Normen
AlVG 1977 §10 Abs1 Z4;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs3;
AlVG 1977 §40 Abs3;
AlVG 1977 §40a;
AlVG 1977 §6 Abs2 Z2;
ASVG §122 Abs1;
ASVG §16;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
MSG Wr 2010;
SHG Wr 1973;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z4;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs3;
AlVG 1977 §40 Abs3;
AlVG 1977 §40a;
AlVG 1977 §6 Abs2 Z2;
ASVG §122 Abs1;
ASVG §16;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
MSG Wr 2010;
SHG Wr 1973;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.489,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice W (in der Folge: AMS) vom 13. Jänner 2011, mit dem der Verlust der Anspruches auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 5. Jänner bis 1. März 2011 ausgesprochen wurde, abgewiesen.
Die belangte Behörde ging davon aus, dass mit dem seit 1. Dezember 1986 mit Unterbrechungen in Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung stehenden Beschwerdeführer verbindlich vereinbart worden sei, dass er selbständig Aktivitäten zur Beendigung seiner Arbeitslosigkeit setze. Vom AMS sei ihm am 30. November 2010 niederschriftlich aufgetragen worden, Nachweise über Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung vorzulegen. Dabei solle er seine Eigeninitiative zur Beendigung seiner Arbeitslosigkeit dadurch dokumentieren, dass er wöchentlich zumindest zwei Bewerbungen glaubhaft mache. Weiters seien bei jeder Vorsprache beim AMS die Bewerbungen darzulegen. Diese Vereinbarung sei vom Beschwerdeführer nicht unterzeichnet, ihm gegenüber jedoch klar kommuniziert worden. Über die Rechtsfolgen bei mangelnder Eigeninitiative sei er informiert worden.
Anlässlich seiner nächsten Vorsprache beim AMS am 5. Jänner 2011 habe er keine Unterlagen über seine Bewerbungen vorlegen können. Im Rahmen der am 11. Jänner 2011 aufgenommenen Niederschrift habe der Bearbeiter festgehalten, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, die vereinbarten Nachweise seiner Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung vorzulegen. In der Zeit vom 30. November bis 12. Dezember 2010 habe sich der Beschwerdeführer im Krankenstand befunden.
Im Zuge des Berufungsverfahrens seien ihm die Niederschriften vom 30. November 2010 und 11. Jänner 2011 nachweislich zugestellt worden. Eine persönliche Vorsprache habe nicht stattfinden können, da er die vorgeschlagenen Termine nicht eingehalten habe. Er habe auch im Berufungsverfahren nach Aufforderung keine Unterlagen über Bewerbungen vorgelegt.
Rechtlich erachtete die belangte Behörde, es sei ihre Aufgabe zu beurteilen, ob die glaubhaft gemachten Anstrengungen des Arbeitslosen ausreichend seien oder nicht. Dabei sei das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des Bescheides zu betrachten. Ausgehend von der Vereinbarung vom 30. November 2010 wären am 5. Jänner 2011 zehn Bewerbungen vorzulegen gewesen. Ziehe man den Krankenstand von zwei Wochen ab, wäre für drei verbleibende Wochen die entsprechende Anzahl von Bewerbungen nachzuweisen gewesen. Der Beschwerdeführer habe keine einzige Bewerbung nachgewiesen und in seinen Berufungsausführungen auch keine Bewerbung behauptet.
Da der Beschwerdeführer nicht bereit gewesen sei, den vereinbarten Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung im erforderlichen Ausmaß nachzukommen, sei die Sanktion des § 10 AlVG für den bereits genannten Zeitraum zu verhängen gewesen. Als angemessene Frist werde ein Zeitraum von acht Wochen ab Beginn der Sperrfrist angesehen. Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG werde nicht gewährt, der Beschwerdeführer habe bis dato keine Beschäftigung aufgenommen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Bescheid weise keine nachvollziehbare Begründung im Sinne des § 60 iVm § 58 Abs. 2 AVG auf. Bloß pauschale oder abstrakte leerformelartige Feststellungen oder Behauptungen würden der Begründungspflicht nicht Genüge tun. Die belangte Behörde habe lediglich den Wortlaut der angezogenen Tatbestände wiedergegeben, ohne darzulegen, auf welche Art und Weise diese zu den Sachverhaltsschilderungen in Beziehung stünden. Zu dem im Bescheid erwähnten § 7 Abs. 1 AlVG sei nicht nachvollziehbar, ob sie dessen Vorliegen bejahe oder verneine und es könne nur vermutet werden, dass sie dessen Voraussetzungen bejahe. Die §§ 9 Abs. 1 und Abs. 2 sowie 10 Abs. 1 AlVG würden zahlreiche Tatbestandselemente aufweisen, die von der belangten Behörde in keiner Weise in Relation zu der von ihr vorgenommenen Tatsachenschilderung gebracht würden. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar dargelegt, welchen der vier Untertatbestände des § 10 Abs. 1 AlVG die Behörde als verwirklicht annehme, es fehle ein konkreter Subsumptionsvorgang. Der angefochtene Bescheid weise keine rechtliche Beurteilung auf; der Bescheid sei somit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Gemäß § 60 AVG, der gemäß § 67 AVG für Berufungsbescheide gilt, müssen aus der Begründung eines Bescheides die wesentlichen Ergebnisse des Beweisverfahrens, die bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen und die darauf gestützte Lösung der Rechtsfrage ersichtlich sein (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 1042 in E 2 zu § 60 AVG angeführte hg. Judikatur).
Gegenständlich gibt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zunächst das Verwaltungsgeschehen wieder. Sie trifft Feststellungen, in denen sie die von ihr verwendeten Beweismittel (Niederschrift, Stellungnahme) anführt und darstellt, welche Schlüsse sie daraus gezogen hat. Schließlich führt sie in ihren rechtlichen Erwägungen aus, unter welche Normen der festgestellte Sachverhalt zu subsumieren ist und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben. Wenngleich die belangte Behörde einzelne Untertatbestände der herangezogenen Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG nicht nennt, lässt sich aber aus dem Inhalt des Bescheides eindeutig erkennen, auf welche gesetzliche Vorschrift er sich gründet (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Seite 1012, bei E 219 zu § 59 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall geht aus der Bescheidbegründung klar hervor, dass sich die belangte Behörde auf § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG bezog und damit ohne Zweifel nicht über die in § 7 Abs. 1 AlVG angeführten allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen abgesprochen wurde. Die Begründung des angefochtenen Bescheides erfüllt damit die Anforderungen des § 60 AVG und ermöglicht die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof.
2. § 9 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet (auszugsweise) wie folgt:
"§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
§ 10 Abs. 1 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:
"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person
1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder
3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen, so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
…
(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."
Gemäß § 38 AlVG sind die genannten Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Das Arbeitsmarktservice kann einen Arbeitslosen nach § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG auffordern, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen. Wird eine solche Aufforderung dahingehend konkretisiert, dass der Arbeitslose in bestimmter Zeit eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachweisen soll, kann dies aber nichts daran ändern, dass der Arbeitslose dennoch nur nachweisen muss, dass er ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht hat. Es ist Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die nachgewiesenen Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes nach den persönlichen Verhältnissen des Arbeitslosen ausreichend waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die Anstrengungen seien nicht ausreichend, hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Die Bescheidbegründung hat eine Würdigung der Anstrengungen zu enthalten. Hierbei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2007/08/0323, mwN).
Grundsätzlich trifft auch bei amtswegig durchzuführenden Verfahren die Partei eine entsprechende Mitwirkungspflicht, insbesondere dort, wo den amtswegigen behördlichen Erhebungen im Hinblick auf die nach den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind. Dort also, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden, was insbesondere bei jenen in der Person des Antragstellers gelegenen Voraussetzungen der Fall sein wird, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann, ist die Partei selbst zu entsprechendem Vorbringen und Beweisanboten verpflichtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1993, Zl. 91/08/0122). Die nicht gehörige Mitwirkung der Partei im Beweisverfahren unterliegt der freien Beweiswürdigung (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 678, E 218 f. zu § 45 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
In der Beschwerde wird im Wesentlichen eingewendet, die belangte Behörde habe die rechtswidrige Auffassung vertreten, dass das bloße Zuwiderhandeln gegen eine vom Arbeitsmarktservice vorgeschriebene Zahl von Bewerbungen bereits die Sperre rechtfertige. Vielmehr habe die Behörde zu beurteilen, ob die glaubhaft gemachten Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des darzustellenden Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes und nach den persönlichen Verhältnissen des Arbeitslosen ausreichend gewesen seien oder nicht. Es komme somit auf das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides an. Das AMS habe im Fall des Beschwerdeführers jegliche konkrete Lebenssituation ausgeblendet, die es unmöglich mache, eine Beschäftigung zu erlangen. Als 57- jähriger Langzeitarbeitsloser sei er am Arbeitsmarkt schlichtweg verloren, auch das Arbeitsmarktservice schalte seines Wissens nicht einmal mehr Inserate, um zu versuchen, ihm eine Beschäftigung zu vermitteln.
Dem ist Folgendes zu erwidern:
Es trifft - unter Bezugnahme auf die zuvor dargelegte Judikatur - zu, dass die Behörde unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, eine Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers zur Beurteilung der Frage, ob die Anstrengungen des Arbeitslosen ausreichend waren oder nicht, zu machen hat. Davon ausgehend ist auch die alleinige Anzahl der Bewerbungen nicht einzig ausschlaggebend, sondern hat der Beschwerdeführer auch sonstige Bemühungen, eine Beschäftigung zu erlangen, nachweislich darzustellen.
Der Beschwerdeführer war einerseits in der Niederschrift vom 30. November 2010 als auch in der Betreuungsvereinbarung vom 30. November 2010 aufgefordert worden, wöchentlich mindestens zwei Bewerbungen glaubhaft zu machen; dass ihm dies entsprechend seinen persönlichen Fähigkeiten nicht zumutbar gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch hat er im Verwaltungsverfahren nichts vorgebracht, was darauf hindeuten könnte, dass er andere entsprechende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung unternommen hätte. Selbst in der Beschwerde gibt es keine Ausführungen zu einer allfälligen Eigeninitiative. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, dass sie ausgehend von der Tatsache, dass der Beschwerdeführer keinen Nachweis über allfällige Bewerbungen erbracht hat, auch sonst keine Feststellungen zu sonstigen Anstrengungen getroffen und somit das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers als nicht ausreichenden Nachweis von Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung beurteilt hat.
Betreffend die konkrete Lebenssituation des Beschwerdeführers, die er im Wesentlichen in seinem Lebensalter und der Tatsache der Langzeitarbeitslosigkeit sieht, ist nicht zu verkennen, dass eine Vermittlung unter diesen Umständen sicherlich schwieriger ist, aber keineswegs aussichtslos. Die Beschäftigungslosigkeit des Beschwerdeführers liegt vorliegendenfalls ausschließlich darin begründet, dass er augenscheinlich keine Bewerbungsaktivitäten gesetzt und folglich auch keine Voraussetzungen zu einer allfälligen Beschäftigung gesetzt hat. Der Vollständigkeit halber ist zu den Beschwerdeausführungen, wonach das AMS ihn nicht mehr vermittle, zu sagen, dass dem Beschwerdeführer beispielsweise am 30. November 2010 sowohl eine Beschäftigung bei dem Unternehmen S zugewiesen wurde, als auch ein Kurs bezüglich Aktivierungsmaßnahmen. Beide Angebote hat er nicht angenommen.
Wenn der Beschwerdeführer vermeint, eine rechtliche Beurteilung hätte sich damit auseinanderzusetzen gehabt ob bzw. dass er als 57-jähriger Langzeitarbeitsloser altersbedingt eine realistische Chance gehabt hätte, eine Beschäftigung wirklich zu erlangen, ist er darauf zu verweisen, dass dem Arbeitslosen zugemutet wird, mit anderen Arbeitslosen im Bemühen um Erlangung eines Arbeitsplatzes zu konkurrieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2007, Zl. 2006/08/0099).
Der Beschwerdeführer kann auch nicht überzeugen, wenn er das System von Blindbewerbungen kritisiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach ausgesprochen, dass auch Blindbewerbungen den Tatbestand der geforderten Eigeninitiative erfüllen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Februar 2013, Zl. 2010/08/0055, sowie vom 22. Dezember 2009, Zl. 2007/08/0323).
3. Der Beschwerdeführer erhebt verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 10 Abs. 1 Z 4 letzter Fall AlVG wegen Verletzung der Gleichheitsgrundsatzes auf Grund der Unsachlichkeit der Regelung, zumal er für sein Unvermögen, die geforderten Nachweise zu erbringen, bestraft werde. Diesbezüglich kann er gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 11. September 2008, Zl. 2007/08/0187, verwiesen werden.
Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG enthalte eine verfassungswidrige Regelung, da er den Verlust seines Anspruches hinnehmen müsse, wenn er keinen "Entlastungsbeweis" führen könne, geht der Beschwerdeführer unzutreffend davon aus, dass die Bestimmung Strafcharakter habe, sodass auch diesbezüglich auf das soeben zitierte Erkenntnis verwiesen werden kann. Weiters sieht er eine Verletzung des Art. 11 Abs. 2 B-VG gegeben, weil die Wortfolge "nicht in der Lage ist" im § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG eine unnotwendige unsachliche Abweichung vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung des § 45 Abs. 2 AVG darstelle und somit gegen die verfassungsrechtliche Bestimmung verstoße.
§ 10 Abs. 1 Z 4 AlVG regelt materielle Tatbestandsvoraussetzungen für den Verlust des Leistungsanspruchs auf Arbeitslosengeld; selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer darin eine verfahrensrechtliche Regelung erblicken will, geht diese nicht über eine Festschreibung der Mitwirkungspflichten des Arbeitslosen - die ihn schon deshalb treffen, weil die Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung seiner persönlichen Sphäre zuzuordnen sind - hinaus. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen (vgl das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2011, Zl. 2008/08/0020).
4. Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe den Nachsichtstatbestand ohne Begründung abgetan. Die belangte Behörde verweigere generell Arbeitslosen, die Sorgepflichten haben, den Nachsichtstatbestand anzuwenden. Die Sperre bzw. der Anspruchsverlust führe zu einer Gefährdung des notdürftigen Lebensunterhalts des Arbeitslosen und seiner Familie, darüber hinaus wäre auch eine Verkürzung der Sperrfrist, insbesondere wenn der Arbeitslose nachhaltig seine Arbeitswilligkeit zum Ausdruck bringe, was beim Beschwerdeführer gegeben sei, möglich.
Ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG kann nur dann vorliegen, wenn der Arbeitslose in der Folge entweder selbst ein Verhalten gesetzt hat, welches den potentiellen Schaden, der durch seine Nichteinstellung entstanden ist, ganz oder teilweise wieder beseitigt (also insbesondere durch alsbaldige tatsächliche Aufnahme einer anderen Beschäftigung), oder wenn ihm sein Verhalten ausnahmsweise aus besonderen (jedenfalls nicht auf Dauer vorliegenden oder auch die Verfügbarkeit oder die Arbeitsfähigkeit nicht ausschließenden) Gründen im Einzelfall nicht vorgeworfen werden kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. November 2008, Zl. 2006/08/0242). Darüber hinaus berücksichtigungswürdig sind Gründe, die dazu führen, dass der Ausschluss von Bezug der Leistungen den Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter trifft als dies sonst ganz allgemein der Fall ist. Es kommt dabei aber nicht auf persönliche finanzielle Umstände an. Sorgepflichten treffen einen Arbeitslosen in der Regel nicht härter als jeden anderen Arbeitslosen, der eine Familie hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 2012, Zl. 2009/08/0247).
Obwohl die amtswegige Prüfung des Sachverhalts zumindest eine Auseinandersetzung mit möglichen Nachsichtsgründen gebietet, muss die Behörde nur solche Gründe prüfen, die der Arbeitslose vorbringt oder für die es sonstige Hinweise in den Akten gibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 2008, Zl. 2007/08/0237 mwN). Weder der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt noch der vorgelegte Verwaltungsakt (insbesondere die Berufung des Beschwerdeführers) bieten Anhaltspunkte für das Vorliegen von Nachsichtsgründen im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG.
5. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht der Beschwerdeführer darin, dass der Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben ist. Dabei zeigt er tatsächlich keine fehlenden Feststellungen auf, sondern setzt sich mit der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde auseinander, sodass auf das unter Punkt 2 Gesagte verwiesen wird.
6. Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, er habe schon im Berufungsverfahren bestritten, dass die ihm entgegengehaltenen Niederschriften vom 30. November 2010 und 11. Jänner 2011 mit ihm aufgenommen und ihm zur Kenntnis gebracht worden seien. Die Berufungsbehörde habe jegliches Ermittlungsverfahren und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung dazu verweigert. Der Auftrag zur Eigeninitiative sei in konkreter Form zu erteilen. Dieser sei durch seinen Betreuer in der Realität nicht erteilt, sondern lediglich unterstellt worden.
Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer tatsächlich in seiner Stellungnahme vom 12. April 2011 darauf hinwies, dass der Betreuer mit ihm keine Niederschrift gemacht hätte und eine solche auch nicht ausgefolgt worden wäre. Dieses Vorbringen hat aber auf das vorliegende Verfahren schon deshalb keine Relevanz, weil in der Betreuungsvereinbarung vom 30. November 2010 auf die Eigeninitiative durch Aktivbewerbungen zwei Mal wöchentlich nachweislich hingewiesen wurde. Dass der Beschwerdeführer die Betreuungsvereinbarung vom 30. November 2010 nicht erhalten hat, hat er nicht behauptet. Somit war der Beschwerdeführer in Kenntnis der Aufforderung zur Eigeninitiative. Die von ihm beantragten Einvernahmen waren daher entbehrlich.
7. Eine weitere Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt der Beschwerdeführer darin, dass die Verwaltungsbehörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen hat. Das von ihm in der Beschwerde dargelegte Vorbringen, welches er in einer Berufungsverhandlung hätte erstatten können, ist im Lichte der bereits dargestellten rechtlichen Erwägungen nicht von Relevanz. In diesem Zusammenhang ist nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer Berufungsverhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
8. Schließlich macht der Beschwerdeführer - auch unter dem Beschwerdegrund der Unzuständigkeit der belangten Behörde - geltend, Ansprüche nach dem AlVG seien als "civil rights" im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK zu beurteilen. § 44 AlVG sehe zur Entscheidung über derartige Ansprüche die Zuständigkeit des Arbeitsmarktservice, sohin von Verwaltungsbehörden und ein Verfahren nach dem AVG vor. Dies verletze das Grundrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK auf eine Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches auf Gesetz beruhendes Gericht. Er sei weiter in seinen von Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten Rechten auf Anhörung in einer öffentlichen Verhandlung und auf öffentliche Urteilsverkündung verletzt. Die Mindestdauer von sechs bis acht Wochen Anspruchsverlust nach § 10 Abs. 1 AlVG sei verfassungswidrig.
Hinsichtlich dieses Vorbringens kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom 19. Oktober 2011, Zl. 2008/08/0251, verwiesen werden.
9. Unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes G 78/99 bzw. G 70/00 regt der Beschwerdeführer weiters ein Gesetzprüfungsverfahren hinsichtlich § 10 Abs. 1 AlVG an, da der in dieser Norm geregelte Anspruchsverlust von mindestens sechs bzw. acht Wochen Strafcharakter habe und daher im Sinn der genannten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes verfassungswidrig sei. Hinsichtlich dieses Vorbringens kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom 11. September 2008, Zl. 2007/08/0187, verwiesen werden.
10. Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit von § 10 Abs. 1 AlVG auch im Hinblick auf eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes des Art. 1 ZPEMRK geltend.
Art. 1 Abs. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK (1. ZPEMRK) lautet:
"1. Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemanden darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter dem durch Gesetz und durch die allgemeine Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen."
Der Beschwerdeführer führt aus, mit der Sperre der Notstandshilfe sei der Arbeitslosengeldbezieher der Kranken- und Unfallversicherung sowie auch der Pensionsversicherungen entledigt und mit diesen Rechtsfolgen jedenfalls einmal endgültig belastet. Ein Ausfall des Notstandshilfebezuges bedeute auch die Gefährdung bestehender Mietverhältnisse. Die Sperre des Zuganges zu medizinischen Leistungen bzw. der serielle Entzug der Mittel zur Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse und der medizinischen Grundversorgung greife überdies in das Recht nach Art. 3 EMRK ein.
Gemäß § 40 Abs. 3 AlVG iVm § 122 Abs. 2 ASVG ist sichergestellt, dass der Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung auch noch 28 Tage nach Beendigung der Pflichtversicherung (z.B. infolge Ende des Leistungsbezuges) fortbesteht. Was die Unfallversicherung betrifft, so besteht sie gemäß § 6 Abs. 2 Z 2 iVm § 40 AlVG von vornherein nur für die Dauer und im Zusammenhang mit der Teilnahme an bestimmten Maßnahmen und ist daher nicht schlechthin mit dem Leistungsbezug verbunden. Unfallheilbehandlungen auf Grund eines während des Bestehens einer Unfallversicherung eingetretenen Versicherungsfalls werden ebensowenig durch das Leistungsende wegen Verhängung einer Sperrfrist berührt, wie Heilbehandlungen auf Kosten des Krankenversicherungsträgers auf Grund eines während der Versicherung eingetretenen Versicherungsfalls iS des § 122 Abs. 1 ASVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 2009, Zl. 2007/08/0285). Somit gehen die Ausführungen des Beschwerdeführers, durch die Sperre des Leistungsbezuges von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen zu sein, ins Leere. Selbst für den Fall, dass die zuvor genannten 28 Tage nicht ausreichen sollten, z.B. eine neue krankenversicherungspflichtige Beschäftigung zu finden und aufzunehmen, besteht die Möglichkeit, Leistungen - bei Fehlen der Mittel für eine Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 ASVG - im Wege der Sozialhilfe (im Rahmen des Wiener Sozialhilfegesetzes bzw. Wiener Mindestsicherungsgesetzes) in Anspruch zu nehmen.
11. Jedoch kommt der Beschwerde, soweit sie auf das Fehlen einer Begründung über frühere Pflichtverletzungen gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 bis 4 AlVG, die die Erhöhung der Sperrfrist auf acht Wochen zur Folge hätte, hinweist, Berechtigung zu. Solche Feststellungen sind aber für eine abschließende Beurteilung, ob sich die auf Grund der gegenständlichen mangelnden Eigeninitiative über den Beschwerdeführer zu verhängende Ausschlussfrist auf acht Wochen erhöht, notwendig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 2010, Zl. 2009/08/0105 und vom 2. Juli 2008, Zl. 2008/08/0062).
12. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 4. September 2013
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