BVwG W131 2005545-1

BVwGW131 2005545-118.1.2016

AlVG §24
AlVG §33
AlVG §38
B-VG Art.133 Abs4
AlVG §24
AlVG §33
AlVG §38
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W131.2005545.1.00

 

Spruch:

W131 2005545-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Vorsitzenden und durch die fachkundigen Laienrichter Mag Kurt RETZER und Dr Andreas JAKL als Beisitzer über die Beschwerde des anwaltlich vertretenen Herrn XXXX vom 02.12.2013 gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Prandaugasse vom 02.12.2013 zur Sozialversicherungsnummer XXXX betreffend Einstellung der Notstandshilfe mangels Notlage ab 01.11.2013, nach Beschwerdeerhebung, Beschwerdevorentscheidung vom 21.02.2014 und einem Vorlageantrag sowie schließlich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.06.2015 und fortgesetzt am 08.01.2016 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben. Die den Bescheid vom 02.12.2013 endgültig ersetzende Beschwerdevorentscheidung vom 21.02.2014 wird ersatzlos aufgehoben, womit die erstmalig im Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Prandaugasse vom 02.12.2013 ausgesprochene Einstellung der Notstandshilfe zu Lasten des XXXX ab 01.11.2013 aufgehoben ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Das AMS Wien Prandaugasse (= AMS =belangte Behörde oder nur:

Behörde) stellte dem Beschwerdeführer (= Bf) ab 01.11.2013 die

Notstandshilfe mangels Notlage ein und begründete dies auf Sachverhaltsebene damit, dass "das anrechenbare Einkommen der (sic:) Frau XXXX trotz Berücksichtigung der Freigrenzen die Höhe der Notstandshilfe des Bf übersteigen würde." Im Zeitraum des Ergehens des ersten Bescheids gegen Ende 2013 übersiedelten der Bf und die beim BVwG als Zeugin vernommene XXXX gerade in die aktuelle Wohnung in XXXX , XXXX, wobei das AMS insoweit auch vor Ort in der Wohnung ermittelte.

2. Nach dem im Entscheidungskopf ersichtlichen Verfahrensgeschehen

und Neuzuweisung des Beschwerdeverfahrens im BVwG im Kalenderjahr

2015 an die hier erkennende Gerichtsabteilung fand vor dem BVwG am

01.06.2015 ein erster Verhandlungstermin statt, wobei die

Verhandlung wie nachstehend in den insoweit interessierenden

Niederschriftsteilen dokumentiert verlief (VR = vorsitzender

Richter; LR1 bzw LR2 = fachkundiger Laienrichter Nr 1 bzw Nr 2, BehV

= Behördenvertreter; RV = Rechtsanwalt des Bf) :

Festgestellt wird der Streitgegenstand insoweit, als es um die Richtigkeit der Einstellung der Notstandshilfe ab 01.11.2013 geht.

Nunmehr erfolgt vorerst die Belehrung gemäß §§ 48 bis 50 AVG für die anwesenden Zeugin [ XXXX ], und gemäß § 51 AVG für den Bf.

Nach erteilter Belehrung wird die anwesende Zeugin in den Zeugenstand gebeten. Sie benötigt eine Zeitbestätigung.

Bf [.......]Formular übergeben.

Nunmehr wird die Vollmacht des AMS als Beilage ./A zur Niederschrift genommen.

Beginn der Befragung der Zeugin:

R an Z: Können Sie angeben, ob und inwieweit schon oder nicht ab November 2013 eine Lebensgemeinschaft Ihrerseits mit dem Bf bestanden hat?

Z: Nein, es hat keine Lebensgemeinschaft bestanden.

R an Z: Können Sie das näher erörtern?

Z: Wir haben eine Wohngemeinschaft, dies schon seit längerem. Die wurde vom AMS kontrolliert und es wurde gesagt, dass alles okay ist. Bis jetzt und auf einmal heißt es, es ist keine Wohngemeinschaft mehr. Es wird auch alles geteilt bei uns. Es gibt zwei Räume, eine für den Manfred und einen für mich. Essen wird auch getrennt, es gibt ein Kühlschrankfach für den Bf, das ich dem AMS-Mitarbeiter gezeigt habe. Dies wurde allerdings nicht protokolliert. Das hat den Mitarbeiter gar nicht interessiert. Meine Freizeit mache ich nur mit meiner Nichte und meinem Neffen. Wir haben keine gemeinsame Freizeit. Jede freie Minute, die ich habe, befinde ich mich bei meiner Schwester und ihren Kindern. Das ist das Wichtigste in meinem Leben.

R an Z: Der Dienstgeber ist gleich geblieben?

XXXX .

R an Z: Der VwGH beurteilt das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft nach drei Kriterien. Das ist Wohnungs-, Wirtschafts- und, Geschlechtsgemeinschaft. Können Sie betreffend dieser drei Gemeinschaften angeben, ob eine solche mit dem Bf jemals bestanden hat oder aufrecht besteht.

Z: Zur Wohnungsgemeinschaft: Ja, diese besteht seit 1999/2000.

Zur Wirtschaftsgemeinschaft: Nein, da wird alles getrennt.

Zur Geschlechtsgemeinschaft: Hatten und haben wir keine.

R an Z: Können Sie dritte unabhängige Personen benennen, die diese Aussagen bestätigen können?

Z: Ich habe eine Freundin, die das bezeugen könnte, mit dem Namen XXXX . Ihre aktuelle Adresse weiß ich jedoch nicht, da sie vor kurzem umgezogen ist. Die alte Adresse war XXXX . Die Telefonnummer kann ich aktuell nicht nennen. Ich könnte die Telefonnummer jedoch Ihnen zukommen lassen. Auch meine Schwester könnte das alles bezeugen. Ich möchte allerdings meine Schwester mit dieser Sache nicht belasten, weil sie selbst sehr starke Probleme hat (alleinerziehende Mutter, Probleme mit dem Ex-Freund).

R: Dem BehV wird das Fragerecht erteilt.

BehV: Warum wurde der Umstand, dass die getrennte Lebensmittelaufbewahrung gelegentlich der Niederschrifterstellung nicht protokolliert wurde, nicht urgiert bzw. gerügt?

Z: Das ist mir erst im Nachhinein aufgefallen. Ich war unter Zeitdruck, da ich in die Arbeit musste.

Nunmehr ergibt sich, dass es eine Niederschrift der Zeugin vom 24.01.2014 gibt, die dem Richter bislang ausgedruckt nicht vorliegt. Da diese Niederschrift handschriftlich ist, wird das AMS diese Niederschrift vom Mitarbeiter in Maschinenschrift übertragen lassen, damit diese im weiteren Verfahren verwendet werden kann und Streitigkeiten graphologischer Natur vermieden werden. Dies wird binnen Wochenfrist erfolgen.

BehV: Wie sieht es mit den Wohn- und Lebenserhaltungskosten seit 01.01.2013 aus? Hat es da Änderungen gegeben?

Z: Der Bf bekommt sein Geld von der MA 40, Sozialamt und bezahlt damit alles.

BehV: Hat sich betreffend den Niederschriften, die historisch aufgenommen wurden, zwischenzeitig irgendetwas geändert?

Z: Nein.

BehV: Sie haben gesagt, Ihre Freizeit verbringen Sie mit dem Bf auch nicht, also hat es auch nie einen gemeinsamen Urlaub gegeben?

Z: Nein, hat es nicht.

Nunmehr wird das Fragerecht an den BfV erteilt.

BfV: Was war der Grund, dass Sie einmal zusammengezogen sind.

Z: Der Bf hat ein Drogenproblem. Er hat jetzt eine Therapie. Das war eigentlich der Grund. Wie er von der Haft entlassen worden ist, hatte er keine Wohnung und hat mich gebeten, ob ich ihm eine Wohnmöglichkeit geben kann. So hat das Ganze angefangen.

BfV: Dazu muss man sich ja kennen. Woher kennen Sie sich?

Z: Ich kenne den Bf schon seit meinem 11. Lebensjahr.

BfV: Als Schulbekanntschaft, Freizeitbekanntschaft, familiäre Bekanntschaft?

Z: Wir haben uns in der Freizeit kennengelernt. Das war eine Freizeitbekanntschaft.

BfV: Was haben Sie als Kinder gemeinsam gemacht bzw. in weiterer Folge?

Z: In der Jugend waren wir eine Clique und wir haben uns immer gut verstanden. Was man so als Jugendliche macht, Eislaufen gehen.

BfV: Sind Sie miteinander gegangen?

Z: Ja, das kann man so nennen, aber es hatte keine große Bedeutung.

BfV: Wie lange hat das gedauert und wann war es wieder vorbei?

Z: Nicht lange.

R: Können Sie das näher beschreiben?

Z: Nein, das war in der Jugend.

BfV: Wie alt waren Sie da?

Z: 11 oder 12 Jahre alt.

BfV: Wie war ab dem Zusammenziehen die Wohnsituation und wie ist sie jetzt bezogen auf Schlafen und Wohnen.

Z: Es war immer getrennt, am Anfang war es eine Couch, jetzt hat jeder sein Bett. Ich habe immer mein Bett gehabt.

R: In der Niederschrift wurde protokolliert, dass es ein Doppelbett gegeben hat, das beidseits bezogen war.

Z: Ja, aber es hat auch ein Luftbett gegeben. Wir haben das Foto hier. Das Foto befindet sich jedoch auf dem Handy. Eine Datenüberspielung erweist sich jedoch als schwierig. Jeder hat in seinem Zimmer geschlafen. Der Bf schlaft aber meistens in seinem Aufenthaltsraum. Dort hat ihn auch der AMS-Mitarbeiter schlafend angetroffen, aber das wurde auch nicht in der Protokollierung angegeben.

BfV: Das Foto wird im Rahmen der technischen Möglichkeiten vorgelegt werden.

BfV: Verbringen Sie gemeinsame Zeit in der Wohnung, sprich gemeinsam Fernsehen oder dergleichen?

Z: Nein, ich arbeite von 10:00 - 20:00 Uhr. In der Früh sehe ich den Bf gar nicht, vielleicht am Abend eine Stunde, wenn er nicht schläft.

BfV: Ist das ein Interagieren miteinander oder leben Sie nur nebeneinander her?

Z: Eigentlich nebeneinander her. Ich sehe ihn fast kaum.

BfV: Was machen Sie in der Stunde, die Sie gemeinsam da sind?

Z: Der Bf schaut zumeist fern; ich bereite mich zumeist auf den nächsten Tag vor.

BfV: Wie schaut es mit dem Essen aus? Wer isst wo? Wird auch gemeinsam gegessen?

Z: Nie, ich esse meistens in der Arbeit. Wenn ich Zuhause was esse, dann esse ich zumeist ein Wurstbrot, wenn ich Zuhause Hunger kriege.

BfV: Bezogen auf das Essen: Wer kauft ein für wen, wer zahlt was?

Z: Es wird alles geteilt. Wenn ich irgendwann einmal was brauche, nimmt er es mir mit und es wird dann bezahlt.

BfV: Wie oft nimmt wer irgendwem was mit?

Z: Sehr selten.

BfV: Wie oft essen Sie Zuhause?

Z: Sehr selten.

BfV: Wo bewahren Sie Ihre Kleidung auf und wo der Bf?

Z: Ich meine in meinem Zimmer und der Bf seine in seinem Zimmer.

BfV: Wer wäscht die Wäsche und wer putzt Zuhause?

Z: Es wird zusammen die Wäsche gewaschen von der Waschmaschine. Dann wird es aufgehängt und ein jeder räumt sich seine Wäsche selbst in den Kasten. Ich putze, wenn ich frei habe, ansonsten der Bf. Es wird aufgeteilt.

BfV: Putzt der Bf auch Ihre Privatgemächer?

Z: Nein, die putze ich selbst, so wie er auch selbst sein Zimmer putzt.

BfV: Warum?

Z: Ich bin ja nicht seine Putzfrau.

BfV: Wer zahlt was bei der gemeinsamen Wohnung?

Z: Alles was zum Zahlen ist, Betriebskosten, Fernwärme, Miete wird alles geteilt.

BfV: Wie wird das gehandhabt?

Z: Ich zahle es von meinem Konto weg und der Bf zahlt dann an mich, wenn er seine MA40-Unterstützung erhalten hat.

BfV: Was war der Grund, dass Sie eine Genossenschaftswohnung genommen haben?

Z: Es war immer mein Traum, eine Wohnung mit Balkon zu haben und das ist dann halt gekommen. Ich habe um eine Genossenschaftswohnung eingereicht. Ich wollte eine bestimmte Wohnung in Kaisermühlen haben. Deswegen habe ich eingereicht.

BfV: Für wen haben Sie da eingereicht?

Z: Wir haben beide gemeinsam eingereicht, aber ich weiß das nicht mehr 100%-ig..

BfV: Was wissen Sie über das Liebes- und Privatleben des Bf?

Z: Er geht nie aus. Ich weiß nicht, warum.

BfV: Wissen von Bekanntschaften des Bf?

Z: Ja, er erzählte einmal etwas von einer Freundin. Ich weiß es nicht genau, einmal sagt er es so, einmal so. Es interessiert mich auch nicht.

BfV: Reden Sie über solche Sachen gemeinsam?

Z: Nein, eigentlich nicht. Es interessiert mich auch nicht.

BfV: Keine weiteren Fragen.

LR1: Wurde gegenüber XXXX angegeben, dass Sie damals eine Lebensgemeinschaft geführt hätten? Ist das Ihnen erinnerlich und entspricht das den Tatsachen oder nicht?

Z: Ich erinnere mich nicht mehr. Ich muss aber dazu sagen, den Button Wohngemeinschaft wird es wohl nicht gegeben haben. Dieses Problem hat es auch bei der XXXX gegeben. Dort wurde es handschriftlich eingefügt.

LR1: Vorgehalten wird, dass Sie die ganze Zeit, wo Sie dort gewohnt haben, nie einen Besuch gehabt haben wollen?

Z: Nein, den hatte ich auch nicht.

LR2: Sie wohnen jetzt 15 - 16 Jahre zusammen, sind jetzt fast 40 Jahre alt. Sie haben angegeben, dass Sie keine Geschlechtsgemeinschaft gehabt haben. Sie sind in dem Alter, dass Sie eine Familie gründen könnten. Haben Sie nie den Wunsch dazu gehabt?

Z: Nein, hatte ich nie, ich habe schlechte Erfahrungen gemacht. Ich will das auch nicht.

BfV: Wenn Sie bei XXXX gewusst hätten, dass Sie nur eine Wohnung bekommen hätten, wenn Sie eine Lebensgemeinschaft haben, hätten Sie auch dann die Lebensgemeinschaft verneint?

Z: Ja, natürlich. Ich hätte das dann auch angegeben, wenn das erforderlich gewesen wäre.

BfV: Ihre Familie war auch nie da?

Z: Ja, nur kurze Besuche meiner Familie (Mutter, Schwester).

Um 15:13 Uhr wird die Verhandlung kurz unterbrochen.

Um 15:17 Uhr wird die Verhandlung fortgesetzt.

R teilt mit, dass nach einer kurzen Frage an die Zeugin eine Vertagung in Aussicht genommen ist.

R an Z: Wie können Sie Ihre Motivation beschreiben, dass Sie mittlerweile bereits etliche Jahre mit dem Bf in einer Wohngemeinschaft leben?

Z: Angefangen hat es, weil er drogensüchtig war. Ich habe mich in der Jugend immer gut mit ihm verstanden.

R an Z: Wie würden Sie einer Freundin erklären, warum Sie mit dem Bf zusammenwohnen?

Z: Weil er ein Freund ist. Ich möchte ihm helfen, dass er in die richtige Richtung kommt. Er hat gesagt, dass er jetzt eine Therapie machen will.

Um 15:20 Uhr wird nunmehr ersucht, dass von Bf-Seite und von Seiten des AMS binnen 14 Tagen mitgeteilt wird, welche Personalbeweismittel noch aufgenommen werden sollen bzw. welche Beweise sonst noch in der Streitsache gewünscht werden. Das AMS wird ersucht, nunmehr sämtliche bislang nur handschriftlich vorliegenden Niederschriften maschinenschriftlich vorzulegen.

Der Bf wird ersucht, sämtliche Unterlagen (Anträge, Eingaben, Bescheide etc. betreffend seiner derzeitigen Mindestsicherung) abschriftlich vorzulegen.

Sohin wird um 15.22 Uhr mit der Protokollsdurchsicht begonnen.

BfV gibt an, dass die Antwort auf Seite 8, 3. Absatz eigentlich lauten müsste: "Nein, ich hätte eine Lebensgemeinschaft auch bejaht, wenn das erforderlich gewesen wäre).

Z: Dies wäre der Sinn meiner Aussage.

Um 15:38 Uhr wird die Protokollsdurchsicht beendet.

3. Nach dem ersten Verhandlungstermin langten weitere Beweisanträge ein.

3.1. Das AMS legte die offenbar in Maschinschrift übertragenen Niederschriften des Bf, der Zeugin XXXX und einer weiteren Zeugin, diese einvernommen als Nachbarin, an einer Adresse des Bf und der Zeugin XXXX vor dem 01.11.2013 vor.

3.2. Beantragt wurde vom AMS allerdings lediglich die Ermittlung, ob die Zeugin XXXX und der Bf an dieser vormaligen Adresse entgegen deren Verneinung einer - notstandshilferechtlichen - Lebensgemeinschaft gegenüber XXXX eine Lebensgemeinschaft angegeben gehabt hätten.

3.3. Der Bf beantragte über seinen Rechtsvertreter die Einvernahme dreier weiterer Zeuginnen.

3.4. Am 08.01.2016 wurde die mündliche Verhandlung insb zur Einvernahme von vier Zeuginnen fortgesetzt, nämlich erneut der Zeugin XXXX (= Z1), der Zeugin XXXX (= Z2, Freundin der Z1), der Zeugin XXXX (= Z3, Schwester des Bf) und der Zeugin XXXX (= Z4, aktuell freundschaftliche Bekannte des Bf).

Die Verhandlung am 08.01.2016 verlief wie nachstehend in den

wiedergegebenen Niederschriftsteilen abgedruckt (VR = vorsitzender

Richter; LR1 bzw LR2 = fachkundiger Laienrichter Nr 1 bzw Nr 2, BehV

= Behördenvertreter; RV = Rechtsanwalt des Bf):

Fortsetzung der Verhandlung

Festgehalten wird, dass alle vier geladenen Zeuginnen erschienen sind. Diese werden nunmehr gem §§ 48 bis 50 AVG belehrt.

Die Zeuginnen verzichten auf Ersatz der Fahrtkosten bzw des Verdienstentgangs. Betreffend Zeitbestätigungen werden die Zeuginnen gesondert angeben, ob sie so etwas brauchen.

Z2-Z4 verlassen nach Aufforderung den Verhandlungssaal.

Nunmehr wird der Bf nochmals gem. § 51 AVG belehrt.

Beginn der Befragung von Z1.

Der Z1 werden der historische Mietvertrag von XXXX und die Zusatzvereinbarung vom 24.02.2004 vorgehalten, wobei zuvor gegenüber dem Bf klargestellt wird, dass verfahrensrelevanter Zeitraum ab 01.11.2013 ist und der vorgehaltene Mietvertrag offenbar bereits zuvor geendet hat.

Nunmehr daher die Frage an die Z1: Haben Sie die beiden Unterlagen seinerzeit unterschrieben und haben Sie für Ihre aktuelle Wohnung ähnliche Erklärungen über eine Lebensgemeinschaft unterschrieben?

Z1: Ich habe das seinerzeit unterschrieben. Für die jetzige Wohnung habe ich keine ähnliche Erklärung wie die Zusatzvereinbarung vom 24.02.2004 unterschrieben, worin eine Lebensgemeinschaft festgehalten wird. Ich gebe an, dass seinerzeit kein anderer Button vorhanden war, den man ankreuzen hätte können.

Nach Einsichtnahme in die Mietvertragsurkunden 2004 durch den RV und den BehV legt der BehV nochmals seine Eingabe "Vorlagebericht" vom 01.06.2015 vor.

BehV: Sie bleiben dabei, dass es keine Lebensgemeinschaft gibt?

Z1: Ja.

BehV: Sie haben damals also unwahre Angaben gemacht, um sich selbst und dem Bf andere Vorteile zu beschaffen.

Z1: Es gab keine andere Möglichkeit. Ich musste etwas ankreuzen.

VR: Klargestellt wird, dass aus Sicht des VR nach einem Telefonat mit XXXX davon ausgegangen wird, dass der Vermögensschaden nach iSd § 146 StGB gegenständlich nicht vorliegt, weil XXXX , egal wie viele Mieter vorliegen, immer die gleiche Miete erhält. Gleichfalls wird der § 108 StGB unter Hinweis auf historische Kontaktaufnahme mit der Anklagebehörde verfassungskonform nicht als tatbestandsmäßig erachtet. Damit wird aus gerichtlicher Sicht derzeit keine Anzeige gem § 78 StPO erstattet werden.

BehV: Warum haben Sie die Erklärung bei der Lebensgemeinschaft unterschrieben.

Z1: Es gab keine andere Möglichkeit.

BehV: Ich möchte nur klarstellen, dass hier die Chronologie klargestellt werden soll.

RV: Vorerst sind keine Fragen an Z1.

Z1 wird daher ersucht, im Verhandlungssaal hinten Platz zu nehmen und aufmerksam den Aussagen der anderen drei Zeuginnen zu folgen, weil sie möglicherweise danach nochmals befragt werden wird.

Vor einer Zeugenbefragung wird den Parteienvertretern noch ein Rechtssatz zum Begriff der Lebensgemeinschaft aus 1 Ob 188/72 u.a., zuletzt offenbar 2014 vorgehalten, wobei der VR klarstellt, dass er seine Verfahrensführung nach diesem Rechtssatz ausrichtet.

Beginn der Befragung von Z2.

VR: Sie werden nochmals an die Belehrung gem. § 49 und 50 AVG erinnert.

Nunmehr wird das Fragerecht an den RV erteilt, wobei ersucht wird, immer zuerst die Frage protokollieren zu lassen, danach zu achten, ob die Frage zugelassen wird und danach die Antwort zu geben.

RV: Sind Ihnen der Bf und die Z1 bekannt. Wenn ja, aus welchem Zusammenhang?

Z2: Ja, die Personen sind mir bekannt. Ich bin mit Z1 aufgewachsen und mit ihr aktuell freundschaftlich verbunden.

RV: Ist Ihnen auch der Bf bekannt?

Z2: Ja.

RV: In welchem Zusammenhang?

Z2: In der Jugendzeit haben wir uns schon gesehen und wir kennen uns, aber jetzt nicht so intensiv wie die Z1. Ich weiß, dass sie zusammen wohnen, aber befreundet bin ich nicht mit dem Bf.

RV: Wie lange kennt der Bf schon die Z1?

Z2: Von der Jugendzeit an.

RV: Wie hat sich diese Bekanntschaft in der Jugendzeit Ihrer Wahrnehmung nach gestaltet zwischen Bf und Z1 und welches ist es jetzt?

Z2: In der Jugendzeit war das eine Jugendbekanntschaft und das ist es jetzt noch.

RV: Meinen Sie Jugendbekanntschaft im Sinne von Liebelei oder im Sinne von Cliquenbildung?

Z2: Für mich war der Eindruck, dass es eine Bekanntschaft war. Ich hatte eine eigene Clique und Clique mit Z1.

RV: Haben Z1 und Sie einander damals auch Privates erzählt und erzählen Sie einander auch heute Privates?

Z2: Ja, natürlich.

RV: Haben Sie von Z1 jemals gehört, dass sie in den Bf verliebt wäre und mit ihm eine Lebensgemeinschaft führen würde oder eine sonstige geschlechtliche Beziehung?

Z2: Nein, ganz sicher nicht.

RV: Wären das Umstände, die Ihnen die Z1 erzählen würde oder nicht?

Z2: Wenn nicht, würde ich mir Sorgen machen. Wir sind miteinander aufgewachsen. Sie würde mir das auf jeden Fall erzählen.

RV: Keine weiteren Fragen.

BehV: Hat es Gespräche mit der Z1 und dem Bf und dem RV über die heutige Zeugenbefragung gegeben?

Z2: Den RV sehe ich heute zum ersten Mal. Gespräche im Sinne der Frage gab es keine.

BehV: Mit dem Bf und der Z1?

Z2: Mit der Z1 habe ich natürlich darüber gesprochen, dass die Z1 eine Gerichtsverhandlung hat, wo es darum geht, dass irgendjemand vorbringt, dass eine Lebensgemeinschaft zwischen Z1 und Bf besteht, dass sie zusammen wären.

BehV: Hat es weitere Aussagen dazu gegeben?

Z2: Wozu meinen Sie jetzt?

BehV: Zum Inhalt der Zeugenaussage.

Z2: Nein, es hat keine weiteren Aussagen dazu gegeben. Ich weiß, was Sache ist.

BehV: Waren Sie jemals in den Wohnungen von Z1 und Bf?

Z2: Ja.

BehV: Wie haben Sie deren Wohnsituation wahrgenommen hinsichtlich Wohnbereich von Z1 und Bf?

Z2: Wenn ich bei meiner Freundin war, bin ich ganz normal zu Besuch gekommen und ich bitte um Konkretisierung der Frage.

BehV: Hat es Ihrer Wahrnehmung nach ein gemeinsames Schlafzimmer gegeben?

Z2: Nein.

BehV: Haben Sie irgendwelche Wahrnehmung bezüglich gemeinsames Wirtschaften zwischen Bf und Z1?

Z2: Das weiß ich nicht, wer was zahlt und wie sie das vereinbart haben. Danach habe ich auch nie gefragt.

BehV: War der Bf ein Gesprächsthema zwischen Ihnen und Z1?

Z2: Erst jetzt aufgrund der Vorladung.

BehV: Haben Sie nie gefragt, warum der Bf bei Z1 wohnt?

Z2: Das ist ja schon seit langer Zeit so und vor Jahren irgendwann einmal, ich schätze, das war in der Zeit, wo er das erste Mal eingezogen ist, hat die Z1 wohl schon gesagt, dass er zu ihr gezogen ist, weil sie ihm helfen will.

BehV: Gab es sonstige Lebensgefährten bzw. Freunde von Z1, die Sie wahrgenommen haben?

Z2: Von Affären von Z2 weiß ich schon, während der Zeit des Zusammenlebens mit dem Bf. Geschlechtsgemeinschaft zwischen Z1 und Bf gibt es nach meinem Eindruck sicher keine und hat es keine gegeben.

BehV: Haben Z1 und Bf gemeinsam etwas unternommen in Ihrer Wahrnehmung?

Z2: Soweit ich weiß, nicht.

BehV: Wie bezeichnet die Z1 den Bf, wenn sie über ihn spricht?

Z2: Beim Namen.

BehV: Also als Mitbewohner oder in welcher sonstigen Funktion?

Z2: Wenn dann im Endeffekt reden wir, wenn wir uns sehen über anderes als über den Umstand der WG. Da gibt es keine interessanten Sachen zu berichten. Wir reden über uns und über die Arbeit, was sie mit dem Neffen und den Nichten unternommen hat. Bei uns wird über Familiäres und Privates gesprochen.

BehV: Was ist Ihrer Ansicht nach der Grund dafür, dass Z1 und Bf mittlerweile 16 Jahre zusammenleben?

Z2: Ich möchte einen Grund nennen, der aber meinem subjektiven Eindruck entspricht. Ich denke, wenn man sich für eine Wohngemeinschaft entscheidet, aus diversen Gründen, dann ist es vielleicht in manchen Fällen so, dass nach 5 Jahren, 10 Jahren der WG-Partner wechselt, dass jemand auszieht und ein anderer einzieht, weil neue Lebenssituationen es verlangen. Ich denke, dass wenn, das in beiden Fällen nicht ist, man sich so mit dieser Gewohnheit arrangiert hat. Ich weiß, dass Z1 aus privaten Gründen jetzt nicht eine Beziehung bzw. Partnerschaft mit einem Mann auf der herkömmlichen Ebene eingehen wird auf Basis historischer Gegebenheiten. Wenn man einen Untermieter hat, bietet das auch einen Sicherheitsfaktor. Man ist nicht ganz allein.

BehV: Keine weiteren Fragen.

LR2: Hat Ihrer Meinung nach hat jemals eine Lebensgemeinschaft vorgelegen?

Z2: Nein, niemals.

VR an Z1: Was sagen Sie zur Aussage von Z2? Ist diese richtig, teilweise richtig oder falsch?

Z1: Sie ist richtig.

Festgehalten wird, dass von gerichtlicher Seite und von Vertreterseite keine Fragen mehr an Z2 sind. Sohin ist die Zeugenbefragung der Z2 beendet. Sie benötigt auch keine Protokollsabschrift nach § 14 AVG?

Beginn der Befragung von Z3.

VR erinnert Z3 nochmals an Ihre Belehrung gem. 48-50 AVG.

VR: Haben Sie wahrgenommen, dass Bf und Z1 gemeinsame Freizeitaktivitäten früher unternommen hatten oder aktuell unternehmen?

Z3: Ich kann da eigentlich nichts sagen. Es handelt sich beim Bf um meinen Bruder und wir leben nicht zusammen. Er lebt in dem Haus mit der Z1. Er kommt zu mir essen. Ich habe ihn seit einem halben Jahr unterstützt und 200,-- Euro gegeben, damit er etwas hat. Essen muss er zu mir kommen. Wenn ich in die Arbeit gehe ins XXXX, nehme ich ihm das Essen ins XXXX mit und er muss es sich von dort abholen.

VR: Hat es nach Ihrer Wahrnehmung zwischen Bf und Z1 einmal eine Geschlechtsgemeinschaft gegeben oder gibt es eine Geschlechtsgemeinschaft?

Z3: Da weiß ich nichts davon.

VR: Haben Sie Wahrnehmungen, ob die Z1 und der Bf in eheähnlicher Weise die Lebenshaltungskosten gemeinsam bestreiten oder ob sie getrennt wirtschaften und allenfalls teilweise Kosten teilen?

Z3: Wie gesagt, ich habe ihm das Geld gegeben, diese 200,-- für den Zins, aber was er jetzt mit dem Geld macht, ob er den Zins zahlt oder die Lebensmittel weiß ich nicht. Er geht genauso einkaufen, so wie sie genauso einkaufen gehen wird. Ich kann dazu nichts Genaues sagen, denn ich lebe ja dort nicht. Und wir reden nicht über so etwas. Ich weiß, dass er sein Zimmer dort hat. Ich bin froh, dass die Z1 ihn aufgenommen hat. Ich habe keine Platz daheim und auch meine Mutter nicht. Ansonsten würde er auf der Straße stehen. Ich bin froh, dass es noch solche Leute gibt, die ein Zimmer haben.

VR: Haben Sie Wahrnehmungen, dass das Verhältnis zwischen Bf und Z1 früher einmal als landläufig Lebensgemeinschaft bezeichnet werden könnte oder aktuell als solches bezeichnet werden kann, oder handelt es sich eher um eine Wohnungsgemeinschaft?

Z3: Ich sage, das ist eine Wohngemeinschaft. Ich bin froh, dass Z1 den Bf aufgenommen hat und dass er ein Zimmer dort hat. Ich schätze es als Wohngemeinschaft ein.

LR2: Waren Sie jemals dort auf Besuch?

Z3: Ja, war ich dort.

LR2: Was haben Sie dort für einen Eindruck, wie der Haushalt organisiert ist?

Z3: Er hat sein Zimmer dort. Wir waren dann draußen wegen den Kindern und dem kleinen Hund im Hof. Er hat mir Kaffee gegeben. Ich kenne Z1 auch von der Schule her, weil mein Kind und Ihr Neffe dort gemeinsam in die Schule gehen. Wir sehen uns so. Aber wir haben keinen richtigen Kontakt. Bei meinem Geburtstag kommt er zu uns, umgekehrt kommen wir bei seinem Geburtstag zu ihm.

LR2: Haben Sie Wahrnehmungen zur Haushaltsorganisation?

Z3: Der Bf kocht sowie ich denke, dass Z1 auch kocht. Was er nicht kann, dafür kommt er zu mir. Ich werde ihn auch immer unterstützen.

BehV: Warum unterstützen Sie Ihren Bruder mit 200,-- Euro?

Z3: Damit er den Zins zahlen kann.

VR: Amtswegig wird aus dem Gespräch der aktuell Anwesenden festgehalten, dass dem Bf offenbar derzeit seit 01.07.2015 keine Mindestsicherung ausbezahlt worden ist und der RV dagegen Rechtsmittel erhoben hat. Die MA 40 hat sich diesbezüglich auf eine Rückfrage beim AMS berufen, die ergeben hätte, dass seit 01.11.2013 eine Lebensgemeinschaft mit Frau XXXX bestehen würde.

BehV: Keine weiteren Fragen.

RV: Keine Fragen.

Die Z3 benötigt keine Zeitbestätigung, keinen Fahrkostenersatz und keine Protokollabschrift.

Die Z3 wird aus dem Zeugenstand entlassen.

Um 14:56 Uhr wird die Verhandlung unterbrochen und um 15.02 Uhr mit der Befragung von Z4 fortgesetzt.

VR: Sie werden vorerst nochmals auf die Belehrung gem. § 49 und 50

AVG hingewiesen. Folgende Frage: Waren nach Ihrer Wahrnehmung der Bf und die Z1 jemals ein Paar?

Z4: Soviel ich weiß nicht.

VR: Welches Verhältnis haben Sie zum Bf und welches zu Z1?

Z4: Den Bf kenne ich seit 2000. Wir waren immer gute Freunde. Wir haben uns dann wieder öfter gesehen und 2012 hatten wir ein Techtelmechtel, jetzt nicht mehr. Wir sind aber nach wie vor gute Freunde. Die Z1 kenne ich vom Grüßen und Verabschieden. Aktuell sind der Bf und ich gute Freunde.

VR: Haben Sie Wahrnehmungen, wie der Bf in den letzten Jahren und vor allem seit 01.11.2013 seine Wohnung und seinen sonstigen Lebensbedarf sichergestellt hat?

Z4: Ich habe nicht wirklich Einblick gehabt.

VR: Haben Sie Wahrnehmungen, wonach das Verhältnis zwischen Bf und Z1 allenfalls derart beschrieben werden könnte, dass sie gemeinsam wirtschaften und den Lebensunterhalt gemeinsam bestreiten, wie es bei Ehegatten sonst üblich ist?

Z4: Nein, das glaube ich eher nicht. Ich habe nicht so viel Einblick gehabt. Mein Eindruck war, dass der Bf für sich gesorgt hat.

VR: Haben Sie Wahrnehmungen, wie der Haushalt an der Wohnadresse des Bf und der Z1 organisiert war?

Z4: Nein, dazu kann ich Ihnen nichts sagen.

VR: Wie lange ab 2012 hat das oben bereits angesprochene besondere Naheverhältnis zwischen Bf und Ihnen bestanden?

Z4: Ca. 9 bis 10 Monate.

VR: Haben Sie sonst wahrgenommen, über ähnliche Folgebekanntschaften des Bf?

Z4: Er hat danach schon immer Mädels gehabt, wenn ich ihn getroffen habe, aber ich habe ihn nicht danach gefragt.

VR: Waren Sie jemals in der Wohnung?

Z4: In der Wohnung war ich schon, aber in der jetzigen Wohnung in der XXXX nicht.

RV: Sie haben gesagt, Sie kennen die Z1 vom Hallo und Tschüss sagen, welche Anlässe waren das?

Z4: Ich wohne in Kaisermühlen. Wenn wir uns am Spielplatz getroffen haben, haben wir uns begrüßt.

RV: Woher kennen Sie die Z1?

Z4: ich kenne sie aus Kaisermühlen, weil wir dort beide aufgewachsen sind.

RV: Ist es also richtig, dass Sie nicht durch den Bf bekannt geworden sind, sondern sich schon vorher gekannt haben?

Z4: Ja, wie gesagt vom Sehen, wir kommen beide aus derselben Gegend. Kaisermühlen ist ein kleines Dorf, da kennt jeder jeden. Zumindest war es früher so.

RV: Keine weiteren Fragen.

BehV: Keine Fragen.

VR an Z1: Über Vorhalt der Aussagen von Z2, Z3 und Z4: Sind diese richtig?

Z1: Ja, meiner Meinung nach schon, soweit ich das beurteilen kann.

Festgehalten wird, dass keine weiteren Fragen mehr an die anwesende Zeugin sind. Die Zeugin benötigt keine Zeitbestätigung, keinen Fahrtkostenersatz und keine Protokollbestätigung und wird aus dem Zeugenstand entlassen.

VR: Es ergeht die Umfrage nach weiteren Beweisanträgen, Beweisvorlagen, Akteneinsichtsanträgen oder nach weiterem Vorbringen.

BehV an Bf: Wovon bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt derzeit?

Bf: Meine Schwester hat mir, wie schon von ihr gesagt, monatlich 200,-- Euro gegeben für Miete und Betriebskosten für meinen diesbezüglichen Anteil. Essen und Trinken bin ich zu meiner Schwester und Mutter gegangen. 720,- Euro habe ich derzeit schriftlich festgehalten gegenüber Z1 offen. Mit anderen Worten: Bei meinen anteiligen Kosten von 320,-- Euro pro Monat konnte ich 200,-- Euro pro Monat bezahlen und habe derzeit für 6 Monate einen Rückstand von je 120,-- Euro. Ich kann das alles schriftlich bestätigen.

BehV: Keine weiteren Anträge.

RV: Keine Anträge.

VR: Es wird die Möglichkeit eröffnet, kurz Stellung zu nehmen, ob das derzeitige Notstandshilferecht allenfalls deshalb verfassungswidrig ist, weil der Streichung des Notstandshilfeanspruches bei Lebensgemeinschaft allenfalls unsachlich kein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin gegenübersteht bzw. ergeht die Umfrage, ob das AMS allenfalls seinen Tatsachenstandpunkt auf Basis des Beweisverfahrens geändert hat.

BehV: Geändert haben wir unsere Tatsachenansicht nicht. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit ist bislang nicht ausjudiziert.

RV: Rechtlich wird nichts Weiteres vorgebracht.

Um 15:21 Uhr wird mit der Protokollsdurchsicht begonnen.

Nach einvernehmlicher Protokollsdurchsicht wird der Schluss des Ermittlungsverfahrens und der Schluss der Verhandlung verkündet. Die Entscheidung ergeht schriftlich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Bf und Frau XXXX wohnen bereits seit Jahren an der jeweils gleichen Adresse und tragen insoweit seit Jahren gemäß Vereinbarung gemeinsam zur Finanzierung der Kosten derjenigen Wohnräumlichkeiten bei, die als Meldeadresse zu konkretisieren war bzw ist.

Notorisch erscheint dabei, dass nicht jede WG, also Wohngemeinschaft, die geradezu sozialtypisch häufig mit einem cost - sharing betreffend die Wohnungskosten verbunden ist, automatisch eine LebensgefährtInneneigenschaft zB iSv § 36 Abs 2 AlVG bzw zB § 14 Abs 3 MRG begründet, was wohl an Hand von mehr als zweiköpfigen WG¿s ua zB im studentischen Bereich evident werden dürfte.

Die Zeugin XXXX und der Bf schlafen jedenfalls auch ab 01.11.2013 getrennt und benutzen seit Jahren die jeweilige Wohnung jeweils nicht zur Gänze gemeinsam, wobei obiter die historisch bis 31.10.2013 von Wiener Wohnen in Bestand genommene Wohnung im Ausmaß von 46 m2 (gemäß beigeschafften historischen Bestandvertrag) notorisch für zwei Personen - unbeschadet der Frage des Verhältnisses dieser Personen zueinander - großflächige räumliche Trennungen rein platzmäßig - über getrennte Schlafbereiche hinaus - kaum bei gleichzeitiger wechselseitiger Kostenersparnis, wie durch ein gemeinsames Wohnen jedenfalls auch intendiert, zugelassen haben wird.

Es ist festzustellen, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht erweislich war, dass der Bf ab 01.11.2013 in einer eheähnlichen Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft mit Frau XXXX gelebt hat bzw aufrecht lebt. Insoweit konnte für den Zeitraum ab 01.11.2013 maW auch nicht festgestellt werden, dass Frau XXXX ab diesem Zeitpunkt die Lebensgefährtin des Bf (gewesen) wäre, mag auch ab 01.11.2013 wiederum von beiden die gleiche Wohnungsanschrift in der XXXX XXXX in XXXX benutzt worden sein.

Dem Bf wurde nicht nur ab 01.11.2013 die Notstandshilfe eingestellt, sondern offenbar in weiterer Folge aus dem Titel der vom AMS relevierten Lebensgemeinschaft danach auch ab Mitte 2015 die Geldleistungen aus dem Titel des Wiener Mindestsicherungsrechts.

Der Bf und die Zeugin XXXX haben seit ihrer WG - Begründung Kostenteilung betreffend die jeweiligen Wohnungskosten vereinbart, wobei das gemeinsame Wohnen zwischen der Zeugin XXXX und dem Bf nach der Haftentlassung des Bf und iZm dessen historischen Drogenproblem begann, zumal dem Bf ansonsten uU Obdachlosigkeit gedroht hätte und die Zeugin XXXX dem Bf - sozial motiviert - jedenfalls auch iZm verbesserter Reintegration helfen wollte.

Der Bf erhält seit Sommer 2015 von seiner Schwester einen monatlichen Zuschuss von 200,00 Euro zwecks Refundierung eines relevantenTeils des Bestandentgelts an die Zeugin XXXX und baut derzeit zusätzlich einen nicht erlassenen Rückstand von monatlich 120,00 Euro gegenüber Frau XXXX , rücksichtlich der aktuellen aliquoten Wohnkosten von rund 320,00 Euro, auf. Essen erhält der Bf derzeit va von seiner Schwester, zumal der Bf aktuell mangels Notstandshilfe und mangels Mindestsicherung keine laufenden Geldeinnahmen hat.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Wohnungsgemeinschaft im verfahrensrelevanten Zeitraum ist unstrittig.

Dass der Bf und die Zeugin XXXX im streitrelevanten Zeitraum jeweils getrennte Bereiche insb zum Schlafen benutzen und damit die jeweilige Wohnung nicht zur Gänze gemeinsam nutzen, ergibt sich insb aus den lebensnahen Aussagen der Zeugin XXXX , die durch die anderen Zeuginnenaussagen in der Verhandlung vor dem BVwG lebensnah nicht widerlegt wurden. Substantiierte Beweisanträge zur Widerlegung dieses Aspekts wurden insb auch am 08.01.2016 nicht mehr gestellt. Dem erkennenden Senat erscheint das "nicht gänzlich gemeinsame Benutzen der Wohnung" insb auch deshalb als erwiesen, weil die Zeugin XXXX bereits in ihren Aussagen insoweit eine nicht ganz exakte Vertragserklärung im Punkte einer abgefragten Lebensgemeinschaft gegenüber einem historischen Bestandgeber einräumte, die man ihr uU anderweitig fortgesetzt nachteilig auslegen könnte.

Eine eheähnliche Geschlechtsgemeinschaft zwischen dem Bf und der Zeugin XXXX war insb auch im verfahrensrelevanten Zeitraum in keinster Weise erweislich bzw nach Senatsauffassung insoweit auch nicht nur annähernd glaubhaft, da insoweit die Zeugin XXXX und deren als weitere Zeugin Z2 in der Verhandlung einvernommene Freundin dies lebensnah dartun konnten, womit diese Negativfeststellung nach Senatsauffassung insoweit auch ohne Glaubhaftigkeitsgutachten durch Psychologen/Psychiater im Gefolge der zB auch in Deutschland - aktuell mitunter modifiziert vertretenen Nullhypothese iSd des BGH v ursprünglich 30. Juli 1999, 1 StR 618/98 erwiesen erscheint.

Eine Wirtschaftsgemeinschaft des Bf mit Frau XXXX als drittes Element einer Lebensgemeinschaft, welche der VwGH in seiner Rsp iS eines beweglichen Systems nach W Wilburg neben der Wohnungs- und Geschlechtsgemeinschaft als Grundlage eines Notstandshilfeausschlusses - wegen Vorliegens eines/einer hinreichend verdienenden Lebensgefährten/Lebensgefährtin - heranzieht, konnte für den Zeitraum ab 01.11.2013 beim Bf und Frau XXXX gleichfalls nicht festgestellt werden. Die gemeinsame Bewältigung der ökonomischen Erfordernisse des Lebens iS einer diesbezüglichen eheähnlichen wechselseitigen Beistandsleistung wurde einerseits vor dem BVwG glaubhaft durch die Zeugin XXXX verneint. Andererseits hilft aktuell zB die Schwester des Bf diesem insb seit Sommer 2015 mit Essen aus und unterstützt den Bf zusätzlich mit monatlich 200,00 Euro, damit der Bf zumindest einen relevanten Teil der ihm obliegenden aliquoten Wohnungskosten an Frau XXXX abliefern kann. Die Zeugin XXXX wiederum verzichtet aktuell trotz der momentan wirtschaftlich sehr zugespitzten Lage des Bf (keine Notstandshilfe, keine Mindestsicherung) eben gerade nicht endgültig auf die restlichen aliquoten Wohnkosten gegenüber dem Bf. Dies alles spricht in einer Gesamtschau gegen eine eheähnliche Wirtschaftsgemeinschaft zwischen dem Bf und der Zeugin XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Allgeneines

Gemäß §§ 6 und 7 BVwGG iVm § 56 Abs 2 AlVG iVm der anwendbaren Geschäftsverteilung des BVwG hatte das BVwG gegenständlich über die Beschwerde durch den im Entscheidungskopf ersichtlichen Senat durch Erkenntnis zu entscheiden.

Das BVwG wendet als Verfahrensrecht gegenständlich das VwGVG und subsidär das AVG an.

zu A) (Beschwerdestattgabe)

3.2. Der VwGH verneint in seiner stRsp das Vorliegen einer Notlage gemäß § 33 Abs 3 AlVG, sofern (- wie im vorliegenden Fall zwischen den Parteien strittig -) der Arbeitslose eine Lebensgefährtin iSd §36 Abs 2 AlVG hat, die nach weiteren rechtlichen Determinanten (insb auch auf der Ebene von Rechtsverordnungen iSd Art 18 B-VG) über ein auch für den Arbeitslosen hinreichend beurteiltes Einkommen verfügt.

In der Rsp wird für das Verhältnis der insoweit rechtserheblichen Lebensgefährtin zum Arbeitslosen der Begriff der Lebensgemeinschaft verwendet, die einen Notstandshilfeanspruch ausschließen kann.

3.2.1. Derart führt der VwGH zB zu Zl 2013/08/0060 aus:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar (vgl. auch dazu das Erkenntnis vom 10. März 1998, 96/08/0339).

Der OGH führt seinerseits rechtssatzmäßig zu dessen GZZ 1Ob188/72;

1Ob62/73; 5Ob2104/96i; 2Ob258/97y; 10ObS185/01f; 10ObS370/01m;

10ObS121/07b; 3Ob186/09p; 3Ob237/11s; 3Ob241/13g; 3Ob31/14a zB aus:

Eine Lebensgemeinschaft ist ein jederzeit lösbares familienrechtsähnliches Verhältnis, das der Ehe nachgebildet, aber von geringerer Festigkeit ist; zu ihrem Wesen gehört neben der Wohnungsgemeinschaft in der Regel wiederkehrender Geschlechtsverkehr, wogegen die Wirtschaftsgemeinschaft nicht unbedingt bestehen muss und andererseits allein auch nicht genügt. Die Parteien müssen sich jedoch im Kampf gegen alle Nöte des Lebens beistehen und daher auch gemeinsam an den zur Bestreitung des Unterhaltes verfügbaren Gütern teilhaben.

3.2.2. Während der VwGH bei einem generellen gemeinsamen Benutzen einer Wohnung häufig von einer Lebensgemeinschaft ausgehen dürfte - siehe dazu VwGH Zl 2009/08/0055, ist es jedenfalls stRsp des VwGH, dass dann, wenn eine Wohnung auf Sachverhaltsebene eben nicht zur Gänze gemeinsam genutzt wird, eine Lebensgemeinschaft nur bei unüblich hohen oder niedrigen wechselseitigen Beiträgen anzunehmen ist, siehe dazu zB VwGH Zlen 2013/08/0164 und 2012/08/0012.

Da gegenständlich die Zeugin XXXX und der Bf Kostenteilung betreffend die Wohnung vereinbart haben und getrennte Bereiche zum Schlafen genutzt haben bzw nutzen und sonst - entsprechend dem Senatseindruck entsprechend einer (landläufig:) WG bloß nebeneinander, und gerade nicht eheähnlich miteinander gelebt haben bzw leben, ist mangels Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft nicht von einer Lebensgemeinschaft auszugehen, die es zu Lasten des Bf gerechtfertigt hätte, ab 01.11.2013 die Notstandshilfe einzustellen.

Dementsprechend war aus tatsächlichen Gründen mit ersatzloser Aufhebung der vom AMS ab 01.11.2013 verfügten Einstellung der Notstandshilfe vorzugehen, da die Notlage des Bf gemäß § 33 Abs 3 AlVG seit 01.11.2013 nicht durch eine Lebensgefährtin iSd § 36 Abs 2 AlVG beseitigt anzusehen ist.

3.2.3. Bei dem aufgezeigten Tatsachenstand konnte in diesem Verfahren mangels Präjudizialität dahinstehen, ob allenfalls insoweit im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art 89, 135 Abs 4, 139 und 140 B-VG vorzugehen sein könnte, als bloße Lebensgefährten bei hinreichendem Partnereinkommen den Notstandshilfeanspruch - ohne gleichzeitig bestehenden Unterhaltsanspruch gegen den Partner bzw die Partnerin - verlieren, während EhegattInnen und eingetragene PartnerInnen idR zumindest einen Unterhaltsanspruch gegenüber der hinreichend verdienenden Lebenspartnerin/dem hinreichend verdienenden Lebenspartner haben, siehe dazu § 94 ABGB bzw § 12 EPG.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

3.3. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Tatsachenfragen sind nicht revisibel sein. In rechtlicher Hinsicht hat das BVwG in der vorliegenden Entscheidung genau die aus der Rsp des VwGH ersichtlichen Grundsätze zur Frage der (UN‑)Zulässigkeit des Ausschlusses eines Notstandshilfeausspruchs iZm allfälligen LebensgefährtInnen angewendet, siehe dazu nochmals VwGH Zlen 2013/08/0164 bzw 2012/08/0012.

Demnach war die Revision wegen mangels Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zuzulassen.

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