VwGH 2008/08/0020

VwGH2008/08/002019.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des R G in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Golla, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 8. Oktober 2007, Zl. 2007-0566-9-000866, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z4 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §10 Abs3 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §10 Abs3;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AlVG 1977 §10 Abs1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z4 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §10 Abs3 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §10 Abs3;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 10 in Verbindung mit § 38 AlVG gegenüber dem Beschwerdeführer den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 22. Mai bis - unter Berücksichtigung einer Verlängerung wegen des Bezugs von Krankengeld - 19. Juli 2007 ausgesprochen.

Begründend stellte die belangte Behörde fest, dass mit dem Notstandshilfe beziehenden Beschwerdeführer am 27. Februar 2007 "niederschriftlich vereinbart" worden sei, dass er (wöchentlich) eine Bewerbung bei einem potentiellen Arbeitgeber glaubhaft machen müsse. Er könne sich schriftlich, telefonisch oder persönlich bewerben, müsse seine Bewerbung aber zum Beispiel durch Kopien von Bewerbungsschreiben oder durch Bekanntgabe von Personen, bei denen er sich beworben habe, glaubhaft machen. Eine Überprüfung der Bewerbungsaktivitäten würde anlässlich der Kontrolltermine erfolgen, zu denen der Beschwerdeführer die ausgefüllten Bewerbungslisten sowie sonstige Nachweise mitzubringen habe. Der erste Kontrolltermin sei dem Beschwerdeführer für den 14. März 2007 vorgeschrieben worden. Der Beschwerdeführer habe diesen Termin jedoch nicht eingehalten, sondern sei zur "Spontanvorsprache" gekommen und habe seine Bewerbungen lediglich anhand der Telefonliste seines Mobiltelefons nachgewiesen. Der Beschwerdeführer sei darauf hingewiesen worden, dass er beim nächsten Kontrollmeldetermin seine Bewerbungen durch Stempel des Dienstgebers nachweisen müsse. Am 29. März 2007 habe er zwei Bewerbungen mit Stempel nachgewiesen. Es habe dann bei einem Termin keine Überprüfung gegeben, weil nur eine Vertretung seiner Betreuerin anwesend gewesen sei. Am 22. Mai 2007 seien keine Bewerbungen nachgewiesen worden, woraufhin dem Beschwerdeführer eine Frist von zwei Tagen gesetzt worden sei, um die Bewerbungen nachzureichen. Der Beschwerdeführer habe sich dabei geweigert, die Niederschrift zu unterschreiben. Daraufhin sei der erstinstanzliche Bescheid ergangen, da der Beschwerdeführer nur zwei von den insgesamt zwölf verlangten Eigenbewerbungen nachgewiesen habe. Einen Tag vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids habe der Beschwerdeführer eine Bewerbungsliste vorgelegt, die aber mangelhaft gewesen sei, da das Datum von Bewerbungen und Adressen der einzelnen Firmen zum Teil fehlten.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens sei der Beschwerdeführer zu einem persönlichen Gespräch geladen worden, bei dem er eine ergänzte Bewerbungsliste vorgelegt habe. Gleichzeitig habe er sich beschwert, dass ihm bislang kein Betreuungsplan bekannt gegeben worden sei, worauf ihm Betreuungspläne vom 27. Februar, 29. Mai und 3. August 2007 vorgehalten worden seien.

Die vom Beschwerdeführer in seiner Eigenbewerbungsliste angegebenen Firmen seien schriftlich um Auskunft ersucht worden, ob sich der Beschwerdeführer tatsächlich bei ihnen beworben habe. Sämtliche antwortenden Firmen hätten angegeben, dass keine Bewerbung stattgefunden habe, weshalb die aufgetragene Eigeninitiative als nicht erfüllt anzusehen und die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen gewesen sei.

Daran anschließend werden im angefochtenen Bescheid unter der Überschrift "Die dem Bescheid zu Grunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen lauten wie folgt:" Bestimmungen des AlVG (§ 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 und 2, § 10 Abs. 1 und 3 und § 38) im Wortlaut wiedergegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde verlangt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 10 Abs. 1 und 3 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautete:

"(1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

...

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."

Gemäß § 38 AlVG sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen über das Arbeitslosengeld sinngemäß anzuwenden.

2. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Bescheid der belangten Behörde sei schon deshalb inhaltlich rechtswidrig, da seine Begründung nicht die Anforderungen des § 60 AVG erfülle. Die Behörde habe den festgestellten Sachverhalt nicht unter gesetzliche Bestimmungen subsumiert, sondern diese lediglich angeführt, ohne erkenntlich zu machen, ob und in welcher Weise sie die entsprechenden Bestimmungen für anwendbar halte. Es sei insbesondere nicht erkennbar, ob die belangte Behörde den in der Begründung zitierten § 7 Abs. 1 AlVG überhaupt als erfüllt ansehe und welcher der vier Untertatbestände des im Spruch angeführten

§ 10 Abs. 1 AlVG von der Behörde herangezogen worden sei.

Dem ist zunächst zu entgegnen, dass sich der Spruch des angefochtenen Bescheides ausdrücklich auf § 10 in Verbindung mit

§ 38 AlVG stützt und damit ohne Zweifel nicht über die in § 7 Abs. 1 AlVG angeführten allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen abgesprochen wurde. Zutreffend zeigt der Beschwerdeführer zwar auf, dass das Gesetzeszitat im Spruch nicht die konkrete Ziffer des § 10 Abs. 1 AlVG nennt, auf die der Anspruchsverlust gegründet wurde. Die Verletzung des § 59 Abs. 1 AVG hinsichtlich der Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen steht aber nicht schlechthin unter der Sanktion der Aufhebung des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, dass auch die Begründung des Bescheides Zweifel über die angewendeten Vorschriften nicht beseitigt. Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer schon im erstinstanzlichen Bescheid (ausschließlich) vorgeworfen, keine ausreichenden Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachgewiesen zu haben, wobei zusätzlich die Bestimmung des § 10 Abs. 1 AlVG auch im Wortlaut wiedergegeben wurde. Auch die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt Zweifel über die angewendete Gesetzesbestimmung nicht aufkommen. Damit ist aber der Beschwerdeführer an einer Verfolgung seiner Rechte nicht gehindert und andererseits der Verwaltungsgerichtshof in der Lage, seiner Kontrollbefugnis nachzukommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 99/08/0104).

3. Der Beschwerdeführer rügt weiters, die belangte Behörde habe ihm lediglich die Vorlage von Bewerbungen aufgetragen, ohne sein Gesamtverhalten entsprechend zu würdigen oder auf seine persönlichen Umstände näher einzugehen.

Das Arbeitsmarktservice kann einen Arbeitslosen nach § 10 Abs. 1 Z. 4 AlVG auffordern, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen. Wird eine solche Aufforderung dahingehend konkretisiert, dass der Arbeitslose in bestimmter Zeit eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachweisen soll, kann dies aber nichts daran ändern, dass der Arbeitslose dennoch nur nachweisen muss, dass er ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht hat. Es ist Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die nachgewiesenen Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes nach den persönlichen Verhältnissen des Arbeitslosen ausreichend waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die Anstrengungen seien nicht ausreichend, hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Die Bescheidbegründung hat eine Würdigung der Anstrengungen zu enthalten. Hierbei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, Zl. 2005/08/0041).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe nicht schematisch darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte ihm aufgetragene Anzahl von Bewerbungen nicht nachgewiesen habe. Der Beschwerdeführer war in der Niederschrift vom 27. Februar 2007 aufgefordert worden, wöchentlich mindestens eine Bewerbung glaubhaft zu machen; dass ihm dies entsprechend seinen persönlichen Fähigkeiten nicht zumutbar gewesen wäre, hat auch der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet. Auch hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nichts vorgebracht, was darauf hindeuten könnte, dass er andere entsprechende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung unternommen hätte oder dass ihm aus besonderen persönlichen Gründen nur eine noch weiter verringerte Anzahl von Bewerbungen zumutbar gewesen wäre (so hat der Beschwerdeführer etwa in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Ausführungen zur Eigeninitiative gemacht, sondern bloß Folgendes angemerkt: "Es liegt nicht in meiner Entscheidungsverantwortung, wenn mir das Arbeitsmarktservice keine Arbeit zur Vermittlung stellt."). Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine Zahl von bloß zwei nachgewiesenen Bewerbungen in einem etwa zwölfwöchigen Zeitraum als nicht ausreichenden Nachweis von Anstrengungen des Beschwerdeführers zur Erlangung einer Beschäftigung beurteilt hat.

4. Der Beschwerdeführer rügt auch die Feststellungen der belangten Behörde zu den Rückmeldungen der von ihm genannten Firmen. Es sei aktenwidrig bzw. unschlüssig, dass sämtliche Firmen, von denen eine Rückmeldung erfolgt sei, angegeben hätten, dass sich der Beschwerdeführer nicht beworben habe und es extrem unwahrscheinlich sei, dass sich keine einzige Firma an den Beschwerdeführer erinnern könne bzw. noch Unterlagen besitze. Aus der Unterlassung einer Antwort durch ein Unternehmen dürfe nicht darauf geschlossen werden, dass sich der Beschwerdeführer bei diesem nicht beworben habe; auch wenn keine Bewerbung mehr aufscheine, bedeute dies nicht, dass sich der Beschwerdeführer nicht beworben habe. Vielmehr wäre von der Behörde das "Aufzeichnungssystem" der Firmen zu überprüfen oder die vom Beschwerdeführer angegebenen Kontaktpersonen als Zeugen zu vernehmen gewesen.

Dazu ist vorweg festzuhalten, dass die Arbeitswilligkeit als eine der Voraussetzungen des Arbeitslosengeld- bzw. Notstandshilfeanspruchs nach § 9 Abs. 1 AlVG nur gegeben ist, wenn der Arbeitslose (unter anderem) von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung unternimmt, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist. Da die eigenen Anstrengungen der persönlichen Sphäre des Arbeitslosen zuzuordnen sind und daher von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nur eingeschränkt überprüft werden können, sieht § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG vor, dass der Arbeitslose von der regionalen Geschäftsstelle aufgefordert werden kann, ausreichende Anstrengungen nachzuweisen; den Beschwerdeführer trifft insoweit eine spezifische Mitwirkungspflicht (siehe dazu auch unten Punkt 6.). Anders als bei der Verweigerung oder Vereitelung einer zugewiesenen Beschäftigung kommt es beim Nachweis ausreichender eigener Anstrengungen jedoch nicht notwendigerweise auf eine einzelne konkrete Bewerbung an, sondern es ist - wie bereits oben (Punkt 3.) dargelegt - das Gesamtverhalten des Arbeitslosen zu würdigen.

Im gegenständlichen Fall hat die regionale Geschäftsstelle dem Beschwerdeführer aufgetragen, ausreichende Anstrengungen nachzuweisen und - da der Beschwerdeführer bei einem ersten Kontrolltermin lediglich auf eine Anrufliste auf seinem Mobiltelefon verwiesen hat - auch darauf hingewiesen, dass er Stempel von den Dienstgebern, bei denen er sich bewerbe, beibringen solle. Bis zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides hatte der Beschwerdeführer für einen etwa zwölfwöchigen Zeitraum lediglich zwei Bewerbungen mit Stempel des Dienstgebers nachgewiesen und im Übrigen eine Liste angeblicher weiterer Bewerbungen mit unvollständigen Angaben abgegeben. Die belangte Behörde hat dennoch die vom Beschwerdeführer erst im Berufungsverfahren ergänzte Liste überprüft und von einigen der angegebenen Firmen Rückmeldungen erhalten, wobei keine dieser Firmen eine Bewerbung bestätigt hat.

Zwar sind die Ausführungen im angefochtenen Bescheid tatsächlich insoweit unzutreffend, als die belangte Behörde festhält, dass sämtliche Firmen, von denen eine Rückmeldung erfolgt sei, angegeben hätten, dass sich der Beschwerdeführer nicht beworben habe, während nach der Aktenlage in vier vom Beschwerdeführer angegebenen Fällen die Rückmeldungen zumindest nicht definitiv ausschließen, dass es eine telefonische Bewerbung gegeben haben könnte.

Der belangten Behörde kann jedoch nicht entgegengetreten werden, wenn sie vor dem Hintergrund, dass keines der kontaktierten Unternehmen eine Bewerbung bestätigte, und angesichts der vom Beschwerdeführer zunächst gar nicht und erst nach Ankündigung der Bescheiderlassung unvollständig vorgelegten Bewerbungsliste, die erst im Berufungsverfahren ergänzt wurde, sowie der aufgrund von Stempeln belegten lediglich zwei Bewerbungen in dem etwa zwölfwöchigen Zeitraum von der Niederschrift bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides in einer Gesamtwürdigung zum Ergebnis gekommen ist, dass der Beschwerdeführer, der zum Nachweis von zumindest einer Bewerbung pro Woche aufgefordert worden war, keine ausreichenden Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung habe nachweisen können.

5. Zu den vom Beschwerdeführer geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 10 Abs. 1 AlVG wegen des von ihm angenommenen "Strafcharakters" dieser Bestimmung kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 11. September 2008, Zl. 2007/08/0187, verwiesen werden. Auch soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG enthalte eine verfassungswidrige Regelung, da der Beschwerdeführer den Verlust seines Anspruches hinnehmen müsse, wenn er keinen "Entlastungsbeweis" führen könne, geht der Beschwerdeführer unzutreffend davon aus, dass die Bestimmung Strafcharakter habe, sodass auch diesbezüglich auf das soeben zitierte Erkenntnis verwiesen werden kann.

6. Der Beschwerdeführer macht auch geltend, dass § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG wegen Verstoßes gegen die Bedarfskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG verfassungswidrig sei. Die Wortfolge "nicht in der Lage ist" und das Erfordernis eines Nachweises ausreichender Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung würden unsachlich vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung in § 45 Abs. 2 AVG abweichen.

§ 10 Abs. 1 Z 4 AlVG regelt materielle Tatbestandsvoraussetzungen für den Verlust des Leistungsanspruchs auf Arbeitslosengeld; selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer darin eine verfahrensrechtliche Regelung erblicken will, geht diese nicht über eine Festschreibung der Mitwirkungspflichten des Arbeitslosen - die ihn schon deshalb treffen, weil die Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung seiner persönlichen Sphäre zuzuordnen sind - hinaus. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

7. Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe es verabsäumt, Gründe für eine Nachsicht oder teilweise Nachsicht im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG zu berücksichtigen. So dürfe etwa der Anspruchsverlust zu keiner Gefährdung des Lebensunterhalts des Arbeitslosen und seiner Familie führen.

Ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG kann nur dann vorliegen, wenn der Arbeitslose in der Folge entweder selbst ein Verhalten gesetzt hat, welches den potentiellen Schaden, der durch seine Nichteinstellung entstanden ist, ganz oder teilweise wieder beseitigt (also insbesondere durch alsbaldige tatsächliche Aufnahme einer anderen Beschäftigung), oder wenn ihm sein Verhalten ausnahmsweise aus besonderen (jedenfalls nicht auf Dauer vorliegenden und auch die Verfügbarkeit oder die Arbeitsfähigkeit nicht ausschließenden) Gründen im Einzelfall nicht vorgeworfen werden kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. November 2008, Zl. 2006/08/0242). Obwohl die amtswegige Prüfung des Sachverhalts zumindest eine Auseinandersetzung mit möglichen Nachsichtsgründen gebietet, muss die Behörde nur solche Gründe prüfen, die der Arbeitslose vorbringt oder für die es sonstige Hinweise in den Akten gibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 2008, Zl. 2007/08/0237 mwN). Weder der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt noch der vorgelegte Verwaltungsakt (insbesondere auch die Berufung des Beschwerdeführers) bieten aber Anhaltspunkte für das Vorliegen von Nachsichtsgründen im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG.

8. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass ihm Betreuungspläne nicht ausgehändigt worden seien und deshalb keine "Aufforderung" zum Nachweis von Eigenbewerbungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG stattgefunden habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer schon in der Niederschrift vom 27. Februar 2007, deren inhaltliche Richtigkeit von ihm auch nicht bestritten wird, zur Erbringung des Nachweises von Eigenbewerbungen aufgefordert wurde.

9. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, das AlVG sehe zur Entscheidung über Ansprüche wie den gegenständlichen Anspruch auf Notstandshilfe die Zuständigkeit des Arbeitsmarktservice, sohin von Verwaltungsbehörden, und ein Verfahren nach dem AVG vor. Dies verletze das Grundrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK auf eine Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht. Über Ansprüche nach dem AlVG als "civil rights" sei der Beschwerdeführer in seinen von Art. 6 Abs. 1 EMRK genannten Rechten auf Anhörung in einer öffentlichen Verhandlung und auf öffentliche Urteilsverkündung verletzt. Hinsichtlich dieses Vorbringens kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom 20. September 2006, Zl. 2003/08/0106, verwiesen werden.

10. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des - hier vorliegenden - Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0083, und vom 14. Mai 2003, Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Wien, am 19. Jänner 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte