VwGH Ro 2019/05/0018

VwGHRo 2019/05/001825.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofrätinnen Dr. Pollak, Mag. Rehak, Dr. Leonhartsberger und Mag. Liebhart‑Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revisionen 1. der W GmbH (vormals I GmbH, davor W GmbH; protokolliert zu Ro 2019/05/0018) in W, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12, und 2. der Wiener Landesregierung (protokolliert zu Ro 2019/05/0019), gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. April 2019, W104 2211511‑1/53E, betreffend eine Feststellung nach § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. J W, 2. Univ.‑Prof. DI Dr. F H, 3. Mag. B H, 4. Dr. H A, 5. Dr. A H, 6. Dr. M F, 7. O K, 8. Dr. H I, 9. A H und 10. H M, alle in W und alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, sowie 11. A in W, im Verfahren zu Ro 2019/05/0019 vertreten durch Dr. Heinrich Vana, MAS, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1
AVG §13 Abs7
AVG §13 Abs8
AVG §39 Abs2
AVG §56
AVG §6
B-VG Art11 Abs1 Z7
B-VG Art11 Abs2
B-VG Art130 Abs1 Z1
EURallg
UVPG 1993 §3 Abs7
UVPG 2000 §19 Abs7
UVPG 2000 §3 Abs7
UVPG 2000 §39 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §47 Abs5
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
VwRallg
32011L0092 UVP-RL Art1 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019050018.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der Erstrevisionswerberin auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom 17. Oktober 2017, zuletzt ergänzt mit Schriftsatz vom 6. September 2018, stellte die Erstrevisionswerberin bei der Wiener Landesregierung (in der Folge: Amtsrevisionswerberin) den Antrag auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 ‑ UVP‑G 2000 für das näher beschriebene Vorhaben „Hotel I.“, „W. E.“ und „H. Gebäude“.

2 Mit Bescheid der Amtsrevisionswerberin vom 16. Oktober 2018 stellte diese ‑ unter ausdrücklicher spruchmäßiger Bezugnahme auf den verfahrenseinleitenden Antrag der Erstrevisionswerberin ‑ gemäß § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 mit näherer Begründung fest, dass für das in Rede stehende Bauvorhaben nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Projektunterlagen keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei (Spruchpunkt I.), und verpflichtete die Erstrevisionswerberin zur Entrichtung einer Verwaltungsabgabe in näher bezeichneter Höhe (Spruchpunkt II).

3 Gegen diesen Bescheid erhoben zehn Nachbarn und eine Umweltorganisation Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG).

4 Mit Beschwerdemitteilung vom 7. Jänner 2019 teilte das BVwG der Erstrevisionswerberin und der Amtsrevisionswerberin u.a. seine Rechtsauffassung mit, es gehe vorläufig davon aus, dass gegenständlich eine Einzelfallprüfung zur Frage durchzuführen sei, ob zu erwarten sei, dass durch das Vorhaben unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet der Kategorie A des Anhanges 2 ‑ Welterbestätte „Historisches Zentrum Wien“ ‑ festgelegt worden sei, wesentlich beeinträchtigt werde, und gewährte dazu Parteiengehör binnen näher bezeichneter Frist.

5 Mit Schreiben vom 22. Jänner 2019 bzw. vom 23. Jänner 2019 erstatteten die Erstrevisionswerberin und die Amtsrevisionswerberin dazu schriftliche Stellungnahmen an das BVwG.

6 Mit Beschluss vom 28. Jänner 2019 bestellte das BVwG für das gegenständliche Verfahren einen namentlich näher genannten nichtamtlichen Sachverständigen für Architektur, Denkmalschutz und Ortsbildpflege.

7 Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2019, beim BVwG eingelangt am selben Tag, zog die Erstrevisionswerberin ihren Feststellungsantrag „vom 17.10.2017, zuletzt ergänzt mit Schriftsatz vom 6.9.2018“ zurück und stellte weiters mit Schriftsatz vom 4. März 2019 beim BVwG die Anträge, dieses möge das Beschwerdeverfahren einstellen und den bekämpften Bescheid ersatzlos aufheben, sowie jedenfalls über den gestellten Antrag selbständig beschlussmäßig absprechen. Mit weiteren Schriftsätzen jeweils vom 5. März 2019 stellte die Erstrevisionswerberin beim BVwG außerdem die Anträge, den mit Beschluss vom 28. Jänner 2019 bestellten Sachverständigen umgehend zu entheben, die anberaumte mündliche Beschwerdeverhandlung abzuberaumen und auch über diese Anträge selbständig beschlussmäßig abzusprechen. Begründet wurde dies mit der Zurückziehung des Feststellungsantrages. Da das BVwG den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Beschwerdeverfahren einzustellen habe, bestehe keine gesetzliche Grundlage mehr für die Weiterbeschäftigung des Sachverständigen.

8 Mit „Parteiengehör“ vom 5. März 2019 trug das BVwG der Erstrevisionswerberin auf, eine allfällig nicht mehr bestehende Absicht zur Verwirklichung des Vorhabens durch „Zurückziehung der materienrechtlichen Genehmigungsanträge und entsprechende eidesstattliche Erklärung“ zu bescheinigen; eine Reaktion der Erstrevisionswerberin auf diese Aufforderung erfolgte nicht.

9 Mit Beschluss vom 12. März 2019 wies das BVwG die Anträge der Erstrevisionswerberin auf Einstellung des Beschwerdeverfahrens und Behebung des bekämpften Bescheides, auf Abberaumung der mündlichen Verhandlung am 18. März 2019 sowie auf Enthebung des mit Beschluss vom 28. Jänner 2019 bestellten Sachverständigen ab (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass den diesbezüglichen Anträgen auf selbständigen beschlussmäßigen Abspruch mit dem gegenständlichen Beschluss nachgekommen worden sei (Spruchpunkt II.). Weiters enthält dieser Beschluss den Hinweis, dass dagegen gemäß § 25a Abs. 3 VwGG eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BVwG sodann den Beschwerden der Nachbarn und der Umweltorganisation nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt und stellte mit näherer Begründung fest, dass für das gegenständliche Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren nach dem UVP‑G 2000 durchzuführen sei (Spruchpunkt A.). Eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis sei zulässig (Spruchpunkt II.).

11 Zur Frage der Zurückziehung des Feststellungsantrages durch die Erstrevisionswerberin führte das BVwG dabei zusammengefasst begründend aus, aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei abzuleiten, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine antragsberechtigte Partei einen Feststellungsantrag gestellt habe und diesen im Beschwerdeverfahren zurückziehe, keine Rechtsverletzung (gemeint offenbar: durch Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache) vorliege, da die Behörde den Bescheid hätte von Amts wegen erlassen können (Verweis auf VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0034). Wäre ein solcher Bescheid wegen Unzuständigkeit aufzuheben, hätte die Behörde „die Möglichkeit und u.U. auch die Verpflichtung“, unmittelbar nach einer derartigen Aufhebung einen Bescheid mit selbem Wortlaut von Amts wegen zu erlassen, was dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis und dem Anspruch jener Beschwerdeführer, die im behördlichen Verfahren weder Antragsberechtigung noch Parteistellung hätten, auf ein faires, gerechtes und zügiges Überprüfungsverfahren widerspreche. Anders wäre zu entscheiden gewesen, wenn die Projektwerberin nachvollziehbar dargestellt hätte, dass sie nicht mehr die Absicht habe, das Vorhaben zu verwirklichen; im Fall des Fehlens einer Verwirklichungsabsicht bestehe kein Feststellungssubstrat mehr und der Feststellungsbescheid wäre aufzuheben (Verweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des BVwG). Die Revision erklärte das BVwG diesbezüglich mit der Begründung für zulässig, dass es zwar aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 2018, Ra 2016/06/0034, ableite, dass weiterhin seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die anhängigen Beschwerden bestehe, dass jedoch zu der gegenständlichen Konstellation keine ausdrückliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

12 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die vorliegenden Revisionen mit den Anträgen, es wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben (Erstrevisionswerberin) bzw. es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (Amtsrevisionswerberin).

13 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten jeweils Revisionsbeantwortungen.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ‑ wegen ihres rechtlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen ‑ Revisionen erwogen:

15 Die Revisionen erweisen sich in Bezug auf die Rechtsfolgen der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages als zulässig. Sie sind auch begründet.

16 Die maßgeblichen Bestimmungen des UVP‑G 2000, BGBl. Nr. 697/1993 ‑ § 3 Abs. 7 erster und zweiter Satz in der Fassung BGBl. I Nr. 89/2000, § 39 Abs. 1 erster Satz in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2004 und § 40 Abs. 1 erster Satz in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2017 ‑ lauten:

Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 3. [...]

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. [...]

[...]“

Behörden und Zuständigkeit

§ 39. (1) Für die Verfahren nach dem ersten und zweiten Abschnitt ist die Landesregierung zuständig. [...]

[...]“

Rechtsmittelverfahren

§ 40. (1) Über Beschwerden in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. [...]

[...]“

Art. 11 B‑VG, BGBl. Nr. 1/1930, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012 lautet auszugsweise:

Artikel 11. (1) Bundessache ist die Gesetzgebung, Landessache die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

[...]

7. Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist; soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird, Genehmigung solcher Vorhaben;

[...]

(2) Soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird, werden das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes, das Verwaltungsstrafverfahren und die Verwaltungsvollstreckung auch in den Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung den Ländern zusteht, durch Bundesgesetz geregelt; abweichende Regelungen können in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes‑ oder Landesgesetzen nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.

[...]“

Art. 130 B‑VG, BGBl. Nr. 1/1930, in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019 lautet auszugsweise:

Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

[...]“

Art. 131 B‑VG, BGBl. Nr. 1/1930, in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019 lautet auszugsweise:

Artikel 131. (1) Soweit sich aus Abs. 2 und 3 nicht anderes ergibt, erkennen über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 die Verwaltungsgerichte der Länder.

[...]

(4) Durch Bundesgesetz kann

[...]

2. eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden:

a) in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (Art. 10 Abs. 1 Z 9 und Art. 11 Abs. 1 Z 7);

[...]“

§ 13 Abs. 7 und 8 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 ‑ AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, lautet:

Anbringen

§ 13. [...]

(7) Anbringen können in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.

(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens bis zu einer allfälligen Schließung des Ermittlungsverfahrens (§ 39 Abs. 3) geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.

[...]“

17 Die Erstrevisionswerberin bringt zur Begründung ihrer Revision, soweit vorliegend relevant, vor, mit Zurückziehung des Feststellungsantrages am 15. Februar 2019 sei eine nachträgliche Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz eingetreten, die in jeder Lage des Verfahrens amtswegig wahrzunehmen sei (Verweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Der erstinstanzliche Bescheid wäre daher vom BVwG ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen gewesen; für die Durchführung des vorliegenden Verfahrens und die Einleitung eines Einzelfallprüfungsverfahrens sei das BVwG nicht zuständig gewesen. Das gegenständliche Feststellungsverfahren sei von der UVP‑Behörde auf Antrag der Erstrevisionswerberin eingeleitet worden; die Möglichkeit zur amtswegigen Einleitung räume § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 ausschließlich der Behörde, somit der Landesregierung, ein. Eine entsprechende Befugnis des BVwG lasse sich weder aus dem UVP‑G 2000 noch aus dem VwGVG ableiten, weshalb eine amtswegige Einleitung des Feststellungsverfahrens durch das BVwG ausscheide. Mit der Aufgabenstellung der Verwaltungsgerichte im öffentlich‑rechtlichen Rechtsschutzgefüge sei unvereinbar, dass es sich beim Verwaltungsgericht um jene Instanz handeln solle, die ihrerseits über die amtswegige Einleitung von Verwaltungsverfahren befinde und unter Umgehung der Verwaltungsbehörde bestimmte Verfahren amtswegig führe. Gemäß § 39 UVP‑G 2000 sei UVP‑Behörde die Landesregierung; das BVwG sei zur Entscheidung über Beschwerden zuständig. Nehme das BVwG im Rechtsmittelverfahren eine amtswegige Feststellung vor, arrogiere es sich eine Zuständigkeit, die ihm nach der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung nicht zukomme; gemäß Art. 11 Abs. 1 Z 7 B‑VG fielen Angelegenheiten der UVP in die Vollziehungszuständigkeit des Landes, im konkreten Fall des Landes Wien. Auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzgedankens wäre die Einleitung eines Feststellungsverfahrens durch das BVwG problematisch, da den Parteien dadurch eine Instanz entzogen und sie um die Möglichkeit gebracht würden, vor einer Rechtsschutzinstanz die Unzulässigkeit dieses Vorgehens zu bekämpfen. Ebenso sei gegenständlich die amtswegige Einleitung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde nicht intendiert gewesen und lasse sich eine solche auch nicht aus dem Verfahrensgang ableiten; dies ergebe sich schon aus der Stellungnahme der Behörde vom 23. Jänner 2019. Auch wenn die amtswegige Einleitung von Administrativverfahren in der Regel an keine besonderen Formvorschriften gebunden sei, sei unabdingbare Voraussetzung aber in jedem Fall, dass aus einem eindeutigen Verhalten der Behörde bei objektiver Betrachtung klar die amtswegige Einleitung eines bestimmten Verfahrens hervorgehe. Die Annahme einer amtswegigen Verfahrenseinleitung stehe und falle daher damit, ob sich ein einschlägiger Willensakt der Behörde bei objektiver Betrachtungsweise aus einem konkreten, wenn auch formlosen, Verwaltungshandeln ableiten lasse (Verweis jeweils auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Im gegenständlichen Fall liege eindeutig und vom BVwG unwidersprochen kein Verfahren vor, das sowohl auf Antrag als auch von Amts wegen durch die Verwaltungsbehörde eingeleitet worden sei. Die Bezugnahme des BVwG auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu Ra 2016/06/0034 gehe gänzlich fehl, da es auf die „vom Irrtum der Behörde abstrahierte“ objektive Betrachtung des Verfahrensablaufes, die die Annahme einer amtswegigen Verfahrenseinleitung trage, ankomme. Der objektiv erkennbare Wille der Behörde, ein Verfahren von Amts wegen einzuleiten, sei in Verfahren, die auch auf Antrag eingeleitet werden könnten, von zentraler Bedeutung, da andernfalls jede zumindest zulässige Antragstellung gleichsam in Form eines Automatismus zur amtswegigen Einleitung eines Verfahrens führen würde. Eine solche Koppelung würde dazu führen, dass dem Antragsteller die in § 13 Abs. 7 AVG normierte Möglichkeit genommen würde, über seinen Antrag zu disponieren. Eine solche, von der Bedarfsbestimmung des Art. 11 Abs. 2 B‑VG abweichende Bestimmung dürfte im Übrigen nur getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich wäre, was vom BVwG nicht einmal behauptet werde. Evidentermaßen liege im gegenständlichen Fall auch kein Irrtum der Verwaltungsbehörde über das Vorliegen eines Antrages oder einer Antragslegitimation vor. Insgesamt sei daher in mehrfacher Hinsicht eine Unzuständigkeit des BVwG gegeben, weshalb das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet sei.

18 Die Amtsrevisionswerberin verweist in ihrer Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2 VwGG) auf ihre Legitimation zur Revisionserhebung wegen objektiver Rechtsverletzung und ficht das angefochtene Erkenntnis zur Gänze wegen Unzuständigkeit des BVwG sowie wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes an.

19 Zur Begründung ihrer Revision bringt die Amtsrevisionswerberin, soweit im vorliegenden Zusammenhang von Relevanz, vor, die Einhaltung der Zuständigkeitsregeln stehe in enger Nahebeziehung zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter und stelle damit eine rechtsstaatliche Forderung von grundlegender Bedeutung dar (Verweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die gegenständliche Parallelität von Grundrechtsverletzung und Verletzung des einfachen Gesetzes führe dazu, dass sich die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes nicht wie sonst üblich ausschlössen, sondern sich die Zuständigkeitsbereiche überschnitten und die Zuständigkeit im konkreten Fall von der Art der behaupteten Rechtsverletzung abhängig sei. Ein Verstoß gegen die einfachgesetzliche Zuständigkeitsordnung führe jedenfalls zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung infolge Unzuständigkeit des Gerichtes, die beim Verwaltungsgerichtshof geltend zu machen sei; darüber hinaus habe dieser, sofern die Revision zulässig sei, die Unzuständigkeit eines Verwaltungsgerichtes durch einen Verstoß gegen die einfachgesetzliche Zuständigkeitsordnung auch von Amts wegen aufzugreifen. Vorliegend sei dem BVwG durch die Weiterführung des Verfahrens trotz Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages ein Verstoß gegen die einfachgesetzliche Zuständigkeitsordnung unterlaufen. Mit seiner Begründung zur Weiterführung des Verfahrens (wird näher ausgeführt) sei das BVwG nicht im Recht; im vorliegenden Fall sei die Einleitung des Verfahrens durch Antrag der Projektwerberin vom 17. Oktober 2017 erfolgt; eine amtswegige Einleitung des Verfahrens durch die UVP‑Behörde sei nicht erfolgt. Gemäß § 13 Abs. 7 AVG könnten Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Im Fall der Erhebung eines zulässigen und fristgerechten Rechtsmittels könnten sowohl der verfahrenseinleitende Antrag als auch der Rechtsmittelantrag bis zur Erlassung der Entscheidung zurückgezogen werden; das Verwaltungsgericht sei gehalten, den Bescheid, dem durch Antragsrückziehung die Grundlage entzogen worden sei, ersatzlos zu beheben (Verweis jeweils auf näher genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Nach der zulässigen Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages obliege dem Verwaltungsgericht nur mehr die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, darüber hinaus komme ihm keine weitere Zuständigkeit zu. Gegenständlich wäre das BVwG aufgrund der zulässigen Antragsrückziehung dazu verpflichtet gewesen, den Bescheid ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen; die Vorgehensweise, das Verfahren trotz zulässiger Zurückziehung des Antrages weiterzuführen, verletze die in § 13 Abs. 7 AVG normierte Zuständigkeitsregel. Darüber hinaus nehme das BVwG durch die Weiterführung eines Verfahrens, die einer amtswegigen Einleitung des Feststellungsverfahrens nach § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 gleichkomme, eine Befugnis für sich in Anspruch, für die im materiellen Recht sowie im Verfahrensrecht jede Rechtsgrundlage fehle. Gemäß § 39 Abs. 1 UVP‑G 2000 sei die Landesregierung für Verfahren nach dem ersten und zweiten Abschnitt des UVP‑G 2000 zuständig, wohingegen das BVwG gemäß § 40 Abs. 1 leg.cit. ‑ als Ausnahmebestimmung zur allgemeinen Zuständigkeitsregel in Art. 131 Abs. 1 B‑VG ‑ über Beschwerden in Angelegenheiten nach dem UVP‑G 2000 entscheide. Zuständigkeitsregeln dürften nicht ausdehnend interpretiert werden (Verweis u.a. auf VwGH 2.8.2016, Ro 2015/05/0008, Ro 2015/05/0013, 0014). Auch im letztgenannten Fall habe das BVwG für sich eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht zugekommen sei; nichts anderes gelte für den vorliegenden Fall. Es sei kein Anhaltspunkt ersichtlich, der eine andere Auslegung für die amtswegige Einleitung eines Feststellungsverfahrens zulassen würde, als jene, derzufolge ausschließlich die Behörde ein amtswegiges Feststellungsverfahren einleiten könne. Für eine dem Wortlaut der Bestimmung entgegenlaufende Auslegung ließen sich weder in der Genese der Bestimmung noch in den Materialien Anhaltspunkte finden. Die Vorgehensweise des BVwG im vorliegenden Fall komme einer amtswegigen Einleitung des Verfahrens unter Umgehung der zuständigen Behörde gleich, die sich auch nicht mit verwaltungsökonomischen Argumenten rechtfertigen lasse. Ungeachtet des Umstandes, dass niemandem ein Rechtsanspruch auf amtswegige Einleitung eines Verfahrens zukomme, sehe die Amtsrevisionswerberin als zuständige UVP‑Behörde nach wie vor keinen Anlass für die amtswegige Einleitung eines Feststellungsverfahrens. Die Inanspruchnahme der Befugnis einer amtswegigen Weiterführung des Feststellungsverfahrens durch das BVwG finde keine Rechtsgrundlage, vielmehr widerspreche eine derart weitreichende Auslegung der Zuständigkeitsregeln des UVP‑G 2000 der höchstgerichtlichen Judikatur. Auch aus der für die Begründung seiner Zuständigkeit herangezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu Ra 2016/06/0034 lasse sich für den vorliegenden Fall nichts gewinnen, da die beiden Sachverhalte und Verfahrensgänge nicht miteinander vergleichbar und gänzlich anders gelagert seien. Anders als im vorliegenden Fall sei dort der Antrag zwar von einer, wie sich erst durch das Erkenntnis des VwGH herausgestellt habe, nicht dazu legitimierten Person gestellt, von dieser jedoch nicht zurückgezogen worden. Die Anwendung dieses Judikats auf den vorliegenden Fall würde den beschriebenen, höchstgerichtlich bestätigten bzw. entwickelten allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens widersprechen. Die Weiterführung des Verfahrens vor dem BVwG trotz Zurückziehung des Feststellungsantrages stelle daher zusammenfassend eine Verletzung der einfachgesetzlichen Zuständigkeitsordnung in Form der maßgeblichen Bestimmungen des UVP‑G sowie des § 13 Abs. 7 AVG dar und belaste die angefochtene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des BVwG.

20 Mit diesem Vorbringen zeigen die revisionswerbenden Parteien eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf:

21 Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Darunter sind gemäß § 13 Abs. 1 AVG alle Arten von Verfahrenshandlungen zu verstehen, mit denen Beteiligte an eine Behörde herantreten können (vgl. etwa VwGH 6.7.2016, Ra 2016/08/0041, mit Verweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG I [2. Ausgabe 2014]); dies gilt also auch für den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000.

22 Die Zurückziehung ist so lange zulässig, als der Antrag noch unerledigt ist. Dies bedeutet für Fälle, in denen der Antrag auf Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet ist, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Fall einer Berufung bis zum Berufungsbescheid, möglich ist (vgl. etwa VwGH 23.1.2014, 2013/07/0235, 25.7.2013, 2013/07/0099, oder auch bereits 29.3.2001, 2000/20/0473, 2001/20/0089). Der Antragsteller hat damit das Recht, über seinen Antrag zu disponieren (vgl. dazu explizit etwa VwGH 26.5.2014, 2013/08/0199), auf die Motive des Antragstellers für die Zurückziehung seines Antrages kommt es nicht an (vgl. etwa VwGH 24.6.2014, 2011/05/0098), und die ausdrückliche Zurückziehung eines Antrages wird als prozessuale Willenserklärung mit dem Einlangen bei der zuständigen Behörde wirksam und damit unwiderruflich (vgl. dazu etwa Grabenwarter/Fister, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit6 [2019], S. 38, bzw. VwGH 23.7.2009, 2008/05/0241, oder 11.12.2002, 2002/03/0248, jeweils mwN). Diese zum Berufungsverfahren vor den Verwaltungsbehörden ergangene Rechtsprechung ist auf das Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten zu übertragen (vgl. z.B. VwGH 16.8.2017, Ro 2017/22/0005, bzw. nochmals VwGH 6.7.2016, Ra 2016/08/0041, jeweils mwN).

23 Die Zurückziehung des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages während des anhängigen Beschwerdeverfahrens bewirkt, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits vielfach ausgesprochen hat, den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit nachträglich die Rechtswidrigkeit des Bescheides. Das Verwaltungsgericht hat in einem solchen Fall den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben; tut es dies nicht, belastet es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit (vgl. aus der umfangreichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 26.2.2020, Ra 2019/05/0065, 27.1.2020, Ra 2019/04/0005, 0006, 17.6.2019, Ra 2019/22/0021, 0022, 25.9.2018, Ra 2017/01/0210, 25.10.2017, Ra 2017/07/0073, 21.12.2016, Ra 2016/04/0127, 5.3.2015, Ra 2014/02/0159, oder auch 19.11.2014, Ra 2014/22/0016, jeweils mwN); eine inhaltliche Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages ist mit dessen rechtzeitiger und zulässiger Zurückziehung ausgeschlossen.

24 Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Erstrevisionswerberin mit Schriftsatz vom 15. Februar 2019, beim BVwG eingelangt am selben Tag, ihren Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 während der beim BVwG anhängigen Beschwerdeverfahren ausdrücklich zurückgezogen hat.

25 Ausgehend davon ist daher fraglich, ob das BVwG in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 auch die Möglichkeit der amtswegigen Einleitung eines Feststellungsverfahrens vorsieht, die Beschwerdeverfahren nach der Antragsrückziehung durch die Erstrevisionswerberin entgegen der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weiterführen und über die Beschwerden in der Sache entscheiden durfte.

26 Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

27 1. Ein amtswegiges Feststellungsverfahren durch die zuständige UVP‑Behörde hat nicht stattgefunden und das BVwG durfte davon während der bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren auch nicht ausgehen:

28 Das Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 7 UVP‑G ist fakultativ (vgl. Baumgartner/Petek, UVP‑G 2000, Kurzkommentar, S. 87, Ennöckl in: Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, UVP‑G3, § 3 Rz 43, sowie Lampert, UVP‑G [2020] § 3 Rzlen 139 und 145). Eine Verpflichtung der UVP‑Behörde auf Einleitung eines amtswegigen Feststellungsverfahrens besteht dem eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmung nach nicht („Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen.“).

29 Den maßgebenden Bestimmungen des UVP‑G 2000 iVm. den anzuwendenden Bestimmungen des AVG ist zwar nicht zu entnehmen, dass es für die Einleitung eines amtswegigen Feststellungsverfahrens nach § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 eines bestimmten Verfahrensaktes bedürfte; allerdings setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Einleitung eines amtswegigen Verfahrens jedenfalls einen entsprechenden Willensakt voraus, welcher der zuständigen Behörde zuzurechnen ist und seinem Inhalt nach ‑ objektiv betrachtet ‑ darauf abzielt, den Sachverhalt bezüglich der Voraussetzungen für den beabsichtigten Verwaltungsakt zu klären (vgl. etwa VwGH 26.6.2019, Ro 2019/21/0006, oder auch bereits 21.6.2007, 2006/07/0096, jeweils mwN).

30 Fallbezogen stellte sich ‑ im Hinblick auf die eindeutige und im Verfahren vor dem BVwG bereits ausführlich thematisierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur (fehlenden) Berechtigung der Rechtsmittelbehörde zur Sachentscheidung nach Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages ‑ schon in den Beschwerdeverfahren (anders als in dem vom BVwG angeführten Zurückweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes zu Ra 2016/06/0034 vom 29. November 2018, in dem ein Feststellungsbescheid aufgrund einer zu Unrecht angenommenen Antragslegitimation erlassen und dies nicht beim BVwG, sondern erstmals im Revisionsverfahren angesprochen worden war) die Frage nach einem allfällig von der UVP‑Behörde auch von Amts wegen eingeleiteten Feststellungsverfahren, das seinen Abschluss (ebenfalls) in dem vor dem BVwG bekämpften Bescheid hätte gefunden haben können. Nur dann, wenn es ein solches gegeben hätte (oder, gegenständlich nicht von Relevanz, wenn das betreffende Feststellungsverfahren auch über Antrag einer anderen nach § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 antragslegitimierten Person, deren Antrag noch aufrecht wäre, geführt worden wäre), hätte nämlich die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die Erstrevisionswerberin nicht die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für einen solchen Fall zwingend eintretende Rechtsfolge nach sich gezogen, dass die Zuständigkeit des BVwG zur Sachentscheidung über die Beschwerden wegfällt und der erstinstanzliche Bescheid der Behörde von diesem nur mehr wegen nachträglicher Rechtswidrigkeit aufgehoben werden kann.

31 In einer Betrachtung des Verfahrensablaufes fehlten allerdings bereits während der Beschwerdeverfahren vor dem BVwG jegliche Anhaltspunkte dafür, dass das gegenständliche Feststellungsverfahren ‑ in Verfahrensunion ‑ auch über amtswegige Einleitung der zuständigen UVP‑Behörde geführt worden sein könnte; zum einen ist dem Verfahrensakt der Behörde in keiner Weise ein ihr zurechenbarer Willensakt auf Einleitung eines amtswegigen Verfahrens zu entnehmen, und es geht auch aus dem Spruch des Bescheides der Amtsrevisionswerberin vom 16. Oktober 2018 unmissverständlich hervor, dass dieser über Antrag der Erstrevisionswerberin erging. Zum anderen ist auch die Beschwerdebeantwortung der Amtsrevisionswerberin an das BVwG vom 23. Jänner 2019 bereits ihrem Inhalt nach dahin zu verstehen, dass die Behörde amtswegig nicht von der Notwendigkeit der Durchführung eines Feststellungsverfahrens nach § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 ausging. Nachträglich ‑ und daher nicht entscheidungsrelevant ‑ wird diese Auffassung durch die vorliegende Amtsrevision, in der sich die Amtsrevisionswerberin infolge der Antragszurückziehung gegen die Weiterführung der Beschwerdeverfahren durch das BVwG wendet und in diesem Zusammenhang ausdrücklich ausführt, dass ein amtswegiges Feststellungsverfahren nicht eingeleitet worden sei und auch zum Zeitpunkt der Revisionserhebung nach wie vor nicht die Notwendigkeit dazu gesehen werde, bestätigt.

32 Dass das Feststellungsverfahren auch von Amts wegen ‑ durch die zuständige Behörde ‑ hätte geführt werden können, ist in einer Sachverhaltskonstellation wie der vorliegenden, in der der verfahrenseinleitende Antrag durch die Antragstellerin zurückgezogen wurde und der Bescheid der Verwaltungsbehörde daher nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ersatzlos zu beheben ist, für die weitere Zuständigkeit des BVwG zur Entscheidung über die Beschwerden in der Sache nicht ausreichend. Dies kann auch nicht aus dem genannten Zurückweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes zu Ra 2016/06/0034 vom 29. November 2018, der zu einer insoweit nicht vergleichbaren Sachverhaltskonstellation ergangen ist, abgeleitet werden. Ebenso geht ‑ schon angesichts der strikt einzuhaltenden gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmungen ‑ die Begründung des BVwG unter Hinweis auf die Verfahrensökonomie fehl, die Behörde hätte im Fall der Aufhebung des Bescheides durch das BVwG „u.U. auch die Verpflichtung“, einen neuen Feststellungsbescheid von Amts wegen zu erlassen, zumal das Feststellungsverfahren auch von Amts wegen nach § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000, wie bereits dargelegt, nicht zwingend ist (vgl. oben Rz 28).

33 2. Die amtswegige Einleitung eines Feststellungsverfahrens durch das BVwG selbst (zur Vermeidung der Pflicht zur Behebung des erstinstanzlichen Bescheides infolge der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages) scheidet aus:

34 Zuständige UVP‑Behörde ist gemäß § 39 Abs. 1 UVP‑G 2000 die Landesregierung. Dieser, und nur dieser, steht gemäß § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 die Möglichkeit der amtswegigen Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach der genannten Gesetzesbestimmung offen; dem BVwG kommt hingegen, wie die revisionswerbenden Parteien zutreffend ausführen, eine Behördenzuständigkeit zur amtswegigen Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach § 3 Abs. 7 UVP‑G weder auf Grund der für das BVwG maßgebenden Zuständigkeitsbestimmungen noch nach seiner Stellung im Rechtsschutzgefüge zu. Während die Verwaltungsbehörde in jenen Fällen, in denen auch eine amtswegige Verfahrensführung in Frage kommt, im Fall der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages vor Erlassung des Bescheides allenfalls auf ein amtswegiges Verfahren „umsteigen“ könnte, ist dies dem Verwaltungsgericht, das (soweit vorliegend relevant) zur Entscheidung über Beschwerden (Art. 130 Abs. 1 Z 1 B‑VG), sohin zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verwaltung, nicht aber zur Führung der Verwaltung, zuständig ist, jedenfalls verwehrt (vgl. die Gesetzesmaterialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2012, EBRV 1618 BlgNR XXIV. GP S. 4 und 12f; AB 1771 BlgNR XXIV. GP , S. 2; vgl. auch Mayer/Muzak, B‑VG, 5. Auflage, S. 442, oder auch VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0027, jeweils mwN).

35 3. Zur Nichtzurückziehung materienrechtlicher Genehmigungsanträge:

36 Nach den Feststellungen des BVwG im angefochtenen Erkenntnis (S. 7) hatte die Erstrevisionswerberin am 30. November 2018 beim Magistrat der Stadt Wien einen Baubewilligungsantrag für das in Rede stehende Vorhaben eingebracht. Mit Schreiben vom 5. März 2019 trug das BVwG der Erstrevisionswerberin auf, die nicht mehr bestehende Absicht zur Verwirklichung des Vorhabens durch „Zurückziehung der materienrechtlichen Genehmigungsanträge und entsprechende eidesstattliche Erklärung“ zu bescheinigen; offenbar bezog sich das BVwG damit auf die einschlägige Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Antragstellung auf Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 durch andere Personen als den Projektwerber selbst bzw. durch die Behörde von Amts wegen (vgl. zur Frage des konkreten Vorhabens sowie zum Verwirklichungswillen des Projektwerbers z.B. Ennöckl in: Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, Kommentar zum UVP‑G3, § 3 Rz 47, oder auch Lampert UVP‑G [2020] § 3 Rzlen 529, 530, 588, 589).

37 Zum einen kommt es jedoch für das Vorliegen eines konkreten, nach § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 beurteilungsfähigen Projektes gerade auf eine Einreichung nach dem Materiengesetz nicht an (vgl. etwa die in den genannten Literaturstellen angeführte Judikatur), zum anderen beschäftigte sich die betreffende Rechtsprechung nicht mit der Frage der Aufgabe des „Verwirklichungswillens“ in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, in der der Projektwerber seinen zunächst gestellten Antrag auf Feststellung nach § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 in der Folge zurückzieht. Nicht ausgeschlossen ist es jedenfalls, ein Projekt vor der Materienbehörde derart abzuändern (vgl. § 13 Abs. 8 AVG und für viele etwa VwGH 29.3.2007, 2006/07/0108), dass es hinsichtlich der für die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung maßgeblichen Punkte nicht mehr mit dem ursprünglichen Vorhaben übereinstimmt (vgl. dazu sinngemäß etwa VwGH 24.9.2014, 2012/03/0165). Auch bei Nichtzurückziehung des materienrechtlichen Genehmigungsantrages (hier: des Baubewilligungsantrages) nach Zurückziehung eines Feststellungsantrages nach § 3 Abs. 7 UVP‑G muss daher nicht zwingend vom Weiterbestehen des Verwirklichungswillens hinsichtlich des der UVP‑Behörde zum Zeitpunkt der Antragstellung bei ihr vorliegenden Projektes in seiner konkreten, eventuell UVP‑pflichtigen Ausgestaltung ausgegangen werden.

38 Eine Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung, bei Zurückziehung des Feststellungsantrages gemäß § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 zu deren Wirksamkeit auch den Nachweis der Zurückziehung allfälliger materienrechtlicher Genehmigungsanträge bzw. entsprechende eidesstattliche Erklärungen vorzulegen, ist jedenfalls nicht ersichtlich; dass weiters bei Zurückziehung eines nach § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 gestellten Feststellungsantrages § 13 Abs. 7 AVG und das damit verbundene Recht des Antragstellers, in jeder Lage des Verfahrens über seinen Antrag zu disponieren, nicht oder nur unter Bedingungen anwendbar sein sollte, lässt sich dem UVP‑G 2000 weder entnehmen, noch wäre eine solche Bestimmung ohne Darstellung, dass sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich ist, mit Art. 11 Abs. 2 B‑VG vereinbar. Hinsichtlich einer rechtzeitigen und zulässigen Zurückziehung eines nach § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 gestellten Feststellungsantrages gelten somit keine anderen Grundsätze als die bereits oben nach der diesbezüglichen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargestellten. Auch aus der Nichtzurückziehung des materienrechtlichen Genehmigungsantrages konnte das BVwG daher fallbezogen nach Zurückziehung des Antrages gemäß § 3 Abs. 7 UVP‑G 2000 durch die Erstrevisionswerberin nicht weiterhin seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerden ableiten. Zu bemerken ist, dass sich der vorliegende Fall auch in dieser Hinsicht maßgeblich von der vom BVwG ins Treffen geführten Entscheidung zu Ra 2016/06/0034 unterscheidet, da im dortigen Fall, wie aus der Entscheidung auch hervorgeht, sämtliche eingereichten materienrechtlichen Genehmigungsanträge bereits rechtskräftig erledigt waren.

39 Sollten im Übrigen Bedenken in unionsrechtlicher Hinsicht etwa in Bezug auf eine Antragslegitimation zur Geltendmachung der Frage einer UVP‑Pflicht bestehen, ist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach mit der Möglichkeit insbesondere eines Mitgliedes der betroffenen Öffentlichkeit, in einem über ein konkretes Vorhaben nach einem Materiengesetz abzuführenden Verfahren vorbringen zu können, dass das betreffende Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, den Anforderungen des EuGH in Auslegung der UVP‑Richtlinie (2011/92/EU ) Genüge getan ist (vgl. dazu etwa VwGH 5.11.2015, Ro 2014/06/0078, und 27.7.2016, Ro 2014/06/0008).

40 Zusammenfassend ist daher nach dem Gesagten festzuhalten, dass das BVwG gegenständlich ab dem Zeitpunkt der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die Erstrevisionswerberin zur inhaltlichen Entscheidung über die Beschwerden nicht mehr zuständig war und den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde wegen dessen (nachträglicher) Rechtswidrigkeit aufzuheben gehabt hätte.

41 Indem das BVwG dies verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

42 Die Vollziehung des UVP‑G 2000 in der gegenständlichen Angelegenheit ist Landessache (Art. 11 Abs. 1 Z 7 B‑VG). Kostenersatzpflichtiger Rechtsträger iSd. § 47 Abs. 5 VwGG wäre daher das Land Wien. Da daneben keine Kostenersatzpflicht eines anderen Rechtsträgers vorgesehen ist, war der auf die Inanspruchnahme des Bundes gerichtete Antrag der Erstrevisionswerberin abzuweisen (z.B. VwGH 28.3.2018, Ra 2017/07/0096, 0097, mwN).

Wien, am 25. Juni 2021

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