BVwG W211 1432721-2

BVwGW211 1432721-227.6.2016

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W211.1432721.2.00

 

Spruch:

W211 1432721-2/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Somalia, gegen den Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 27.06.2017 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am 02.03.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 03.03.2012 gab die beschwerdeführende Partei soweit wesentlich an, aus Qoryooley zu stammen, den Ashraf anzugehören und von 1998 bis 2004 die Grundschule besucht zu haben. Im Flüchtlingslager in Kenia würden ihre Mutter, ihre Frau und zwei Schwestern leben. Als Fluchtgrund gab die beschwerdeführende Partei an, im Jahr 2010 von Al Shabaab bedroht und misshandelt worden zu sein.

3. Bei ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde am 09.05.2012 wurde die beschwerdeführende Partei im Detail nach ihrem angeblichen Herkunftsort und zu den Ashraf befragt. Ihre Ehefrau habe sie im Jahr 2009 geheiratet, diese lebe zurzeit in einem Flüchtlingslage im Jemen. Sie habe zum letzten Mal in Griechenland Kontakt mit ihr gehabt.

4. Die belangte Behörde beauftragte daraufhin einen Sprachanalysebericht bei der Firma Sprakab, aus deren Bericht vom 29.05.2012 hervorging, dass der sprachliche Hintergrund der beschwerdeführenden Partei mit sehr hohem Sicherheitsgrad im nordwestlichen Somalia liegen würde. In einer Stellungnahme, die von der beschwerdeführenden Partei am 25.09.2012 auf Englisch eingebracht wurde, gab diese an, nie im Norden des Landes gewesen zu sein. Ihre Erklärung für das Ergebnis der Sprachanalyse sei, dass sich ihre Sprache während des Aufenthalts in Griechenland verändert habe. Sie habe wohl die genaue Lage von bestimmten Gebäuden in Qoryooley zwischenzeitlich vergessen.

6. Mit Bescheid vom 28.01.2013 wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), wies gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia/Somaliland ab (Spruchpunkt II) und wies die beschwerdeführende Partei gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischem Bundesgebiet nach Somalia/Somaliland aus (Spruchpunkt III.).

7. Der Asylgerichtshof behob diesen Bescheid am 20.06.2013 und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

8. Am 03.06.2014 wurde die beschwerdeführende Partei erneut einvernommen und gab dabei soweit wesentlich an, dass sie sich letztes Jahr von ihrer Ehefrau habe scheiden lassen. Sie besuche Deutschkurse und lebe im Flüchtlingsheim. Ihre Mutter und ihre beiden Schwestern würden in Kenia leben. Sie habe vor einem Monat zuletzt mit ihrer Schwester telefoniert.

Weiter wurde die beschwerdeführende Partei zu ihrem Clanleben in Somalia und zum Verbleib ihrer Familie befragt. Im Jahr 2004 sei die Landwirtschaft ihrer Familie durch die Habr Gedir enteignet worden. Ihr Vater sei 2008 von Al Shabaab getötet worden. Die beschwerdeführende Partei habe Somalia im Jänner 2010 verlassen, weil man die Landwirtschaft weggenommen und der Krieg angefangen habe. Als man den Vater getötet habe, habe sie Angst bekommen. Es habe Drohungen gegeben. Auf Nachfrage gab sie an, dass sie Angst vor diesen Männern gehabt habe. Weil die Landwirtschaft enteignet worden sei. Wegen der Drohungen. Sie habe nicht in die Stadt gehen können. Auf Nachfrage, was sich konkret vor ihrer Ausreise ereignet habe, gab sie an, dass sie im Jahr 2010 bereits auf der Ausreise geschlagen und verletzt worden sei.

9. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia/Somaliland abgewiesen (Spruchpunkt II.) und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 46 FPG nach Somalia/Somaliland zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).

Nach einer Zusammenfassung des Verfahrensganges und der Einvernahmen stellte die belangte Behörde fest, dass die beschwerdeführende Partei aus Nordsomalia/Somaliland stamme und mit ihrer ersten Frau verheiratet sei. Nicht festgestellt werden könne, dass sie dem Clan der Ashraf angehöre. Eine Verfolgung aus Gründen der GFK könne nicht festgestellt werden. Die Situation in Somaliland sei stabil. Die beschwerdeführende Partei habe angegeben, dass ihre Angehörigen in Kenia, Jemen und Australien leben würden. Da ihr die Glaubwürdigkeit insgesamt abzusprechen sei, seien auch die Angaben zu den Angehörigen nicht als glaubhaft festzustellen. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass auch Angehörige der beschwerdeführenden Partei in Somaliland leben würden. Die beschwerdeführende Partei habe in Österreich keine Familienangehörigen und keine sonstigen relevanten privaten Beziehungen. Danach traf die belangte Behörde damals aktuelle Feststellungen zur Situation in Somaliland.

11. In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die belangte Behörde es verabsäumt habe, sich mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei umfassender auseinanderzusetzen. Hätte die belangte Behörde die Narbe am Hals von einem medizinischen Sachverständigen untersuchen lassen, so wäre sie zum Schluss gekommen, dass das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei richtig sei. Die belangte Behörde habe jedoch ohne jede Ermittlungstätigkeit den angefochtenen Bescheid erlassen. Die Behörde beziehe ihre Schlussfolgerungen zur Lage in Somalia aus unrichtigen Länderfeststellungen und wolle die beschwerdeführende Partei noch Informationen über die Lage in Somalia in das Verfahren einbringen. Der Bescheid enthielte mangelhafte Feststellungen sowie eine mangelhafte Beweiswürdigung. Die belangte Behörde habe auch im zweiten Bescheid Feststellungen zur Lage in Somaliland getroffen, ohne sich mit den persönlichen Lebensumständen der beschwerdeführenden Partei auseinanderzusetzen. Es herrsche dort eine prekäre Situation in Bezug auf Versorgungsknappheit. Obwohl die beschwerdeführende Partei mehrmals angegeben habe, dass ihre Familie nicht mehr in Somalia lebe, komme die belangte Behörde zum Schluss, dass diese Informationen unglaubwürdig seien. Schließlich wurde noch die rechtliche Beurteilung moniert. Zur Integration wurde ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei Deutsch lerne und im Falle eines Aufenthaltstitels rasch selbsterhaltungsfähig wäre. Sie verfüge über viele soziale Kontakte, und schreite die Integration der beschwerdeführenden Partei stetig voran. In ihrem Heimatland habe sie keinerlei Anknüpfungspunkte mehr. Außerdem sei sie strafrechtlich unbescholten.

12. Das Bundesverwaltungsgericht beauftragte die Überprüfung der Sprachanalyse durch das Institut Verified. Dem Sprachanalysebericht vom 16.12.2015 lag die Annahme zugrunde, dass die beschwerdeführenden Partei aus der sprachlichen Gemeinschaft in Qoryooley stammen würde. Verified führte im Bericht aus, dass die Person auf der Aufnahme muttersprachlich Somali spreche. Phonologische, morphologische und Syntax bezogene Charakteristika wären nicht mit der sprachlichen Gemeinschaft im Qoryooley in Übereinstimmung zu bringen. Als Zusammenfassung wird ausgeführt, dass die Sprachanalyse mit Sicherheit zeige, dass die auf der Aufnahme gesprochene Sprache klar nicht mit der sprachlichen Gemeinschaft der ursprünglichen Annahme übereinstimme.

13. Mit Schreiben vom 22.12.2015 bzw. vom 12.01.2016 wurden die beschwerdeführende Partei, ihr gewillkürter Vertreter und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Bundesverwaltungsgericht am 01.02.2016 geladen.

14. Mit Schreiben vom 11.01.2016 teilte die belangte Behörde mit, dass sie aus dienstlichen und personellen Gründen nicht an der Verhandlung teilnehmen könne. Es werde die Abweisung der Beschwerde und die Übersendung des Verhandlungsprotokolls beantragt.

15. Am 01.02.2016 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, in der die beschwerdeführende Partei im Detail nach ihrer Herkunft, der Herkunft ihrer Eltern, dem Verbleib ihrer Familienangehörigen, den familiären Verhältnissen in Österreich, ihren Gründen, Somalia zu verlassen, den Ashraf und dem Leben in Somalia befragt wurde. Die Vertretung der beschwerdeführenden Partei kritisierte außerdem den Sprachanalysebericht von Verified.

16. Am 22.03.2016 wurde schließlich noch X.Y. unter Teilnahme der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung sowie einer Dolmetscherin als Zeuge einvernommen. X.Y. gab dabei an, die beschwerdeführende Partei zwischen 2003 und 2007 ca. 20 Mal in Qoryooley gesehen zu haben.

17. Am 20.05.2016 brachte der Vertreter der beschwerdeführenden Partei schließlich eine abschließende schriftliche Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, die am 02.03.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

1.1.2. Eine Herkunft der beschwerdeführenden Partei aus Qoryooley wird nicht festgestellt, aber der rechtlichen Beurteilung als wahr unterstellt (siehe dazu VwGH, 14.07.2014, Ra 2014/20/0069).

Eine Clanzugehörigkeit zu den Ashraf wird nicht festgestellt, aber ebenfalls der rechtlichen Beurteilung als wahr unterstellt (siehe dazu VwGH, 14.07.2014, Ra 2014/20/0069).

1.1.3. Die Mutter und zwei Schwestern der beschwerdeführenden Partei leben im Kenia, ihre ehemalige Frau im Jemen. In Somalia leben keine Verwandten mehr der beschwerdeführenden Partei.

1.1.4. Die beschwerdeführende Partei lebt mit XXXX in einer Lebensgemeinschaft; das Paar hat ein gemeinsames Kind.

In Bezug auf XXXX erging mit heutigem Tag ebenfalls eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu GZ. W211 1428843.

1.1.5. Die beschwerdeführende Partei ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Es wird festgestellt, dass im Jahr 2004 die Landwirtschaft der Familie der beschwerdeführenden Partei durch Habr Gedir enteignet wurde.

Es wird nicht festgestellt, dass Al Shabaab Mitglieder zweimal ca. 10 bis 14 Tage vor ihrer Ausreise in Qoryooley zur beschwerdeführenden Partei gekommen sind, um sie zu einer Mitarbeit mit der Miliz aufzufordern. Es wird in diesem Zusammenhang auch nicht festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei mit diesen Mitgliedern diskutierte, und dass die beschwerdeführende Partei mit dem Tode bedroht wurde. Es wird nicht festgestellt, dass Al Shabaab damals beschlossen haben soll, die beschwerdeführende Partei zu töten.

Festgestellt wird, dass die beschwerdeführende Partei im Zuge ihrer Ausreise aus Somalia in der Nähe der Grenze zu Kenia bei einem Überfall durch Rebellen geschlagen, gefesselt und am Hals verletzt wurde.

Schließlich wird festgestellt, dass der Vater der beschwerdeführenden Partei im Jahr 2008 getötet wurde.

2. Länderfeststellungen zur Situation in Somalia

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben.

Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Somalia, 25.04.2016, Auszüge:

1. Sicherheitslage

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen. Es wurden die unterschiedlichen Akteure in Somalia kategorisiert:

* Die farbigen Gebiete zeigen Akteure, die über signifikanten Einfluss verfügen. Diese Akteure verfügen auch über Ressourcen, um diesen Einfluss zu garantieren. Derartige Akteure sind: Somaliland, Puntland, die Galmudug Interim Administration (GIA), AMISOM und die Somali National Army (SNA), die Jubbaland Interim Administration (JIA), al Shabaab (AS) und die Ahlu Sunna Wal Jama'a (Zentralsomalia; ASWJ). Einige Städte werden von anderen Parteien beherrscht: Von der Clan-Miliz SSC (Dulbahante; Khatumo), von der Clan-Miliz der Warsangeli, von ASWJ (Fraktion Gedo), von Clan-Milizen an der Grenze zu Äthiopien (in den Regionen Gedo, Bakool und Hiiraan). Eine Gebiete - und hier vor allem in Süd-/Zentralsomalia - werden von zwei dieser relevanten Akteure beeinflusst.

* In mit strichlierten Linien umrandeten Gebieten gibt es zusätzliche Akteure mit eingeschränktem Einfluss. Diese Akteure agieren neben den oben erwähnten Hauptakteuren, und sie verfügen nur über eingeschränkte Ressourcen (EASO 2.2016).

Kommentare zu den Eintragungen auf der Karte:

* Die Karte zeigt für Qoryooley keine Garnison der AMISOM. Allerdings gibt es einen Stützpunkt und auch verfügbare Truppen. Allerdings scheinen diese Truppen den Stützpunkt nicht permanent besetzt zu halten. Daher ist Qoryooley die einzige von AMISOM kontrollierte Bezirkshauptstadt, für welche keine Garnison eingetragen worden ist (wiewohl es eine Garnison der somalischen Armee gibt).

* Jene AMISOM-Garnisonen, die als "Strongholds" (Bastionen) markiert sind, können als permanent erachtet werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese an al Shabaab fallen können.

* Die meisten AMISOM-Garnisonen, die als "Forward Position" markiert sind, haben taktische Relevanz und scheinen permanent zu sein. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass diese unter starkem Druck der al Shabaab geräumt werden können (EASO 2.2016).

Gemäß der auch von EASO zitierten Analyse der Staatendokumentation zur Sicherheitslage in Somalia hat sich die Situation im Zeitraum 7.2014-6.2015 in folgenden Bezirken verschlechtert: Dhusamareb und Ceel Buur (Galgaduud); Belet Weyne und Bulo Burte (Hiiraan); Wanla Weyne, Afgooye, Qoryooley, Merka und Baraawe (Lower Shabelle);

Baidoa und Burhakaba (Bay); Xudur, Waajid und Rab Dhuure (Bakool);

Bulo Xawo (Gedo); Kismayo (Lower Jubba). Die Situation in folgenden Bezirken hat sich im gleichen Zeitraum verbessert: Ceel Waaq und Luuq (Gedo). In den anderen Bezirken sind keine relevanten Änderungen eingetreten (BFA 10.2015; vgl. EASO 2.2016).

Tabelle kann nicht abgebildet werden

(EASO 2.2016).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen. Dies ist einerseits bei der Verteilung terroristischer Aktivitäten im urbanen Raum zu erkennen, andererseits bei der Anzahl bewaffneter Auseinandersetzungen je Bezirk (BFA 10.2015).

Quellen:

1.1. Süd-/Zentralsomalia

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz

gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 10.2015). Al Shabaab führt weiterhin Angriffe auf Stellungen der AMISOM und der somalischen Armee sowie auf zivile Ziele durch (UNSC 8.1.2016). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, durch Sprengsätze oder Handgranaten ums Leben oder werden verwundet (AI 24.2.2016). Aus verschiedenen Garnisonsstädten heraus werden Vorstöße tief ins Gebiet der al Shabaab unternommen. Diese werden teilweise von Luftschlägen begleitet (BFA 10.2015). Al Shabaab betreibt auch asymmetrische Kriegsführung (EASO 2.2016; vgl. UNHRC 28.10.2015), gekennzeichnet durch Sprengstoffanschläge und komplexe Angriffe, von welchen Zivilisten überproportional betroffen sind. Daneben führt al Shabaab auch gezielte Attentate (UNHCR 28.10.2015; vgl. UKHO 15.3.2016) und sogenannte hit-and-run-Angriffe aus (DIS 9.2015).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 10.2015). Politische Anstrengungen zur Etablierung von Bundesländern verstärkten die Clankämpfe in einigen Bereichen (ÖB 10.2015; vgl. BS 2016, USDOS 13.4.2016). Dabei kam es auch zu zahlreichen Todesopfern und Vertreibungen, z.B. zwischen Dir und Hawadle im Jänner 2015 (USDOS 13.4.2016).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet und deren Eigentum wird zerstört. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 10.2015). Neben den Kampfhandlungen gegen al Shabaab gibt es aus dem ganzen Land auch Berichte über Inter- und Intra-Clankonflikte um Land und Wasserressourcen (EASO 2.2016).

AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 10.2015). Bei gemeinsamen Offensiven mit der somalischen Armee wurde al Shabaab aus Städten in Hiiraan, Bay, Bakool, Gedo und Lower Shabelle vertrieben (AI 24.2.2016). Bei den beiden jüngeren Offensiven (Operation Indian Ocean, Operation Jubba Corridor) trafen AMISOM und Regierungskräfte aufgrund taktischer Rückzüge der al Shabaab nur auf wenig Widerstand. Eingenommen wurde die letzte Bastion der al Shabaab in der Region Gedo - Baardheere - und Diinsoor in der Region Bay. Der al Shabaab wurde zwar die Kontrolle über diese Städte entzogen, doch ist sie ansonsten nicht relevant geschwächt worden. Dahingegen kann AMISOM aufgrund einer Überdehnung der zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht mehr in jeder Stadt und in jedem Dorf eine Präsenz aufrecht halten (EASO 2.2016). Auch die Haupttransportrouten werden von al Shabaab kontrolliert (HRW 27.1.2016).

In der Folge kam es zu schweren Angriffen der al Shabaab auf Janaale (am 1.9.2015) (UNSC 8.1.2016) und Leego (am 26.6.2015) mit insgesamt rund 100 Toten Soldaten der AMISOM und zahlreichen Vermissten (BFA 10.2015; vgl. UNSC 8.1.2016, EASO 2.2016). Als Reaktion auf diese Angriffe begann AMISOM mit einer Umgruppierung, wobei einige Städte und Ortschaften geräumt wurden, darunter Kurtunwarey, Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley (Lower Shabelle); Buq-Aqabla und Xarar-Lugoole in Hiiraan; und Fidow an der Grenze zu Middle Shabelle. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch Qoryooley und Wanla Weyne blieben über Tage ohne permanente Truppen der AMISOM (allerdings mit Besatzungen der somalischen Armee). Insgesamt ist einzelnen, exponierten und schwach besetzten Außenposten ein permanenter Status abzusprechen. Spätestens seit dem Angriff der al Shabaab auf den AMISOM-Stützpunkt in Leego werden einzelne Orte zugunsten einer Konzentration von Truppen in größeren Stützpunkten aufgegeben, teilweise wurde der Schutz an die - nur eingeschränkt widerstandsfähige - somalische Armee übertragen (BFA 10.2015).

Es ist nicht möglich, zu definieren, wie weit der Einfluss oder die Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee von einer Stadt hinausreicht. Der Übergang zum Gebiet der al Shabaab ist fließend und unübersichtlich. Im Umfeld (Vororte, Randbezirke) der meisten Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung in Süd-/Zentralsomalia verfügt al Shabaab über eine verdeckte Präsenz, in den meisten Städten selbst über Schläfer (DIS 9.2015). Manche Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung können als Inseln auf dem Gebiet der al Shabaab umschrieben werden (BFA 10.2015; vgl. DIS 9.2015). Jedenfalls verfügt al Shabaab über ausreichend Kapazitäten, um in Städten unter Kontrolle von AMISOM und Regierung asymmetrische Kriegsführung (hit-and-run-Angriffe, Sprengstoffanschläge, gezielte Attentate) anzuwenden. Es gibt in allen Regionen in Süd-/Zentralsomalia Gebiete, wo al Shabaab Präsenz und Einfluss hat, und wo sie die lokale Bevölkerung zu Steuerzahlungen zwingt. Die Bastion der al Shabaab ist dabei die Region Middle Juba (DIS 9.2015).

Die Sicherheitslage in von der Regierung kontrollierten Städten bleibt also volatil (HRW 27.1.2016). Al Shabaab ist nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 24.2.2016). Bei aller Fragilität der Lage hat aber auch UNHCR festgestellt, dass es Zeichen zunehmender Stabilität gibt (UNHRC 28.10.2015). Seitens der Regierung, AMISOM und der internationalen Gemeinde gibt es Anstrengungen, die neu eroberten Bezirke zu stabilisieren. So wurden etwa nach Diinsoor unmittelbar Verwaltungsbeamte entsendet (UNSC 11.9.2015). Dass al Shabaab unter den gegenwärtigen Umständen Städte zurückerobert, in denen starke Garnisonen ("strongholds") der AMISOM stationiert sind, ist sehr unwahrscheinlich (EASO 2.2016; vgl. DIS 9.2015).

Quellen:

1.1.1. Lower und Middle Shabelle

Lower Shabelle ist von Aktivitäten der al Shabaab stark betroffen (EASO 2.2016; A 4.2016). Al Shabaab verfügt dort über ausreichende Kapazitäten, um Angriffe auf ihre Feinde zu verüben (A 4.2016). In zahlreichen Orten und Städten mit Garnisonen von AMISOM und/oder Armee kommt es zu Anschlägen, gezielten Attentaten, hit-and-run-Angriffen und auch zu größeren Operationen der al Shabaab. Al Shabaab konnte temporär die Kontrolle über Ortschaften wie Aw Dheegle, Mubarak, Janaale (EASO 2.2016) und Leego, aber auch über die Stadt Qoryooley erlangen. Qoryooley und Leego wurden nach kurzer Frist wieder von AMISOM besetzt (UNSC 11.9.2015). Nach einer Neuaufstellung der AMISOM im Bereich wurden die Orte Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley sowie die Bezirkshauptstadt Kurtunwarey von AMISOM geräumt. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch die Bezirkshauptstadt Wanla Weyn blieb über Tage ohne Besatzung der AMISOM (allerdings mit einer solchen der somalischen Armee) (BFA 10.2015).

Al Shabaab verfügt in der ganzen Region über eine verdeckte Präsenz (EASO 2.2016).

Zusätzlich kam es in Lower Shabelle zu Clan-Kämpfen um Land und Ressourcen (EASO 2.2016). Der Konflikt zwischen Biyomaal und Habr Gedir bleibt ungelöst, auch wenn die Zahl an Berichten hinsichtlich Entführungen und Tötungen abnehmen (USDOS 13.4.2016). Die Milizen der Biyomaal und der Tunni sind angeblich mit al Shabaab alliiert. Besonders von Clan-Konflikten betroffen sind die Städte Merka und Afgooye (EASO 2.2016).

Quellen:

1.1.2. Al Shabaab (AS)

Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an (EASO 2.2016).

Völkerrechtlich kommen der al Shabaab als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (AA 1.12.2015). Staatlicher Schutz ist in der Gebieten der al Shabaab nicht verfügbar (UKHO 15.3.2016).

Seit 2011 wurden die militärischen Kapazitäten der al Shabaab durch AMISOM und somalische Kräfte sowie durch innere Streitigkeiten beachtlich dezimiert (UKHO 15.3.2016). In der jüngeren Vergangenheit hat al Shabaab schwere Niederlagen erlitten. Einerseits wurde der Anführer, Ahmed Godane, im September 2014 von einer US-Drohne eliminiert. Andererseits hat al Shabaab nach dem Verlust der wichtigen Hafenstadt Baraawe im Oktober 2014 noch weitere, strategisch wichtige Städte verloren (EASO 2.2016). Zuletzt wurden al Shabaab auch herbe Verluste zugefügt. Alleine bei einem Luftschlag gegen ein Lager der Terroristen in Raso (Hiiraan) wurden mehr als 150 frisch ausgebildete Kämpfer getötet und zahlreiche weitere verletzt. Bei einem Vorstoß der al Shabaab entlang der Küste in Nugaal wurden weitere 115 Kämpfer der al Shabaab getötet und 110 gefangen gesetzt. Bei einem ähnlichen Vorstoß im Hinterland fügten Kräfte der GIA der al Shabaab ebensolche Verluste zu. Allein im März 2016 betrugen die Verluste für al Shabaab mindestens 500 Mann, weitere 210 wurden gefangen gesetzt (A 4.2016). Trotz der Verluste ist al Shabaab immer noch in der Lage, große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia zu halten (EASO 2.2016; vgl. AI 24.2.2016). Die Gruppe kontrolliert auch Versorgungsrouten (UKHO 15.3.2016). Über wie viele Kämpfer die al Shabaab verfügt, ist nicht exakt bekannt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Miliz über mehr als 6.000 Mann verfügt (EASO 2.2016). Al Shabaab ist jedenfalls noch weit davon entfernt, besiegt zu sein (BS 2016).

Allerdings entwickelten sich Mitte 2015 innerhalb der al Shabaab die ersten Risse hinsichtlich einer Neuorientierung zum Islamischen Staat (IS). Mehrere IS-Sympathisanten wurden verhaftet; es kam auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen (EASO 2.2016; vgl. AI 24.2.2016, UNSC 8.1.2016).

Die Menschen auf dem Gebiet der al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Während dies zwar einerseits zur Stärkung der Sicherheit beiträgt (weniger Kriminalität und Gewalt durch Clan-Milizen) (BS 2016), versucht al Shabaab alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2016; vgl. DIS 9.2015). Alle Bewohner der Gebiete von al Shabaab müssen strenge Vorschriften befolgen, z. B. Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren, Spionieren, Bildung etc. (DIS 9.2015). Mit den damit verbundenen harten Bestrafungen wurde ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2016). Das Brechen von Vorschriften kann zu schweren Strafen bis hin zum Tod führen (DIS 9.2015).

Quellen:

2. Militär, Rekrutierungen, Deserteure

In Somalia gibt es keinen verpflichtenden Militärdienst. Allerdings rekrutieren die Clans regelmäßig eigenmächtig und unter Androhung von Zwangsmaßnahmen für die Familie junge Männer zum Dienst in einer der Milizen, bei den staatlichen Sicherheitskräften oder sogar bei der al Shabaab, um einen gewissen Schutz des eigenen Clans oder Sub-Clans zu erreichen (AA 1.12.2015).

Quellen:

2.1. (Zwangs‑)Rekrutierungen und Kindersoldaten

Kinder werden - weniger durch die Regierung, regelmäßig jedoch in Verbänden der al Shabaab oder von Clan-Milizen - als Kindersoldaten rekrutiert (AA 1.12.2015) und eingesetzt (USDOS 13.4.2016). Bis 5.6.2015 hat die UN 819 Fälle der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten durch al Shabaab, die somalische Armee, alliierte Milizen, Ahlu Sunna Wal Jama'a und andere bewaffnete Gruppen dokumentiert (AI 24.2.2016). Während sich in den Reihen der Regierungskräfte v.a. Minderjährige finden, deren Alter im Rahmen des Rekrutierungsprozesses nicht eindeutig festgestellt wurde, setzt al Shabaab Kindersoldaten systematisch ein. Erfreulicherweise geht die Zahl der Rekrutierung von Kindern tendenziell zurück. Die somalische Regierung hat 2012 einen Aktionsplan zur Verwirklichung einer "kinderfreien" somalischen Armee verabschiedet, die Umsetzung schreitet allerdings langsam voran. UNSOM und UNICEF unterstützen die Regierung bei der Umsetzung ihrer Vorgaben in diesem Bereich (ÖB 10.2015).

In welchem Ausmaß al Shabaab heute noch Kinder rekrutiert, kann nicht genau gesagt werden (LI 11.6.2015). Die UN haben von 82 Fällen berichtet, bei welchen Kinder in Moscheen oder während religiösen Veranstaltungen der al Shabaab rekrutiert worden sind (USDOS 13.4.2016).

Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia. Die Rekrutierung als solche wird von UNHCR nicht als Fluchtgrund gesehen. Somalische Flüchtlinge - v.a. jene, die das Land nach 2011 verlassen haben - seien nicht vor al Shabaab geflohen sondern vor der Hungersnot (ÖB 10.2015). Es ist zwar weniger wahrscheinlich, aber auch in Städten unter der Kontrolle der Regierung und von AMISOM wird durch al Shabaab rekrutiert (DIS 9.2015).

Die wichtigste Personengruppe für Rekrutierungen ist für al Shabaab jene der 12-16jährigen Buben. Als wichtige Werkzeuge bei der Rekrutierung gelten Propaganda; die Rekrutierung über Clanführer und Koranschulen; Gehirnwäsche und Indoktrinierung; wie Deserteure berichten, stehen letztere zwei Methoden im Vordergrund. Gleichzeitig wird manchmal Zwang angewendet, meist aber erfolgt die Rekrutierung durch Überzeugungsarbeit - und durch die Aussicht auf Sold. Denn al Shabaab ist für junge Männer attraktiv, die keine Bildung haben oder arbeitslos sind. Gleichzeitig ist es für Familien attraktiv, ein bis zwei Angehörige bei al Shabaab unterzubringen, um so Einkommen zu generieren (LI 10.9.2015) bzw. um die Familie abzusichern (DIS 9.2015). Am leichtesten kann al Shabaab folglich in IDP-Lagern rekrutieren (LI 10.9.2015). Al Shabaab rekrutiert normalerweise in Moscheen oder bei religiösen Veranstaltungen (EASO 2.2016; vgl. ÖB 10.2015).

Es ist schwer einzuschätzen, wie systematisch und weitverbreitet Zwangsrekrutierungen stattfinden. Die UN führt jegliche Rekrutierung von Kindern als Zwangsrekrutierung (LI 10.9.2015).

In Mogadischu gibt es kein Risiko hinsichtlich einer Zwangsrekrutierung durch al Shabaab (UKUT 3.10.2014; vgl. UKUT 5.11.2015). Al Shabaab führt in Städten wie Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen von Kindern mehr durch. Allerdings bezahlt al Shabaab in Mogadischu Kinder für Aktivitäten (Informationen; aber auch das Werfen von Handgranaten) (LI 11.6.2015). In jenen ländlichen Gebieten, die unter Kontrolle der al Shabaab sind, kommt die (Zwangs‑)Rekrutierung von Kindern immer noch vor (LI 11.6.2015; vgl. USDOS 13.4.2016), ist aber die Ausnahme (EASO 2.2016). Es ist ein Fall dokumentiert, wo al Shabaab in einer Koranschule im Gebiet der Regierung - in Baidoa - sechs Buben rekrutiert hat. Generell ist es aber unwahrscheinlich, dass al Shabaab in Gebieten, die nicht unter ihrer Kontrolle stehen, Zwangsrekrutierungen vornimmt (LI 10.9.2015).

Die Weigerung, der al Shabaab beizutreten, kann für die Person selbst, aber auch für Familienangehörige tödlich sein. Eine andere Konsequenz, um einer Rekrutierung zu entgehen, wäre die Übersiedlung in ein anderes Gebiet (DIS 9.2015).

Die UN unterstützen die Reintegration von 500 ehemaligen Kindersoldaten in ihre Familien und Gemeinden. Die Aktivitäten umfassen psycho-soziale Unterstützung, "back-to-school"-Programme und Berufsausbildung (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

2.2. Deserteure und ehemalige Kämpfer der al Shabaab

Hinsichtlich Deserteuren der al Shabaab gibt es nur wenige Informationen. Es gibt keine Aufzeichnungen über diese Personen, und auch nicht darüber, was später mit ihnen geschah. Ein bis zwei Drittel der Deserteure scheinen unmittelbar zu ihren Gemeinden zurückzukehren, ohne sich vorher der Armee oder AMISOM zu ergeben (LI 5.8.2015).

Eigentlich gilt gegenwärtig eine bereits 2014 ausgerufene Amnestie für al-Shabaab-Mitglieder, die sich ergeben; allerdings scheint es hier Ausnahmen zu geben. Jene Deserteure, die sich ergeben, werden vom Geheimdienst NISA einem Screening unterzogen. Dabei wird nach "high risk" und "low risk" kategorisiert. Erstere bleiben in Haft und warten auf ein Gerichtsverfahren; letztere werden rehabilitiert und/oder in die somalischen Sicherheitskräfte integriert. Sie stellen die Mehrheit (LI 5.8.2015).

In Belet Weyne bleiben low-risk-Deserteure beispielsweise nur kurze Zeit in Rehabilitationszentren, bevor sie nach Hause entlassen werden. Mindestens 1.200 Deserteure sind alleine durch ein Rehabilitationszentrum in Mogadischu gegangen. Die Gesamtzahl für Somalia ist unbekannt. Von diesen 1.200 sind rund 700 nach Hause (Mogadischu und Lower Shabelle) zurückgekehrt, weitere 200 wurden in die Sicherheitskräfte übernommen (LI 5.8.2015).

In Süd-/Zentralsomalia gibt es mehrere Rehabilitationszentren, z.B. das Serendi Centre in Mogadischu oder das Hiil Walaal Rehabilitation Centre in Belet Weyne (LI 5.8.2015) sowie ein Zentrum in Baidoa (UNSC 8.1.2016). Das Lager in Baidoa wird von IOM betrieben und von Deutschland finanziert. Ein weiteres Lager in Mogadischu wird von Großbritannien finanziert (ÖB 10.2015).

Die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards wird von UNSOM überwacht (UNSC 11.9.2015). Im Dezember 2015 befanden sich im Serendi Centre 225 Männer, im Hiil Walaal Centre 25, in Baidoa 95 (UNSC 8.1.2016). Außerdem hat IOM mit der Unterstützung von UNSOM in Baidoa ein eigenes Frauenhaus für weibliche, ehemalige al-Shabaab-Mitglieder eingerichtet (UNSC 8.1.2016; vgl. ÖB 10.2015).

In den Zentren werden Berufsausbildung, eine Ausbildung zur Konfliktlösung und eine Traumabehandlung angeboten (UNSC 8.1.2016; vgl. ÖB 10.2015). Einzelpersonen werden nach Feststellung des exit board in die Gesellschaft reintegriert (UNSC 8.1.2016). Als Integrationsmaßnahme wird Entlassenen auch Geld zur Verfügung gestellt, um eventuell ein Unternehmen zu gründen (ÖB 10.2015).

Da es aufgrund der Militäroperationen im Jahr 2015 zu einem Anstieg der Zahl an al-Shabaab-Kämpfern gekommen ist, die sich ergeben haben oder die gefangen genommen worden sind, mussten diese teils in privaten Unterkünften und temporären Einrichtungen untergebracht werden (UNSC 11.9.2015).

Für ehemalige Kindersoldaten gibt es eigene Zentren, wie z.B. das Interim Care Centre in Mogadischu, das auch von UNICEF unterstützt wird (LI 5.8.2015). UNICEF Somalia betreibt zwei Zentren für minderjährige ehemalige al Shabaab-Kämpfer, in denen die Minderjährigen gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung resozialisiert und unterrichtet werden (ÖB 10.2015). Alle Kinder, die sich früher im Serendi Centre befanden, wurden an UNICEF übergeben (UNHRC 28.10.2015). Außerdem bietet UNICEF ein Reintegrationsprogramm für Kinder an, die bei bewaffneten Gruppen - darunter al Shabaab - Dienst versahen. Davon profitieren 625 Kinder (UNSC 11.9.2015).

Es herrscht allgemein Einigkeit darüber, dass al Shabaab schon Deserteure ermordet hat (LI 5.8.2015). Es herrscht auch Einigkeit darüber, dass al Shabaab in der Lage ist, Deserteure auch auf dem Gebiet unter Kontrolle von AMISOM und Regierung aufzuspüren (DIS 9.2015; vgl. LI 5.8.2015).

Allerdings herrscht Uneinigkeit darüber, in welchem Ausmaß al Shabaab der Jagd nach Deserteuren Priorität einräumt. Ein Bericht der norwegischen COI-Einheit Landinfo kommt zum Schluss, dass al Shabaab für Deserteure zwar ein Risiko darstellt, jedoch aus den vorhandenen Informationen geschlossen werden kann, dass al Shabaab der Suche nach Deserteuren auf dem Gebiet von AMISOM und Regierung keine Priorität einräumt (LI 5.8.2015).

Zwar gaben mehrere Quellen an, dass al Shabaab beachtliche Ressourcen aufwendet, um Deserteure aufzuspüren und zu töten (LI 5.8.2015). Andere Quellen aber erklären, dass Deserteure von al Shabaab auf dem Gebiet von AMISOM und Regierung nicht systematisch verfolgt und getötet werden (DIS 9.2015; vgl. ÖB 10.2015). Vielmehr kommt es zu Einschüchterungsversuchen (ÖB 10.2015); sowie in Einzelfällen zur Tötung. Bisher hat al Shabaab nur eine geringe Zahl an Deserteuren getötet und war auch nicht in der Lage, deren Familienmitglieder zu bedrohen oder anzugreifen (DIS 9.2015).

Eine mögliche Erklärung ist, dass starke Clans in der Lage sind, al Shabaab von einer Rachenahme an Deserteuren des eigenen Clans abzubringen. Dies kann der Grund dafür sein, warum so viele Deserteure in ihre Gemeinden zurückkehren können. Dementsprechend riskieren Deserteure schwacher Clans ihr eigenes Leben und das ihrer Familienangehörigen. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass al Shabaab nicht mehr über die Ressourcen verfügt, um Deserteure systematisch verfolgen zu können (LI 5.8.2015).

Hinsichtlich minderjähriger Deserteure wird al Shabaab kaum motiviert sein, diese auf dem Gebiet von AMISOM und Regierung aufzuspüren und zu töten. Die Minderjährigen verfügen i.d.R. über keine wichtigen Informationen über die al Shabaab; trotzdem sind in Baidoa in der Vergangenheit auch minderjährige Deserteure getötet worden - vermutlich, um ein Exempel zu statuieren (DIS 9.2015).

Trotzdem befürchten z.B. Deserteure im Rehabilitationszentrum in Mogadischu die Rache der al Shabaab. Viele trauen sich nicht, das Lager zu verlassen. Andererseits sind z.B. 700 Deserteure aus dem Rehabilitationszentrum nach Hause (Mogadischu und Lower Shabelle), in Regionen unter der Kontrolle von AMISOM und Regierung zurückgekehrt. Keiner von ihnen wurde von al Shabaab getötet (LI 5.8.2015).

Wenn aber al Shabaab eine Person als ausreichend wichtiges Ziel erachtet, wird sie diese zu töten versuchen. Bei ranghohen Deserteuren wird dies mit dem Wissen über al Shabaab gerechtfertigt werden. Manchmal wird al Shabaab aber einfach nur ein Exempel statuieren; davon sind auch niedrigere Ränge und deren Familienangehörige betroffen (DIS 9.2015).

Quellen:

3. Minderheiten und Clans

3.1. Bevölkerungsstruktur und Clanschutz

Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 13.4.2016). Die somalische Bevölkerung ist aber nur auf den ersten Blick homogen (EASO 8.2014). In ganz Somalia gibt es eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Sub-Clans und Sub-Sub-Clans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015). Tatsächlich bilden die Clans eine Art Sub-Ethnizität. Die Clans bilden auch die Grundlage der Identität eines Somali, jeder kennt normalerweise seine exakte Position im Clansystem. Dies gilt auch für die urbanisierte Bevölkerung. Wenn Somali ihre Herkunft beschreiben fangen sie meist bei sich selbst an und steigen dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinauf. Diese Aufzählung wird abtirsiimo oder abtirsiin genannt, und Kinder im Alter von acht oder neun Jahren können diese üblicherweise auswendig (EASO 8.2014).

Dabei gelten als Haupt-Clanfamilien die traditionell nomadischen Darod, Dir, Hawiye und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Diese Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene der Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe, die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt. Diese Gruppe sorgt aber traditionell auch für die Unterstützung von Angehörigen in schwierigen (finanziellen) Situationen. Nur in Mogadischu ist das System soweit erodiert, dass nicht mehr die mag/diya-Gruppe für Unterstützung sorgt, sondern lediglich die Kernfamilie (EASO 8.2014).

Die Clans sind politische Akteure, die normalerweise über eigenes Territorium verfügen. Traditionelle Verträge (xeer) werden meist zwischen Mag/Diya zahlenden Gruppen abgeschlossen. Allerdings ist das Clansystem - wie erwähnt - keine exakte Wissenschaft, Koalitionen und Abgrenzungen - auch geographische - sind nur schwer zu erfassen oder gar nicht genau definiert (EASO 8.2014).

Das Clansystem ist dynamisch und komplex. Aufgrund des Bürgerkrieges und damit verbundener Wanderbewegungen aber auch aufgrund des Bevölkerungswachstums waren nach 1991 zunehmende Fluktuationen zu verzeichnen. Aufzeichnungen von Genealogien sind umstritten (EASO 8.2014).

* Die Darod unterteilen sich in die großen Gruppen Ogadeni (Äthiopien und Jubba-Regionen), Marehan (Süd-/Zentralsomalia) und Harti. Letztere sind eine Föderation aus Majerteen (Hauptclan in Puntland), Dulbahante und Warsangeli (Regionen Sool und Sanaag).

* Die Hawiye leben vor allem in Süd-/Zentralsomalia, die wichtigsten Subclans sind Abgaal und Habr Gedir.

* Die Dir finden sich im westlichen Somaliland und in einigen Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Ihre Hauptclans sind Issa und Gadabursi (beide Somaliland) und Biyomaal (Südsomalia).

* Die Isaaq sind der Hauptclan Somalilands.

* Die Digil und Mirifle/Rahanweyn leben in den fruchtbaren Tälern von Shabelle und Jubba und im Gebiet zwischen beiden Flüssen (v.a. Bay und Bakool) (EASO 8.2014).

Daneben finden sich in Somalia einige ethnische Minderheiten und ständische Berufskasten, die insgesamt zwischen 15 und 30 Prozent der Bevölkerung stellen (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).

Clanschutz bedeutet die Androhung von Gewalt im Falle einer Aggression gegen ein Mitglied durch einen Außenstehenden. Die Möglichkeit, diese Drohung aufrecht zu erhalten ist genauso essentiell wie die Möglichkeit, einem Racheakt durch gemeinschaftliche Zahlung von Kompensation (mag/diya) zu entgehen. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. Der Clanschutz kommt aber auf einer sehr niedrigen Ebene der Clan-Hierarchie zur Anwendung. Es reicht also z.B. in Mogadischu nicht, den Hawiye anzugehören, um Clanschutz zu erhalten. Die Zugehörigkeit zu einem dominanten Sub(sub)clan der Hawiye in Mogadischu ist relevanter (EASO 8.2014).

Inwiefern Clanschutz heute noch funktioniert ist umstritten. Faktoren wie AMISOM, die Restauration staatlicher Sicherheitsbehörden oder al Shabaab haben den Schutz erodiert. Andererseits hat der Rückzug von al Shabaab sowie der Mangel an staatlicher Verwaltung in den ländlichen Gebieten den Clanschutz verstärkt. Das Ausmaß an Clanschutz variiert also regional und ist im Laufe der Zeit Änderungen unterworfen. In Somaliland und Puntland, wo relative Stabilität herrscht, ist der Clanschutz weniger relevant als in Süd-/Zentralsomalia. In Mogadischu hingegen sind Älteste zwar noch bei der Konfliktvermittlung involviert, jedoch gibt es kein Risiko mehr, aufgrund der Clanzugehörigkeit einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Nicht mehr die Clans, sondern AMISOM, Armee und Polizei sind für die Sicherheit verantwortlich. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Teile von Armee und Polizei nach wie vor großen Bezug zu ihren Herkunftsclans haben (EASO 8.2014).

Quellen:

3.2. Aktuelle Situation

Die somalische und auch die puntländische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.12.2015). Grundsätzlich wurde bei der Bildung der föderalen Regierung Ende 2012 sowie beim letzten umfassenden Regierungsumbau auf eine möglichst breite Zusammensetzung aller Clans und Sub-Clans geachtet. Sowohl Regierung als auch Parlament sind entlang der sogenannten "4.5 Lösung" organisiert, das bedeutet, dass für jeden Sitz, den ein Vertreter der großen Clans in Regierung bzw. Parlament innehat, ein halber Sitz einem Vertreter der kleineren Clans (ÖB 10.2015) bzw. Minderheitenclans zufällt (USDOS 13.4.2016). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir und Digil-Mirifle) dominieren Verwaltung, Politik, und Gesellschaft mit jeweils 61 Sitzen im Parlament. Dementsprechend sind die lokalen Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert (ÖB 10.2015). Die 4.5-Formel wurde aber auch schon zugunsten der Minderheiten gebrochen (USDOS 13.4.2016).

In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus (USDOS 13.4.2016). Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist grundsätzlich von einer Diskriminierung im Lichte der jeweiligen Clan- bzw. Sub-Clan-Zugehörigkeit auszugehen (AA 1.12.2015).

Dabei kann es sich um wirtschaftliche Diskriminierung beispielsweise im Rahmen staatlicher Vergabeverfahren, aber auch um Diskriminierung beim Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, natürlichen Ressourcen, Gesundheitsdienstleistungen oder anderen staatlichen Diensten (AA 1.12.2015) oder um Gerichtsverfahren handeln (USDOS 13.4.2016). Angehörige eines (Sub‑)Clans können in Gebieten, die von einem anderen (Sub‑)Clan dominiert werden, aber auch auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 1.12.2015). Es kann davon ausgegangen werden, dass der staatliche Schutz im Falle von Clan-Konflikten nicht zur Anwendung kommt, sondern die "Regelung" dieser Konflikte grundsätzlich den Clans selbst überlassen wird. Die staatlichen Sicherheitskräfte sind in der Regel zu schwach, um in Clankonflikte effektiv eingreifen zu können; zudem ist die föderale Regierung wohl auch nicht willens, sich in Konflikte dieser Art einzumischen und so den Unwillen einzelner Clans auf sich zu ziehen (ÖB 10.2015).

Viele Minderheitengemeinden leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 13.4.2016). Bantu werden aufgrund ihrer Ethnie diskriminiert (UNHRC 28.10.2015). Auch einzelne andere Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Midgan, Gabooye), leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich, da sie nicht in die Clan-Strukturen eingebunden sind, in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut. Sie sind auch überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 13.4.2016). Allerdings datieren die letzten - unbestätigten - Berichte von Repressionen im engeren Sinn mit November 2013, als staatliche Sicherheitskräfte des Hawiye-Clans angeblich sesshafte Bantu-Landwirte von ihren Grundstücken vertrieben haben sollen (AA 1.12.2015). In den hier verwendeten Berichten werden keine aktuellen Beispiele gewaltsamer Repression oder der Verfolgung von Minderheiten genannt.

Das Ausmaß an Diskriminierung hängt von der Minderheit ab:

Berufskasten sind generell stärkerer Diskriminierung ausgesetzt als ethnische Minderheiten. Sie leben meist in Ghetto-ähnlichen Vierteln oder Stadtteilen (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010). Mischehen - vor allem zwischen Berufskasten und den Hauptclans - sind traditionell beschränkt (USDOS 13.4.2016; vgl. EASO 8.2014, ÖB 10.2015). Dieses Tabu scheint aber in den vergangenen Jahren etwas aufgeweicht worden zu sein (EASO 8.2014). So kommen Beziehungen, die nicht den klassischen Strukturen entsprechen, häufiger vor. Ehen, in welchen die Frau einem Hauptclan angehört und der Ehemann einer Minderheit, sind aber sehr selten (C 18.6.2014).

Auch in anderen Bereichen gibt es regionale Unterschiede: Während etwa Mogadischu durch seine Durchmischung eher tolerant ist, gibt es in Puntland eine klare Trennung und in einigen Gebieten dürfen Angehörige von Minderheiten nicht in den Städten wohnen (B 14.10.2014).

In Mogadischu gibt es heute keine Clankämpfe oder -Konflikte mehr. Es gibt dort auch kein Risiko einer schweren Diskriminierung aufgrund der Clanzugehörigkeit. Da es in der Stadt keine Clanmilizen mehr gibt, ist der Clan heute weniger eine Schutzstruktur als vielmehr eine soziale Struktur. Minderheitenangehörige werden nicht mehr aufgrund ihrer Zugehörigkeit marginalisiert oder belästigt. Die Sicherheitslage für Angehörige kleiner, schwacher Clans oder ethnischer Minderheiten hat sich wesentlich verbessert. Auch die Andeutung von UNHCR, dass für eine Rückkehr nach Mogadischu die Anwesenheit der Kernfamilie relevant ist, weist auf die nunmehr geringe Bedeutung des Clans hin (UKUT 3.10.2014; vgl. UKUT 5.11.2015). Zusätzlich gibt eines keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten nicht automatisch, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016).

Manche Minderheiten haben von al Shabaab profitiert und die Gruppe unterstützt. Mit dem Machtverlust für al Shabaab kommt es auch zu Fällen, wo diese vorherige Unterstützung nun negative Auswirkungen hat (EASO 8.2014). So waren bzw. sind überproportional viele Angehörige von Minderheiten bei der Ausführung von Körperstrafen und Exekutionen sowie bei der Verübung gezielter Attentate beteiligt. Das Risiko von Racheaktionen besteht (B 10.2014). Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014).

Quellen:

4. Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab

In Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen die al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden. Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen werden als militärisches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 1.12.2015). Auch Blockadebrecher (HRW 27.1.2016) und Dorfälteste in Ortschaften in der Nähe von AMISOM/Regierungsstädten wurden getötet (DIS 9.2015). Es gibt mehrere Berichte darüber, dass al Shabaab Personen wegen des Verdachts der Spionage angeklagt und binnen Stunden nach der Urteilsverkündung öffentlich exekutiert hat (UNHRC 28.10.2015; vgl. USDOS 13.4.2016, HRW 27.1.2016).

Neben militärischen Zielen der al Shabaab, wie AMISOM und somalische Sicherheitskräfte, werden auch bestimmte zivile Ziele erwähnt, die auf dem Gebiet von AMISOM und somalischer Regierung angegriffen werden. Darunter fallen die somalische Regierung (DIS 9.2015; vgl. UKHO 15.3.2016, HRW 27.1.2016); Zivilisten, die mit der Regierung in Verbindung stehen; Mitarbeiter humanitärer NGOs; UN-Mitarbeiter (USDOS 13.4.2016; vgl. UKHO 15.3.2016) bzw. Personen und Institutionen, welche die internationale Gemeinschaft repräsentieren; internationale NGOs (DIS 9.2015; vgl. UKHO 15.3.2016); diplomatische Missionen; prominente Friedensaktivisten, Gemeindeführer, Clanälteste und deren Angehörige (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016); sowie Journalisten (UKHO 15.3.2016; vgl. HRW 27.1.2016) und Kleriker (HRW 27.1.2016). Auch Bildungseinrichtungen und Personen, die sich weigern, Zakat (Steuer) an al Shabaab abzuführen, werden als Ziele genannt (DIS 9.2015). Gezielte Attentate auf diese Personengruppen gibt es vor allem in Mogadischu, Baidoa und Belet Weyne (HRW 27.1.2016).

Es kommt also z.B. in Mogadischu regelmäßig zu Angriffen auf Zivilisten und zivile Strukturen (HRW 27.1.2016). Allerdings sind nicht alle Zivilisten gleichermaßen betroffen. Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) - auch bei einer Rückkehr nach Mogadischu - keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gemäß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen würde (UKUT 3.10.2014; vgl. EGMR 10.9.2015). Im Zuge von Angriffen der al Shabaab auf Ziele in bewohnten Gebieten (durch Sprengsätze oder Handgranaten) kommen allerdings auch "normale Zivilisten" zu Schaden oder ums Leben. Zivilisten als solche werden aber nicht zum spezifischen Ziel der al Shabaab (DIS 9.2015). Alleine der Umstand, dass eine Person in einer Stadt in Süd-/Zentralsomalia wohnt, steigert weder das Risiko der Verfolgung noch das Risiko ernsthaften Schadens durch die al Shabaab (UKHO 15.3.2016). Bei der strategischen Zielauswahl der al Shabaab gibt es keine spezifische Kategorie der "Zivilisten" oder der aus der Diaspora Zurückgekehrten (UKUT 3.10.2014).

Für Personen, die in einem städtischen Gebiet leben, das von AMISOM und/oder der Regierung kontrolliert wird; und die weder mit der Regierung noch der internationalen Gemeinschaft in Verbindung stehen, diese unterstützen, oder von denen angenommen wird, dass sie diese unterstützen; ist es unwahrscheinlich, dass sie für al Shabaab von Interesse sind (UKHO 15.3.2016).

Auch "low level"-Ziele (z.B. lokale Mitarbeiter von internationalen oder nationalen NGOs) sind keine Priorität der al Shabaab. Sind allerdings keine "high profile"-Ziele (z.B. AMISOM, UN) verfügbar, dann könnten "low level"-Ziele ersatzweise angegriffen werden (UKHO 15.3.2016; vgl. DIS 9.2015).

Mehrere Quellen von Landinfo erwähnen ein erhöhtes Risiko für lokale Bedienstete von AMISOM. Andererseits strömen jeden Morgen zahlreiche Bedienstete in die gesicherte Zone von AMISOM. Eine Quelle erklärt, dass wenige von al Shabaab getötet worden sein, die meisten leben in relativer Sicherheit in der Nähe des Flughafens. Insgesamt scheint die Situation für lokale Bedienstete der UN ähnlich (LI 2.6.2015). Es gibt nur wenige dokumentierte Fälle, wo al Shabaab lokale Angestellte der UN angegriffen hat (DIS 9.2015). Zwischen Mai 2014 und Februar 2015 sind mindestens vier der rund 2.000 direkt und indirekt für die UN arbeitenden lokalen Bediensteten von al Shabaab ermordet worden (LI 2.6.2015). Lokale Angestellte der UN haben allerdings Angst vor Übergriffen der al Shabaab. Sie treffen Vorkehrungen, um nicht mit der UN in Verbindung gebracht zu werden (DIS 9.2015).

Hinsichtlich einer Tätigkeit für andere internationale Organisationen und NGOs hat Landinfo bei einigen Quellen Rückfrage gehalten. Lokalen Bediensteten werden spezielle Sicherheitsmaßnahmen auferlegt bzw. treffen diese selbst Sicherheitsvorkehrungen (LI 2.6.2015). Es kommt manchmal zu Drohungen per Telefon (LI 2.6.2015; vgl. DIS 9.2015). Keine der gefragten Quellen gab an, dass ein Mitarbeiter von al Shabaab ermordet worden war. Bei zwei Vorfällen (2011 und 2013) waren lokale Mitarbeiter von al Shabaab verhaftet, und erst nach Vermittlung von Clan-Ältesten wieder freigelassen worden. Manche Mitarbeiter werden von al Shabaab zur Kooperation (hinsichtlich Aufklärung) gezwungen; dabei kommt es auch zu Drohungen hinsichtlich der Tötung von Familienangehörigen (LI 2.6.2015).

Laut UNOCHA kommen Angriffe auf und Drohungen gegen Mitarbeiter humanitärer Organisationen immer öfter vor. In den ersten fünf Monaten 2015 hat es 60 Vorfälle gegeben (UNHRC 28.10.2015). Dabei scheint es nur wenige Angriffe zu geben (DIS 9.2015). Landinfo geht aufgrund der Informationslage nicht davon aus, dass die Tötung lokaler Bediensteter von AMISOM, UN oder anderer internationaler Organisationen für al Shabaab eine Priorität haben (LI 2.6.2015).

Einige nationale NGOs scheinen eine Steuer an al Shabaab abzuführen. Zusätzlich scheint al Shabaab momentan den Schwerpunkt auf hochrangige Ziele zu legen (z.B. AMISOM, Regierung, UN) (DIS 9.2015). Außerdem will al Shabaab die systematische Tötung von Zivilisten verhindern, die in keiner oder nur äußerst geringer Verbindung mit AMISOM, der Regierung, der UN oder NGOs stehen (z.B. Teeverkäufer), da derartige Morde sehr unpopulär sind (DIS 9.2015; vgl. EASO 2.2016).

Quellen:

5. Bewegungsfreiheit und Relokation

Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen mit Sicherheit. Mogadischu kann grundsätzlich als IFA für Personen dienen, die dort über enge Verwandtschaft verfügen. Relativ sichere Gebiete sind weiterhin auch Puntland und v.a. Somaliland (mit Ausnahme des Grenzgebietes zu Puntland), wo sich Angehörige aller Clans relativ frei bewegen können (ÖB 10.2015). Generell sind relativ sichere Zufluchtsgebiete aber schwierig zu bestimmen, da man je nach Ausweichgrund und persönlichen Umständen möglicherweise in einem anderen Gebiet Somalias dann von anderen Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts bedroht ist. Grundsätzlich herrscht aber in Somaliland und Puntland (außer in den umstrittenen Gebieten) relative Bewegungsfreiheit (AA 1.12.2015). Für alleinstehende Frauen und Alleinerzieherinnen ohne männlichen Schutz - vor allem für Minderheitenangehörige - ist eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit nicht gegeben. Dies gilt in Anbetracht der Umstände, dass weder relevante Unterstützungsnetzwerke noch eine Aussicht auf einen ausreichenden Lebensunterhalt gegeben sind (UKHO 3.2.2015).

Für jene Personen, die in Mogadischu oder anderen Städten einem Risiko seitens der al Shabaab ausgesetzt sind, ist das Vorhandensein einer internen Relokationsmöglichkeit in Süd-/Zentralsomalia unwahrscheinlich. Al Shabaab könnte immer noch in der Lage sein, sie aufzuspüren. Jene Personen, die nicht höherrangig sind; oder die nicht mit der Regierung oder einer internationalen Organisation in Verbindung stehen; oder deren Risiko lokal begrenzt ist; sollten in der Lage sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Dies muss von Fall zu Fall abgewogen werden. Jene Personen, die höherrangig (high profile) sind, und in ländlichen Gegenden unter dem Einfluss der al Shabaab leben, können in Städten, wo al Shabaab keinen Einfluss hat, eine interne Relokation wahrnehmen (UKHO 15.3.2016).

Quellen:

6. Grundversorgung/Wirtschaft

Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia seit Jahrzehnten zum Land mit dem größten Bedarf an internationaler Nothilfe (AA 1.12.2015).

Die Versorgungslage ist anhaltend schlecht und hat sich im Jahr 2015 aufgrund der Nahrungsmittelknappheit zusätzlich verschlechtert (ÖB 10.2015). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht gewährleistet (AA 1.12.2015).

Im Dezember 2015 galten eine Million Menschen in Somalia als im humanitären Notstand befindlich; 3,9 Millionen befanden sich in "food security stress" (EASO 2.2016). Im Februar 2016 waren rund 305.000 Kinder unter fünf Jahren akut unterernährt, davon mehr als 58.000 schwer (UNOCHA 19.2.2016). Im Zeitraum Jänner bis Oktober 2015 wurden fast 22.000 akut unterernährte Kinder unter fünf Jahren mit lebensrettender Ernährung versorgt (UNSC 8.1.2016). Die Situation hatte sich durch saisonale Überschwemmungen in Hiiraan, Lower und Middle Juba und Middle Shabelle verschärft. Außerdem können manche Städte nicht ordentlich versorgt werden, weil al Shabaab die Warenzufuhr blockiert - z.B. Diinsoor (Bay) (EASO 2.2016), Buulo Barde (Hiiraan), Xudur und Waajid (Bakool) (UNOCHA 19.2.2016). Al Shabaab verbietet auch weiterhin den meisten humanitären Organisationen, auf eigenem Gebiet aktiv zu werden; vulnerable Bevölkerungsgruppen können dort nicht erreicht werden (UNHRC 28.10.2015).

Quellen:

6.1. Rückkehrspezifische Grundversorgung

Als allgemeine Regel gilt, dass Somali auch sehr entfernt Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen, unterstützen werden, da eine Clan-Verbindung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass die Kapazitäten dafür zur Verfügung stehen. Allerdings wurde das Konzept der Clan-Solidarität in Süd-/Zentralsomalia überdehnt. Viele Familien und Clan-Netzwerke sehen sich nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse vertriebener Verwandter zu erfüllen (DIS 9.2015).

Beide - Familie (auch die erweiterten und entfernt verwandten Teile) und Clan - bleiben einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um Akzeptanz, Sicherheit und Grundbedürfnisse (Unterkunft, Nahrung) geht. Eine Person, die an einen neuen Wohnort zieht, erwartet sich die Akzeptanz des Clans in der lokalen Gemeinschaft. Diese Akzeptanz bedeutet, dass die Menschen über den Neuankömmling und seine Verbindungen Bescheid wissen; damit steht auch der Schutz in Verbindung, den diese Person vom Clan erlangen kann. Dies gilt auch für Rückkehrer, doch können diese ja nach Fähigkeiten und Kapazitäten auch autark leben, ohne einer Clan-Belästigung ausgesetzt zu sein. Auf der anderen Seite ist eine schwache Person mit wenigen Ressourcen auf die Unterstützung von Angehörigen, Verwandten oder einem engen Netzwerk angewiesen, um Unterkunft und Einkünfte zu erlangen. Grundsätzlich wird dabei nicht zuerst der Clan um Unterstützung angefragt (DIS 9.2015). Hier wendet man sich zuerst an die Familienebene. Wenn aber eine Person in einem Gebiet weder über Kernfamilie noch über Verwandte verfügt, dann kann der Clan Ressourcen zur Verfügung stellen (DIS 9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014), wobei dies im Falle von Mogadischu eher bei großen Clans Erfolg haben wird (UKUT 3.10.2014). Eine übersiedelnde Person, wird sich in einem IDP-Lager wiederfinden und sich keinen Lebensunterhalt sichern können, wenn sie in einer Stadt weder über Kern- oder erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügt (DIS 9.2015; vgl. UKUT 5.11.2015) noch auf Rimessen zurückgreifen kann. Diese Person ist auf humanitären Schutz angewiesen (UKUT 5.11.2015). Auch für alleinstehende Frauen oder Alleinerzieherinnen hängt der zu erwartende Lebensunterhalt vom Status und von den Ressourcen der Familienangehörigen im Aufnahmegebiet ab (DIS 9.2015).

Quellen:

7. Rückkehr

Über die Behandlung rückgeführter somalischer Staatsangehöriger liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor, da insbesondere westliche Staaten Rückführungen nur in sehr begrenztem Ausmaß durchgeführt haben. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge dieser Personengruppe, sondern das gelegentlich unvorhersehbare Verhalten der Sicherheitskräfte, die Sicherheits- und Versorgungslage allgemein sowie mögliche Übergriffe der al Shabaab (AA 1.12.2015). Trotz aller Erfolge von somalischer Armee und AMISOM ist die Sicherheitslage in vielen Teilen Somalias nicht stabil genug, um die Aufnahme von Rückkehrern zu gewährleisten (UNHRC 28.10.2015). Andererseits sind nach Somalia Rückgeführte nicht per se einem höheren Risiko ausgesetzt. Diese Feststellung wird durch fehlende negative Meldungen bezüglich der zahlreichen aus Saudi Arabien deportierten Personen unterstützt (UKUT 3.10.2014). Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) nach einer längeren Abwesenheit bei einer Rückkehr nach Mogadischu aufgrund der Tatsache, dass er in einem europäischen Land gelebt hat, keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gemäß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen würde (UKUT 3.10.2014; vgl. EGMR 10.9.2015).

Beobachter, darunter v.a. UNHCR, warnen allerdings vor der nicht-existenten Infrastruktur und mangelnden Einrichtungen für somalische Rückkehrer. Somalia scheint auf eine Rückkehr von Flüchtlingen in größerem Ausmaß nicht vorbereitet zu sein (ÖB 10.2015). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und auch nicht für unbegleitete Minderjährige (AA 1.12.2015). Der zuständigen österreichischen Botschaft liegen keine näheren Informationen zu rückkehrenden Minderheiten im Besonderen oder zu in diesem Bereich tätigen NGOs vor (ÖB 10.2015).

Gleichzeitig unterstützen UNHCR und andere internationale Partner aber seit 2015 die freiwillige Rückkehr von Somaliern aus Kenia. Grundlage ist ein dreiseitiges Abkommen zwischen Kenia, Somalia und dem UNHCR (AA 1.12.2015). Dabei haben die drei Parteien die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen und des Non-Refoulement zugesichert (UNHRC 28.10.2015; vgl. LI 1.4.2016). UNHCR steht es zu, jene somalischen Gebiete zu definieren, welche für eine Rückkehr als sicher erachtet werden (LI 1.4.2016). Gemäß Vereinbarungen zwischen Kenia, Somalia und UNHCR sind ab 2015 die unterstütze Rückkehr nach Kontingenten vereinbart: 10.000 im Jahr 2015, 50.000 im Jahr 2016, 75.000 im Jahr 2017, 65.000 im Jahr 2018 und 15.000 im Jahr 2019 (ÖB 10.2015). Die Kontingente konnten bisher nicht eingehalten werden. In der Pilotphase zwischen Dezember 2014 und August 2015 waren rund 3.000 von UNHCR unterstützte Somali in die Bezirke Luuq, Baidoa und Kismayo zurückgekehrt (UNHRC 28.10.2015). Im Oktober 2015 wurden

1.500 Personen nach Mogadischu repatriiert (LI 1.4.2016). In den ersten zwei Monaten des Jahres 2016 wurden schon fast 4.200 Rückkehrer aus Kenia unterstützt. Die Rückkehrer wurden zu 95% auf dem Landweg in insgesamt 26 unterschiedliche Bezirke Süd-/Zentralsomalias transportiert - vorwiegend in die Bezirke Baardheere, Belet Xawo, Baidoa, Diinsoor, Buale, Jamaame und nach Mogadischu. Im Rahmen der freiwilligen Rückkehr aus Kenia werden Starthilfegelder, grundlegende Hilfsgüter und Nahrungsmittelhilfe verteilt (UNHCR 28.2.2016). Außerdem erhalten Rückkehrer längerfristige Reintegrationsunterstützung (LI 1.4.2016; vgl. UNHCR 3.9.2015). 4.000 Personen aus Mogadischu, die sich als Flüchtlinge in Kenia befinden, stehen auf der Warteliste des UNHCR, um in ihre Heimat zurückgebracht zu werden. Eine Ausnahme bilden alleinstehende Frauen, die UNHCR angesichts der eigenen Leitlinien nicht nach Mogadischu zurückführen kann (LI 1.4.2016).

Es sind aber auch zahlreiche Somali ohne Unterstützung von UNHCR aus Kenia zurückgekehrt (UNHRC 28.10.2015). Die Zahl somalischer Flüchtlinge in Kenia lag im Jahr 2011 bei einem Spitzenwert von ca. 520.000 Personen. Im Jahr 2015 verringerte sich diese Zahl um ca. 100.000. UNHCR geht davon aus, dass die große Mehrheit dieser Menschen auf eigene Faust nach Somalia zurückgekehrt ist (LI 1.4.2016).

Auch aus dem Jemen sind Somali zurückgekehrt. Zwischen März 2015 und März 2016 sind alleine in Puntland knapp 19.000 Somali aus dem Jemen eingetroffen (RMMS 2.2016; vgl. UNHCR 29.2.2016). 55% dieser Rückkehrer reisten nach Mogadischu weiter (USDOS 13.4.2016). Für aus dem Jemen Kommende gibt es Unterstützung seitens des Norwegian Refugee Council, das Danish Refugee Council, von IOM, UNHCR und WFP (UNHCR 29.2.2016). UNHCR gewährt finanzielle Unterstützung und bietet temporäre Unterkünfte (USDOS 13.4.2016). IOM unterstützt die Rückkehrer mit Weitertransport (USDOS 13.4.2016; vgl. UNHCR 29.2.2016).

Aus der EU führen folgende Länder Abschiebungen durch:

Großbritannien grundsätzlich; die Niederlande, Dänemark und Norwegen unterstützen freiwillige Rückkehrer; die Niederlande und Dänemark nur nach Somaliland, Norwegen auch in andere Landesteile; Finnland kann in Ausnahmefällen verurteilte Straftäter nach Somaliland zurückführen, Schweden nach Somaliland und Puntland (AA 1.12.2015).

Seit Dezember 2013 kommt es auch zu massiven Deportationen aus Saudi Arabien. Es sind ca. 70.000 Menschen nach Somalia zurückgebracht worden. IOM hat ca. 15.000 von ihnen unterstützt und teilweise Weitertransport zur Verfügung gestellt (USDOS 13.4.2016). IOM bietet den Ankömmlingen Unterstützung in Form von Repatriierung, medizinischer Betreuung, psycho-sozialer Unterstützung, Nahrung und Trinkwasser sowie Weitertransport an. Für gefährdete Personen gibt es auch Unterkunft und Schutz (EASO 8.2014). Viele dieser zwangsweise Rückgeschobenen wurden bei ihrer Rückkehr zu IDPs, da sie nicht in ihre eigentliche Heimat zurückkehren konnten (USDOS 13.4.2016).

In einer Studie, bei welcher 130 Somali der Diaspora in London, Minneapolis, Toronto, Bern, Malmö, Amsterdam und Helsinki befragt wurden, gaben viele an, bereits nach Somalia zu reisen (UNHCR 1.2016).

Einen geordneten Direktflugverkehr nach Mogadischu aus Europa gibt es bislang nur aus Istanbul mit Turkish Airlines. Darüber hinaus fliegen nur regionale Fluglinien, die Vereinten Nationen, die Europäische Union und private Chartermaschinen Mogadischu aus Nairobi regelmäßig an. Die Abfertigung der Flüge von Turkish Airlines findet in der zentralen Abfertigungshalle des Flughafens statt. Der Aufenthalt oder die Passage durch diese Abfertigungshalle wird aus Sicherheitsgründen dem gesamten in Mogadischu tätigen oder dorthin reisenden Personal von UN, EU und infolgedessen auch den meisten Botschaftsvertretern untersagt. Das muss im Hinblick auf eine etwaige Rückführung begleitende Beamte in Betracht gezogen werden (AA 1.12.2015).

Quellen:

3. Beweiswürdigung:

3.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden. Soweit diese namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung der beschwerdeführenden Partei als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

3.2. Wenn auch die Angaben des Zeugen X.Y. für eine Feststellung der Herkunft der beschwerdeführenden Partei aus Qoryooley spricht, so sprechen die beiden zum gleichen Ergebnis kommenden Sprachanalyseberichte dagegen. Das Bundesverwaltungsgericht weist den beiden Sprachanalyseberichten einen gewissen Beweiswert zu. Sie können allerdings nur eines mehrerer Beweismittel oder Indizien darstellen, um eine Verortung einer Antragstellerin oder eines Antragstellers in Somaliland festzustellen (siehe in diesem Sinne auch erst kürzlich UK Supreme Court, Urteil vom 21.05.2014, Secretary of State for Home Departement v MN and KY (Scotland), insbesondere Absätze 46 ff, so insbesondere Absatz 48 betreffend den Umgang mit Sprakab Analysen durch das Gericht). Das Bundesverwaltungsgericht nimmt die grundsätzlichen Kritikpunkte der Vertretung der beschwerdeführenden Partei betreffend Sprachanalysen in Zusammenhang mit Somalia zur Kenntnis. Aufgrund der vorgenommenen Wahrunterstellung kann aber an dieser Stelle auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesen Kritikpunkten verzichtet werden.

Die beschwerdeführende Partei wurde zu ihrem Clan und zu ihrem Clanleben mehrmals im Detail befragt (siehe dazu die Einvernahme vom 09.05.2012, AS 62, vom 03.06.2014, AS 383f und in der Verhandlung am 01.02.2016). Die beschwerdeführende Partei blieb bei ihren Angaben zu den Ashraf stets oberflächlich und allgemein und konnte auf offene Fragen nach ihrem Clanleben gar nichts vorbringen. Die beschwerdeführende Partei vermittelte an keiner Stelle das Gefühl, über ein identitätsstiftendes Merkmal zu sprechen, dem sie aber andernorts zuschrieb, für ihre Probleme verantwortlich gewesen zu sein, so zB betreffend die Enteignung der Landwirtschaft 2004 durch die Habr Gedir. Auch der Zeuge gab betreffend die Clanzugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei an, diese über seinen Onkel erfragt zu haben, weil man so etwas angeblich nicht fragen würde. Bei der Kenntnis des Clans der beschwerdeführenden Partei beruft sich der Zeuge daher im Endeffekt auch nur auf Hörensagen. Das Bundesverwaltungsgericht ist von der Zugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei zu den Ashraf nicht überzeugt, unterstellt sie aber seiner rechtlichen Beurteilung als wahr, weil eine entsprechende rechtliche Überprüfung zu keinem anderen Ergebnis führen kann.

Dass die Familienmitglieder und die erste Ehefrau der beschwerdeführenden Partei in Kenia bzw. im Jemen leben, wurde im Verfahren durchgehend gleichbleibend vorgebracht, weshalb dazu eine Feststellung erfolgen konnte. Dass sie sonst keine Verwandten mehr in Somalia hat, gab die beschwerdeführende Partei ebenfalls nachvollziehbar an (siehe zB AS 382).

Die Feststellungen betreffend ihre familiäre Situation in Österreich beruhen auf den Angaben der beschwerdeführenden Partei und ihrer Lebensgefährtin, auf der Geburtsurkunde des gemeinsamen Kindes vom 25.01.2016 und auf Auszügen aus dem Zentralen Mederegister vom 08.02.2016 bzw. vom 20.10.2015. Feststellungen zum Verfahrensstand betreffend die Lebensgefährtin der beschwerdeführenden Partei gründen sich auf deren Verwaltungsakt.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit gründet sich auf einen Auszug aus dem Strafregister vom 21.06.2016.

3.3. Zu ihrem Grund, Somalia zu verlassen, brachte die beschwerdeführende Partei im Laufe des Verfahrens folgendes vor:

Erstbefragung vom 03.03.2012: "Es gab in Qoryooley Krieg zwischen zwei Rebellengruppen. Es sind Menschen aus der Stadt geflüchtet. Ich flüchtete und 7 Personen flüchteten mit einem Pickup. Das war am 01.02.2010. Auf der Fahrt hielten uns Al Shabaab Milizen auf. Ich war der Jüngste und sie haben mich in den Wald gebracht. Sie fesselten mich an einen Baum und schlugen mich. Sie sagten, ich müsse an dem Krieg teilnehmen, ich weinte und sagte ich wolle nicht daran teilnehmen. Sie drohten mir mich umzubringen. Sie schnitten mir mit einem Messer in den Hals. Ich wurde dann bewusstlos. Als ich zu mir kam, brachten mich 2 Personen in die Stadt und haben mich verbunden. Ich reiste dann nach Kenia." Im Falle einer Rückkehr fürchte die beschwerdeführende Partei, von Al Shabaab getötet zu werden (AS 23).

Bei der Befragung am 09.05.2012 gab die beschwerdeführende Partei nach ihrem Asylgrund befragt an, dass Al Shabaab sie habe umbringen wollen. Sie sei verletzt worden und habe eine Narbe am Hals. Sie haben von der beschwerdeführenden Partei verlangt am Kampf teilzunehmen. Sie sei auch mit dem Gewehrkolben geschlagen worden. Auf die Frage, wann das passiert sei, meinte die beschwerdeführende Partei, dass sie 2008 mit dem Gewehr geschlagen worden sei. Die Verletzung am Hals sei passiert, als sie unterwegs nach Kenia gewesen sei. Leute auf der Straße hätten sie gesehen und die Wunde verbunden. Sie sei dann weitergereist und deswegen nicht ins Spital gegangen (AS 68f).

Bei der Befragung am 03.06.2014 gab die beschwerdeführende Partei nach dem Grund befragt, warum sie 2010 das Land verlassen habe, an:

"Als man uns unsere Landwirtschaft weggenommen hat. Hat der Krieg in unserer Stadt angefangen. Als man meinen Vater getötet hat, habe ich Angst bekommen. Ich habe Drohungen bekommen." Auf Nachfrage wurde angegeben: "Aus Angst vor diesen Männern. Weil meine Landwirtschaft uns enteignet wurde. Wegen Drohungen. Ich konnte nicht in die Stadt gehen." Erneut nach dem konkreten Anlass befragt, gab die beschwerdeführende Partei an: "Ja, im Jahr 2010 haben mich die Leute an der Strecke gefunden, bevor ich in Kenia angekommen bin. Ich wurde geschlagen und am Hals verletzt". Auf den Vorhalt, dass es also im Jänner 2010 keinen konkreten Fluchtgrund gegeben hat, wurde gesagt: "wegen dieser Leute, die Leute die meinen Vater getötet haben, wollten mich töten. Aus Angst bin ich geflüchtet. Sie zwingen die kleinen Mädchen zu heiraten. Unsere Landwirtschaft wurde enteignet." [...] "Die Leute, die die anderen Leute terrorisieren, haben mich angegriffen und geschlagen." [...] "Ich bin immer zu Hause geblieben, meine Mutter hat immer gesagt, ich soll nicht hinaus. Ich bin geflüchtet, auf der Strecke haben sie uns gefunden". [...] "Ich habe wegen zwei Gründen mein Heimatland verlassen. Aus Grund Diskriminierung, dass meine Landwirtschaft mir enteignet wurde und dass diese Männer mich töten wollten". (AS 386f).

Schließlich wurde in der mündlichen Verhandlung am 01.02.2016 ausgeführt:

"R: Erzählen Sie mir nun in Ihren eigenen Worten und so ausführlich wie möglich, warum Sie sich entschlossen haben, Somalia 2010 zu verlassen:

P: Die letzten Probleme, meinen Sie?

R: Ich meine genau das Problem, warum Sie sich entschlossen haben, Somalia zu verlassen.

P: Die Terroristen, die die Macht haben, versuchten mich zu töten. Ich meine damit die Al Shabaab. Danach habe ich das Land verlassen.

R: Können Sie darüber ein bisschen erzählen?

P: Sie haben öfters versucht, mich zu töten. Sie wollten mich töten. Sie wollten mich köpfen. Sie meinten, weil ich ein junger Mann bin, sollte ich ein Mitglied ihrer Gruppe werden. Wenn ich das verweigere, gehöre ich getötet. Sie wollten mich töten.

R: Wer war das, der Sie genau bedroht hat? Können Sie das ein bisschen genauer erzählen?

P: Die Al Shabaab meine ich. Sie haben die Kontrolle und Macht damals im ganzen Land gehabt in Qoryooley. Entweder musste man der Al Shabaab Gruppe beitreten und unschuldige Menschen töten, am Kampf teilnehmen, oder das Land verlassen.

R: Genau wie war Ihr Kontakt mit der Al Shabaab? Wie waren die Drohungen? Was ist genau mit Ihnen passiert?

P: Die Al Shabaab sind viele Leute. Es sind auch Araber dabei, Leute aus vielen Nationen. Sie haben damals die Kontrolle in Shabelle Hoose gehabt. Damals hieß Abu Abdallah der Chef von der Al Shabaab in Shabelle Hoose.

R: Bitte erzählen Sie, was Ihnen passiert ist. Wie war Ihr Kontakt zur Al Shabaab?

P: Sie werfen den jungen Männern vor, dass sie mit den Ausländern arbeiten. Sie werfen uns vor, Spione für die Amerikaner zu sein und für Kenianer und Äthiopier.

R: Sie haben vorher gesagt, Sie sind bedroht worden. Erzählen Sie, wer Sie bedroht hat und was diese Drohung war?

P: Abu Abdallah und andere Al Shabaab Mitglieder sind zu mir gekommen. Die anderen Al Shabaab Mitglieder sind manipuliert worden. Sie sagten mir, ich soll mitkommen, ihrer Gruppe beitreten, mitkommen, eine Waffe nehmen und die anderen töten, auch sollte ich Selbstmordanschläge verüben. Ich habe mich geweigert. Ich habe aber nicht gleich gesagt, dass ich das nicht will. Ich sagte, dass ich es mir überlegen werde. Dann haben sie mir 2-3 Tage Zeit zum Überlegen gegeben. Danach sind sie wieder zu mir gekommen. Sie haben mich nochmals aufgefordert. Ich habe dann mit der Al Shabaab diskutiert.

Ich habe sie gefragt: "Wen soll ich töten"? Die somalische Bevölkerung sind unschuldige Menschen. Dann haben sie mir gedroht. Sie haben mich mit dem Tod bedroht. Mir ist es lieber, dass ich selbst sterbe, als dass ich unschuldige Menschen töte. Sie haben dann beschlossen, mich zu töten. Dann habe ich mich entschieden, das Land zu verlassen. Dann bin ich mit einem PKW aus meiner Stadt gefahren Richtung Kenia. Kurz bevor ich nach Kenia zur Grenze gekommen bin, haben mich andere Al Shabaab-Mitglieder aufgegriffen. Dann haben sie mich aufgefordert, auszusteigen. Die anderen Mitgefahrenen waren älter. Ich war der Jüngste. Sie wollten mich töten. Sie haben meine Hände nach hinten gebunden. Sie haben mich mit einem Messer verletzt (P zeigt auf eine Narbe). Ich habe viel geblutet. Ich bin auf den Boden gestürzt. Sie dachten, dass ich tot wäre. Sie sind gegangen. Ich habe das Bewusstsein verloren. Nomaden sind vorbeigekommen. Sie haben ihre Tiere dort gezüchtet. Sie haben mir geholfen. Sie haben mir Wasser zum Trinken gegeben. Sie haben meine Wunde verbunden und zwar mit einem Tuch. Danach sind sie gegangen. Sie hatten Angst, mich mitzunehmen. Sie hatten Angst, dass sie die Al-Shabaab auch verfolgt. Im Freien hat man Köpfe gesehen. Das sind die Leute, die von der Al-Shabaab geköpft wurden. Danach bin ich nach Kenia gegangen. Ich bin dorthin geflüchtet. Wir waren viele Flüchtlinge. Die Kenianer wollten uns nicht aufnehmen, weil wir viele auf einmal waren.

R: Dieser Kontakt, von dem Sie mit der Al Shabaab erzählt haben, wo Sie rekrutiert werden sollten, wo war das?

P: 2010.

R: Wo genau wurden Sie angesprochen?

P: Ich habe gerade die Moschee verlassen, ich war auf dem Weg nach Hause.

R: Wie viele Leute waren das?

P: Ich schätze, dass es ca. 10 Personen waren.

R: Sie waren der Einzige, der angesprochen wurde? Waren Sie in einer Gruppe mit anderen Leuten, waren Sie allein unterwegs?

P: Es gab andere Passanten auch. Sie haben mit mir gesprochen.

R: Wieso glauben Sie, haben sie nur mit Ihnen gesprochen?

P: Sie versuchten mich zu überreden. Sie wollten mich manipulieren. Wenn man sich weigert, wird einem vorgeworfen, ein Spion für Amerikaner und die anderen zu sein.

R: Dann haben Sie gesagt, Sie haben 3 Tage später wieder mit dieser Gruppe gesprochen. Wo war das?

P: 2-3 Tage nach dem 1. Vorfall haben sie mir Zeit zum Überlegen gegeben.

R: Wo fand das 2. Gespräch statt?

P: Ich war in der Stadt. Ich wollte Lebensmittel (Zucker usw.) kaufen. Kurz vorher habe ich das Haus verlassen.

R: Sie haben gesagt, dass Sie mit dem Tod bedroht wurden. Wieso? Was war der Auslöser Ihrer Angst?

P: Sie haben mir gedroht, weil ich mich geweigert habe.

R: Wie hat das ausgesehen? Sie haben Ihnen gedroht und sind dann weggegangen?

P: Ich bin zu Hause geblieben. Meine Mutter sagte, ich soll zu Hause bleiben. Ich darf nicht hinausgehen.

R: Dieses 2. Treffen, wie ist das genau abgelaufen?

P: Das 2. Mal haben sie mir gesagt, wenn ich das ablehne, werden sie mich töten. Sie haben mich gehen lassen. Sie sagten mir, wenn sie mich nochmals sehen und ich mich ihrer Aufforderung weigere, werden sie mich töten.

R: Wie lange ungefähr nach diesem 2. Mal sind Sie ausgereist? Wie viel später?

P: Ca. 10 Tage ungefähr. Ich bin nach Hause zurückgegangen, als sie mir drohten. Meine Mutter sagte, ich soll zu Hause bleiben."

Die beschwerdeführende Partei erzählt gleichbleibend und nachvollziehbar von Problemen mit Al Shabaab bzw. Rebellen bei der Ausreise - diese Attacke auf der Reise nach Kenia, bei der die beschwerdeführende Partei auch verletzt worden sein soll, soll daher festgestellt werden.

Neu war hingegen im Rahmen der mündlichen Verhandlung das Vorbringen, dass die beschwerdeführende Partei zweimal direkt in Qoryooley von Al Shabaab angesprochen wurde und rekrutiert werden sollte. Das Bundesverwaltungsgericht kommt nicht umhin zu sehen, dass die beschwerdeführende Partei früher mehrmals und nach ausdrücklichem Nachfragen nach den konkreten Gründen für ihre Ausreise 2010 - zwei Jahre nach dem Tod des Vaters und sechs Jahre nach der Enteignung des Grundstücks - mit keinem Wort erwähnte, in Qoryooley von Al Shabaab direkt angesprochen worden zu sein. Sie führt zwar in der Einvernahme vom 03.06.2014 an, ihre Mutter habe gesagt, sie solle nicht hinausgehen. Aus diesen Angaben geht aber nicht hervor, ob dies ein Schutzmechanismus vor Al Shabaab wegen konkreter Rekrutierungsversuche oder eine Warnung betreffend allgemeine Sicherheitsprobleme gewesen sein soll (AS 386). Die Angabe der beschwerdeführenden Partei in der Verhandlung, zwischen 2008 und 2010 mehr oder weniger nicht hinaus gegangen zu sein (Seite 20 des Protokolls) deutet eher darauf hin, dass die allgemeine Sicherheitssituation der Grund für die Zurückhaltung war, als konkrete individuelle Drohungen der Al Shabaab gegen die beschwerdeführende Partei, die nach ihren eigenen Angaben auch erst vergleichsweise kurz vor ihrer Ausreise stattgefunden haben sollen. Im Ergebnis bleibt dieses Vorbringen eines angeblichen konkreten Rekrutierungsversuchs in Qoryooley auf den Verfahrenszweck hin konstruiert, spät im Verfahren vorgebracht und kann so nicht geglaubt werden.

Dass der Vater im Jahr 2008 getötet wurde, kann festgestellt werden. Eine Feststellung, ob dieser von Al Shabaab getötet wurde und ob dieser getötet wurde, weil er ein Sufi gewesen sein, kann dahin gestellt bleiben, weil weder die beschwerdeführende Partei noch ihr Vertreter vorbringen, die beschwerdeführende Partei sei deswegen ins Visier der Al Shabaab geraten.

3.4. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung der gegenständlichen Beschwerde auf aktuelle Länderinformationen, die in Auszügen unter Punkt 2. in diesem Erkenntnis wiedergegeben sind. Die Stellungnahme der Vertretung der beschwerdeführenden Partei zu diesen Länderberichten vom 20.05.2016 bezieht das Bundesverwaltungsgericht in seine Überlegungen mit ein.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu A):

4.1. Spruchpunkt I:

Rechtsgrundlagen:

4.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

4.1.2. Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2003, Zl. 2001/20/0011).

Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; vom 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes befindet.

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

4.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

4.1.4. Das Bundesverwaltungsgericht geht also vom folgenden rechtlich zu beurteilenden Sachverhalt aus: die beschwerdeführende Partei lebte in Qoryooley und gehört der Volksgruppe der Ashraf an. Sie verfügt in Somalia über keine Familienangehörigen mehr. Sie wurde bei ihrer Ausreise in der Nähe der Grenze zu Kenia von Rebellen, möglicherweise Al Shabaab, überfallen, gefesselt und verletzt. Sie wurde von Al Shabaab nicht rekrutiert, noch trat Al Shabaab in Qoryooley an die beschwerdeführende Partei wegen einer Rekrutierung heran.

4.1.5. Die beschwerdeführende Partei und ihr Vertreter bringen also eine Verfolgungsgefahr durch Al Shabaab vor:

Während Qoryooley keinen "stronghold" der Regierungstruppen bzw. der AMISOM darstellt, wurde die Stadt nach einer kurzen Machtübernahme durch die Al Shabaab wieder von der AMISOM besetzt und befindet sich dort ein temporärer AMISOM Stützpunkt und eine Garnison der Regierungstruppen. Qoryooley kann damit nicht als eine von Al Shabaab kontrollierte Stadt angesehen werden.

Dennoch gehen die Länderberichte davon aus, dass Al Shabaab auch in den Städten, die nicht unter ihrer Kontrolle stehen, Angriffe auf bestimmte Ziele durchführen können, wenn sie das wollen. Dabei haben sich bestimmte Risikoprofile entwickelt, die hauptsächlich Personen betreffen, die der Regierung nahestehen oder als solche wahrgenommen werden, sowie andere Personen, die - kurz gesagt - in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregen (siehe dazu im Detail oben unter 2.).

Die beschwerdeführende Partei erfüllt keine Kriterien für ein solches Risikoprofil. Dazu wird in Erinnerung gerufen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht einmal davon ausgeht, dass die beschwerdeführende Partei Anfang 2010 von Al Shabaab zur Mitarbeit aufgefordert wurde; sie wurde daher nicht rekrutiert, ist kein Deserteur der Al Shabaab und exponierte sich nicht mit einer allfälligen oppositionellen Meinung gegenüber der Miliz. Es kann daher nicht mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Al Shabaab ein Interesse daran haben würde, die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr gezielt zu verfolgen.

Das gleiche trifft auf das Vorbringen zu, im Falle einer Rückkehr eventuell als Spion des Westens angesehen zu werden und deshalb ins Visier der Al Shabaab zu geraten. Die aktuellen Länderberichte (oben unter Punkt 2.) geben dieser Ansicht keine Basis; von einer entsprechenden - nur auf einer Rückkehr aus dem Ausland fußenden - Verfolgungsgefahr in Qoryooley kann daher nicht ausgegangen werden.

4.1.6. Wenn die beschwerdeführende Partei darüber hinaus Diskriminierung wegen ihres Clans und ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit vorbringt, so substantiiert sie diese Befürchtung nicht ausreichend. Sie gab im Verfahren an, dass ihre Landwirtschaft im Jahr 2004 durch Habr Gedir enteignet wurde. Selbst wenn eine Enteignung im Jahr 2004 durch einen stärkeren Clan aus ethnischen Gründen angenommen werden soll, kann daraus heute - 11, 12 Jahre später - keine entsprechend aktuelle und maßgebliche Verfolgungsgefahr der beschwerdeführenden Partei aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit angenommen werden. Die Länderberichte unterstützen eine systemische Verfolgung der Ashraf in der Gegend nicht, und bringt die beschwerdeführende Partei selbst für die Zeit nach 2004 keine konkreten und ihre Familie oder sie selbst betreffenden Beispiele dafür vor. Von einer drohenden Verfolgungsgefahr aufgrund ihrer - unterstellten - Zugehörigkeit zu den Ashraf geht das Bundesverwaltungsgericht also nicht aus.

4.1.7. Weder die beschwerdeführende Partei noch ihr Vertreter bringen vor, dass die beschwerdeführende Partei wegen ihres Vaters, der im Jahr 2008 getötet wurde und angeblich der Tradition der Sufi folgte, gefährdet sei. Das Bundesverwaltungsgericht kann insbesondere im Lichte dessen, dass die beschwerdeführende Partei weitere zwei Jahre bis zu ihrer Ausreise zuwartete, keine Hinweise auf eine daraus resultierende Verfolgungsgefahr auch in Bezug auf die geänderten Verhältnisse in Qoryooley erkennen.

4.1.8. Sonstige asylrelevante Gründe für eine mögliche Verfolgung wurden nicht vorgebracht und ergeben sich auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht aus der Akten- und Berichtslage. Mangels Bestehen einer aktuellen maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, kann daher der Beschwerde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nicht stattgegeben werden.

4.2. Spruchpunkt II:

Rechtsgrundlagen:

4.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist gemäß § 8 Abs. 2 AsylG mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden.

4.2.2. Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

4.2.3. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des Antragsstellers. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 ist ein Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen sein wird - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Fremden betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

4.2.4. Wie bereits oben in Punkt 2. ausgeführt, lässt sich aus den aktuellen Länderberichten zu Somalia und zu Qoryooley eine zwar verbesserte, aber immer noch problematische allgemeine Sicherheitslage ablesen. Die Länderberichte erklären außerdem, dass sich die allgemeine Sicherheitslage auch in Qoryooley wieder verschlechtert hat. Von einer effektiven Staatsgewalt kann immer noch nicht gesprochen werden.

Die Versorgungslage ist anhaltend schlecht und hat sich im Jahr 2015 aufgrund der Nahrungsmittelknappheit zusätzlich verschlechtert. Familie und Clan bleiben die wichtigsten Faktoren, wenn es um Akzeptanz, Sicherheit und die Deckung der Grundbedürfnisse geht.

4.2.5. Die beschwerdeführende Partei ist zwar in Somalia hauptsozialisiert, verfügt dort aber über keine Familienangehörigen mehr. Sie gehört einem kleinen Clan an und kann daher im Falle einer Rückkehr weder auf die Unterstützung ihrer Kernfamilie vor Ort noch ihres Clans zurückgreifen.

4.2.6. Die kritischen Sicherheitsverhältnisse, die prekäre Versorgungslage sowie die individuellen Kriterien der fehlenden Kernfamilie und des fehlenden Clanschutzes in Somalia sprechen also dafür, dass es der beschwerdeführenden Partei nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit möglich sein würde, sich einen notwendigen Lebensunterhalt zu sichern.

4.2.7. Es ist daher in Zusammenschau aller Faktoren davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung entgegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

4.2.8. Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht der beschwerdeführenden Partei nicht offen, da es ihr an entsprechenden familiären und Clanverbindungen mangeln würde.

4.2.9. Ausschlussgründe nach § 9 Abs. 2 AsylG liegen nicht vor, da die beschwerdeführende Partei strafgerichtlich unbescholten ist.

4.2.10. Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und der beschwerdeführenden Partei gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Somalia zuzuerkennen.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG war der beschwerdeführenden Partei eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status eines Asyl- bzw. eines subsidiär Schutzberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

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