihrer Wehrpflicht entzogen haben, müssen trotz vorhandener Strafvorschriften grundsätzlich nicht mit einer Bestrafung rechnen, wenn sie sich nach Rückkehr bei der zuständigen Einberufungsbehörde melden. Auch bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Wehrdienstentzugs werden in solchen Fällen eingestellt. Männer über 27 Jahre, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, können gegen Zahlung einer Geldbuße die Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung erreichen (AA 7.2.2014).

 

Alle Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung angeklagt oder verurteilt waren, konnten sich nach der Gesetzesreform von 2013 für den Zivildienst entscheiden, wobei ihnen etwaige bereits abgeleistete Haftstrafen auf die Dauer des noch abzuleistenden Dienstes angerechnet wurden. Der Vorsitzende der Zivildienstkommission teilte Vertretern des Europarates mit, dass die Kriterien für die Wehrdienstverweigerung aus nicht-religiösen Gründen noch zu spezifizieren seien (CoE-PA 27.8.2014).

 

9. Allgemeine Menschenrechtslage

 

Die Menschenrechtssituation stellte sich 2014 weiterhin uneinheitlich dar. Der Eingriff seitens der Behörden bei friedlichen Demonstrationen setzte sich fort. Folter und Misshandlungen bei Festnahmen bleiben ein Problem, während Untersuchungen in derartigen Fällen ineffizient sind. Journalisten sind weiterhin mit Druckausübung und Gewalt konfrontiert. Obgleich der Zivildienst eingeführt wurde, kommt es zu schweren Misshandlungen in der Armee. Von Zwangseinweisungen in psychiatrische Anstalten wird ebenso berichtet wie von Gewalt und Diskriminierung infolge der sexuellen Orientierung (HRW 29.1.2015, vgl. CoE-PA 27.8.2014).

 

Menschenrechte werden zum größten Teil durch die Sicherheitsorgane, politische Amtsträger und Privatpersonen aus dem Umfeld der sich über dem Gesetz wähnenden Oligarchen oder deren Strukturen verletzt (AA 7.2.2014).

 

Im Juni 2014 lobten die OSCE, Delegation der EU, die Vereinten Nationen und der Europarat in einer gemeinsamen Erklärung die armenische Regierung für die Verabschiedung des Menschenrechts-Aktionsplanes. Der Plan anerkenne, dass die Rechte vulnerabler Gruppen Schutz bedürfen und die Regierung aufgerufen sei, Bemühungen voran zu treiben, die gleiche Rechte und Chancen für alle sichern (OSCE 30.6.2014).

 

Allerdings kritisierte die Europäische Kommission, dass der Plan wichtige Bereiche, die Vorrang haben sollten, wie die Einhaltung der UN-Konvention gegen Folter, ausspare. Die Europäische Kommission beurteilte die Fortschritte im Bereich der Menschenrechte und der fundamentalen Freiheiten als beschränkt (EC 25.3.2015).

 

10. Todesstrafe

 

Armenien hat im September 2003 das 6. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert. Die Todesstrafe ist damit abgeschafft; dies ist in Artikel 15 der Verfassung verankert (AA 7.2.2013, vgl. DPF o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

11. Religionsfreiheit

 

Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert (Art. 26) und darf nur durch das Gesetz und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. (AA 7.2.2014).

 

Reformen des Gesetzes über Gewissens- und Religionsfreiheit brachten 2011 Verbesserungen mit sich. Laut einer Fact-Finding-Mission der Parlamentarischen Versammlung des Europarates legt das Gesetz sowohl die Freiheit der Glaubens- und Religionsausübung als auch die damit verbundenen religiösen Veranstaltungen fest. Überdies verleiht es den religiösen Vereinen und Gruppen den Rechtsstatus, sofern sie über 25 Mitglieder verfügen, ohne dass eine Registrierung bzw. amtliche Genehmigung notwendig wären. Allerdings bestehen noch etliche Mängel im Gesetz insbesondere in Bezug auf die komplizierte und verwirrende Definition des Proselytismus (CoE-PA 27.8.2014).

 

Das Gesetz verbietet zwar Proselytismus, was so genanntes "soul hunting" und erzwungene Konversion beschreibt, doch eine nähere Definition besteht nicht. Diese Bestimmung betrifft alle Gruppen, auch die Armenisch-Apostolische Kirche (USDOS 28.7.2014).

 

Die Armenische Apostolische Kirche hat quasi den Status einer Staatskirche und nimmt eine faktisch privilegierte Stellung ein. In der Verfassung verankert, ist sie zwar formell anderen kirchlichen Organisationen gleichgestellt, allerdings genießt der Katholikos, das Oberhaupt der Kirche, besonderes Gehör bei Regierung und Bevölkerung. Vertreter religiöser Minderheiten beklagen, dass sie kaum Zugang zu den meist staatlich kontrollierten Medien erhalten, weshalb sie kaum eine Chance haben, gegen weit verbreitete Vorurteile und gelegentliche Hetzkampagnen durch private Organisationen anzugehen (AA 7.2.2014).

 

Trotz gesetzlicher Verbesserungen, was die Rolle der religiösen Minderheiten anlangt, wie die Einführung des Zivildienstes für Zeugen Jehovas, bleibt die gesellschaftliche Akzeptanz von religiösen Minderheiten niedrig bzw. nicht zufriedenstellend (EC 25.3.2015, vgl. CoE-PA 27.8.2014, RA-HRD 2014).

 

Protestantisch-evangelikale Gruppen und Zeugen Jehovas, im Unterschied etwa zur alteingesessenen Evangelischen oder der Römisch-Katholischen Kirche, werden besonders angefeindet. Sowohl für Vertreter der Armenisch Apostolischen Kirche als auch für zahlreiche Medien gelten diese als anti-armenische, vom Ausland finanzierte Sekten, die sich des Proselytismus, des Abwerbens von Gläubigen, bedienen (oDem 24.9.2014).

 

Das Gesetz verbietet zwar Bekehrungen durch religiöse Minderheiten. Missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen werden jedoch staatlicherseits darin nicht behindert, wie dies etwa Vertreter der Zeugen Jehovas bestätigten (AA 7.2.2014).

 

Vertreter der religiösen Minderheiten beschwerten sich hingegen, dass Baugenehmigungen für religiöse Einrichtungen verweigert würden. Vandalismus an bestehenden Gebäuden und gelegentlichen Manifestationen von Intoleranz würden behördlicherseits unzureichend verfolgt bzw. ignoriert (CoE-PA 27.8.2014, vgl. USDOS 28.7.2014). Diskriminierungen gegen religiöse Minderheitengruppen am Arbeitsplatz und in den Medien sind weiterhin vorhanden (EC 25.3.2015, vlg. US DOS 28.7.2014).

 

12. Frauen

 

Verfassung und Gesetze schreiben die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fest und verbieten die Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts. Die Rolle der Frau in Armenien ist gleichwohl durch das in der Bevölkerung verankerte patriarchalische Rollenverständnis geprägt (AA 7.2.2014, vgl. RA-HRD 2014, USDOS 27.2.2014).

 

Im World Gender Gap Index 2014 nahm Armenien Rang 103 von 142 Ländern ein. Insbesondere in den Subkategorien Gesundheit (Rang 142) und politische Teilhabe (Rang 123) schnitt das Land besonders schlecht ab (WEF 2014).

 

Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der tief verwurzelten patriarchalen Einstellungen und Stereotypen in Bezug auf die Rollen von Frauen und Männern, die mit einem anhaltenden hohen Gewaltniveau gegenüber Frauen verbunden sind. Das Gesetz über häusliche Gewalt wurde 2014 nicht verabschiedet. Die diesbezüglichen Reformen des Straf- und Verwaltungsgesetzes sollen erst Ende 2016 abgeschlossen werden. Die Sichtbarkeit von Frauenrechtsaktivistinnen ist zwar durch das Internet und die Sozialen Medien gestiegen, doch als Nebeneffekt kam es zu einem Anstieg von Drohungen und Hassreden gegen Frauenrechtsorganisationen, welchen die Polizei nicht adäquat nachgegangen ist. Das Gesetz über gleiche Rechte und Chancengleichheit von Männern und Frauen ist noch nicht umgesetzt worden. Es besteht deshalb keine Möglichkeit Beschwerde einzulegen (EC 25.3.2015, vgl. RA-HRD 2014).

 

Eine extreme Erscheinung der Frauen-Diskriminierung stellt die systematische Abtreibung auf Basis des Geschlechts dar. 2012 kamen auf 100 neugeborene Mädchen 114 Buben. Das statistische normale Verhältnis wäre 100 Mädchen zu 102-106 Buben (RA-HRD 2014).

 

Vergewaltigung – auch seitens des Ehepartners – wird strafrechtlich verfolgt und mit einer Maximalstrafe von 15 Jahren Gefängnis geahndet. Allerdings werden Vergewaltigungsfälle unterdurchschnittlich oft angezeigt, weil sie mit einem gesellschaftlichen Stigma behaftet sind, und es darüber hinaus keine weiblichen Polizeibeamten bzw. Ermittlerinnen gibt (USDOS 27.2.2014).

 

Häusliche Gewalt bleibt ein akutes Problem. Laut Angaben der "Koalition zum Gewaltstopp gegen Frauen" wurden mit Ende September 2014 1501 Fälle von häuslicher Gewalt vermeldet im Vergleich zu 580 im Jahr 2013. Hierbei gab es neun Todesopfer (Tert.am 30.9.2014).

 

Die neu gegründete Polizeiabteilung für Familienangelegenheiten betrachtet den Anstieg der Anzeigen seit 2009 als Fortschritt, weil sie die höhere Bereitschaft, sich zu wehren bekunden. Seit Oktober 2014 bestehen polizeiinterne Richtlinien, um vorbeugend häusliche Gewalt zu verhindern (AW 30.10.2014, vgl. Tert.am 30.9.2014).

 

Die Ombudsmannstelle nennt mehre Gründe, warum Frauen sich in Fällen häuslicher Gewalt selten an die Behörden wenden: Zum einen bestünde ein Misstrauen gegenüber den Behörden, zum anderen trügen Scham und Angst dazu bei (RA-HRD 2014). Die Direktorin des "Women’s Support Center", Maro Matosian machte das Fehlen gesetzlicher Bestimmungen und der Infrastruktur innerhalb der Polizei für das Verhalten mitverantwortlich. In vielen Fällen würden sich Frauen zunächst an die Polizei wenden, um dann ihre Beschwerde zurückzuziehen, weil der Polizeibeamte der Frau sage, sie müsse ein Bußgeld zahlen, oder sie sich schämen solle, gegen ihren Ehemann Beschwerde zu führen (Eurasianet 7.3.2014).

 

Die Vereinten Nationen begrüßten und unterstützten die NGO-Initiative gegen häusliche Gewalt. Sie ermutigten die armenische Regierung, anlässlich der weltweiten "Aktionstage gegen die geschlechtsbasierte Gewalt" im Dezember 2014, den gesetzlichen Rahmen inklusive eines separaten Gesetzes gegen häusliche Gewalt zu schaffen. Die Vereinten Nationen stünden hierbei der armenischen Regierung im Wort, diese in der Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen bezüglich der Förderung der gleichen Rechte und Chancen von Männern und Frauen sowie des Respekts der Frauenrechte zu unterstützen (UN 5.12.2014).

 

Schutz-Einrichtungen für Opfer häuslicher Gewalt werden ausschließlich durch NGOs betrieben, die sich aus privaten oder internationalen Quellen finanzieren (USDOS 27.2.2014).

 

In Armenien gibt es mehrere NGOs, die Opfer von häuslicher Gewalt unterstützen. Dazu gehören: das Women’s Rights Center; das Women’s Resource Center; das Sexual Assault Crisis Center; die Society Without Violence; das Women’s Support Center/Tufenkyan Foundation und Ajakits (BFM 2.7.2013).

 

Im Dezember 2014 wurde das Sozialhilfegesetz verabschiedet, das soziale Unterstützung für Opfer von häuslicher Gewalt vorsieht. Laut Regierung habe das Ministerium für Arbeit und Soziales Regelung sowohl Regelungen in Bezug auf die Unterstützung und den Schutz als auch der Vermeidung von häuslicher Gewalt elaboriert (GoA 10.3.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

12.1. Kinder

 

Trotz des Nationalen Aktionsplans für die Periode 2013-2016 zur Verteidigung der Kinderrechte bestehen zahlreiche Probleme, welche auf ineffiziente Mechanismen bei der Gesetzesumlegung und den Mangel an finanzieller und sonstiger Mittel zurückzuführen sind (RA-HRD 2014). Zudem besteht keine klare, rechtlich bindende Aufgabenverteilung zwischen den Einrichtungen der Sozialfürsorge und jener der Kinderfürsorge (EC 25.3.2015).

 

Kinder gehören mit 36,2% zu den ärmsten Gruppen der Gesellschaft. Die Armutsgefährdung ist besonders hoch bei Kindern mit Behinderung, bei steigender Geschwisterzahl, oder wenn die Mutter Alleinerzieherin ist (EC 25.3.2015).

 

Obwohl das Ziel der Regierung ist, die Zahl der Heimkinder zu reduzieren, blieben über 4.000 von ihnen in institutioneller Obsorge. Laut Experten ist die Korruption der Hauptgrund hierfür, da die Finanzierung der diversen Betreuungseinrichtungen von der Kopfzahl abhängt. Gewalt in den Heimen ist zudem ein weit verbreitetes Phänomen (USDOS 27.2.2014, vgl. EC 25.3.2015). Für die Ombudsmannstelle besteht das Problem darin, nicht genügend Pflegefamilien als Alternative zu Heimen zu finden, im mangelnden öffentlichen Bewusstsein und in der Nicht-Bereitstellung von nötigen Mitteln (RA-HRD 2014).

 

Insbesondere in ländlichen Gebieten und unter den Armen gibt es Fälle, bei denen die Kinder bei ihrer Geburt nicht offiziell registriert werden. Dies führt in späterer Folge zum eingeschränkten Zugang zu diversen Gesundheits- und Sozialleistungen sowie zum Bildungssystem (RA-HRD 2014, vgl. USDOS 27.2.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

13. Bewegungsfreiheit

 

Aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus der geringen territorialen Ausdehnung gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten gegenüber zentralen Behörden. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (AA 7.2.2014).

 

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Es gab jedoch Einschränkungen vor allem im Zusammenhang mit Reisen zu oppositionellen Kundgebungen in der Hauptstadt. Um das Land vorübergehend oder dauerhaft zu verlassen, müssen sich Bürger eine Ausreisebewilligung besorgen. Ausreisebewilligungen für vorübergehende Reisen werden üblicherweise innerhalb eines Tages ausgestellt zum Preis von 1.000 Dram (ca. 2,44 USD) pro Gültigkeitsjahr (US DOS 19.4.2013).

 

Einschränkungen der Bewegungsfreiheit beziehen sich oft auf die Versammlungsfreiheit, indem der Zugang zu Örtlichkeiten seitens der Behörden behindert wird. Das Norwegische Helsinki Comittee sieht seit 2014 eine Zunahme der Einschränkungen der Bürgerfreiheiten, darunter auch der Bewegungsfreiheit (NHC 4.2.2014).

 

14. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

 

Laut Schätzungen des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) gab es mit Ende Dezember rund 8.400 Binnenflüchtlinge. Circa 2.600 stammen aus der armenischen Exklave Artsvashen, die vom aserbaidschanischen Staatsgebiet umgeben ist.

 

Während des Nagorny Karabach Konfliktes wurden ca. 65.000 Haushalte aus der Grenzregion evakuiert. Die meisten dieser Personen konnten in ihre Häuser zurückkehren, oder ließen sich woanders nieder (IDMC, o. D., vgl. US DOS 27.2.2014).

 

Seit 2002 führt die armenische Rote Kreuz Gesellschaft das UNHCR-geförderte Projekt "Stärkung von Asyl und lokaler Integration von Flüchtlingen in Armenien" durch. Hauptziel des Projektes ist die humanitäre Hilfe und Beratung von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen bei gleichzeitiger Förderung ihrer Eigenständigkeit und Integration. Im Rahmen des Projektes wurden Asylsuchende und Flüchtlinge aus Syrien, Iran, Irak, Libanon, Palästina, der Russischen Föderation, Georgien und weiteren Ländern unterstützt (IOM 8.2014).

 

Im Jahre 2014 wurden 226 Asylanträge gestellt und 136 Anträge positiv beschieden. Seit 2012, als man 579 Anträge registrierte, sind die Zahlen zurückgegangen (SMS 10.3.2015).

 

Laut Angaben der Migrationsbehörde sind zurzeit 1.165 Flüchtlinge offiziell mit einem Flüchtlingspass registriert, wobei die Behörde von einer Dunkelziffer von mindestens 50% ausgeht (AA 7.2.2014).

 

Diverse Berichte weisen darauf hin, dass bislang ungefähr 16.000 Menschen aus Syrien in Armenien Zuflucht gesucht haben. Die meisten von ihnen sind ethnische Armenier. Schätzungsweise 12.000 sind geblieben (EC 25.3.2015).

 

Ethnische Armenier aus Syrien dürfen sich in Armenien ohne Registrierung oder Zeitbegrenzung aufhalten. Flüchtlinge armenischer Volkszugehörigkeit haben einen Rechtsanspruch auf den Erwerb der armenischen Staatsangehörigkeit. Die wenigen Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge sind bei weitem nicht ausreichend und überfordert (AA 7.2.2014).

 

15. Grundversorgung/Wirtschaft

 

Das verheerende Erdbeben von 1988, der Konflikt mit Aserbaidschan um die Region Bergkarabach (1988-1994), der Zusammenbruch des sowjetischen Wirtschaftssystems und die Unterbrechung der Energieversorgung in den 1990er Jahren führten zu einem drastischen Niedergang der armenischen Industriestruktur. Dies und die andauernde Isolation durch geschlossene Grenzen zur Türkei und zu Aserbaidschan belasten die armenische Wirtschaft bis heute (AA 3 .2015c).

 

Die Wirtschaft hat sich immer noch nicht zur Gänze von der tiefen Rezession, die durch die globale Wirtschaftskrise 2008 ausgelöst wurde, erholt. Damals fiel das Bruttonationalprodukt um 14,1%. Der steile Wirtschaftsabschwung 2009 ist der Hauptfaktor für die steigende Armut. Rund 1,2 Millionen Armenier leben von circa 3 Euro pro Tag. Die sozioökonomische Kluft hat zudem einen regionalen Aspekt. Durch die überproportionale Wirtschaftsaktivität in den urbanen Zentren hat sich die Einkommensschere zwischen Stadt und Land verstärkt. Der Zugang etwa zum Gesundheitswesen und zur Bildung sowie deren Qualität divergiert stark zwischen urbanen und ländlichen Regionen (BS 2014).

 

Laut Europäischer Kommission gab es 2014 weitere Fortschritte in der Wirtschaftspolitik im Makrobereich, der Armutsbekämpfung und der sozialen Kohäsion. Allerdings nahm die wirtschaftliche Aktivität 2014 infolge der ökonomischen Verlangsamung in Russland und der schwachen Nachfrage aus der Europäischen Union ab. Zu wenig würde unternommen, um die Wirtschaft zu diversifizieren. Es bestünde ein übermäßiges Vertrauen speziell in die Landwirtschaft und den Bergbau (EC 25.3.2015).

 

Zu den strukturellen Defiziten gehört nebst den abnehmenden Investitionen auch eine übermäßige Abhängigkeit von Überweisungen aus dem Ausland (BS 2014).

 

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation bei. Die Gas- und Stromversorgung ist grundsätzlich gewährleistet. Leitungswasser steht dagegen in manchen Gegenden, auch in einigen Vierteln der Hauptstadt, insbesondere während der Sommermonate nur stundenweise zur Verfügung. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Angaben des nationalen Statistikamtes für das Jahr 2013 zufolge leben 32% der Armenier unterhalb der Armutsgrenze (2009: 34,1%). Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt. Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass der Migrationsdruck anhält. Unter den Auswanderern sind auch viele Hochqualifizierte, wie etwa Ärzte oder IT-Spezialisten (AA 7.2.2014).

 

Laut Statistikamt betrug 2013 die Netto-Migrationsquote minus 8,1 pro 1000 Einwohner, was eine deutliche Steigerung zu den Vorjahren indiziert (2012: -3,1; 2011: -1,2). Die Armenische Bevölkerung nahm im Zeitraum zwischen 2010 und 2014 um mehr als 230.000 Personen bzw. 7% ab (NSS-RA 2014a).

 

Das 2014 erreichte Wirtschaftswachstum von 3,4% ist nicht ausreichend für einen nachhaltigen Aufschwung der Ökonomie. Vor allem die drastische Anhebung des Gaspreises durch Russland, der Rückgang von Auslandsüberweisungen und die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland haben die Wirtschaft negativ beeinflusst. Die Inflationsrate lag 2014 offiziell bei 3% (AA 3 .2015c).

 

Die offizielle Arbeitslosenrate betrug 2013 16,2% und lag damit unter jener der Vorjahre (NSS-RA 2014b). Das Arbeitslosenamt meldete hingegen mit Stand 1.1.2015 17,1% Arbeitslose (SEA o.D.).

 

15.1. Sozialbeihilfen

 

Das soziale Sicherungssystem Armeniens wird derzeit durch den Staatshaushalt (Familien-und andere Beihilfen, Pensionen für Militärbedienstete, soziale Unterstützungsprogramme sowie seit 2003 auch Sozialrenten) sowie durch die staatliche Sozialversicherung (Staatsrenten, Arbeitslosenunterstützung und Beihilfen bei vorübergehender Berufsunfähigkeit oder Schwangerschaft) finanziert. Eine Reihe von Sozialprogrammen wird wesentlich durch Spenden unterstützt. Dies gilt insbesondere für öffentliche Arbeiten und Sozialversicherungsprogramme (IOM 8.2014).

 

Familienbeihilfen

 

Als bedürftig registrierte Familien können Familiensozialhilfe erhalten, sofern die errechnete Bedürftigkeit einen von der Regierung der Republik Armenien im Jahr 2005 festgelegten (und noch immer gültigen) Schwellenwert von 34,00 Punkten überschreitet.

 

Einmalige Beihilfen

 

Dies können Familien gewährt werden, deren Bedürftigkeitspunktzahl unter dem Mindestschwellenwert von 34,00 (jedoch über 0) liegt. Die Entscheidung über die Bedürftigkeit einer Familie obliegt dem Sozialrat. Des Weiteren wird Familien verstorbener Soldaten eine Beihilfe in Höhe der Familiensozialhilfe gewährt. Die Anerkennung des Anspruchs der einmaligen Beihilfe wird alle drei Monate geprüft. Die Summe beträgt 6.000 AMD (entsprechend dem Leistungsgrundbetrag).

 

Kindergeld

 

Kindergeld wird Personen gewährt, die Kinder unter zwei Jahren versorgen. Die monatlichen Leistungen für Personen, die Kinder unter zwei Jahren versorgen, belaufen sich auf etwa 3.000 Dram.

 

Mutterschaftsgeld

 

Derzeit bestehen in Armenien drei Arten von Beihilfen in Verbindung mit Kindsgeburten. Einerseits die einmalige Mutterschaftsbeihilfe von 50.000 Dram. Darüber hinaus gibt es eine monatliche Zahlung von ca. 18.000 Dram im Monat an alle erwerbstätigen Elternteile, die ein Kind (bis zum 2. Lebensjahr) versorgen und sich in einem teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub befinden. Außerdem haben Mütter das Recht auf einen Mutterschutzurlaub von 70 Tagen vor und 70 Tagen nach der Geburt. Dieser Zeitraum wird bei schwierigen oder Mehrlingsgeburten erhöht. In diesem Zeitraum wird das Gehalt weiterbezahlt und errechnet sich durch 100% des Durchschnittseinkommens, geteilt durch 30,4, multipliziert mit der Anzahl der Tage des Mutterschutzes. Anspruch auf Mutterschutz haben nur Frauen im formellen Sektor. Daher haben viele Frauen, die im informellen Sektor beschäftigt sind und Hausfrauen keinen Anspruch auf Mutterschutz (IOM 8.2014).

 

Senioren und Behinderte

 

Die sozialen Unterstützungsprogramme für Senioren und Behinderte basieren auf den Anforderungen des Gesetzes über die soziale Absicherung behinderter Personen in Armenien. Hierzu zählen die Vorbeugung von Behinderungen, die medizinische und soziale Rehabilitation und Prothesen sowie insbesondere prothetische und orthopädische Unterstützung behinderter Personen, die Bereitstellung von Rehabilitationsmitteln und soziale Dienste für Senioren und Behinderte.

 

Bereits personalisierte Pensionisten können einen Preisnachlass von den öffentlichen Versorgungseinrichtungen (einschließlich Preisnachlässe für Gas und Strom) fordern. Alleinstehende Pensionisten über 70 Jahre und alleinstehende behinderte Erwachsene können Pflegeleistungen beim "In-house Social Service Center for lonely old and disabled persons" beantragen.

 

Alleinstehende Frauen

 

Alleinstehende Frauen können eine Familienbeihilfe erhalten, wenn sie die entsprechende Punktzahl erreichen. Derzeit gewährt die armenische Regierung dieser Bevölkerungsgruppe keine Sozialleistungen (IOM 8.2014).

 

Renten

 

Personen, die 63 Jahre (bei Frauen beginnt der Grundrentenanspruch mit 59) und älter sind und mindestens fünf Jahre gearbeitet haben, erhalten Anspruch auf eine Altersrente. Darüber hinaus besteht für Frauen eine Alterstabelle, nach der sich das Alter bis zur Anspruchsberechtigung pro Jahr um sechs Monate erhöht, bis das 63. Lebensjahr erreicht wird. Personen im Alter von 55 Jahren, die 25 Jahre gearbeitet und hiervon 15 Jahre besonders schwere Arbeit geleistet haben, können eine Vorzugsrente beanspruchen. Die armenische Regierung hat eine Liste der betreffenden Positionen und Tätigkeiten veröffentlicht. Bis zum Erreichen des Rentenalters besteht eine Alterstabelle. Personen, die mindestens 35 Jahre gearbeitet haben und durch den Arbeitgeber gekündigt wurden (mit Ausnahme bei Austritten aufgrund von Verstößen gegen Arbeitsvorschriften) und innerhalb von 30 Tagen nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis bei dem zuständigen Arbeitsamt einen Antrag gestellt haben, erfüllen die Voraussetzungen um eine Pension zu erhalten. Im Fall einer Berufsunfähigkeitspension für die Altersgruppe ab 30 Jahre muss die betreffende Person mindestens 5 Arbeitsjahre vorweisen können (IOM 8.2014).

 

Arbeitslosenunterstützung

 

Als arbeitssuchend gelten alle Personen ab 16 Jahren, die sich ungeachtet ihrer Beschäftigung bei den staatlichen Arbeitsämtern arbeitssuchend melden. Der Status des Arbeitssuchenden wird allen arbeitslosen Jobsuchern zuerkannt, die das arbeitsfähige Alter erreicht haben und keine gesetzlichen Leistungen beziehen, sofern sie mindestens 1 Jahr gearbeitet haben und sich beim Arbeitsamt anmelden. Die Mindestbezugsdauer beläuft sich auf sechs, die maximale Bezugsdauer auf zwölf Monate. Die Arbeitslosenbeihilfe beträgt 18.000 Dram pro Monat (IOM 8.2014).

 

Sie beträgt 60% des staatlich garantierten Mindestlohnes. Während des Besuchs von Weiterbildungsmaßnahmen erhalten Teilnehmende 120% des Arbeitslosengeldes. Nichtbezugsberechtigte Arbeitslose bekommen im Fall von Trainingsmaßenahmen ebenfalls eine Unterstützung, nämlich im Ausmaß von 50% des Mindestlohnes (SEA o.D.).

 

Gemäß den von der armenischen Regierung vorgegebenen Verfahren kann Arbeitslosen, deren Zahlungsanspruchsfrist abgelaufen ist, sowie Arbeitssuchenden, die nicht als arbeitslos gelten und daher gemäß diesem Gesetz keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben, finanzielle Hilfe gewährt werden. Die armenische Regierung bestimmt den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung (IOM 8.2014).

 

16. Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Das Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung regelt den Umfang der kostenlosen ambulanten oder stationären Behandlung bei bestimmten Krankheiten und Medikamenten sowie zusätzlich für bestimmte sozial bedürftige Gruppen (z.B. Kinder, Flüchtlinge, Invaliden). Es hängt allerdings von der Durchsetzungsfähigkeit und Eigeninitiative der Patienten ab, ob es gelingt, ihr Recht auf kostenlose Behandlung durchzusetzen. Nichtsdestotrotz ist die Qualität der medizinischen Dienstleistung weiterhin häufig von "freiwilligen Zuzahlungen" bzw. "Zuwendungen" an den behandelnden Arzt abhängig, auch bei Abschluss einer privaten Krankenversicherung. In letzter Zeit erschienen in der Presse Artikel mit Informationen über die kostenlose Behandlung; immer mehr Patienten bestehen erfolgreich auf diesem Recht. Die Behandlung in der Poliklinik des jeweiligen Wohnbezirks ist grundsätzlich kostenlos.

 

Die Kliniken sind finanziell unzureichend ausgestattet, um ihren Betrieb und die Ausgabe von Medikamenten sicherzustellen. Daher sind die Kliniken auch in Fällen, in denen sie eigentlich zu kostenloser Behandlung verpflichtet sind, gezwungen, von den Patienten Geld zu nehmen. Da dies ungesetzlich ist, erhalten die Patienten jedoch keine Rechnungen. Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten: Nicht immer sind alle Präparate vorhanden, obwohl viele Medikamente in Armenien in guter Qualität hergestellt und billig verkauft werden (AA 7.2.2014).

 

Die primäre medizinische Versorgung wird in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren/Feldscher-Stationen erbracht. Das Verhältnis der Ärzte zur Einwohnerzahl beträgt: ein Arzt pro 1.200 bis 2.000 Einwohner und ein Kinderarzt für 700 bis 800 Kinder (IOM 8.2014).

 

Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in XXXX vorbehalten ist. Darüber hinaus finden sich in der Hauptstadt sechs Kinder-und Mutterschaftskrankenhäuser. Die meisten Krankenhäuser sind staatlich. Derzeit bestehen vier private Krankenhäuser und ein teilweise privates Hospital. Des Weiteren gibt es ein privates Diagnosezentrum in XXXX , das zu 80% im privaten Sektor aktiv ist. Ein fundamentales Problem der primären medizinischen Versorgung betrifft die Zugänglichkeit, die für einen großen Teil der Bevölkerung extrem schwierig geworden ist. Dieser Teil der Bevölkerung ist nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Die Reformen haben den Patienten bereits die freie Wahl des Arztes garantiert. Das Recht der freien Arztwahl sollte auch die Qualität der Behandlung verbessern, da das Einkommen des Arztes jetzt die Anzahl der von ihm behandelten Patienten reflektiert. Für die Ärzte besteht nun ein höherer Anreiz, die Patienten zufriedenzustellen (IOM 8.2014).

 

16.1. Behandlungsmöglichkeiten von bestimmten Krankheit und Leiden

 

Insulinabgabe und Dialysebehandlung erfolgen im Prinzip kostenlos:

Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, aber gegen Zahlung ist eine Behandlung jederzeit möglich. Die Dialysebehandlung kostet ca. USD 50 pro Sitzung. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Yerewan möglich, auch in den Städten Vanadzor und Gyumri sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet.

 

Die größeren Krankenhäuser sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung des posttraumatischen Belastungssyndroms (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos (AA 7.2.2014).

 

Die öffentlichen Sozialpflegedienste in Armenien sind sehr begrenzt. Der private Sektor ist an der Erbringung dieser Leistungen nicht beteiligt. Es gibt nur ein einziges Krankenhaus für geistig und körperlich behinderte Menschen und keine Pflegeheime für Patienten, die eine dauerhafte, langfristige Betreuung benötigen. Es gibt keine Vorkehrungen für eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen und keine Tagespflegeeinrichtungen für Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen und ebenfalls kein Sozialarbeiternetzwerk. Es gibt sieben regionale psychiatrische Kliniken, die lediglich eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen bei nur geringer medizinischer Versorgung bieten.

 

Medizinisch-soziale Einrichtungen des Ministeriums für Arbeit und Soziales:

 

 

 

 

 

 

 

17. Behandlung nach Rückkehr

 

Rückkehrer werden nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt.

 

Es werden nur die von den armenischen Botschaften ausgestellten Heimreisedokumente oder Pässe anerkannt. Eine Rückreise ohne Vorlage eines dieser Dokumente ist nicht möglich. In Einzelfällen sind Rückführungen auch ohne die Feststellung der richtigen Identität möglich. In diesen Fällen werden Heimreisedokumente nach Autorisierung durch das Außenministerium auf Alias-Personalien ausgestellt (AA 7.2.2014).

 

Aufgrund fehlender finanzieller Mittel gibt es zurzeit kein staatliches Programm zur Vorbereitung auf die Unterbringung von Heimkehrern in Armenien. Eine vorübergehende Unterkunft (maximal 2 Monate) kann den Flüchtlingen, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben, von der Migrationsbehörde der Republik Armenien zur Verfügung gestellt werden. Jeder Fall wird jedoch ausführlich geprüft und die endgültige Entscheidung über die Bereitstellung der Unterkunft erfolgt nach dem Kollegialprinzip (IOM 08.2014).

 

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass den bP in ihrem Heimatland Armenien eine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr nach Armenien der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wären.

 

Weiters konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Armenien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die bP als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Abschiebung der bP nach Armenien zulässig und möglich ist.

 

2. Beweiswürdigung:

 

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

II.2.2. Die Feststellungen zur Person der bP ergeben sich – vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen

 

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der bP nicht festgestellt werden. Soweit diese namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung der bP als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

 

Anzuführen ist, dass es der bP aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit möglich wäre, ihre Identität bei entsprechender Mitwirkung im Verfahren zu bescheinigen.

 

Der Umstand, dass die Identität bis dato nicht festgestellt werden konnte ist letztlich auf die mangelnde Mitwirkung der bP an der Identitätsfeststellung zurückzuführen und sind alle daran anknüpfenden Konsequenzen daher von der bP zu vertreten.

 

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten – von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen – diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten –immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen –allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werdenaufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

 

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).

 

Die volljährigen bP traten auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen. Soweit mit der Beschwerde ein Bericht von USDOS - Country Reports on Human Rights Practices for 2016 - vorgelegt wurde und im Hinblick auf Section 1.c ausgeführt wurde, dass Polizeiübergriffe in Armenien verbreitet wären, vor allem, um Geständnisse zu erhalten, ist festzuhalten, dass allein dadurch, dass ein Vorbringen in einem Länderbericht Deckung findet, noch nicht von dessen Glaubwürdigkeit ausgegangen werden kann und auch das Gericht nicht verkennt, dass es in Armenien zu derartigen Übergriffen kommen kann, die bP 1 aber nicht davon betroffen war.

 

II.2.4.1. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.

 

Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten -–z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461)- zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

 

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

 

II.2.5. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn diese anführt, dass das Vorbringen der bP nicht glaubwürdig bzw. nicht asylrelevant war.

 

II.2.5.1. Nachvollziehbar hielt die belangte Behörde zum Vorbringen der bP 1, dass sie im Zuge der freiwilligen Rückkehr an der Grenze aufgegriffen und bis zum XXXX 2016 gemeinsam mit ihrem Sohn bei der Polizei festgehalten worden sei, ihm vorgeworfen worden wäre, bei einer Baufirma gearbeitet und Material unterschlagen zu haben, er zusammengeschlagen worden sei und erst aus dem Krankenhaus fliehen habe können fest, dass das Vorbringen nicht den Anforderungen an ein glaubwürdiges Vorbringen entspricht.

 

Richtig wurde von der belangten Behörde festgehalten, dass schon an sich an den vorgelegten Beweismitteln gravierende Zweifel an deren Echtheit und Richtigkeit bestehen. So hat die bP 1 in der Einvernahme darauf angesprochen, dass die vorgelegte Krankenhausbestätigung lediglich besagt, dass die bP 1 am XXXX 2016 dort war und weder die Dauer des Aufenthalts oder die Behandlung, noch ob die bP stationär oder ambulant aufgenommen wurde, beinhaltet. Zu diesem Vorhalt konnte die bP 1 keine Erklärung abgeben bzw. führte sie aus, lediglich diese erhalten zu haben. Ob es sich dabei um ein gekauftes Gefälligkeitsschreiben handelt oderwie in der Beschwerde angeführt - eben nicht kann letztlich dahingestellt bleiben, da aus diesem Schreiben tatsächlich lediglich hervorgeht, dass die bP 1 an diesem einem bestimmten Tag im Krankenhaus in Erscheinung trat und damit noch nichts darüber ausgesagt ist, aus welchen Gründen sie dort war. Gerade der Inhalt und – wie die belangte Behörde richtig ausführte – die Wendung, dass die bP 1 im Krankenhaus "erschienen" ist, weist nicht darauf hin, dass die bP 1 wie von ihr behauptet von der Polizei ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Damit ist auch eine Überprüfung dieses Beweismittels nicht notwendig, da es an sich nicht in Abrede gestellt wird, dass die bP 1 an einem Tag aus welchem Grund auch immer das Krankenhaus aufgesucht hat. Dass sie wegen schwerer Verletzungen, die aus einer Schlägerei oder dergleichen stammten, behandelt wurde geht aus dem Schreiben ebenso wenig hervor, wie welche Verletzungen an sich die bP 1 gehabt hat und wie lange sie behandelt wurde.

 

Nicht nachvollziehbar ist tatsächlich auch, wie die belangte Behörde festhielt, dass die bP angeblich während des Spitalsaufenthalts durchgängig überwacht worden sein will und gerade im Zeitpunkt der Flucht keine Polizei da gewesen wäre.

 

Soweit die belangte Behörde betreffend der vorgelegten Ladung davon ausgeht, dass es sich dabei um kein echtes Dokument handelt, kann ihr auch diesbezüglich gefolgt werden. Schlüssig wurde dazu dargelegt, dass auf der Ladung kein Ausstellungsdatum vermerkt ist, und dies – wenn es tatsächlich ein echtes Schreiben gewesen wäre – mit Sicherheit vorhanden gewesen wäre. Auch dem vorgelegten Briefkuvert lässt sich keine Jahreszahl entnehmen und ist eine sehr ungeübte Handschrift – sowie das Fehlen eines konkreten Amtstitels bei der Unterschrift – ein weiteres Indiz dafür, dass es sich um ein verfälschtes Dokument handelt.

 

Vor allem erstatteten die bP 1 und die inzwischen volljährige und damals auch bereits einsichtsfähige bP 3 wie von der belangten Behörde festgehalten ein widersprüchliches Vorbringen. Die bP 3 erklärte, dass sie an dem Tag der Flucht aus dem Krankenhaus dort keine Polizei wahrnehmen hätte können, während die bP 1 vorerst behauptete, dass immer Polizei anwesend gewesen wäre, bzw. nur am Tag nicht. Weiters gab die bP 3 an, dass die bP 1 sehr wohl Verwandte in Armenien angerufen hätte, während die bP 1 behauptete, dort nicht nachgefragt zu haben, wo sich insbesondere die Familie befindet. Tatsächlich war die Reaktion der bP 1 auf das "Verschwinden" der Ehegattin und des Sohnes, ohne dass er konkrete Nachforschungen in diese Richtung betrieb, nicht plausibel.

 

An sich schon ist schließlich den Ausführungen der belangten Behörde zu folgen, wenn sie – in Anbetracht der Einvernahmeprotokolle – ausführt, dass eine Flucht aus dem Krankenhaus durchs Fenster während Polizeibewachung schon nicht nachvollziehbar ist, dem Vorbringen der bP 1 auch die erforderliche Substantiiertheit und Detailliertheit fehlte und es schon aus diesem Grund nicht glaubwürdig war.

 

II.2.5.2. Auch den Ausführungen der belangten Behörde betreffend der bP 2 kann gefolgt werden.

 

Die Behörde begründete ihre Ablehnung nachvollziehbar damit, dass keine konkreten Probleme nach der erfolgten Abschiebung durch die bP 2 dargetan wurden. Zwar wurde in der Erstbefragung noch behauptet, dass sie sehr viele Probleme gehabt hätte und wurde auf "Leute" verwiesen, gemäß denen die bP in Armenien "nichts mehr zu suchen" gehabt hätten. Die bP 2 hätte gemäß diesen Angaben Angst davor gehabt, dass die armenischen Behörden sie "mit Fragen quälen" würden.

 

In der Einvernahme vor der belangten Behörde erfolgten jedoch keinerlei Konkretisierungen dieser angeblichen Probleme mit "Leuten" oder den Behörden. Richtig hielt die Behörde fest, dass die bP 2 auch angegeben hat, dass es während ihres Aufenthaltes keinerlei Vorfälle gegeben hat, welche sie dazu veranlasst hätten, das Heimatland zu verlassen. Die bP 2 hat tatsächlich letztlich lediglich zwei Einvernahmen bei der Polizei in Armenien geschildert, bei welchen sie zu ihren Fluchtgründen befragt wurde, was ein legitimes staatliches Vorgehen darstellt. Auch in der Beschwerde wurden keine darüber hinausgehenden Gründe für die Ausreise genannt. Selbst wenn ihr dabei gedroht worden wäre, so würde dies ein im Herkunftsstaat strafbares Verhalten eines Organes darstellen, welches die bP 2 selbst zur Anzeige hätte bringen können, wobei letztlich diesem Vorbringen aufgrund der bisher an den Tag gelegten Unglaubwürdigkeit der bP 2 in den vorangegangenen Asylverfahren nicht gefolgt werden kann. Richtig führte die Behörde weiters aus, dass die bP 2 mit der bP 4 im Anschluss in Ruhe zuerst bei den Eltern und dann bei einer Freundin in XXXX leben konnte. Sie selbst verneinte befragt dazu jegliche weitere Verfolgungshandlung ihr gegenüber und kann aus einer Befragung alleine keine staatliche Verfolgung abgeleitet werden. Dies auch vor dem Hintergrund - wie die belangte Behörde festhielt - , dass die bP 2 selbst angegeben hat, dass jeder mit ihr Abgeschobene sich einer derartigen allgemeinen Befragung unterziehen musste. Ansonsten bezog sich die bP 2 wieder auf die Fluchtgründe des Ehegatten, welche an sich schon als unglaubwürdig beurteilt wurden.

 

Auch die Feststellung, dass die bP 2 an keinen schwerwiegenden Erkrankung leidet, begegnet keinen Bedenken, da sie wie von der belangten Behörde angeführt auch in keiner Behandlung ist.

 

II.2.5.3. Auch die Angaben der Kinder bzw. der bP 3 und bP 4 konnten das Vorbringen ihrer Eltern letztlich nicht stützen, letztlich brachten die bP 4 vor, nichts über die Probleme des Vaters zu wissen und seien sie selbst wegen der Probleme des Vaters ausgereist. Die bP 3 traf wie dargestellt widersprüchliche Angaben zu den Angaben des Vaters.

 

Aufgrund der Unglaubwürdigkeit der Angaben der bP, insbesondere auch vor dem Hintergrund der mehrfachen Antragstellungen in Österreich und ihrem Verhalten in diesen Verfahren ist davon auszugehen, dass das Vorbringen der bP nicht den Tatsachen entspricht und bestehen auch begründete Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Unterlagen, weshalb nicht von deren Echtheit ausgegangen werden kann. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass durch den Antrag auf Überprüfung dieser Beweismittel nunmehr wiederum das Verfahren verzögert werden soll und war diesem Antrag daher letztlich nicht zu folgen. Am Rande sei an dieser Stelle erwähnt, dass die bP 2 auch vorerst eine Überprüfung der Fluchtgründe – unter Datenschutz – im Heimatland verweigerte und auch dies ein Indiz dafür darstellt, dass die Fluchtgeschichte nicht den Tatsachen entspricht bzw. die Unterlagen nicht den Tatsachen entsprechen. In Bezug auf den in der Beschwerdeschrift gestellten Beweisantrag, wird festgehalten, dass hier über dessen Zulässigkeit nicht entschieden werden muss, weil dieser für die Entscheidung des ho. Gerichts nicht maßgeblich ist (§ 40 Abs. 2 AsylG).

 

II.2.5.4. Wenn in der Beschwerde gerügt wird, dass die belangte Behörde sich nicht mit dem Vorbringen der bP 2 auseinandergesetzt habe, dass sie die Eltern nicht "belasten" hätte wollen und deshalb bei einer Freundin Unterschlupf gesucht habe, ist dazu festzuhalten, dass sich – wie für die Behörde - auch für das BVwG eine Relevanz dieses Vorbringens nicht erhellt und auch in der Beschwerde nicht dargelegt wurde, was mit diesem Vorbringen letztlich bezweckt oder bewiesen werden soll. Eine Unmöglichkeit, wegen Verfolgungshandlungen bei den Eltern zu bleiben wurde gerade nicht vorgebracht.

 

Gleiches gilt für den Umstand, dass die bP 4 die Schule in Armenien nicht besucht hat. Befragt warum nicht, führte die bP 2 aus, dass sie keine Zeit für die bürokratische Anmeldung gehabt hätte und gab die bP 4 selbst an, dass sie in Armenien auch nicht in die Schule gehen wollte. Auch diese Angabe stellte sich damit nicht als erörterungswürdig dar.

 

Soweit eine Bestätigung der Freundin aus Armenien vorgelegt wurde, dass die bP 2 und 4 vom 28.03.2016 bis 14.06.2016 bei ihr gelebt haben, ist dazu festzuhalten, dass dieser Umstand nicht in Abrede gestellt wurde und auch hinsichtlich etwaiger Verfolgungsgründe im Schreiben nichts enthalten ist.

 

Schließlich wurde in der Beschwerde der bP 2 wieder auf die Fluchtgründe des Gatten verwiesen, welche jedoch wie bereits ausgeführt gänzlich unglaubwürdig waren.

 

Hinsichtlich der Ermittlungsmängel betreffend dem Familienleben wird auf die diesbezüglichen Ausführungen unten verwiesen.

 

Sofern in der Beschwerde seitens des Beschwerdeführers allgemein moniert wird, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft sei, wird festgestellt, dass nach Ansicht des ho. Gerichts die belangte Behörde im Hinblick auf den Antrag auf internationalen Schutz ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat. Den bP ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung der belangten Behörde dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufgekommen wären. Von den bP wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum sie vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch die belangte Behörde ausgehen. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen der bP ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Zu A)

 

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

 

II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

 

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

(2) (3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

 

1.-dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

 

2.-der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

..."

 

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag der bP inhaltlich zu prüfen ist.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

II.3.2.2. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen der volljährigen bP zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

 

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von der bP behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Im gegenständlichen Fall ergibt sich jedoch aus dem Umfang der hier zu prüfenden Übergriffe, dass sich diese nicht als ausreisekausal darstellten und schon aus diesem Grund nicht geeignet sind, der bP den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen (vgl. Erk. d. VwGH vom 23.1.1997, Zahl 95/20/221 mit Verweis auf Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1081; ebenso Erk. d. VwGH vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0800-0803).

 

Auch konnte im Rahmen einer Prognoseentscheidung (vgl. Putzer, Asylrecht Rz 51) nicht festgestellt werden, dass die bP nach einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren aktuellen Gefahr von Übergriffen zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194). Hier wird auf die bereits getroffenen Feststellungen verwiesen.

 

Die bP haben ihren Herkunftsstaat letztlich aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen verlassen. Diese Gründe stellen jedoch keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar. Es war daher im Hinblick auf die ausschließlich persönlichen und wirtschaftlichen Beweggründe der bP, den Herkunftsstaat zu verlassen, der Schluss zu ziehen, dass die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nur aus dem Grund erfolgte, sich nach erfolgter Einreise unter Umgehung der den Aufenthalt regelnden Vorschriften den weiteren Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.

 

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

 

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

 

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

 

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

 

1.-der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2.- wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden.

 

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

"

 

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

 

Art. 2 EMRK lautet:

 

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

 

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

 

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

 

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

 

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

 

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

 

Art. 3 EMRK lautet:

 

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

 

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

 

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

 

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

 

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

 

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

 

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

 

Gem. der Judikatur des EGMR muss die bP die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

 

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

 

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

 

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der bP (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

 

Da sich der Herkunftsstaat der bP nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die bP als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der bP in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

 

Weitere, in der Person der bP begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Zur individuellen Versorgungssituation der bP wird weiters festgestellt, dass diese im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Bei den volljährigen bP handelt es sich um mobile, junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen.

 

Die volljährigen bP sind zur Pflege und Obsorge der minderjährigen bP verpflichtet. Die Existenzsicherung der Minderjährigen bP ist damit durch die volljährigen bP, hinsichtlich derer von einer gemeinsamen Ausreise auszugehen ist, gesichert.

 

Einerseits stammen die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

 

Auch steht es den volljährigen bP frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das –wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

 

Ebenso kam hervor, dass die bP im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen. Sie stammen aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und können die bP daher Unterstützung durch ihre Familie erwarten.

 

Darüber hinaus ist es den bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

 

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

 

Die Zumutbarkeit der Annahme einer –ggf. auch unattraktiven-Erwerbsmöglichkeit wurde bereits beispielsweise im Erk des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010 mwN bejaht.

 

Soweit die bP ihren Gesundheitszustand thematisieren wird Folgendes erwogen:

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Armenien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngere diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab:

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands zumeist außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Wie bereits erwähnt, geht der EGMR weiters davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet und kann nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen {EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964 ("St. Kitts-Fall")}. Im Zusammenhang mit einer Erkrankung des Beschwerdeführers nahm der EGMR außerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände im "St. Kitts-Fall" an. Im Mai 1997 hatte der EGMR die Abschiebung eines HIV-infizierten Drogenhändlers, welcher laut medizinischen Erkenntnissen auch in Großbritannien bei entsprechender Behandlung nur mehr ca. 8 – 14 Monate zu leben gehabt hätte und sich somit im fortgeschrittenen Krankheitsstadium befand, aus Großbritannien auf seine Heimatinsel St. Kitts/kleine Antillen (Karibik) als "unmenschliche Behandlung" im Sinne des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention angesehen. Die im zitierten Erkenntnis beschriebene außergewöhnliche, exzeptionale Notlage ( er hätte dort keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Betreuung, nicht einmal zu einem Pflegebett gehabt hätte und wäre so qualvollst, einsam und in extremer Armut gestorben) die ihn dort erwarte, würde seine Lebenserwartung deutlich reduzieren und ihn psychischem und physischem Leiden aussetzen. Diese Abschiebung war daher in diesem Einzelfall unzulässig (EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964).

 

Ähnlich entschied die Europäische Kommission für Menschenrechte 1998 im Falle eines AIDS-Kranken aus der Demokratischen Republik Kongo (B.B. gegen Frankreich, 9.3.1998, Nr. 30930/96). Auch die Kommission stellte auf die fortgeschrittene Erkrankung, die fehlende Behandlungsmöglichkeit in der Heimat mit der großen Gefahr opportunistischer Erkrankungen, fehlende familiäre Bindungen und die Übernahme der (medizinischen) Verantwortung Frankreichs durch die Behandlung ab und bejahte ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK.

 

In der Entscheidung vom 15.2.2000 (S.C.C. gegen Schweden, Nr. 46553 /99) kam der EGMR zu einer entgegen gesetzten Auffassung. Die Antragstellerin stammte aus Sambia. Sie machte geltend, es sei im Jahr 1995 eine HIV-Infektion bei ihr festgestellt worden, mit einer Therapie habe man im Jahr 1999 begonnen. Der EGMR verneinte eine Verletzung von Art. 3 EMRK unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass erst kürzlich mit einer Therapie begonnen worden sei, dass Verwandte in Sambia lebten und dass nach Vortrag der schwedischen Botschaft die Behandlung von AIDS in Sambia möglich sei.

 

Auch in seiner sonstigen, dem in die Literatur unter der "St. Kitts-Fall" bekannten Fall nachfolgenden Rechtsprechung hat der EGMR (unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen konkreten Umstände) in keinem Fall eine derart außergewöhnliche – und damit vergleichbare – Situation angenommen (vgl. z.B. EGMR 10.11.2005, Paramsothy gegen die Niederlande [Erkrankung an Posttraumatischem Stresssyndrom], EGMR 10.11.2005, Ramadan gegen die Niederlande, Nr. 35989/03 [Erkrankung an Depression, teils mit psychotischer Charakteristik], EGMR 27.09.2005, Hukic gegen Schweden, Nr. 17416/05 [Erkrankung am Down-Syndrom], EGMR 22.09.2005, Kaldik gegen Deutschland, Nr. 28526 [Erkrankung an Posttraumatischem Stresssyndrom mit Selbstmordgefahr], EGMR 31.05.2005, Ovdienko gegen Finnland, Nr. 1383/04 [Erkrankung an schwerer Depression mit Selbstmordgefahr], EGMR 25.11.2004, Amegnigan gegen die Niederlande, Nr. 25629/04 [HIV-Infektion], EGMR 29.06.2004, Salkic gegen Schweden, Nr. 7702/04 [psychische Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen], EGMR 22.06.2004, Ndangoya gegen Schweden, Nr. 17868/03 [HIV-Infektion], EGMR 06.02.2001, Bensaid gegen Vereinigtes Königreich [Erkrankung an Schizophrenie]).

 

Die genannten allgemeinen Ausführungen gelten auch beim Vorliegen psychischer Erkrankungen bzw. Störungen. Zur Verdeutlichung der vom EGMR gesetzten Schwelle sei hier aus der Application no. 7702/04 by SALKIC and others against Sweden zitiert, wo es um die Zulässigkeit der Abschiebung schwer traumatisierter und teilweise suizidale Tendenzen aufweisende Bosnier nach Bosnien und Herzegowina ging, wobei hier wohl außer Streit gestellt werden kann, dass das bosnische Gesundheitssystem dem schwedischen qualitätsmäßig erheblich unterliegt:

 

"Das Gericht ist sich bewusst, dass die Versorgung bei psychischen Problemen in Bosnien-Herzegowina selbstverständlich nicht den gleichen Standard hat wie in Schweden, dass es aber dennoch Gesundheitszentren gibt, die Einheiten für geistige Gesundheit einschließen und dass offensichtlich mehrere derartige Projekte am Laufen sind, um die Situation zu verbessern. Auf jeden Fall kann die Tatsache, dass die Lebensumstände der Antragsteller in Bosnien-Herzegowina weniger günstig sind als jene, die sie während ihres Aufenthaltes in Schweden genossen haben, vom Standpunkt des Art. 3 [EMRK] aus nicht als entscheidend betrachtet werden (siehe, Bensaid gegen Vereinigtes Königreich Urteil, oben angeführt, Art. 38).

 

Abschließend akzeptiert das Gericht die Schwere des psychischen Gesundheitszustandes der Antragsteller, insbesondere den der beiden Kinder. Dennoch mit Hinblick auf die hohe Schwelle, die von Art. 3 [EMRK] gesetzt wurde, besonders dort, wo der Fall nicht die direkte Verantwortlichkeit des Vertragsstaates für die Zufügung von Schaden betrifft, findet das Gericht nicht, dass die Ausweisung der Antragsteller nach Bosnien-Herzegowina im Widerspruch zu den Standards von Art. 3 der Konvention stand. Nach Ansicht des Gerichtes zeigt der vorliegende Fall nicht die in seinem Fallrecht festgelegten außergewöhnlichen Umstände auf (siehe, unter anderem, D. gegen Vereinigtes Königreich, oben angeführt, Art. 54). Dieser Teil des Antrages ist daher offenkundig unbegründet."

 

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

 

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter wären als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.

 

In der Beschwerdesache AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04, stellte der EGMR fest, dass in Togo eine grundsätzliche adäquate Behandlung der noch nicht ausgebrochenen AIDS-Erkrankung gegeben ist und erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig.

 

In der Entscheidung RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande vom 10.11.2005, Rs 35989/03 wurde die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Mazedonien für zulässig erklärt, da Psychotherapie eine gängige Behandlungsform in Mazedonien ist und auch verschiedene therapeutische Medizin verfügbar ist, auch wenn sie nicht dem Standard in den Niederlanden entsprechen möge.

 

In der Beschwerdesache NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03, sprach der EGMR aus, dass in Tansania Behandlungsmöglichkeiten auch unter erheblichen Kosten für die in 1-2 Jahren ausbrechende AIDS-Erkrankung des Beschwerdeführers gegeben seien; es lagen auch familiäre Bezüge vor, weshalb die Abschiebung für zulässig erklärt wurde.

 

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

 

Im vorliegenden Fall konnten somit seitens der bP keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Armenien belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich. Die bP 3 und 4 wurden wegen ihres Mittelmeerfiebers bereits in Armenien behandelt und wurde dieses Vorbringen bereits in den vorangegangenen Entscheidungen ausführlich erörtert. Die bP 2 konnte keine österreichischen Befunde vorlegen, gab jedoch an, wegen psychischer Probleme in der Heimat in Behandlung gewesen zu sein..

 

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass der EGMR es für eine Art. 3 EMRK-konforme Überstellung ausreicht, dass Behandlungsmöglichkeiten [für Traumatisierte, hier aufgrund der identischen Interessenslage jedoch analog anwendbar] im Land der Überstellung verfügbar sind (vgl. Paramasothy v. Netherlands 10.11.2005; Ramadan Ahjeredine v. Netherlands, 10.11.2005, Ovidienko

v. Finland 31.5.2005; Hukic v. Sweden, 27.9.2005), was im Herkunftsstaat hinsichtlich der von der bP vorgebrachten Erkrankung offensichtlich der Fall ist (Vgl. etwa den öffentlich zugänglichen WHO Mental Health Atlas 2005 [vgl. die bereits erörterte Berichtslage zum Gesundheitswesen im Herkunftsstaat.)

 

Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso im h. Erk. vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E zitierte Auskunft des Bundesministeriums für Inneres Abt. II/3/C, Fremdenpolizeiliche Zwangsmaßnahmen, in welcher mitgeteilt wurde, dass, wenn im Voraus bekannt sei, dass eine Problemabschiebung bevorstehe, vom Zeitpunkt der Festnahme an ein Amtsarzt bei der Amtshandlung zugegen sei. Für solche Fälle habe sich auch der stellvertretende Chefarzt des Bundesministeriums für Inneres bereit erklärt, für die ärztliche Versorgung zu sorgen. Es könne also davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen (bei Charterabschiebungen, , sei dies Standard) von Beginn der Amtshandlung bis zur Übergabe der betreffenden Person an die Behörden des Heimatlandes eine ärztliche Versorgung gewährleistet sei. Auch sei es bei derartigen Charterabschiebungen gängige Praxis, dass Vertreter des Menschenrechtsbeirates sowohl bei den Kontaktgesprächen als auch im Rahmen der Flugabschiebung als Beobachter dabei seien. Transporte von Kindern würden auch von speziell ausgebildeten weiblichen Beamten begleitet. Auch könne die hauseigene Psychologin des Bundesministeriums für Inneres beigezogen werden und mitfliegen, wenn man von dem Abschiebungsvorgang rechtzeitig Kenntnis erlange.

 

Im gegenständlichen Fall sei auch auf das Erk. des AsylGH GZ E10 258.448-3/2009-9E (die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde an den VfGH wurde mit Beschluss vom 3.9.2009, U1302/09-10 mit Verweisen auf seine bisherige Judikatur abgelehnt) und die dort getroffenen Aussagen zur grundsätzlichen Unbeachtlichkeit von psychischen Erkrankungen vor dem Hintergrund der in Armenien bestehenden Behandlungsmöglichkeiten verwiesen.

 

Weiters steht unbestritten fest, dass diese -unheilbare- Krankheit, familiäres Mittelmeerfieber bezogen auf die Symptome auch in Armenien behandelbar ist (vgl. auch Erk. des AsylGH vom 6.10.2012, E10 252346-2/2012/3E), genauso gemäß aktuellen Länderfeststellungen psychische Erkrankungen behandelt werden können und nichts darauf hindeutet, dass den bP der Zugang zum armenischen Gesundheitssystem nicht möglich ist.

 

Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in ihrem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.

 

II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

 

II.3.4.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

 

II.3.4.2. Die Verfahren betreffend der bP 1 und bP 3 wurden abgeschlossen, während sich die bP 2 und 4 schon in Österreich aufhielten. Die bP 1 hat auch angegeben, dass die Familienangehörigen auf dem Weg nach Österreich wären. Zusätzlich hat die belangte Behörde damit nicht nur die Familienbeziehungen zu den Kernfamilienmitgliedern bP 2 und bP 4 im Rahmen der Bescheide betreffend bP 1 und 3 nicht berücksichtigt, sondern auch völlig negiert, dass ein Bruder der bP 1 mit seiner Familie in Österreich lebt und der bP 1 selbst bei einer Nichte wohnt. Am Rande sei erwähnt, dass auch die Deutschkenntnisse wohl zu Unrecht verneint wurden, von der belangten Behörden aktenwidrig Feststellungen getroffen wurden und letztlich keine ordnungsgemäßen Ermittlungen zum Privat und Familienleben der bP vorliegen.

 

Schon aufgrund der Unterlassung der Miteinbeziehung aller Kernfamilienmitglieder im Rahmen einer Interessensabwägung iSd § 9 BFA-VG durch die belangte Behörde ist es fallbezogen augenscheinlich, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt äußerst mangelhaft erhoben wurde.

 

Aus Sicht des Gerichts verstößt das Vorgehen der belangten Behörde im konkreten Fall betreffend der Rückkehrentscheidungen gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG 2005 bestimmt nämlich, dass das Bundesamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

 

Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 iVm. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, hat die belangte Behörde in diesem Verfahren jedoch missachtet.

 

II.3.4.3. Die Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG folgt konzeptionell dem § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur – soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft - anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme auf die genannten Einschränkungen die im Erkenntnis des VwGH vom 16.12.2009, Zl. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten, wonach die Behörde an die Beurteilung im Behebungsbescheid gebunden ist. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG).

 

In seiner Entscheidung vom 26.06.2014 zu Zl. 2014/03/0063 formulierte der VwGH die maßgeblichen Kriterien für die Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG, wo er u.a. ausführte:

 

"Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte - auch zur Vermeidung von "Kassationskaskaden" - grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Ausgehend davon wurde, wie aus den Gesetzesmaterialien zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I Nr 33/2013 (vgl RV 2009 BlgNR XXII. GP , Seite 7) ersichtlich, die Regelung des § 28 VwGVG 2014 getroffen. Daraus ergibt sich, dass durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nicht nur die Errichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz erfolgte, sondern damit auch ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch die Verwaltungsgerichte festgelegt wurde.

 

Angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden."

 

Nach Maßgabe dieser Kriterien gelangte das BVwG in Ansehung des oben dargestellten erstinstanzlichen Verfahrensablaufs zum Ergebnis, dass durch die Vorgehensweise des BFA der Grundsatz der Wahrung der Familieneinheit verletzt wurde und den Ermittlungspflichten nicht ordnungsgemäß entsprochen wurde.

 

Es waren somit in Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG die angefochtenen Bescheide hinsichtlich Spruchpunkten III und IV aufzuheben und die Angelegenheiten zur Erlassung von gemeinsamen Rückkehrentscheidungen an das BFA zurückzuverweisen.

 

II.3.5. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl I Nr. 68/2013 idgF, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

 

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkte I und II geklärt war.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulement-schutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.

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