Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art56
B-VG Art139 Abs1 Z3
EMRK 4. ZP Art2
EMRK Art8
EU-Grundrechte-Charta Art3
StGG Art2, Art4, Art6
EpidemieG 1950 §24, §43a
COVID-19-MaßnahmenV der BH Kufstein vom 29.03.2021
VfGG §7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2021:V90.2021
Spruch:
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anträge
1. Mit dem auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu V90/2021 protokollierten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge (ohne die Hervorhebung im Original)
"die Verordnung des Bezirkshauptmanns der Bezirkshauptmannschaft Schwaz mit der Bezeichnung 'Verordnung der Bezirkshauptmannschaft vom 9. März 2021 über die zusätzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 betreffend die Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz' zur Zahl SZ‑EPI‑9/21‑2021‑1, kundgemacht am 09.03.2021, zur Gänze als gesetzwidrig aufheben".
2. Mit einem weiteren, auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu V92/2021 protokollierten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichthof möge
"die VO des BH Schwaz vom 09.03.2020 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 betreffend die Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz, SZ‑EPI‑9/21‑2021‑1 in ihrer gemäß der VO des BH Schwaz vom 10.03.2020, SZ‑EPI‑9/21‑2021‑2 geänderten Fassung als gesetzeswidrig bzw als verfassungswidrig aufheben,
in eventu
nach einem Außerkrafttreten der angefochtenen Verordnung aussprechen, dass diese gesetzwidrig bzw verfassungswidrig war".
II. Rechtslage
1. §1, §24, §40 und §43a Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl 186/1950 idF BGBl I 33/2021 lauteten:
"Anzeigepflichtige Krankheiten
§1. (1) Der Anzeigepflicht unterliegen:
1. Verdachts‑, Erkrankungs- und Todesfälle an Cholera, Gelbfieber, virusbedingtem hämorrhagischem Fieber, infektiöser Hepatitis (Hepatitis A, B, C, D, E), Hundebandwurm (Echinococcus granulosus) und Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis), Infektionen mit dem Influenzavirus A/H5N1 oder einem anderen Vogelgrippevirus, Kinderlähmung, bakteriellen und viralen Lebensmittelvergiftungen, Lepra, Leptospiren-Erkrankungen, Masern, MERS‑CoV (Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus/'neues Corona-Virus'), Milzbrand, Psittakose, Paratyphus, Pest, Pocken, Rickettsiose durch R. prowazekii, Rotz, übertragbarer Ruhr (Amöbenruhr), SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom), transmissiblen spongiformen Enzephalopathien, Tularämie, Typhus (Abdominaltyphus), Puerperalfieber, Wutkrankheit (Lyssa) und Bissverletzungen durch wutkranke oder ‑verdächtige Tiere,
2. Erkrankungs- und Todesfälle an Bang'scher Krankheit, Chikungunya-Fieber, Dengue-Fieber, Diphtherie, Hanta‑Virus-Infektionen, virusbedingten Meningoenzephalitiden, invasiven bakteriellen Erkrankungen (Meningitiden und Sepsis), Keuchhusten, Legionärskrankheit, Malaria, Röteln, Scharlach, Rückfallfieber, Trachom, Trichinose, West‑Nil-Fieber, schwer verlaufenden Clostridium difficile assoziierten Erkrankungen und Zika‑Virus-Infektionen.
(2) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen kann, wenn dies aus epidemiologischen Gründen gerechtfertigt oder auf Grund internationaler Verpflichtungen erforderlich ist, durch Verordnung weitere übertragbare Krankheiten der Meldepflicht unterwerfen oder bestehende Meldepflichten erweitern.
[…]
Verkehrsbeschränkungen für die Personen, die sich in Epidemiegebieten
aufhalten
§24. Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, sind für die in Epidemiegebieten aufhältigen Personen Verkehrbeschränkungen zu verfügen. Ebenso können Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden.
[…]
Sonstige Übertretungen.
§40. (1) Wer durch Handlungen oder Unterlassungen
a) den in den Bestimmungen der §§5, 8, 12, 13, 21 und 44 Abs2 enthaltenen Geboten und Verboten oder
b) den auf Grund der in den §§7, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 17, 19, 20, 21, 22, 23 und 24 angeführten Bestimmungen erlassenen behördlichen Geboten oder Verboten oder
c) den Geboten oder Verboten, die in den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen enthalten sind, zuwiderhandelt oder
d) in Verletzung seiner Fürsorgepflichten nicht dafür Sorge trägt, daß die seiner Fürsorge und Obhut unterstellte Person sich einer auf Grund des §5 Abs1 angeordneten ärztlichen Untersuchung sowie Entnahme von Untersuchungsmaterial unterzieht,
macht sich, sofern die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu 1 450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen.
(2) Wer einen Veranstaltungsort gemäß §15 entgegen den festgelegten Voraussetzungen oder Auflagen betritt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen.
[…]
Zuständigkeiten betreffend COVID‑19
§43a. (1) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID‑19 sind vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.
(2) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID‑19 können vom Landeshauptmann erlassen werden, wenn keine Verordnung gemäß Abs1 erlassen wurde oder zusätzliche Maßnahmen zu einer Verordnung gemäß Abs1 festgelegt werden.
(3) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID‑19 können von der Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden, wenn keine Verordnungen gemäß Abs1 oder 2 erlassen wurden oder zusätzliche Maßnahmen zu Verordnungen nach Abs1 oder 2 festgelegt werden.
(4) In einer Verordnung gemäß Abs1 bis 3 kann entsprechend der jeweiligen epidemiologischen Situation regional differenziert werden.
(5) Durch Verordnung gemäß Abs1 können Verordnungen gemäß Abs2 und 3 oder Teile davon aufgehoben werden. Durch Verordnung gemäß Abs2 können Verordnungen gemäß Abs3 oder Teile davon aufgehoben werden.
(6) Verordnungen gemäß Abs2 und 3 sind vor deren Inkrafttreten dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister mitzuteilen."
2. §24 Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl 186/1950, idF BGBl I 90/2021 lautet:
"Verkehrsbeschränkungen in Bezug auf Epidemiegebiete
§24. (1) Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, sind für die in Epidemiegebieten aufhältigen Personen Verkehrsbeschränkungen anzuordnen. Ebenso können Beschränkungen für das Betreten von Epidemiegebieten angeordnet werden.
(2) Verkehrsbeschränkungen für in Epidemiegebieten aufhältige Personen gemäß Abs1 sind insbesondere:
1. Voraussetzungen und Auflagen für das Verlassen des Epidemiegebietes, wie
a) das Vorliegen bestimmter Zwecke für das Verlassen des Epidemiegebietes,
b) das Erfordernis eines Nachweises über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr und
c) das Antreten einer selbstüberwachten Heimquarantäne nach Verlassen des Epidemiegebietes,
2. die Untersagung des Verlassens des Epidemiegebietes, sofern Maßnahmen nach Z1 nicht ausreichen, wobei solche Maßnahmen erforderlichenfalls nebeneinander zu ergreifen sind.
(3) Beschränkungen für das Betreten von Epidemiegebieten gemäß Abs1 sind insbesondere:
1. Voraussetzungen und Auflagen für das Betreten des Epidemiegebietes, wie
a) das Vorliegen bestimmter Zwecke für das Betreten des Epidemiegebietes,
b) das Erfordernis eines Nachweises über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr und
c) zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19: die Verpflichtung zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung,
2. die Untersagung des Betretens des Epidemiegebietes, sofern Maßnahmen nach Z1 nicht ausreichen, wobei solche Maßnahmen erforderlichenfalls nebeneinander zu ergreifen sind.
(4) Im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 gelten für das Erfordernis eines Nachweises über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr §1 Abs5 Z5 und Abs5a bis 5e COVID‑19‑MG sinngemäß.
(5) Im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 gelten als Epidemiegebiete gemäß Abs1 bestimmte örtlich abgegrenzte oder abgrenzbare Teile des Bundesgebietes, in denen außergewöhnliche regionale Umstände im Hinblick auf die Verbreitung von SARS‑CoV‑2 vorliegen. Außergewöhnliche regionale Umstände liegen etwa vor, wenn aufgrund der Bewertung der epidemiologischen Situation gemäß §1 Abs7 COVID‑19‑MG im bundesweiten Vergleich ein besonders hohes Risiko der Verbreitung von SARS‑CoV‑2 anzunehmen ist oder wenn aufgrund wesentlich veränderter Eigenschaften des Virus die bereits gesetzten Bekämpfungsmaßnahmen oder die weitere Bekämpfungsstrategie erheblich gefährdet sind."
3. Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten 2020, BGBl II 15/2020, lautet wie folgt:
"Auf Grund des §1 Abs2 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 37/2018, wird verordnet:
Der Anzeigepflicht nach dem Epidemiegesetz 1950 unterliegen Verdachts‑, Erkrankungs- und Todesfälle an 2019‑nCoV ('2019 neuartiges Coronavirus')."
4. Die "Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 9. März 2021 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 betreffend die Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz", SZ‑EPI‑9/21‑2021‑1 (in der Folge: "Ausreiseverordnung"), lautete:
"Aufgrund des §24 in Verbindung mit §43a Abs3 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 33/2021, wird verordnet:
§1
Geltungsbereich
Diese Verordnung gilt für das Gebiet aller Gemeinden des politischen Bezirks Schwaz mit Ausnahme des Rißtals im Gemeindegebiet von Vomp und Eben am Achensee.
§2
Anforderungen beim Verlassen des politischen Bezirks Schwaz
(1) Personen mit Wohnsitz in dem im §1 umschriebenen Gebiet des politischen Bezirks Schwaz dürfen dessen Grenzen nach außen hin nur überschreiten, wenn sie einen Nachweis über
a) ein negatives Ergebnis eines Antigen-Tests auf SARS‑CoV‑2, dessen Abnahme nicht mehr als 48 Stunden zurückliegen darf, oder
b) ein negatives Ergebnis eines molekularbiologischen Tests auf SARS‑CoV‑2, dessen Abnahme nicht mehr als 72 Stunden zurückliegen darf,
mit sich führen. Diese Personen sind verpflichtet, diesen Nachweis bei einer Kontrolle
vorzuweisen.
(2) Abs1 gilt auch für Personen ohne Wohnsitz in dem im §1 umschriebenen Gebiet des politischen Bezirks Schwaz, wenn sie sich dort durchgehend über einen Zeitraum von mehr als 24 Stunden aufgehalten haben.
§3
Ausnahmen
(1) §2 gilt nicht für
a) Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr;
b) die Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum;
c) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Gesundheitsbehörden sowie Angehörige von Rettungsorganisationen und der Feuerwehr im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit bzw von Einsätzen;
d) den Betrieb und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge, insbesondere von Krankenanstalten, Arztpraxen, therapeutischen Einrichtungen und Praxen, Apotheken, Heimen zur Betreuung von hilfs‑, betreuungs- und pflegebedürftigen, insbesondere älteren, Menschen sowie von mobilen Betreuungsangeboten für diese Menschen;
e) den Betrieb und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Infrastrukturen und der Einrichtungen der Daseinsvorsorge, wie Straßendienst, Müllabfuhr, Strom- und Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung;
f) die Aufrechterhaltung der allgemeinen Versorgung, insbesondere mit Lebensmitteln, sonstigen Waren des täglichen Bedarfes einschließlich periodischen Druckwerken und Heizmaterialien;
g) die Aufrechterhaltung des Lieferverkehrs zwischen Betrieben und Betriebsstätten von Betrieben sowie für die Durchführung notwendiger unaufschiebbarer Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten;
h) den Betrieb und die Aufrechterhaltung des öffentlichen Personennahverkehrs;
i) die Versorgung mit Grundgütern des täglichen Lebens, die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen und die Deckung eines dringenden Wohnbedürfnisses; dies jedoch nur dann, wenn diese Grundbedürfnisse nicht oder zumutbarer Weise nicht im nach §1 umschriebenen Gebiet gedeckt werden können;
j) die Wahrnehmung von unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Wegen.
(2) Im Fall einer behördlichen Überprüfung sind die Ausnahmegründe nach Abs1 glaubhaft zu machen.
§4
Nachweise
Als Nachweis im Sinn des §2 Abs1 lita und b sind jene Testergebnisse zu verstehen, die im Rahmen von Antigen-Tests oder molekularbiologischen Tests durch dazu befugte Stellen erlangt werden.
§5
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
(1) Diese Verordnung tritt mit 11. März 2021 in Kraft und mit dem Ablauf des 25. März 2021 außer Kraft.
(2) §2 Abs2 gilt auch für Personen, deren Aufenthalt in dem im §1 umschriebenen Gebiet vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung begonnen hat.
(3) Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. März 2021 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 betreffend die Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz, GZ SZ‑EPI‑9/21‑2021, wird aufgehoben."
5. Mit Verordnung vom 10. März 2021 fügte der Bezirkshauptmann des politischen Bezirks Schwaz einen weiteren Ausnahmetatbestand in §3 Abs1 Ausreiseverordnung hinzu. Die "Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 10. März 2021, mit der die Verordnung vom 9. März 2021 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 betreffend die Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz geändert wird", SZ‑EPI‑9/21‑2021‑2, lautete:
"Aufgrund des §24 in Verbindung mit §43a Abs3 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 33/2021, wird verordnet:
Artikel I
Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 9. März 2021 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 betreffend die Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz, GZ SZ‑EPI‑9/21‑2021‑1, wird wie folgt geändert:
Im Abs1 des §3 wird folgende Bestimmung als litk angefügt:
'k) SchülerInnen von Schulen gemäß dem Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 19/2021, und dem Privatschulgesetz, BGBl Nr 244/1962, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 80/2020, sowie von land- und forstwirtschaftlichen Berufs- und Fachschulen gemäß dem Tiroler Landwirtschaftlichen Schulgesetz 2012, LGBl Nr 88/2012, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl Nr 90/2020, jedoch ausschließlich zum Zweck der Teilnahme am Unterricht an diesen Schulen (Hin- oder Rückfahrt); diese Ausnahme gilt sinngemäß für die Teilnahme am Unterricht an gleichartigen Schultypen im benachbarten Ausland.'
Artikel II
Diese Verordnung tritt mit 11. März 2021 in Kraft."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Antragsteller in dem zu V90/2021 protokollierten Verfahren legt seine unmittelbare Betroffenheit durch die angefochtene Verordnung wie folgt dar:
"2. Antragslegitimation – aktuelle Betroffenheit:
Ich habe meinen Wohnsitz im politischen Bezirk Schwaz, nämlich in der politischen Gemeinde Zellberg an der Anschrift […]. Es handelt sich dabei um das Elternhaus, in dem ich mit meiner Familie lebe. Meine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt übe ich in meiner Kanzlei mit Sitz in Innsbruck, mit der Anschrift […] aus. Ich pendle täglich von Zellberg nach Innsbruck und wieder zurück. Je nach Arbeitsanfall und Terminen bin ich zwischen 10‑12 Stunden in Innsbruck, dies von Montag bis Freitag, ausnahmsweise auch Samstags, und die restliche Zeit in Zellberg. Die bekämpfte Verordnung des Antragsgegners verlangt nun von mir, dass ich, um meiner beruflichen Tätigkeit am Kanzleisitz in Innsbruck nachgehen zu können, zumindest 5 bis 6 Testungen auf SARS‑CoV‑2 innerhalb von 2 Wochen, also wöchentlich 2‑3 Testungen, ablege, damit ich die Grenze des politischen Bezirkes Schwaz verlassen kann, um nach Innsbruck zu gelangen. Nur für den Fall, dass eine unaufschiebbare Gerichtsverhandlung oder Behördentermin gegeben ist, wäre es möglich, ohne Testungen die Grenzen des politischen Bezirks Schwaz zu verlassen, um etwa nach Innsbruck zu fahren.
Ich war selbst im März 2020, als diese Pandemie ihren Anfang in Tirol machte, an Covid‑19 erkrankt. Aus eigenem Interesse habe ich nach durchgemachter Infektion in regelmäßigen Abständen mein Blut auf neutralisierende Antikörper testen lassen. Mit der letzten Testung hat das Institut für Virologie, […] mit 11.2.2021 das Vorhandensein neutralisierender Antikörper erneut bestätigt.
Für mich bedeutet diese bekämpfte Verordnung, dass ich mich, um meiner beruflichen Tätigkeit am Kanzleisitz in Innsbruck nachzugehen, dies als Rechtsanwalt, bewusst rechtswidrig verhalten müsste, indem ich dieser bekämpften Verordnung zuwiderhandle und Lücken in der Überprüfung ausnütze. Ich bin aber nicht gewillt, mich rechtswidrig, schon gar nicht aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit, zu verhalten und ein Verwaltungsstrafverfahren, eventuell auch ein gerichtliches Strafverfahren wegen vorsätzlicher bzw fahrlässiger Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten, zu riskieren, um diese Verordnung im Rahmen eines Strafverfahrens zu bekämpfen.
Aufgrund obiger Ausführungen liegt daher eine akute und persönliche Betroffenheit durch diese bekämpfte Verordnung vor, die sich massiv auf meinen Arbeitsalltag negativ und einschränkend auswirkt, weshalb aus meiner Sicht eine Antragslegitimation vorliegt."
2. Der Antragsteller in dem zu V92/2021 protokollierten Verfahren führt zur Zulässigkeit seines (Individual‑)Antrages Folgendes aus:
"Der Antragsteller wohnt in der Gemeinde Zell am Ziller, Bezirk Schwaz (Tirol). Aufgrund seiner Mandatsausübung als Bundesrat hat er wiederkehrend von seinem Wohnort nach Wien anzureisen, so beispielsweise für den EU-Ausschuss des Bundesrats (zur Wahrnehmung der Subsidiaritätsrechte gemäß Art23f – Art23k B‑VG) am Mittwoch, 10.03.2021 und die 923. Plenarsitzung des Bundesrats am Donnerstag, 11.03.2021 um 9:00 Uhr sowie zu periodischen Sitzungen des Freiheitlichen Parlamentsklubs. Weiters hat der Antragsteller mandatsbedingt von seinem Wohnort nach Innsbruck anzureisen, so beispielsweise für einen Sitzungstag des Tiroler Landtags am Freitag, 12.03.2021 sowie zu periodischen Sitzungen des Freiheitlichen Landtagsklubs in Tirol.
[…]
Mit der COVID‑19-Virusvariantenverordnung des BMSGPK, die mit 12.02.2021 in Kraft trat, wurde ganz Tirol als 'Epidemiegebiet' deklariert (BGBl II 63/2021 idF BGBl II 85/2021, BGBl II 98/2021). Seit Inkrafttreten verpflichtete diese Norm den Antragsteller als unmittelbaren Normadressat, vor jeder Ausreise aus Tirol die Vornahme eines bestimmten medizinischen Tests an seiner Person zu dulden, sodann sich das Testergebnis bestätigen zu lassen, dieses bei einer geplanten Ausreise mitzuführen und bei einer Kontrolle vorzuweisen. Andernfalls ist eine Ausreise unzulässig. Um in dieser Lage seinen Mandatsverpflichtungen nachzukommen und rechtskonform aus Tirol nach Wien reisen zu dürfen, musste sich der Antragsteller bereits wiederholt (unfreiwillig) einer Testung unterziehen, wofür lediglich exemplarisch das letzte Testergebnis vorgelegt wird.
[…]
Die COVID‑19-Virusvariantenverordnung des BMSGPK mit Geltungsanspruch für das Bundesland Tirol trat mit 10.03.2021 außer Kraft. Der wesentliche Normgehalt wurde allerdings in funktionaler Hinsicht nun durch den Bezirkshauptmann von Schwaz als Bezirksverwaltungsbehörde mit Geltungsanspruch für den Wohnbezirk des Antragstellers übernommen. Ab 11.03.2021, 0:00 Uhr (und daher auch im Anfechtungszeitpunkt am Abend desselben Tages) gilt die hier angefochtene VO des BH Schwaz vom 09.03.2020 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 betreffend die Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz, SZ‑EPI‑9/21‑2021‑1. Diese VO wurde noch vor ihrem Inkrafttreten am 10.03.2021 erstmals novelliert – es wurde eine weitere Ausnahmebestimmung hinzugefügt (VO der BH Schwaz vom 10.03.2020, SZ‑EPI‑9/21‑2021‑2).
Im Anfechtungszeitpunkt fanden sich die angefochtene Verordnung sowie die vorstehend genannte Novelle auf der offiziellen Internetseite des Landes Tirol für den Bezirk Schwaz kundgemacht (https://www.tirol.gv.at/gesundheit-vorsorge/infekt/coronavirus-covid-19-informationen/ausreise-aus-dem-bezirk-schwaz/ ). Inwiefern die Verordnung auch tatsächlich anderweitig gesetzeskonform kundgemacht wurde, ist dem Antragsteller nicht bekannt.
[…]
Diese VO des BH Schwaz vom 09.03.2020, SZ‑EPI‑9/21‑2021‑1 (./D) wird in ihrer durch die Novelle VO des BH Schwaz vom 10.03.2020, SZ‑EPI‑9/21‑2021‑2 (./E) geänderten (und daher in der im Anfechtungszeitpunkt aktuell geltenden) Fassung angefochten.
Die genannte Verordnung wird dabei – angesichts ihres untrennbaren inneren Sachzusammenhangs – zur Gänze angefochten.
Bekanntlich darf der Anfechtungsumfang vom Anfechtungswerber nicht zu eng oder zu weit gewählt werden, wobei eine 'zu weite' Anfechtung aber nicht in jedem Fall unzulässig ist. Der Sitz der Gesetzes- und Verfassungswidrigkeit, von der der Antragsteller unmittelbar nachteilig betroffen ist, liegt zunächst allein im Ausreiseverbot ohne vorherigen Test (§2 Abs1 leg cit). Denkt man sich jedoch nur diesen Satz weg, bliebe ein sprachlich norm- und inhaltsloser Torso zurück. §2 Abs2 und §4 leg cit würden unmittelbar sinnlos werden, weil sie sich ausschließlich auf eine nicht mehr existente Testverpflichtung bei Ausreise beziehen und insofern ihres einzigen Regelungs- und Sinngehalts beraubt wären. Gleiches gilt in weiterer Folge mittelbar für die Glaubhaftmachung in Bezug auf Ausnahmegründe gemäß §3 leg cit, die sodann entbehrlich sind. §1 und §5 leg cit würden sodann nur noch den Anwendungsbereich und die Geltungsdauer einer sinnentleerten Verordnung regeln, es bliebe ebenso nur ein normloser Torso zurück.
Im Sinne der stRsp des VfGH muss angesichts des untrennbaren inneren Sachzusammenhangs der Anfechtungsumfang dahingehend bestimmt werden, dass nur eine Anfechtung und Aufhebung der gesamten Verordnung in Betracht kommt. Auch in bisherigen Verordnungsprüfungsverfahren zu vergleichbaren COVID‑19-Maßnahmen wurde die Frage jeweils zugunsten einer Aufhebung der Gesamtregelung gelöst (VfGH V405/2020; V428/2020; V429/2020).
[…]
4. Unmittelbare Betroffenheit, Aktualität und Umwegunzumutbarkeit
Der Antragsteller ist durch die angefochtene VO in seiner Rechtssphäre, insbesondere
in seinem Grundrecht auf Bewegungsfreiheit bzw Freizügigkeit (Art4 Abs1 StGG und Art2 Abs1 4. ZPEMRK),
in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art3 GRC),
in seinem Grundrecht auf freie Mandatsausübung als Bundesrat (Art56 Abs1 B‑VG),
in seinem Grundrecht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, das auch vor willkürlicher Gesetzesanwendung schützt (Art2 StGG 1867, Art7 B‑VG),
persönlich, unmittelbar, nachteilig und aktuell betroffen.
Um sowohl den Anforderungen der angefochtenen Verordnung als auch seinen mandatsbezogenen Rechten und Pflichten zu entsprechen, hat sich der Antragsteller bei jeder Ausreise nach Wien oder nach Innsbruck einer Testung zu unterziehen. Der Antragsteller hat nach dieser Rechtslage nur die Möglichkeit, entweder auf seine grundrechtlich geschützte Bewegungsfreiheit im gesamten Bundesgebiet (und damit zugleich auf die Wahrnehmung seiner Teilnahme-, Rede und Stimmrechte im Bundesrat bzw im Tiroler Landtag) zu verzichten oder aber wiederkehrende Testpflichten (und damit zugleich gesetzeswidrige, sachwidrige, willkürliche und unzumutbare Eingriffe in das Recht auf körperliche Unversehrtheit vor Überschreitung der Bezirksgrenze Schwaz) zu dulden.
'Antigen-Tests auf SARS‑CoV‑2' oder 'molekularbiologische Tests auf SARS‑CoV‑2', die 'durch dazu befugte Stellen erlangt werden' können, sind mit schmerzhaften körperlichen Eingriffen verbunden, bei denen körpereigenes Untersuchungsmaterial aus der Nase entnommen werden muss. Bei der Probenentnahme kann eine Verletzung der Schleimhäute zu Nasenbluten führen. Vereinzelt führten Fehler auch zum Austritt von Hirnflüssigkeit (https://jamanetwork.com/journals/jamaotolaryngology/article-abstract/2771362 ).
Angesichts der den Antragsteller betreffenden, aktuell wirksamen Verbotsbestimmungen sowie der damit verbundenen gesetzlichen Strafdrohungen einerseits, der wiederkehrenden mandatsbedingten Ausreiseverpflichtungen aus Schwaz andererseits, sind die angefochtenen Bestimmungen für den Antragsteller bereits tatsächlich und ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides wirksam geworden.
Die Aktualität der Betroffenheit geht nach gefestigter, zutreffender Rechtsprechung des VfGH auch nicht dadurch verloren, dass die betreffenden Bestimmungen womöglich zum Zeitpunkt einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes schon wieder außer Kraft getreten sind bzw bereits durch neuere Bestimmungen ersetzt wurden (VfGH‑Erk 14.7.2020, V411/2020; 1.10.2020, V405/2020 ua). Das fortgesetzte Rechtsschutzinteresse des Antragstellers kann auch in einem absehbar späteren Entscheidungszeitpunkt noch nicht weggefallen sein, da fortlaufende Änderungen derartige[r] COVID‑19-Maßnahmen der Gesundheitsbehörde ('Verschärfungen' bzw 'Lockerungen') stets die Möglichkeit einschließen, die angefochtenen Regelungen zu verlängern, auf diese neu zurückzukommen und diese neuerlich in dieser oder in ähnlicher Form zu erlassen.
Ein anderer zumutbarer Weg zur Normenkontrolle ist nach geltender Rechtslage nicht gegeben. Der denkmögliche Umweg, die angefochtenen Bestimmungen zu missachten, so ein Straferkenntnis zu provozieren und dieses dann im Rechtsweg zu bekämpfen, ist dem Antragsteller nicht zumutbar (stRsp; vgl VfGH‑E 01.10.2020, V405/2020 ua)."
3. In der Sache meinen beide Antragsteller, die angefochtenen Verordnungsbestimmungen fänden in §24 iVm §43a EpiG idF BGBl I 33/2021 keine gesetzliche Grundlage und seien daher gesetzwidrig. Aus dem Wortlaut des §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 folge, dass die Verfügung einer Verkehrsbeschränkung voraussetze, dass diese im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Krankheit zum Schutz vor der (Weiter‑)Verbreitung der meldepflichtigen Krankheit unbedingt erforderlich sei. Der klare Wortlaut des Gesetzes erfordere daher einerseits, dass eine meldepflichtige Krankheit vorliege, und andererseits, dass Art und Umfang des Auftretens der Krankheit von einer bestimmten "Qualität" sei, die sich nur durch die Verkehrsbeschränkung "stoppen" lasse. Der Antragsteller zu V92/2021 bestreite, dass überhaupt eine "meldepflichtige Krankheit" vorliege, weil die auf Grundlage des §1 Abs2 EpiG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten, BGBl II 15/2020, für das Jahr 2021 nicht (mehr) gelten könne. Beide Antragsteller sind der Ansicht, die erlassene Verkehrsbeschränkung sei nicht "unbedingt erforderlich" im Sinne des §24 EpiG idF BGBl I 33/2021. Den Daten der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) zufolge seien die Infektionszahlen betreffend COVID‑19 rückläufig und im Vergleich zu anderen Bundesländern sei Tirol nicht als "Epidemiegebiet" einzustufen. Tirol weise die zweitniedrigste Inzidenz im Vergleich der Bundesländer auf (115,9); der Bezirk Schwaz habe sogar eine unterdurchschnittliche Inzidenz (94,9). Anhand der Infektionszahlen sei daher nicht zu erkennen, dass der politische Bezirk Schwaz in Relation zu "Restösterreich" eine derart problematische Entwicklung aufweise, die das mit den angefochtenen Verordnungsbestimmungen vorgesehene "Ausreiseverbot" – im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs – rechtfertigen könne. Dies gelte auch im Hinblick auf die Verbreitung der "Virusvariante B 1.351", die auch als "südafrikanische Mutation" bezeichnete Erscheinungsform von COVID‑19. Diese Virusvariante verbreite sich nicht nur im Bundesland Tirol, sondern auch in anderen Bundesländern, in denen aber keine entsprechenden Verkehrsbeschränkungen verhängt worden seien.
4. Der Antragsteller zu V90/2021 bringt im Hinblick auf die behauptete (Verfassungs‑)Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen einen Verstoß gegen das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B‑VG, auf Freizügigkeit gemäß Art4 StGG, auf Erwerbsfreiheit gemäß Art6 StGG sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK vor. Dazu findet sich im Antrag folgende Begründung:
"4.6. Die Verordnung greift in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freizügigkeit der Person des Art4 Abs1 StGG ein. Dies dadurch, dass die örtliche Bewegung innerhalb des österreichischen Staatgebiets unverhältnismäßig über den Zwang medizinischer Eingriffe in Form der erforderlichen Testungen auf SARS‑CoV‑2, um etwa vom Wohnsitz in Zellberg nach Innsbruck fahren zu können, abhängig gemacht wird.
4.7. Die Verordnung widerspricht auch dem Gleichheitsgrundsatz (Art7 B‑VG). Dieser ist insbesondere dann verletzt, wenn das allgemeine Sachlichkeitsgebot nicht beachtet wird. Das ist hier der Fall, denn die Verordnung ist unsachlich, weil Personen, von denen kein höheres Risiko ausgeht, wie von jenen, die einen 48 bis 72 Stunden alten Test auf SARS‑CoV‑2 vorweisen, nicht die Grenzen des politischen Bezirks verlassen dürfen. In der 4. COVID‑19-Schutzmaßnahmenverordnung (BGBl II Nr 58/2021) werden etwa Personen, die neutralisierende Antikörper haben und hierüber einen Nachweis führen, Personen, die kürzlich eine COVID-Infektion hatten und genesen sind, gleichgesetzt. Ich kann mit einer kürzlich durchgestanden COVID-Erkrankung, den Nachweis neutralisierenden Antikörper, gleich einer Person, die eine negative Testung auf SARS‑CoV‑2 vorweisen kann, etwa körpernahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen, aber die Grenzen des politischen Bezirks Schwaz können nur jene Personen verlassen, die sich negativ auf SARS‑CoV‑2 testen haben lassen. Das ist eine unsachliche Differenzierung und reine Willkür. Hinzukommt, dass der Test nur eine Momentaufnahme darstellt, während aber der Nachweis neutralisierenden Antikörper eine aktive Immunabwehr ausweist. Eine Person mit einer Momentaufnahme, mag sie auch bis zu 48 bzw 72 Stunden alt sein, gilt als 'COVID‑frei', während jemand, der genesen ist [und] den Nachweis einer aktiven Immunabwehr über neutralisierende Antikörper führt, als nicht 'COVID‑frei' gilt und sich testen lassen muss, um die Grenzen des politischen Bezirks verlassen zu können. Das ist sachlich nicht gerechtfertigt und ist die bekämpfte Verordnung hier etwa auch im Vergleich zur 4. COVID‑19-Schutzmaßnahmeverordnung (BGBl II Nr 58/2021) diskriminierend und undifferenziert.
4.8. Die Verknüpfung des Nachweises einer negativen Testung auf SARS‑CoV‑2, um den politischen Bezirk Schwaz verlassen zu dürfen, greift auch in das Recht auf Erwerbsfreiheit gem Art6 Abs1 StGG ein. Es wird damit die Ausübung des angetretenen Berufes, wie hier jener des Rechtsanwaltes, unsachlich beschränkt bzw behindert. Nach der Verordnung stellt es eine Ausnahme von der Voraussetzung der Testpflicht für eine Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz dar, wenn unaufschiebbare behördliche oder gerichtliche Wege wahrgenommen werden (§3 litj der Verordnung). Danach darf ich Gerichtsverhandlungen oder Behördentermine außerhalb des politischen Bezirks Schwaz verrichten, aber meine Mandanten darf ich in der Kanzlei nur dann empfangen und beraten, Termine vorbereiten udgl., bzw Akten allein bearbeiten, wenn ich einen negativen Test auf SARS‑CoV‑2 vorweisen kann, damit ich überhaupt von meinen Wohnsitz nach Innsbruck in meine Kanzlei komme. Dabei hat sich im allgemeinen Umfeld gegenüber den Monaten vor dieser Verordnung nichts großartiges verändert, mit Ausnahme rückläufiger Erkrankungen, weniger Patienten auf den Intensivstationen und den Normalstationen (wenn man der Statistik glauben kann). Das ist nicht verhältnismäßig.
4.9. Schließlich greift die bekämpfte Verordnung auch massiv in das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Privatleben gem Art8 MRK ein. Dieses Recht soll im Kern die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und die eigene Lebensführung schützen. Will man seine Beruf weiterhin ausüben, auch zur Sicherung und Erhaltung der Lebensführung der eigenen Familie, muss man sein Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper aufgeben, sich alle 2 bis 3 Tage in der Woche eine[m] Test auf SARS‑CoV‑2 unterziehen, damit ich vom Wohnsitz in Zellberg an meinen Arbeitsort in Innsbruck fahren kann. Das ist keinesfalls sachlich gerechtfertigt. Es ist auch sachlich nicht verständlich, warum sich [ein] Gesunder mit nachweislich neutralisierenden Antikörpern diesen medizinische[n] Eingriffen in dieser Häufigkeit unterziehen muss, nur um wie bisher seiner Tätigkeit nachgehen zu können."
5. Der Antragsteller zu V92/2021 behauptet einen Verstoß der angefochtenen Verordnungsbestimmungen gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B‑VG, auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art3 GRC, auf Freizügigkeit gemäß Art4 StGG sowie Art2 Abs1 4. ZPEMRK und auf "freie Mandatsausübung als Bundesrat" gemäß Art56 Abs1 B‑VG. Begründend führt der Antragsteller Folgendes aus:
"6. Verfassungswidrigkeit der VO
6.1. Verletzung im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art2 StGG 1867, Art7 B‑VG)
Die Testpflicht ist auch – aus mehreren Gründen – verfassungswidrig, sie ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VfGH zum Gleichheitsgebot unsachlich, ja geradezu willkürlich (Art2 StGG 1867, Art7 B‑VG).
Selbst wenn man akzeptieren wollte, dass sich – ungeachtet aller bundesweit verordneten COVID‑19-Maßnahmen (Maskenpflicht, Abstandsgebot usw), einer erfreulich niedrigen Auslastung unserer Krankenhäuser und der Eigenverantwortung der Menschen – kerngesunde Personen fortwährend vor der Staatsmacht zu rechtfertigen haben, einen Nachweis mitzuführen haben, wonach von Ihnen 'eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr' ausgeht (vgl etwa §1 Abs5 Z5 COVID‑19-Maßnahmengesetz), so ist es willkürlich, diesen Nachweis just im Bezirk Schwaz allein auf 'Antigen-Tests auf SARS‑CoV‑2' oder 'molekularbiologische Tests auf SARS‑CoV‑2' zu reduzieren.
So wurde beispielsweise auf der Webseite des BMSGPK noch bis vor kurzem die stark begrenzte Aussagekraft derartiger Tests hervorgehoben:
'Ich gehöre einer Risikogruppe an und fühle mich gesund – brauche ich einen Test?
Nein.
Ein PCR-Test sollte nur bei Krankheitszeichen zur Klärung der Ursache durchgeführt werden, bei einer gesunden Person hat ein PCR-Test nur eine sehr begrenzte Aussagekraft. (Auch ein negatives Ergebnis kann eine Infektion nicht mit Sicherheit ausschließen.) Wenn man gesund ist, sich aber noch in der Inkubationszeit befindet, sagt ein negativer Test auf COVID‑19 nichts darüber aus, ob man doch noch krank werden kann. Ein PCR-Test stellt daher keinesfalls eine Schutzmaßnahme dar. Personen, die der Risikogruppe angehören, brauchen daher nicht getestet werden, wenn sie sich gesund fühlen. Das gilt auch für deren Bezugspersonen. Schutzmaßnahmen, wie zB regelmäßiges Händewaschen, auf Händeschütteln und Umarmen verzichten und Abstand halten, sind unbedingt zu beachten!'
– Quelle: https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus —Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ–Testungen-und-Quarantaene.html | Stand 17.09.2020 (zuletzt abgerufen am 05.02.2021)
Diese behördliche Stellungnahme wurde mittlerweile gelöscht, weil sie mit de[m] von der Bundesregierung willkürlich forcierte[n] Konzept des 'Freitestens' nicht mehr im Einklang stand. An der medizinischen Richtigkeit dieser Aussagen ändert dies nichts. Derartige Testpflichten sind ungeeignet zur Zielerreichung, sie sind aber auch unverhältnismäßig.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Antragsteller einen besseren Nachweis beibringen kann, dass von ihm 'eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr' ausgeht, weil er aufgrund einer früheren Erkrankung seit knapp einem Jahr Antikörper gebildet hat, die aktuell weiterhin nachweisbar sind und den Effekt einer 'natürlichen Immunität' belegen, wie er ansonsten nur durch eine Impfung hergestellt werden kann.
Eine weitere Infektion mit dem Virus oder die Weitergabe einer Virenlast, die bereits geeignet wäre, andere Personen zu gefährden, ist nach aktuellem Stand der Wissenschaft unwahrscheinlich. Der Antragsteller ist gegen die Krankheit immun.
[…]
Die epidemiologische Gefahr, die vom Antragsteller ausgeht, ist aufgrund seiner Immunität viel geringer als bei Personen, die noch keine Antikörper gebildet bzw keine Immunität aufgebaut haben. Dennoch wird dem Antragsteller weiterhin eine fortwährende Testpflicht abverlangt. Ein aktueller Antikörpernachweis – der den gleichen Effekt wie eine Impfung belegt – soll nach dem Willen der belangten Behörde nicht ausreichend sein, dem Antragsteller seine gewöhnlichen Grundrechte zuzugestehen.
Die Verfassungswidrigkeit der Norm zeigt sich also auch darin, dass Personen, die angesichts nachweislicher Immunität gegen die Krankheit einen gleichwertigen Nachweis bescheinigen können, wonach von Ihnen 'eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr' ausgeht (vgl etwa §1 Abs5 Z5 COVID‑19-Maßnahmengesetz), nicht schon aufgrund dieses Nachweises ebenso frei aus dem Bezirk Schwaz ausreisen dürfen wie Personen, die einen mehr oder weniger aussagekräftigen PCR- bzw Antigentest vorweisen können, der 48 bzw 72 Stunden zurückliegt (vgl auch §16 Abs4 der 4. COVID‑19‑SchuMaV idF BGBl II 105/2021).
Das gilt umso mehr in Ansehung einer relativ hohen Anzahl an Ausnahmebestimmungen für Personen und Fallkonstellationen, in denen kein vorheriger Test verlangt wird.
Aufgrund dieser offenkundigen Unsachlichkeit und Willkür verletzt die angefochtene VO den Antragsteller in seinen Grundrechten gemäß Art2 StGG 1867 und Art7 B‑VG.
6.2. Verletzung im Recht auf freie Mandatsausübung als Bundesrat (Art56 Abs1 B‑VG)
Die Mitglieder des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates sind bei der Ausübung dieses Berufes an keinen Auftrag gebunden (Art56 Abs1 B‑VG).
Die verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit des Antragstellers von behördlichen Aufträgen, wie etwa die Duldung eines medizinischen Eingriffs in Form einer schmerzhaften Testung unter sonstiger Strafdrohung vor Anreisen vom Wohnort und Wahlkreis des Antragstellers in das Parlament in Wien, ist daher mit dem Wortlaut und dem Telos des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf freie Mandatsausübung unvereinbar (vgl dazu etwa Koja, Das freie Mandat des Abgeordneten [1971], insbes. S. 14 ff; Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht Bd. 2 [1998], 66 f; Wieser, Art56 Abs1 B‑VG in: Korinek/Holoubek [Hg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht).
6.3. Verletzung im Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art3 GRC ua)
Die Testpflicht verletzt den Antragsteller in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das sich ua aus Art3 GRC ableiten lässt. Der Antragsteller genießt den Schutz der Europäischen Grundrechtecharta als Unionsbürger, der im Rahmen des Bundesrats und der wiederkehrenden Sitzungen des EU-Ausschusses (./A) auch Organfunktionen gemäß EUV und AEUV wahrzunehmen hat (Art23f – Art23k B‑VG).
'Antigen-Tests auf SARS‑CoV‑2' oder 'molekularbiologische Tests auf SARS‑CoV‑2', die durch 'dazu befugte Stellen erlangt werden' können, sind mit schmerzhaften körperlichen Eingriffen verbunden, bei denen körpereigenes Untersuchungsmaterial aus der Nase entnommen werden muss. Bei der Probenentnahme kann eine Verletzung der Schleimhäute zu Nasenbluten führen. Vereinzelt führten Fehler auch zum Austritt von Hirnflüssigkeit (https://jamanetwork.com/journals/jamaotolaryngology/article-abstract/2771362 ).
Die behördliche Anordnung derartiger Tests ohne vorherige Aufklärung über die Risiken und ohne freie Einwilligung ist mit dem Grundrecht des Antragstellers auf körperliche Unversehrtheit unvereinbar. Derartige Testpflichten sind ebenso ungeeignet zur Zielerreichung wie nach Gesamtabwägung der Rechtsgüter unverhältnismäßig im engeren Sinn. Das gilt umso mehr, als der Antragsteller bereits gegen die Krankheit einen nachweislichen Immunitätsschutz aufgebaut hat ([…]) und daher kein sachlicher Grund mehr besteht, ihn weiterhin einer zwangsweisen und mit Schmerzen verbundenen medizinischen Testung in kurzen Abständen zu unterziehen.
6.4. Verletzung im Grundrecht auf Freizügigkeit (Art4 Abs1 StGG und Art2 Abs1 4. ZPEMRK)
[…] Evidenzbasiert ist Schwaz in Relation zu anderen Bezirken aktuell kein COVID-Problemfall, ganz im Gegenteil. Die Ausreisebeschränkung in Kombination mit schikanösen Testpflichten und breitflächigen Ausnahmebestimmungen war und ist daher ungeeignet zur Zielerreichung, nicht erforderlich und unverhältnismäßig, sie verletzt den Antragsteller in seinen Grundrechten gemäß Art4 Abs1 StGG und Art2 Abs1 4. ZPEMRK."
6. Der Bezirkshauptmann des politischen Bezirks Schwaz legte den Verordnungsakt vor und erstattete in den Verfahren zu V90/2021 und V92/2021 jeweils eine Äußerung, in der er die Anträge für zulässig, aber unbegründet erachtet.
6.1. Die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen im Sinne des §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 begründet der Bezirkshauptmann des politischen Bezirks Schwaz in seinen Äußerungen wie folgt:
"V. Zur Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Verordnung insgesamt:
1. Hintergrund für die Erlassung der Verordnung war neben der zunehmenden Verbreitung der britischen Virusmutation B.1.1.7 das Auftreten der südafrikanischen Virusmutation B.1.351 im Bezirk Schwaz. Von diesen Mutationen geht eine besondere Gefahr aus, weil sie nicht nur ansteckender sind als der bisher bekannte Wildtyp, sondern auch die Immunantwort von Personen, die bereits von einer COVID‑19-Erkrankung genesen sind oder gegen COVID‑19 geimpft wurden, beeinträchtigen können (s dazu die Darstellung der Reinfektionsfälle seit 1. Jänner 2021 im Report Mutationen Nr 29 im Verordnungsakt S 62; vgl auch die in der Anlage übermittelten fachlichen Ausführungen zur 3. Novelle der COVID‑19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 105/2021).
2. Im Bezirk Schwaz leben 84.329 Menschen, weshalb der Bezirk Schwaz gemessen an der Einwohnerzahl der Bezirke nach Innsbruck-Land, Innsbruck Stadt und Kufstein der viertgrößte Bezirk Tirols ist.
3. Im Folgenden soll dargelegt werden, warum es aus Sicht der Bezirkshauptmannschaft Schwaz angesichts der von ihr als Verordnungsgeberin vorgefundenen Krisensituation im Interesse des Gesundheitsschutzes notwendig und auch verhältnismäßig war, zum Zweck der Verhinderung der weiteren Verbreitung und des Eindämmens von COVID‑19, insbesondere in Form der im Bezirk Schwaz aufgetretenen Virusmutation B.1.351, zeitlich befristet und nur von punktuellen Ausnahmen durchbrochene Anforderungen, nämlich die Vorlage eines negativen Antigen-Tests, der nicht älter als 48 Stunden sein darf, oder eines negativen molekularbiologischen Test, der nicht älter als 72 Stunden sein darf, an das Verlassen des politischen Bezirks Schwaz zu stellen:
a. Situation im Bezirk Schwaz […] im Geltungszeitraum der angefochtenen Verordnung
1. Zur Situation vor Erlassung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 9. März über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 betreffend die Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz:
Bereits im Februar 2021 wurde in Tirol das Auftreten von neuartigen Varianten des SARS‑CoV‑2‑Virus, die mit erhöhter Transmissibilität und möglicherweise Krankheitsschwere einhergehen, beobachtet. Mit 25. Februar 2021, dem Tag der Beschlussfassung der Verordnung über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 betreffend die Marktgemeinde Mayrhofen, betrug im Bezirk Schwaz die kumulative Anzahl der zu B.1.351 bestätigten Fälle 143, darüber hinaus gab es 283 Verdachtsfälle. Am 3. März 2021 betrug die kumulative Anzahl der zu B.1.351 bestätigten Fälle zwar weiterhin 143, die Anzahl der Verdachtsfälle war jedoch auf 319 gestiegen; am 9. März 2021, dem Tag der Beschlussfassung über die angefochtene Verordnung, war im Bezirk Schwaz die kumulative Anzahl der B.1.351 bestätigten Fälle auf 149, die der Verdachtsfälle auf 324 angestiegen. Im Vergleich dazu wurden am 9. März 2021 im angrenzenden, einwohnerstärksten Bezirk Innsbruck Land zu B.1.351 nur 15 bestätigte Fälle und 49 Verdachtsfälle registriert, im ebenfalls an den Bezirk Schwaz angrenzenden Bezirk Kufstein, der der dritteinwohnerstärkste Bezirk Tirols ist, wurden nur 26 Fälle sowie 103 Verdachtsfälle verzeichnet (s dazu die Tabelle Statistik 9. März 2021 – Mutationen Chronologie im Verordnungsakt S. 16). Laut dem Report Mutationen Nr 29 mit Stand 9. März 2021, der auf Basis der Labordaten bis 7. März 2021 inkl. Nachmeldungen erstellt wurde, wurden 62,68 % aller bisher erfassten Mutationsfälle zu B.1.351 im Bezirk Schwaz verzeichnet (445 Personen), gefolgt vom Bezirk Kufstein mit 17,89 % (127 Personen) und dem Bezirk Innsbruck Land mit 9,15 % (65 Personen; s. im Verordnungsakt S 42).
Die Landessanitätsdirektion hielt bei ihrer Beurteilung der Situation im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung fest, dass noch 38 von der Virusmutation B.1.351 betroffene Personen in Quarantäne sind, die sich über 17 der insgesamt 39 Gemeinden des Bezirks Schwaz verteilen (s Verordnungsakt S 88). Dies spreche für eine diffuse Ausbreitung der Variante und obwohl die Anzahl der gemeldeten Fälle nun deutlich abnehme, müssten nach dem letzten Fall zumindest zweimal zehn Tage abgewartet werden, um das Ende der Ausbreitung der Virusmutation B.1.351 beurteilen zu können. Begleitend dazu müssten intensive Testungen stattfinden, damit asymptomatische Träger identifiziert werden könnten und um eine unterschwellige ongoing Transmission zu vermeiden bzw ein vollständiges Containment bestmöglich zu erzielen. Aufgrund der erhöhten Ansteckungsrate der Mutationsvariante B.1.315 sei von mehr erkrankten und damit zumindest in den bekannten Häufigkeiten auch von mehr schwererkrankten Personen auszugehen, sodass eine Ausbreitung bestmöglich unterbunden werden sollte. Ein weiteres Ziel der Eindämmung dieser Virusvariante sei, die Impfwirkung auf die Population bestmöglich zu erhalten. Die Variante B.1.351 weise die Polymorphismen K417N und E484K auf, die die Sensitivität gegen neutralisierende Antikörper mindern, was auf eine reduzierte Wirksamkeit der Immunantwort nach Infektion bzw Impfung hindeuten kann (Andreano et al, 2020; Greaney et al, 2021; Wang et al, 2021; Weisblum et al, 2020; Quelle www.rki.de , abgerufen am 25.2.2021). Im Hinblick auf die ab 11. März 2021 geplanten, breit angelegten Impfungen mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer sei der Erhalt der Impfwirkung ein prioritäres Ziel, um einen bestmöglichen Schutz der Bevölkerung zu erreichen. Die Landessanitätsdirektion erachtete daher neben der Einhaltung aller nichtmedikamentösen Maßnahmen die verpflichtende hochfrequente Testung der Bewohnerinnen und Bewohner des Bezirks über den Zeitraum einer Woche als sinnvolle Möglichkeit, frühzeitig neue (asymptomatische) virusproduzierende Personen herauszufiltern, sodass keine weiteren Infektionsketten entstehen würden und eine weitere ongoing Transmission mit zahlreichen asymptomatisch ansteckenden Personen unterbunden werde.
2. Die Situation zur Verlängerung der angefochtenen Verordnung bis 1. April 2021
Laut Evaluierung der Maßnahme durch die Landessanitätsdirektion vom 17. März 2021 waren seit 23. Dezember 2020 bis Stand 16. März 2021 504 PCR-bestätigte Fälle der Virusmutation B.1.351 im Bezirk Schwaz aufgetreten (s Verordnungsakt S 111). Zusätzlich wurden insgesamt 211 UK‑Varianten identifiziert, wovon im Evaluationszeitpunkt 83 Personen aktiv positiv gemeldet waren. Insgesamt habe eine ansteigende 7‑Tages-Inzidenz von 123,3 auf 163 vorgelegen, wobei diese auf die erhöhte Testaktivität und der damit einhergehenden Identifikation zahlreicher asymptomatischer Personen zurückzuführen sei. Im Evaluierungszeitpunkt waren noch 34 Fälle mit der Variante B.1.351 in Quarantäne, wobei 14 von 39 Gemeinden betroffen waren; die Variante B.1.1.7 betraf 25 Gemeinden. Nach Ansicht der Landessanitätsdirektion spreche dies nach wie vor für eine diffuse Ausbreitung von SARS‑CoV‑2 gesamt. Obwohl die Anzahl der gemeldeten Fälle bei B.1.351 etwas abgenommen habe, müssten nach dem letzten Fall zumindest 2x10 Tage abgewartet werden, um das Ende der Ausbreitung der Variante B.1.351 beurteilen zu können (Containmentstrategie). Dazu müssten intensive PCR-Testungen stattfinden, um asymptomatische Träger weitgehend zu identifizieren. Damit sollte eine unterschwellige ongoing Transmission unterbunden und ein vollständiges Containment bzw eine Mitigation (Abschwächung der Ausbreitungsdynamik) bestmöglich erzielt werden. Es bestehe berechtigte Hoffnung, auch im Zusammenhang mit dem Beginn breitflächiger Impfungen im Bezirk, die Variante B.1.351 mit Testungen aus dem Bezirk zu eliminieren. Dies wäre in Bezug auf B.1.351 für Österreich und die umliegenden Länder von größter Bedeutung, sodass alle Maßnahmen trotz geringerer Fallzahlen darauf abzustimmen wären. Die zusätzliche hochfrequente PCR-Testung der Bewohnerinnen und Bewohner des Bezirks Schwaz wurde weiterhin als geeignete Maßnahme erachtet, um asymptomatische virusproduzierende Personen herauszufiltern, sodass keine weiteren bzw weniger Infektionsketten entstehen würden und eine weitere ongoing Transmission bestmöglich unterbunden werde.
Am 25. März 2021 erfolgte eine weitere Evaluierung der Maßnahme durch die Landessanitätsdirektion (s Verordnungsakt S 113). Im Bezirk Schwaz seien seit 23. Dezember 2020 bis Stand 24. März 2021 506 PCR-bestätigte Varianten von B.1.351 aufgetreten, davon sind noch 12 aktiv positiv. Zusätzlich seien im Bezirk insgesamt 277 (zuvor 211) UK‑Varianten identifiziert worden, wovon im Evaluierungszeitpunkt 89 (zuvor 83) Personen aktiv positiv gemeldet sind. Zusätzlich seien noch 65 Fälle an B.1.1.7 Varianten mit Verdacht auf einen Mutation E484K aufgetreten, davon sind 56 Personen aktiv positiv. Für alle Varianten inkl. der Normvariante liege insgesamt eine ansteigende 7‑Tages-Inzidenz im Bezirk Schwaz von 123,3 auf 163 und nun auf 236 vor, wobei dies wohl auch auf eine erhöhte Testaktivität mit Identifikation zahlreicher asymptomatischer Personen zurückzuführen sei. Im Evaluierungszeitpunkt seien noch 12 Fälle mit der Variante B.1.351 in Quarantäne, wobei 7 von 39 Gemeinden betroffen seien. Hier zeige sich jedenfalls Abnahme im Fallgeschehens. Bei der UK‑Variante seien 29 Gemeinden betroffen, insbesondere Schwaz mit 33 Fällen. Es werde weiterhin von einer diffusen Ausbreitung ausgegangen und sämtliche zuvor ausgesprochenen Empfehlungen blieben aufrecht. Abschließend wurde auf die Bedeutung der Eindämmung jener Varianten, welche die Mutation mit E484K aufweisen, im Hinblick auf die erhoffte Wirksamkeit der Impfung gesondert hingewiesen.
3. Die Situation zur Verlängerung der angefochtenen Verordnung bis 8. April 2021
In ihrer dritten Evaluierung vom 31. März 2021 hielt die Sanitätsdirektion fest, dass im Bezirk Schwaz seit 23. Dezember 2020 bis Stand 31. März 2021 506 PCR-bestätigte Varianten zu B.1.351 aufgetreten seien, davon sind noch 3 aktiv positiv und in Isolation (s Verordnungsakt S 179). Zusätzlich seien im Bezirk insgesamt 344 UK‑Varianten identifiziert worden, wovon im Evaluierungszeitpunkt 129 Personen aktiv positiv gemeldet und isoliert sind. Zusätzlich seien noch 199 Fälle an B.1.1.7 Varianten mit der Mutation E484K aufgetreten, davon seien 106 Personen aktiv positiv. Diese seien nach der ersten Identifikation am 18. März 2021 rückwirkend vorerst ab 6. März 2021 nach- und aufgearbeitet worden. Zuerst seien Einzelfälle aufgetreten, dann in den letzten Tagen mit besonderer Fallhäufung und steilem linearem Wachstum mit derzeit k=20 binnen 5 Tagen. Sequenzierungsuntersuchungen haben die Mutation E484K bestätigt. Grundsätzlich zeige sich insgesamt ein Bild kleinerer (Familien)-Cluster, große zusammenhängend Cluster wurden kaum identifiziert, auch die Kleincluster mit B.1.1.7+E484K imponieren nicht als zusammenhängend. Für alle Varianten inkl. der Normvariante läge insgesamt eine ansteigende 7‑Tages-Inzidenz im Bezirk Schwaz von 123,3 auf 163/236 und nun auf 264 (AGES-Bericht vom 30.03.2021) vor, wobei dies wohl auch auf eine erhöhte Testaktivität mit Identifikation zahlreicher asymptomatischer Personen zurückzuführen sei. Im Evaluierungszeitpunkt seien noch 3 Fälle mit der Variante B.1.351 in Quarantäne, wobei 3 von 39 Gemeinden betroffen seien. Hier zeige sich jedenfalls eine deutliche Abnahme im Fallgeschehens. Bei der UK‑Variante seien 26 Gemeinden betroffen, insbesondere Schwaz mit 37 Fällen. Dies spreche nach wie vor für eine diffuse Ausbreitung von SARS‑CoV‑2 gesamt.
Bedauerlicherweise sei nun der Verdacht einer zusätzlichen Mutation (E484K) im Spikeprotein der Variante B.1.1.7 aufgetreten, welche bereits eine Evaluierung durch die Sequenzierung erfahren haben. Sie scheint sich sehr schnell auszubreiten. Bei B.1.1.7 mit der Mutation E484K werde vermutet, dass sie sich zusätzlich zur erhöhten Fähigkeit der Transmissibilität (Übertragbarkeit) um 50 bis 70 % im Verhältnis zur Normalvariante und der erhöhten krankmachenden Eigenschaft um ca. bis 60 % im Verhältnis zur Normalvariante, unter Umständen den durch eine Impfung aufgebauten Antikörpern entziehen könnte.
Interessanterweise würde vorabveröffentlichte in vitro Daten auf eine Erhöhung der ACE2-Rezeptoraffinität hinweisen, wenn die Polymorphismen E484K und N501Y kombiniert auftreten (Zahradnik et al, 2021). Das könnte bedeuten, dass bereits mit einer geringeren Infektionsdosis eine erfolgreiche Infektion erfolgt. Bereits länger ist bekannt, dass die Polymorphismen K417N und E484K die Sensitivität des Virus gegen neutralisierende Antikörper mindern. Die Mutation E484K betreffe die rezeptorbindende Domäne des Spike‑Gens. Genauer ersetze sie an Position 484 des Spike‑Proteins die Aminosäure Glutaminsäure durch Lysin. Dies helfe dem Virus, sich einer vollständigen Erkennung des Immunsystems zu entziehen. Solche Veränderungen werden als Immun-Escape-Mutation bezeichnet. Ferner gebe es Hinweise, dass E484K die Bindungsfähigkeit von neutralisierenden Antikörpern beeinträchtige und eine Schutzimpfung oder Antikörper-Therapie an Wirksamkeit verliere. Zudem könne die Mutation Menschen infizieren, die bereits an COVID‑19 erkrankt waren (dies wurde bei der Variante B.1.351, die ebenfalls E484K trägt, bereits des Öfteren gesehen, 2 konkrete Verdachtsfälle für eine Reinfektion mit B.1.1.7+E484K seien ebenfalls bereits im Bezirk Schwaz identifiziert worden).
Deshalb seien strengste Containmentregeln unabdingbar, vor allem fächerhaftes Rücktracen und Testen nach hinten über 14 Tage entsprechend den Lebensräumen nicht nur der angegebenen Kontaktpersonen der VOC‑pos. Q4 Personen.
Neue Aspekte würden zudem darauf hinweisen, dass Infektionen mit dieser Variante mit erhöhter Fallsterblichkeitsrate einhergehen könnten (European Centre for Disease Prevention and Control, 2020; New and Emerging Respiratory Virus Threats Advisory Group, 2021). In einer Preprint-Studie vom 8. März 2021, Grint et al, über die Fallsterblichkeit der VOC (Variante of Concern) B.1.1.7 wird eine Risikozunahme an dieser Variante im Vergleich zu nicht VOC‑Varianten zu versterben von 1,76 gefunden. Diese Variante habe das Potential sich schneller mit höherer Mortalität auszubreiten als die nicht VOC‑Varianten. Daher sei es unabdingbar, weitere Mitigationsschritte zur Eindämmung der Ausbreitung zu setzen, sodass Maßnahmen gegen die Variante B.1.351 auch die Ausbreitung der Variante B.1.1.7 und B.1.1.7+E484K eindämmen könne.
Im Hinblick auf die vorgenommene Interpretation des Infektionsgeschehens mit Zunahme der 7‑Tages-Inzidenz, der weiteren Verbreitung der Variante B.1.1.7 und des Auftretens der Immun-Escape-Mutation E484K bei der B.1.1.7. Variante werde neben der Einhaltung aller üblichen nichtmedikamentösen Maßnahmen die verpflichtende hochfrequente PCR-Testung der gesamten Bewohnerinnen und Bewohner zumindest über den Zeitraum von weiteren 14 Tagen (einfache Inkubationszeit) als sinnvolle Möglichkeit erachtet, frühzeitig neue (asymptomatischen) virusproduzierende Personen herauszufiltern, sodass keine weiteren oder deutlich weniger Infektionsketten entstehen und eine weitere ongoing Transmission mit zahlreichen asymptomatisch ansteckenden Personen bestmöglich durch Isolation und Falltracing unterbunden bzw mitigiert würde. Dies habe für die B.1.351‑Variante bereits gezeigt werden können. Eine Eindämmung jener Varianten, welche die Mutation mit E484K aufweisen, sei in Bezugnahme auf die erhoffte Wirksamkeit der Impfung von größter Bedeutung, zum Evaluierungszeitpunkt seien allerdings deutliche Fallzunahmen bei B.1.1.7+E484K zu verzeichnen.
4. Die Situation beim Absehen von einer weiteren Verlängerung der angefochtenen Verordnung am 7. April 2021
Im Zeitpunkt der von der Landessanitätsdirektion vorgenommenen Abschlussevaluierung waren noch 7 Fälle mit der Variante B.1.351 in Quarantäne, wobei 6 von 39 Gemeinden mit Einzelfällen betroffen waren (s Verordnungsakt S 255). Bei der UK‑Variante sind 20 Gemeinden betroffen, insbesondere Schwaz mit im Evaluierungszeitpunkt 20 Fällen. Dies spreche zwar in der Zusammenschau nach wie vor für eine diffuse Ausbreitung von SARS‑CoV‑2 gesamt, diese sei aber bereits auf einem deutlich niedrigeren Niveau als in der Vorwoche. Die 7‑Tages-Inzidenz habe vom 28. März 2021 bis zum 5. April 2021 von 281 auf 132 abgenommen und sich während dieser Zeit (9 Tage) etwas mehr als halbiert. Somit sei der Bezirk Schwaz auf Basis der nicht adjustierten 7‑Tages-Inzidenz im Evaluierungszeitpunkt der Bezirk mit der niedrigsten 7‑Tages-Inzidenz in Tirol gewesen, was den deutlich abnehmenden Fallzahlen geschuldet sei. Zudem liege die 7‑Tages-Indizenz unter der ersten Warnstufe von 200/100.000. Da im Evaluierungszeitpunkt nach den breitflächigen 1. Impfungen mit dem Impfstoff gegen SARS‑CoV‑2 von BioNTech/Pfizer im Bezirk gute 3 Wochen vergangen seien, sei ein weiteres Abnehmen der Fallzahlen durch eine eintretende Immunität zu erwarten, die durch die 2. Impfungen in den nächsten Tagen einen weiteren Booster erfahren werde, um in ca. 10 Tagen den bestmöglichen Schutz zu entfalten. Insgesamt könne infolge der ausgezeichneten Fallabnahme, nach der Identifikation von zahlreichen Fällen durch ein straffes Testregime und der dadurch reduzierten Dunkelziffer sowie der beginnenden Immunität der Bevölkerung durch die Impfungen, eine Lockerung der Maßnahmen angedacht werden, sodass von weiteren zusätzlichen Testungen bei Überschreiten der Bezirksgrenzen aus fachlicher Sicht abgesehen werden könne.
Abschließend wurde empfohlen, die Bevölkerung solle in den nächsten 14 Tagen weiterhin durch Medienarbeit zum Testen angehalten werden, ebenso zum Tragen von FFP‑2-Masken im Freien, sobald mit höherer Wahrscheinlichkeit Begegnungen mit mehreren fremden Menschen möglich seien. Die UK‑Variante gelte jedenfalls als deutlich ansteckender als die Normvariante, sodass deren Ausbreitung insbesondere, wenn sie mit der Immunescape-Mutation E484K ausgestattet ist, weiterhin bestmöglich durch alle geltenden nicht medikamentösen Hygieneregeln unterbunden werden solle. Dies solange bis ausreichend sicher sei, dass sich eine breite Immunität durch die Impfungen aufgebaut habe und die Fallzahlen noch weiter sinken, sodass der Erfolg aller Maßnahmen nicht geschmälert werde.
b. Zur Frage, warum mit den bisher bestehenden bundes- bzw landesgesetzlichen Regelungen nicht das Auslangen gefunden werden konnte und zur Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung:
Rechtsgrundlage für die erlassene Verordnung ist §24 Epidemiegesetz. Nach diesem hat die Bezirksverwaltungsbehörde für die Bewohner von Epidemiegebieten Verkehrsbeschränkungen zu verfügen, sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist. Ebenso können Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden. Betreffend die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung führen die Erläuterungen aus wie folgt (s dazu im Verordnungsakt S 92):
'Seit der Novelle BGBl I Nr 33/2021 sieht §24 EpiG 'Verkehrsbeschränkungen für die Personen, die sich in Epidemiegebieten aufhalten' vor. Als ein solches Epidemiegebiet kann eine bestimmte Fläche, in diesem Fall ein Großteil des Bezirks Schwaz, bestimmt werden. Die Definition der möglichen betroffenen Regionen wurde bereits durch eine Novelle im Jahr 2006 erweitert und ist seither so weit gefasst, dass sie neben Siedlungen auch mehr oder weniger ausgedehnte Flächen (bis hin zum gesamten Bundesgebiet) umfassen kann' (Kopetzki, Verkehrsbeschränkungen gem §24 EpG vs COVID‑19‑MaßnahmenG – eine Parallelaktion?, RdM 2020, 84 [86]).
§24 EpiG hält nicht ausdrücklich fest, dass (absolute) Verkehrsbeschränkungen unter der Auflage eines negativen Testergebnisses auf SARS‑CoV‑2 (relativ) gelockert werden können. Allerdings ergibt sich schon aus der in §24 EpiG ausdrücklich vorgesehenen Verhältnismäßigkeitsprüfung (‚'[s]ofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist'), dass jede verkehrsbeschränkende Maßnahme nur so weit reichen darf, wie dies zur Erreichung ihres Ziels (i.e. der Schutz der Weiterverbreitung einer meldepflichtigen Erkrankung) unbedingt erforderlich ist. Die Pflicht zur Vorlage eines negativen Testergebnisses, welches im Bezirk Schwaz erlangt wurde, für Personen, die im Epidemiegebiet wohnhaft sind oder sich für mehr 24h dort aufgehalten haben, erfüllt genau dieses Ziel. Eine vergleichbare Maßnahme wurde sehr erfolgreich bereits für das Gebiet der Marktgemeinde Mayrhofen gesetzt, womit eine hohe Testbeteiligung erzielt wurde, viele positive asymptomatische Träger des Coronavirus identifiziert und damit potentielle Neuinfektionen verhindert werden konnten. So konnte am Ende auch der Inzidenzwert deutlich gesenkt werden.
§43a EpiG trifft eine Kaskadenregelung im Hinblick auf die Zuständigkeiten zur Erlassung von Verordnungen betreffend COVID‑19. Demnach kann der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister Verordnungen erlassen, in denen entsprechend der jeweiligen epidemiologischen Situation auch regional differenzierende Maßnahmen gesetzt werden können. Verordnungen können weiters vom Landeshauptmann erlassen werden, wenn keine Verordnung des zuständigen Bundesministers erlassen wurde oder zusätzliche Maßnahmen festgelegt werden. Zuletzt können Verordnungen von der Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden, wenn keine Verordnungen des zuständigen Bundesministers oder Landeshauptmannes erlassen wurden oder zusätzliche Maßnahmen festgelegt werden.'
Für den Geltungszeitraum der antragsgegenständlichen Stammfassung der Verordnung waren keine vergleichbaren Regelungen des Bundesministers für Gesundheit bzw des Landeshauptmanns von Tirol erlassen worden. Im Zuge der zweiten Verlängerung der Verordnung kam es jedoch von 31. März 2021 bis 8. April 2021 zu einer Überschneidung mit der Verordnung des Landeshauptmanns vom 29. März 2021 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung der COVID‑19-Virusvariante B.1.1.7/E484K betreffend die Ausreise aus Tirol, LGBl Nr 51/2021, die am 31. März 2021 in Kraft getreten ist und vorerst bis 14. April 2021 in Geltung stehen sollte.
Überschneidet sich nun eine Verordnung der Bezirkshauptmannschaft mit einer Verordnung des Landeshauptmanns, die – wie im vorliegenden Fall – eine dieser vergleichbare Test-Nachweispflicht für das Verlassen des Bezirks vorsieht, weil die Bezirksgrenze gleichzeitig die Landesgrenze bildet, so geht dementsprechend die Verordnung des Landeshauptmanns jener der Bezirksverwaltungsbehörde vor. Eine Bestrafung kommt diesfalls daher ausschließlich mit Blick auf die Verordnung des Landeshauptmanns in Frage, welche im dargelegten Überschneidungsbereich jene der Bezirksverwaltungsbehörde verdrängt.
Die ausdrückliche Anordnung einer Derogation parallel laufender Bestimmungen der Verordnung einer Bezirksverwaltungsbehörde (s §43a Abs5 des Epidemiegesetzes 1950) wurde in die Verordnung des Landeshauptmanns, LGBl Nr 51/2021, deshalb nicht aufgenommen, weil aufgrund der dynamischen Entwicklung des Infektionsgeschehens nicht absehbar ist, wie lange die betreffenden Bestimmungen überhaupt parallel in Geltung stehen werden; dies insbesondere auch aufgrund der strengen Revisionspflicht des Verordnungsgebers, wonach Maßnahmen nur so lange aufrechterhalten werden dürfen, als es zur Eindämmung der Verbreitung von COVID‑19 erforderlich ist (s dazu die Erläuterungen zur Verordnung des Landeshauptmanns vom 29. März 2021 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung der COVID‑19-Virusvariante B.1.1.7/E484K betreffend die Ausreise aus Tirol in der Anlage). Es kann daher vorkommen, dass entsprechende Verordnungen des Landeshauptmanns bereits vor der Verordnung der Bezirksverwaltungsbehörde aufgehoben werden oder auch länger als diese in Kraft bleiben; die Anordnung einer Derogation würde für diesen Fall ein Regelungstorso bewirken. §43a Abs5 Epidemiegesetz 1950 verpflichtet den Verordnungsgeber der höheren Ebene nicht in jedem Fall zur Erlassung von Derogationsbestimmungen, sondern räumt diese Möglichkeit lediglich ein, um allfällige entgegenstehende Regelungen aufheben zu können (so ausdrücklich der AB 370 BlgNR 27. GP , S 2 iVm S 6), was in solchen Konstellationen gerade nicht der Fall ist. Im Ergebnis ordnet die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz – im Einklang mit der Kaskadenregelung – für die Dauer der Geltung der genannten Verordnung des Landeshauptmanns lediglich Ergänzendes an (Ausreisetestnachweispflicht auch an den Binnengrenzen des Bezirks, während sich die Ausreisetestnachweispflicht an den Landesgrenzen unmittelbar aus der Verordnung des Landeshauptmanns ergibt), weshalb hier weder die Anpassung des Verordnungstextes noch die Aufhebung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz geboten war.
Die Bundesmaßnahmen (4. COVID‑19‑SchuMaV und COVID‑19‑VvV) konnten der Ausbreitung der Virusvarianten B.1.351 und B.1.1.7(+E484K) kaum etwas entgegensetzen, da sie für die Eindämmung einer Ausbreitung der Varianten B.1.351 innerhalb Tirols nicht oder allenfalls nur bedingt geeignet sind. Die Regelungen der Bezirkshauptmannschaft Schwaz zielen auf eine Verhinderung der Verbreitung der Virusmutationen B.1.351 und B.1.1.7(+E484K) im Bezirk Schwaz und deren Weiterverbreitung auf weitere Teile Tirols und in weiterer Folge über die Landesgrenzen hinaus ab. Im Zusammenhang mit der Impfstrategie und zur Absicherung von deren Erfolg wurde mit der Erlassung der angefochtenen Verordnung das Ziel verfolgt, die Virusvariante B.1.351 sowie die später verstärkt auftretenden Virusmutationen B.1.1.7 und B.1.1.7+E484K in Tirol auszurotten. Die regionale Einschränkung einer bestimmten Krankheitsvariante verlangt andere Maßnahmen als die Verhinderung der unkontrollierten Verbreitung einer bereits in der gesamten Bevölkerung (bzw der ganzen Welt) verbreiteten Infektionskrankheit. Da die Infektionen mit der Virusvariante B.1.351 im Bezirk Schwaz in aller Regel innerhalb des häuslichen bzw familiären Umfelds (s dazu und zur diffusen Verbreitung insgesamt oben a.) erfolgt, ist die 4. COVID‑19‑SchuMaV als Eindämmungsinstrument nicht ausreichend effektiv. Weiterreichende Maßnahmen waren dringend angezeigt, um einen kaum wiedergutzumachenden Schaden für die Impfstrategie und damit für den Verlauf der Pandemie hintanzuhalten. Das bezirksweite Abfahrtsverbot verbunden mit dem gelinderen Mitteln eine Abfahrt jener Personen zuzulassen, die entweder unter eine Ausnahme fallen, oder einen Nachweis über eine von ihnen ausgehende lediglich geringe epidemiologische Gefahr vorweisen, war angesichts der Gefahrenlage die ultima ratio.
c. Zur Eignung und Verhältnismäßigkeit der Verordnung
Mit der Erlassung der angefochtenen Verordnung wurde das Ziel verfolgt, die Bevölkerung des Landes Tirol sowie der angrenzenden Bundesländer und Staaten vor der Ausbreitung von SARS‑CoV‑2, insbesondere der Virusmutationen B.1.351 und B.1.1.7 zu schützen. Diese Virusmutationen sind besonders gefährlich, weil sie ansteckender und darüber hinaus mit der Immunescape-Mutation E484K ausgestattet sind, die unter Verdacht steht, sowohl die Bindungsfähigkeit von neutralisierenden Antikörpern als auch die Wirksamkeit einer Schutzimpfung oder Antikörper-Therapie zu beeinträchtigen.
Da mit den bestehenden bundes- bzw landesgesetzlichen Regelungen nicht das Auslangen gefunden werden konnte (s oben V.b.), mussten weitere Maßnahme gesetzt werden, um das Infektionsgeschehen im Bezirk einzudämmen. Wie bereits unter V.a. ausführlich dargestellt wurde, war ein rapider Anstieg der bestätigten Fälle und Fälle mit Mutationsverdacht im Bezirk Schwaz sowie eine langsame Verdrängung des Wildtyps zu beobachten. Innerhalb des Bezirks konnten keine kleineren Epidemiegebiete definiert werden, weil die Virusmutationen im gesamten Bezirk diffus verbreitet waren.
Zuvor war mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 25. Februar 2021 (kundgemacht auf deren Internetseite und Amtstafel am selben Tag; s. auch Bote für Tirol Nr 69/2021) – neben weitgehenden Betretungsverboten für Kundenbereiche von Betriebsstätten des Handels zum Zweck des Erwerbs von Waren, von Dienstleistungsunternehmen zur Inanspruchnahme von körpernahen Dienstleistungen sowie von Freizeiteinrichtungen und von Kultureinrichtungen – eine Ausreisetestpflicht für die Gemeinde Mayrhofen von 25. Februar 2021 bis 3. März 2021 festgelegt worden, weil anfangs fast die Hälfte aller Infektionsfälle zu B.1.351 dort aufgetreten sind (s dazu die Ausführungen in der Stellungnahme zur Quarantäne in Mayrhofen vom 25. Februar 2021 im Verordnungsakt S 89 f.). Ungeachtet dieser Verordnung verbreitete sich die Virusmutation B.1.351 im ganzen Bezirk, sodass schließlich 17 der 39 Gemeinden des Bezirks Schwaz betroffen waren. Zusätzlich verbreitete sich auch die Virusvariante B.1.1.7, wovon mit Stand 7. März 2021 11 Gemeinden betroffen waren (vgl dazu den Report Mutationen Nr 29 im Verordnungsakt S 56). Dies belegt die Erforderlichkeit der Erlassung der verfahrensgegenständlichen Verordnung für den gesamten Bezirk eindringlich, die nicht zuletzt deshalb auch verhältnismäßig ist, weil sie erst erlassen wurde, nachdem feststand, dass mit der gelinderen, weil räumlich eng begrenzten Verordnung für Mayrhofen nicht das Auslangen gefunden werden kann. In den anderen Bezirken Tirols erfolgte keine derart intensive Verbreitung der beiden Mutationsvarianten und war daher keine vergleichbare Regelung erforderlich.
Eine aktuelle Studie des Complexity Science Hub Vienna, die das Infektionsgeschehen mit Datenstand 6. April 2021 in 14 politischen Bezirken, die Ausreisetests eingeführt haben, analysiert hat, kam zum Ergebnis, dass die durchschnittliche tägliche Wachstumsrate nach Einführung der Test um knapp 6 % in den Hochinzidenzregionen und um knapp 3 % in den umliegenden Regionen gesenkt wurde. Das Einführen von Ausreisetests führt daher eindeutig zu einer Reduktion der Infektionsdynamik, und zwar unabhängig davon, ob die Maßnahme aufgrund einer hohen Inzidenz oder zur Eingrenzung neuer Virusmutationsvarianten gesetzt wurde. Quarantänemaßnahmen, insbesondere in Form von Ausreisetests, werden als hocheffektives Mittel angesehen, um eine Reduktion der 7 Tage-Inzidenz herbeizuführen. Die Verpflichtung, eine Region nur mit einem aktuellen negativen Testresultat verlassen zu dürfen, führt zu einer Reduktion von Kontakten mit Bewohnerinnen und Bewohnern anderer Regionen und zu einer Mobilitätsreduktion der Bewohnerinnen und Bewohner der Hochinzidenzregion, wodurch sich indirekt deren Kontakthäufigkeiten reduzieren und das Infektionsgeschehen schneller abnimmt. Daher wirken Ausreisetestungen auch positiv auf die angrenzenden Regionen, weil so verhindert wird, dass eine Hochinzidenzregion eine andere 'ansteckt'. Ein Ergebnis der Studie ist weiters, dass bei Auftreten von Virusmutationen mit Immunflucht wie etwa B.1.1.7+E484K ein rasches, regional gezieltes Vorgehen bereits bei sehr niedrigen Fallzahlen erforderlich ist, um möglichst früh eine Ausbreitung verhindern zu können (s Klimek/Thurner/Heiler, CSH Policy Brief – Hin zu einer regionalisierten Niedriginzidenz-Strategie für kommende COVID‑19 Infektionswellen vom 19. April 2021, abrufbar unter https://www.csh.ac.at/wp-content/uploads/2021/04/2021-April-CSH-Policy-Brief-Ausreisetests.pdf [22.4.2021]).
Die mit der angefochtenen Verordnung gesetzte Maßnahme ist somit zur Zielerreichung geeignet. Dies untermauern auch die den Evaluierungen der Landessanitätsdirektion zugrunde gelegten Daten: Am 9. März 2021, unmittelbar vor Inkrafttreten der Stammfassung der angefochtenen Verordnung, betrug die 7‑Tages-Inzidenz 123,3/100.000 Einwohner und es befanden sich 38 aktiv mit der Variante B.1.351 infizierte Personen in Quarantäne, die sich auf 17 der 39 Gemeinden verteilten. Am 25. März 2021, an dem die Evaluierung anlässlich der ersten Verlängerung der Verordnung erfolgt ist, war die 7‑Tages-Inzidenz aufgrund der erhöhten Testaktivität auf 236 angestiegen. Es befanden sich noch 12 mit der Variante B.1.351 infizierte Personen in Quarantäne, die sich auf 7 von 39 Gemeinden verteilten. Daneben waren 89 Personen aktiv mit der Variante B.1.1.7 infiziert, zusätzlich waren noch 56 Personen mit der Variante B.1.1.7+E484K aktiv positiv. Am 31. März 2021, an dem die zweite Verlängerung der Verordnung erfolgt ist, betrug die 7‑Tages-Inzidenz im Bezirk Schwaz 264, es waren jedoch nur noch 3 aktiv mit der Variante B.1.351 infizierte Personen in Quarantäne. Die Anzahl der mit der Variante B.1.1.7 aktiv infizierten Personen betrug 129, die mit der Variante B.1.1.7+E484K aktiv infizierten Personen 106. Die Datenlage am 7. April 2021, an dem von einer weiteren Verlängerung der Verordnung abgesehen wurde, wies eine 7‑Tages-Inzidenz im Bezirk Schwaz von 132 – und damit gegenüber dem 31. März 2021 einen halbierten Wert – aus und es waren 7 aktiv mit der Variante B.1.351 infizierte Personen in Quarantäne, die sich auf 6 Gemeinden verteilten. Die Anzahl der mit der Variante B.1.1.7 aktiv infizierten Personen war ebenso beinahe um die Hälfte auf 65 zurückgegangen, die mit der Variante B.1.1.7+E484K aktiv infizierten Personen auf 55. Der mit der Einführung der Ausreisetestpflicht erfolgte Anstieg der 7‑Tages-Inzidenz aufgrund der vermehrten Identifikation asymptomatischer Fälle und der darauffolgende drastische Rückgang sowie der Rückgang der Infektionen mit den Virusmutationen bestätigt im Einklang mit den Ergebnissen der Studie die Effizienz der Ausreisetests.
Aufgrund der diffusen Verbreitung der Virusmutationen im Bezirk Schwaz war keine weitere räumliche Begrenzung der Verkehrsbeschränkungen möglich. Die mit der angefochtene Verordnung gewählte Verkehrsbeschränkung dergestalt, dass bei Ausreise aus dem Bezirk ein negatives Testergebnis auf SARS‑CoV‑2 mitzuführen ist, ist gegenüber einem generellen Ausreiseverbot jedenfalls das gelindere Mittel. Weiters wurden in erster Linie Personen mit Wohnsitz im nach §1 festgelegten Epidemiegebiet verpflichtet, ein negatives Testergebnis bei der Ausreise mitzuführen. Personen, die sich im Epidemiegebiet aufgehalten haben, sind nur dann zur Mitnahme eines negativen Testergebnisses verpflichtet, wenn sie sich über einen Zeitraum von 24 Stunden im Epidemiegebiet aufgehalten haben. Somit werden Transitierende und Pendler, von denen eine geringere epidemiologische Gefahr ausgeht, ausgenommen. Zudem enthält §3 einen Katalog mit Ausnahmen von der Verpflichtung, ein negatives Testergebnis mitzuführen, der auch durch nachfolgende Verordnungen erweitert wurde. Im gesamten Bezirk Schwaz gab es zahlreiche Möglichkeiten, kostenlos einen der nach der Verordnung erforderlichen Test vornehmen zu lassen: Im Geltungszeitraum, der in der Stammfassung der Verordnung vorgesehen war, wurde an 4 Standorten rund um die Uhr eine kostenlose Testmöglichkeit ohne Voranmeldung angeboten sowie an 5 Standorten eine kostenlose Testmöglichkeit nach Voranmeldung, die mit einer Ausnahme täglich und jedenfalls zwischen 08.00 und 16.00 Uhr geöffnet war. Daneben bestand die Möglichkeit, bei 90 niedergelassenen Ärzten sowie zahlreichen Apotheken einen kostenlosen Antigentest durchführen zu lassen (s dazu die Anlage zum Testangebot). Somit war es in diesem Zeitraum immer möglich, einen kostenlosen COVID‑19-Test durchführen zu lassen und ein negatives Testergebnis für die Ausreise aus dem Bezirk Schwaz zu erhalten. Im Zuge der Verlängerungen der Verordnung wurde das Angebot unter Bedachtnahme auf die gewonnenen Erfahrungswerte zur Auslastung der Standorte geringfügig verringert.
Vor diesem Hintergrund war die Erlassung der genannten Verordnung erforderlich und angemessen, weil kein gelinderes Mittel zur Zielerreichung als ein Ausreiseverbot mit den oben dargelegten Ausnahmen sowie einer Freitestungsmöglichkeit zur Verfügung stand."
6.2. Den Bedenken des Antragstellers im Verfahren zu V90/2021 hält der Bezirkshauptmann des politischen Bezirks Schwaz im Einzelnen Folgendes entgegen:
"Die angefochtene Verordnung hält sich an die vom Epidemiegesetz vorgegebenen Rahmenbedingungen und ist verhältnismäßig (s ausführlich dazu unter V.): Sie verfolgt das öffentliche Interesse des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung vor den ansteckenderen und die Immunantwort beeinträchtigenden Virusmutationen. Auch wenn Antigen-Tests und PCR-Test[s] nur eine Momentaufnahme des Infektionsstatus abbilden, sind sie aus epidemiologischer Sicht, eingesetzt als Ausreisetests, ein hochwirksames Mittel, um nicht nur die 7‑Tages-Inzidenz zu senken, sondern auch die Verbreitung von Virusmutationen hintanzuhalten. Gerade, wenn Ausreisetests zur Eindämmung der Verbreitung von Virusmutationen eingesetzt werden, sollte die Maßnahme zu einem möglichst frühen Zeitpunkt ergriffen werden (s Klimek/Thurner/Heiler, CSH Policy Brief – Hin zu einer regionalisierten Niedriginzidenz-Strategie für kommende COVID‑19 Infektionswellen vom 19.4.2021, abrufbar unter https://www.csh.ac.at/wp-content/uploads/2021/04/2021-April-CSH-Policy-Brief-Ausreisetests.pdf [22.4.2021] S 8). Die Maßnahme ist daher zur Zielerreichung geeignet und stellt auch das gelindeste Mittel dar, weil sie sich nur auf Personen mit Wohnsitz oder einem Aufenthalt länger als 24h im Epidemiegebiet bezieht, auf freiwillige Ausreisetests abstellt und auch etliche Ausnahmen vorsieht. Vor diesem Hintergrund greift auch die Argumentation des Antragsstellers, die angefochtene Verordnung sei nicht unbedingt erforderlich gewesen, weil die Daten der AGES ein niedriges bzw rückläufiges Infektionsgeschehen im Bezirk Schwaz aufzeigen würden, zu kurz.
Das Argument des Antragstellers, die Inzidenz sei durch die Ausreisetestverpflichtung künstlich erhöht worden, wird regelmäßig von der AGES wie auch von der Coronakommission entkräftet: Zwar ist es richtig, dass durch zusätzlich durchgeführte Tests auch mehr infizierte Personen aufgefunden werden, jedoch wären diese infizierten Personen ansonsten unentdeckt geblieben und hätten vielfach wohl weitere Infektionsketten in Gang gesetzt, was insbesondere die Verbreitung der Virusmutationen weiter begünstigt hätte.
Zum Vorbringen, dass die angefochtene Verordnung das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach Art2 StGG und Art7 B‑VG verletze, weil gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen werde:
Der Antragsteller begründet die von ihm behauptete Unsachlichkeit der Regelung damit, dass Personen, die bereits eine COVID‑19-Erkrankung hinter sich hätten und über neutralisierende Antikörper verfügen würden, ebenso einen Ausreisetest vorweisen müssten wie Personen, die über keine solchen Antikörper verfügen würden. Der Hintergrund dafür, dass keine Ausnahmen für Personen, die wegen einer Erkrankung oder Impfung über Antikörper verfügen, vorgesehen wurden, liegt in der Eigenschaft der im Bezirk Schwaz auftretenden Virusmutationen, die Immunantwort bereits genesener oder geimpfter Personen zu beeinträchtigen (s dazu auch die Ausführungen unter V.a.). Gerade im Hinblick auf die beobachteten Reinfektionen (s dazu den Report Mutationen Nr 29 im Verordnungsakt S 62) war die Einbeziehung dieser Personengruppen in die Ausreisetestpflicht erforderlich und ist die Verordnung deswegen nicht unsachlich.
Zum Vorbringen, dass die Verpflichtung, beim Verlassen des Bezirks Schwaz einen Nachweis über einen aktuellen negativen COVID-Test mitzuführen, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit nach Art6 StGG verletze:
Der Antragsteller erachtet sich durch die Ausreisetestverpflichtung bei der Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt beschränkt, weil er nur dann von der Testverpflichtung ausgenommen sei, wenn er unaufschiebbare gerichtliche oder behördliche Wege wahrnehmen müsse. Die Ausübung des Berufes als Rechtsanwalt fällt in den Schutzbereich der Erwerbsausübungsfreiheit, jedoch dient die Regelung dem öffentlichen Interesse des Gesundheitsschutzes und zielt nicht auf eine Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit ab. Wie der Antragsteller selbst zugesteht, ist er im Fall unaufschiebbarer gerichtlicher oder behördlicher Termine von der Testpflicht befreit. Ebenso schränkt die Verordnung den Antragsteller bei der Ausübung seines Berufes in seiner Sprechstelle in […] nicht ein ([…]) und er kann unter der Voraussetzung des Vorliegens eines negativen Tests jederzeit zu seinem Kanzleisitz in Innsbruck gelangen. Im Bezirk Schwaz standen mehrere Einrichtungen zur Verfügung, in denen zwischen 00.00 und 24.00 Uhr kostenlos ein Antigen- oder PCR-Test gemacht werden konnte (s Anlage). Der Antragsteller ist bei seiner Erwerbsausübung daher beschränkt, jedoch wird diese keineswegs gänzlich verhindert. Seine Existenz wird in keiner Weise gefährdet. Aus den bereits oben zu Art4 StGG und unten unter V. dargelegten Gründen ist die Maßnahme jedenfalls verhältnismäßig und verletzt daher den Antragsteller nicht in seinem nach Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht.
Zum Vorbringen, dass die angefochtene Verordnung den Antragsteller in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art8 EMRK beschränke, weil er sich, um den Bezirk zu verlassen, einem COVID-Test unterziehen müsse:
Der Antragsteller verkennt, dass die Verordnung gerade keine Verpflichtung – wie sie etwa §5 Epidemiegesetz vorsieht – enthält, eine Untersuchung vornehmen zu lassen. Somit wird der Antragsteller nicht verpflichtet, einen Antigen- oder PCR-Test vornehmen zu lassen. Die Durchführung eines entsprechenden Tests ist nur dann erforderlich, wenn er den Bezirk Schwaz verlassen möchte und dabei unter keine der zahlreichen Ausnahmen nach §3 der angefochtenen Verordnung fällt. Selbst wenn ein Eingriff in Art8 EMRK angenommen würde, wäre dieser jedenfalls aus den bereits oben bzw unter V. dargestellten Gründen verhältnismäßig und ist die Verordnung daher weder gesetz- noch verfassungswidrig."
6.3. Den unter Art4 StGG und Art2 4. ZPEMRK geäußerten Bedenken des Antragstellers im Verfahren zu V92/2021 entgegnet der Bezirkshauptmann des politischen Bezirks Schwaz die bereits unter Punkt 6.2. angeführten Argumente. Im Übrigen hält der Bezirkshauptmann des politischen Bezirks Schwaz dem Vorbringen des Antragstellers zu V92/2021 im Einzelnen Folgendes entgegen:
"1. Zum Vorbringen des Antragstellers, die angefochtene Verordnung sei aus mehreren Gründen gesetzwidrig, etwa, weil sie nicht unbedingt erforderlich sei, sie auf keine meldepflichtige Krankheit Bezug nehme, die Virusmutation auch in anderen Bundesländer aufgetreten sei, das Vorsehen eines Testzwangs überschießend und weil die Behörde keine Prüfung auf Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn vorgenommen habe, wird auf Punkt V. der Äußerungen verwiesen und im Übrigen zu den einzelnen Vorwürfen entgegnet wie folgt:
2. Zu den Ausführungen des Antragstellers, SARS‑CoV‑2 sei keine anzeigepflichtige Krankheit nach §1 Epidemiegesetz, wird festgehalten, dass eine Umbenennung der Bezeichnung des Virus durch die WHO stattgefunden hat. Die Absicht des historischen Gesetzgebers, SARS‑CoV‑2 einer Anzeigepflicht zu unterwerfen, ist derart offenkundig, dass darauf nicht näher einzugehen ist.
3. Wenn der Antragsteller ausführt, die durch die angefochtene Verordnung festgelegten Maßnahmen seien nicht unbedingt erforderlich gewesen, weil die 7‑Tages-Inzidenz von Tirol die zweitniedrigste in ganz Österreich gewesen sei und der Bezirk Schwaz sogar eine unterdurchschnittliche Inzidenz aufgewiesen habe, übersieht er dabei, dass es für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Maßnahme nicht allein auf die 7‑Tages-Inzidenz ankommt. Gerade in Anbetracht der im Bezirk aufgetretenen Virusmutationen, die nicht nur ansteckender sind, sondern auch die durch eine Vorerkrankung oder Impfung bestehende Immunisierung beeinträchtigen können, wurde in erster Linie das Ziel verfolgt, die Verbreitung dieser gefährlicheren Virusvarianten zu verhindern und die Impfwirkung auf die Population bestmöglich zu erhalten.
4. Das Argument des Antragstellers, die Inzidenz sei durch die Ausreisetestverpflichtung künstlich erhöht worden, wird regelmäßig von der AGES wie auch von der Coronakommission entkräftet: Zwar ist es richtig, dass durch zusätzlich durchgeführte Tests auch mehr infizierte Personen aufgefunden werden, jedoch wären diese infizierten Personen ansonsten unentdeckt geblieben und hätten vielfach wohl weitere Infektionsketten in Gang gesetzt, was insbesondere die Verbreitung der Virusmutationen weiter begünstigt hätte.
5. Allein der Umstand, dass die Virusmutation B.1.351 auch in anderen Bundesländern aufgetreten ist und dort keine vergleichbaren Maßnahmen gesetzt wurden, lässt keine Rückschlüsse auf die Verhältnismäßigkeit bzw Sachlichkeit der angefochtenen Verordnung zu. Während am 25. Februar 2021 noch ca. die Hälfte aller im Bezirk Schwaz aufgetretenen Verdachts- und bestätigten Fälle zu B.1.351 in der Gemeinde Mayrhofen registriert wurden, musste in den darauffolgenden 14 Tagen eine diffuse Ausbreitung der Variante beobachtet werden. Da bereits in 17 von 39 Gemeinden bestätigte Fälle der Virusmutation B.1.351 aufgetreten waren, konnte mit einer lokal begrenzten Verkehrsbeschränkung nicht mehr das Auslangen gefunden werden und war eine Ausweitung dieser Verkehrsbeschränkung in Form einer Ausreisetestpflicht auf den gesamten Bezirk erforderlich (vgl dazu ausführlicher V.c.). Somit war das Infektionsgeschehen in Schwaz trotz der anfangs niedrigen Inzidenz als problematisch anzusehen und es waren die durch die Verordnung gesetzten Maßnahmen dementsprechend auch notwendig und verhältnismäßig.
6. Der Antragsteller verkennt, dass mit der angefochtenen Verordnung nicht ein Testzwang bei sonstigem Ausreiseverbot verhängt wird, weil diese gerade keine Verpflichtung – wie sie etwa §5 Epidemiegesetz vorsieht – enthält, eine Untersuchung vornehmen zu lassen. Somit wird der Antragsteller nicht verpflichtet, einen Antigen- oder PCR-Test vornehmen zu lassen. Die Durchführung eines entsprechenden Tests ist nur dann erforderlich, wenn er den Bezirk Schwaz verlassen möchte und dabei unter keine der zahlreichen Ausnahmen nach §3 der angefochtenen Verordnung fällt. Bei der Probenentnahme für einen Antigen- oder PCR-Test aus Nase oder Rachen handelt es sich keineswegs um einen intensiven körperlichen Eingriff, auch wenn die Vornahme des Tests bis zu einem gewissen Grad als unangenehm empfunden werden kann. Laut den FAQ zu den Testmöglichkeiten im Bezirk Schwaz sind die den Bürgerinnen und Bürgern des Bezirks zur Verfügung gestellten Gurgeltests, bei denen von einem intensiven körperlichen Eingriff keine Rede sein kann, ebenso PCR-Tests und wurden die Ergebnisse darüber als Nachweise im Sinn der Verordnung akzeptiert (s dazu die FAQ zu den Testmöglichkeiten in der Anlage).
[…]
Zum Vorbringen, die angefochtene Verordnung verletze den Antragsteller in seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art3 GRC:
[…]
3. Wie bereits im Zusammenhang mit der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Verordnung oben und unter V. ausgeführt, waren die gesetzten Maßnahmen notwendig und verhältnismäßig und es liegt daher jedenfalls ein gerechtfertigter Eingriff in [den] inhaltlich deckungsgleichen Art8 Abs2 EMRK vor. Auf Art3 GRC kann sich der Antragsteller mangels eines Anwendungsbereichs des Unionsrechts nicht berufen. Selbst wenn man den Anwendungsbereich des Unionsrechts für eröffnet erachten würde, kann sich der Antragsteller nicht auf Art3 Abs2 GRC stützen, weil ihm dadurch kein subjektives Recht eingeräumt wird.
4. Ergänzend sei angemerkt, dass es sich – die korrekte Durchführung vorausgesetzt – bei der Probenentnahme für einen Antigen- oder PCR-Test aus Nase oder Rachen keineswegs um einen schmerzhaften körperlichen Eingriff handelt, mag die Vornahme des Tests bis zu einem gewissen Grad auch als unangenehm empfunden werden können. Zudem wurden auch Gurgeltest[s] als PCR-Test[s] akzeptiert, bei denen es vorweg weder zu Nasenbluten noch zum Austritt von Hirnflüssigkeit kommen kann (s FAQ zu den Testmöglichkeiten in der Anlage).
Zum Vorbringen, die angefochtene Verordnung verletze den Antragsteller in seinem Recht auf freie Mandatsausübung als Bundesrat (Art56 Abs1 B‑VG):
1. Der Antragsteller erachtet sich in seinem Recht auf freie Mandatsausübung als Bundesrat durch die mit der angefochtenen Verordnung angeordneten Ausreisetests beschränkt, weil ihm dadurch die Duldung eines medizinischen Eingriffs in Form einer schmerzhalten Testung unter sonstiger Strafdrohung vor Reisen vom Wohnort und Wahlkreis des Antragstellers in das Parlament in Wien auferlegt werde.
2. Vom Rechts‑, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst der Parlamentsdirektion wurde am 17. März 2020 eine rechtliche Einschätzung betreffend den Aktionsradius der Abgeordneten in der aktuellen Krisensituation veröffentlicht (s https://www.parlament.gv.at/ZUSD/PDF/Aktionsradius_Abgeordnete_RLW_20200317.pdf , zuletzt abgerufen am 26.4.2021). Die Parlamentsdirektion kommt zum Ergebnis, dass das 'freie Mandat [...] gemäß Art56 B‑VG die Rede‑, Meinungs- und Abstimmungsfreiheit der Abgeordneten [garantiert]. Damit ist das Recht auf Teilnahme an Sitzungen des NR untrennbar verbunden. Wenn einzelne Abgeordnete aktiv an der Teilnahme an der Sitzung (insb. an Abstimmungen) gehindert werden, etwa um ein bestimmtes Abstimmungsergebnis zu erzielen, könnte das im Sinne der Rechtsprechung des VfGH als eine qualifizierte, die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzesbeschlusses im Sinne des Art140 Abs1 B‑VG beeinträchtigende Missachtung des GOG‑NR und zusätzlich als Verletzung von Art56 B‑VG erachtet werden. Demgegenüber müssen andere Gründe, die einzelne Abgeordnete an der Sitzungsteilnahme hindern, keinen Eingriff in das freie Mandat darstellen.' Die Parlamentsdirektion führt weiters aus, dass in den Verordnungen betreffend Verkehrsbeschränkungen, die grundsätzlich für alle Bewohner der betroffenen Ortschaften gelten, keine ausdrückliche Ausnahme für Abgeordnete normiert worden sei, jedoch Ausnahmen für Dienstleistungen im Bereich der Daseinsvorsorge, zu der auch der öffentliche Verwaltungsdienst gezählt werde, enthalten wären und daher für eine Abwägung zwischen gesundheitlichen und beruflichen Interessen offen seien.
Weiter gehen noch Eberhard und Kopetzki in ihrer gutachterlichen Stellungnahme zum Aktionsradius der Abgeordneten in der aktuellen Krisensituation vom April 2020 (abrufbar unter https://www.parlament.gv.at/ZUSD/PDF/Aktionsradius_Abgeordnete_Eberhard_Kopetzki_20200403.pdf , zuletzt abgerufen am 26. April 2021): Nach dem aus dem Prinzip der parlamentarischen Demokratie abgeleiteten Grundsatz des freien Mandates (Art56 Abs1 B‑VG) sollen Abgeordnete bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an niemandes Weisungen gebunden sein. Art56 B‑VG räume den Abgeordneten jedoch keine Sonderstellung gegenüber den für alle anderen Personen geltenden gesetzlichen Bindungen und Verpflichtungen ein, sofern die Verfassung nicht ausnahmsweise etwas Abweichendes vorsehe, wie sie es etwa im Zusammenhang mit dem Immunitätsschutz tue. Andernfalls würde mit dem freien Mandat eine gesetzesungebundene Position von Mandataren geschaffen, die weder historisch intendiert noch im Hinblick auf den Gleichheitssatz verfassungsrechtlich zulässig wäre. Daher sei aus dem freien Mandat kein spezifischer Schutz der Bewegungsfreiheit der Abgeordneten ableitbar und könnten epidemierechtliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit keine Einschränkung des Grundsatzes des freien Mandates nach Art56 Abs1 B‑VG mit sich bringen.
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen geht die Behauptung des Antragstellers, er werde durch die angefochtene Verordnung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Mandatsausübung verletzt, ins Leere."
7. Der Landeshauptmann von Tirol schloss sich den Ausführungen des Bezirkshauptmanns des politischen Bezirks Schwaz an und sah von der Erstattung einer Äußerung ab.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit verletzt.
Nicht jedem Normadressaten kommt aber die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
1.2. Die Antragsteller sind durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen unmittelbar und aktuell betroffen. Durch die angefochtenen Bestimmungen wird den Antragstellern untersagt, den politischen Bezirk Schwaz (bzw Teile davon) – in dem beide Antragsteller wohnhaft sind – ohne Nachweis eines negativen Ergebnisses eines Antigen- bzw molekularbiolgischen Tests auf COVID‑19 (bezeichnet "SARS‑CoV‑2") zu verlassen (§2 iVm §1 Ausreiseverordnung), sofern kein Ausnahmetatbestand (§3 Ausreiseverordnung) vorliegt.
1.3. In der vorliegenden Konstellation erweisen sich die Anträge auch nicht deswegen mangels aktueller Betroffenheit als unzulässig, weil die angefochtenen Verordnungsbestimmungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getreten sind:
1.3.1. Aus dem Wortlaut des Art139 Abs1 Z3 B‑VG ("verletzt zu sein behauptet") ergibt sich, dass die angefochtenen Verordnungsbestimmungen zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreifen müssen (siehe statt vieler zu Verordnungsbestimmungen VfSlg 12.634/1991, 13.585/1993, 14.033/1995; zu Gesetzesbestimmungen VfSlg 9096/1981, 12.447/1990, 12.870/1991, 13.214/1992, 13.397/1993).
Der Verfassungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass die bekämpften Verordnungsbestimmungen auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung für den Antragsteller noch entsprechend wirksam sein müssen (vgl für Verordnungsbestimmungen VfSlg 12.413/1990, 12.756/1991, 12.877/1991, 14.712/1996, 14.755/1997, 15.852/2000, 16.139/2001, 19.391/2011; für Gesetzesbestimmungen VfSlg 12.999/1992, 16.621/2002, 16.799/2003, 17.826/2006, 18.151/2007; VfGH 6.3.2019, G318/2018), was in der Regel dann nicht mehr der Fall ist, wenn die bekämpften Bestimmungen bereits außer Kraft getreten oder wesentlich geändert worden sind und damit das Ziel des Art139 Abs1 Z3 B‑VG schon erreicht ist (zB VfSlg 17.653/2005, 18.284/2007, 18.837/2009, 15.491/1999, 19.391/2011). Es ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch bereits außer Kraft getretene Regelungen die Rechtssphäre des Antragstellers aktuell berühren (vgl zB VfSlg 16.581/2002, 18.235/2007; 10.313/1984, 15.888/2000, 17.798/2006; allgemein auch zB 15.116/1998, 17.826/2006; 12.976/1992). Solches hat der Verfassungsgerichtshof bislang insbesondere dann angenommen, wenn es sich um einen auf einzelne Kalenderjahre bezogenen Anspruch handelt (VfSlg 16.581/2002) oder wenn die außer Kraft getretene Bestimmung die Rechtssphäre des Antragstellers weiterhin etwa in Beziehung auf privatrechtliche Verträge, die der Anfechtende während des Zeitraums der Geltung abgeschlossen hat, unmittelbar berührt (VfSlg 12.976/1992).
Insbesondere erachtet der Verfassungsgerichtshof eine entsprechende Wirksamkeit angefochtener Verordnungsbestimmungen und damit die Antragslegitimation ungeachtet des Umstandes, dass die Verordnung bereits außer Kraft getreten ist, bei zeitraumbezogenen Regelungen für gegeben, weil diese für den entsprechenden Zeitraum weiterhin anzuwenden sind (siehe VfSlg 10.820/1986 sowie insbesondere die Rechtsprechung zu sogenannten Systemnutzungstarifen im Energierecht VfSlg 15.888/2000, 15.976/2000, 17.094/2003, 17.266/2004, 17.798/2006, 19.840/2013).
1.3.2. Wie Art139 Abs4 (und ebenso Art140 Abs4) B‑VG deutlich macht, kann bzw muss dem Rechtsschutzziel eines Antrages nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG in bestimmten Konstellationen auch durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen werden, dass die bekämpften Verordnungsbestimmungen gesetzwidrig waren.
Die von den Antragstellern bekämpften Verordnungsbestimmungen sind Teil eines gesetzlichen und verordnungsmäßigen Regelungssystems, das zur Bewältigung einer krisenhaften Situation, der Bekämpfung der COVID‑19-Pandemie und ihrer Auswirkungen, dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gesetzgeber Ermächtigungen für die Verwaltung erlassen hat, auf die Verordnungen gestützt werden, die Ge- und Verbote enthalten, die unmittelbar (verfassungsgesetzlich gewährleistete) Rechte einschränken und die Nichteinhaltung dieser Anordnungen unter Strafe stellen. Anlass und Zielsetzung dieses Regelungssystems verlangen von der Vollziehung eine laufende Beobachtung und Anpassung ihrer Maßnahmen, was eine rasche Abfolge von Bestehen und Änderung einzelner Verordnungen und Verordnungsbestimmungen bewirkt.
Ein Antrag nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG soll (wie auch ein solcher nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG) Rechtsschutz gewährleisten, wenn dieser gegen individuelle Rechtseingriffe durch (Gesetzes- oder) Verordnungsbestimmungen sonst nicht oder nur auf unzumutbarem Weg (zur diesbezüglichen Subsidiarität des Individualantrages vgl Rohregger, Art140 B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. 2003, Rz 163) erlangt werden kann. Insofern hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach festgestellt, dass der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips darin gipfelt, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet (VfSlg 11.196/1986, 16.245/2001).
Dem Rechtsschutzinteresse der Antragsteller an der Klärung, ob der durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen bewirkte Eingriff in ihre (Grund‑)Rechtssphäre, den zunächst hinzunehmen sie unter Strafsanktion verpflichtet sind, recht- und letztlich verfassungsmäßig erfolgte, kann angesichts des Umstandes, dass ansonsten Rechtsschutz nur bei Setzen einer strafbaren Handlung zu erlangen (gewesen) wäre, nur in einem Verfahren nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG Rechnung getragen werden. Dieses Rechtsschutzinteresse, das insoweit über den kurzen Zeitraum hinausreicht, in dem die angefochtenen Bestimmungen in Kraft gestanden sind (vgl das von einem ähnlichen Rechtsschutzgedanken getragene System der Maßnahmenbeschwerde oder die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Versammlungsuntersagungen, zB VfSlg 20.312/2019), bewirkt, dass im vorliegenden Fall die Rechtssphäre der Antragsteller auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes berührt wird, und begründet – noch (vgl VfSlg 10.819/1986, 11.365/1987) – die Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen, auch wenn diese zwischenzeitig außer Kraft getreten sind.
1.3.3. Der Antragsteller zu V90/2021 ficht die Stammfassung der Ausreiseverordnung vom 9. März 2021, SZ‑EPI‑9/21‑2021‑1, (in Kraft getreten am 11. März 2021) an. Mit Verordnung vom 10. März 2021, SZ‑EPI‑9/21‑2021‑2, (in Kraft getreten am 11. März 2021) wurde dem §3 Abs1 Ausreiseverordnung ein weiterer Ausnahmetatbestand hinzugefügt (siehe oben Punkt II.). Der Antragsteller zu V92/2021 ficht – wie sich aus den Beilagen zum Antrag zweifellos ergibt – die geänderte Fassung der Ausreiseverordnung vom 9. März 2021 an.
Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen sind zwar mit Ablauf des 25. März 2021 außer Kraft getreten bzw mit den (mittlerweile ebenso außer Kraft getretenen) Verordnungen des Bezirkshauptmannes des politischen Bezirks Schwaz vom 25. März 2021, SZ‑EPI‑9/21‑2021‑3, und vom 31. März 2021, SZ‑EPI‑9/21‑2021‑4, verlängert worden. Vor dem Hintergrund der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes greifen die angefochtenen Verordnungsbestimmungen dennoch unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragsteller ein und beeinträchtigen ihre rechtlich geschützten Interessen auch noch aktuell (vgl VfGH 14.7.2020, V363/2020; V395/2020; V396/2020; V411/2020; G202/2020).
1.3.4. Nach §57 Abs1 VfGG muss der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach oder bestimmte Stellen als gesetzwidrig aufgehoben werden.
1.3.5. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat (siehe nur VfSlg 20.161/2017 mwN), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen eine untrennbare Einheit bilden. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle etwa als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 17.512/2005, 19.413/2011, 20.161/2017).
Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, durch die seine (rechtlich geschützten) Interessen aktuell beeinträchtigt sind und die mit diesen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach §57 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, durch welche die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht aktuell beeinträchtigt sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Gesetzwidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden, die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen offensichtlich trennbar, führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), ist der Antrag insgesamt zulässig (vgl VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle einer ganzen Verordnung), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).
1.3.6. Die Antragsteller begehren jeweils mit ihrem (Haupt‑)Antrag die Aufhebung der Ausreiseverordnung (der Antragsteller zu V90/2021 in der Stammfassung vom 9. März 2021 und der Antragsteller zu V92/2021 in der geänderten Fassung vom 10. März 2021) zur Gänze.
1.3.7. Der jeweilige (Haupt‑)Antrag auf Aufhebung der gesamten Verordnung erweist sich als zulässig. Anders als in jenen Fällen, in denen der Verfassungsgerichtshof die Anfechtung eines gesamten Regelwerks für unzulässig erklärt hat (vgl zB VfGH 29.9.2015, G324/2015; VfSlg 20.112/2016; VfGH 14.7.2020, G180/2020 ua), greifen sämtliche Regelungen der Ausreiseverordnung derart ineinander, dass eine insolierte Anfechtung einer einzelnen Bestimmung nicht möglich ist. Die Verordnung enthält nämlich nicht mehrere voneinander trennbare Tatbestände und die Bedenken der Antragsteller beziehen sich auf sämtliche (wesentliche) Bestimmungen der Verordnung, weswegen die Anfechtung der gesamten Verordnung zulässig ist (vgl VfGH 3.3.2021, V75/2019 ua).
1.3.8. Den Antragstellern steht auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, weil den Antragstellern im Fall des Zuwiderhandelns gegen die angefochtenen Bestimmungen eine Verwaltungsstrafe nach §40 EpiG droht (vgl zB VfGH 3.3.2021, V75/2019 ua mwN).
1.3.9. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Die Ermächtigung in §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 determiniert den Verordnungsgeber in folgender Hinsicht:
2.2.1. §24 erster Satz EpiG idF BGBl I 33/2021 ermöglicht, Verkehrsbeschränkungen für in einem Epidemiegebiet aufhältige Personen zu verfügen, sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren (Weiter‑)Verbreitung unbedingt erforderlich ist. Gemäß §24 zweiter Satz EpiG idF BGBl I 33/2021 können ebenso Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete "von außen" angeordnet werden.
Die Verordnungsermächtigung zur Verhängung von Verkehrsbeschränkungen in einem (Epidemie‑)Gebiet nach §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 hat – wie alle im II. Hauptstück des Epidemiegesetzes 1950 vorgesehenen Maßnahmen – die Verhinderung der Ausbreitung ansteckender, nach dem Epidemiegesetz 1950 meldepflichtiger Krankheiten vor Augen. Dies mit der Einschränkung, dass die Verkehrsbeschränkung "im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist".
2.2.2. §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 legt das Ziel einer möglichen Verkehrsbeschränkung zwischen Personen eines bestimmten (Epidemie‑)Gebietes mit dem Schutz vor der (Weiter‑)Verbreitung einer meldepflichtigen Krankheit fest. Welche Krankheiten "meldepflichtig" (bzw "anzeigepflichtig") sind, ist in §1 EpiG bestimmt, wobei der Bundesminister für Gesundheit und Frauen (nunmehr: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) durch Verordnung weitere übertragbare Krankheiten der Meldepflicht unterwerfen kann (§1 Abs2 EpiG).
2.2.3. Dem Verordnungsgeber ist im Hinblick auf die Entscheidung, ob bzw in welcher Ausgestaltung eine Verkehrsbeschränkung in einem bestimmten (Epidemie‑)Gebiet in Anbetracht der "Art und des Umfanges" der dort auftretenden meldepflichtigen Krankheit nach §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 zur Verhinderung der (Weiter‑)Verbreitung "unbedingt erforderlich" ist, ein Einschätzungs- und Prognosespielraum übertragen. Der Verordnungsgeber hat zu beurteilen, ob und inwieweit er zur Verhinderung der (Weiter‑)Verbreitung der meldepflichtigen Krankheit die Beschränkung der Aus- und Einreise in ein bestimmtes Gebiet für erforderlich hält, und dabei eine Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen der betroffenen Personen vorzunehmen. Der Verordnungsgeber hat also in Ansehung des Standes und der Ausbreitung der Krankheit sowie der in Geltung stehenden übrigen Maßnahmen notwendig prognosenhaft zu beurteilen, ob und inwieweit die Beschränkung der Aus- und Einreise in ein (Epidemie‑)Gebiet geeignet, erforderlich und insgesamt angemessen ist (vgl zur Verordnungsermächtigung nach §5c EpiG VfGH 10.3.2021, V573/2020).
2.2.4. Die Zuständigkeit zur Verhängung von Verkehrsbeschränkungen nach §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 kommt gemäß §43a Abs3 EpiG den Bezirksverwaltungsbehörden zu, wenn der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister oder der Landeshauptmann keine entsprechende Verordnung erlassen haben oder zusätzliche Maßnahmen festgelegt werden.
2.3. Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen regeln Anforderungen für das Verlassen des politischen Bezirks Schwaz für den Zeitraum von 11. März bis 25. März 2021. Vorgesehen wurde die (Ausreise‑)Bedingung, den politischen Bezirk Schwaz – mit Ausnahme des Rißtals im Gemeindegebiet Vomp und Eben am Achensee (§1 Ausreiseverordnung) – nur mit gültigem Nachweis über ein negatives Ergebnis eines Antigen- oder molekularbiologischen Tests auf COVID‑19 (in der Ausreiseverordnung bezeichnet als "SARS‑CoV‑2") verlassen zu dürfen. Dies galt für Personen mit Wohnsitz im genannten Gebiet sowie Personen, die sich dort durchgehend über einen Zeitraum von mehr als 24 Stunden aufhielten (§2 iVm §1 Ausreiseverordnung), sofern die Person nicht einen Ausnahmegrund im Sinne des §3 Ausreiseverordnung glaubhaft machen konnte.
Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen stellen eine Ausreisebeschränkung für Personen mit Wohnsitz bzw Aufenthalt im politischen Bezirk Schwaz – mit Ausnahme des Rißtals im Gemeindegebiet Vomp und Eben am Achensee – im Sinne des §24 erster Satz EpiG idF BGBl I 33/2021 dar. Hintergrund der angefochtenen Verordnungsbestimmungen war – wie im Verordnungsakt hinreichend dokumentiert und in der Äußerung des Bezirkshauptmannes Schwaz nachvollziehbar begründet wird – das zunehmende Auftreten neuer Varianten von COVID‑19 im Bundesland Tirol. Der Bezirkshauptmann des politischen Bezirks Schwaz erließ die angefochtenen Verordnungsbestimmungen zur Verhinderung der (Weiter‑)Verbreitung der im Zeitpunkt der Verordnungserlassung und im gesamten Geltungszeitraum der angefochtenen Verordnungsbestimmungen (11. März bis 25. März 2021) im politischen Bezirk Schwaz aufgetretenen (Virus‑)Mutation von COVID‑19 "B.1.351" (auch bezeichnet als "südafrikanische Mutation"). Wie sich aus dem vorgelegten Verordnungsakt ergibt, berücksichtigte der Bezirkshauptmann des politischen Bezirks Schwaz im Rahmen seiner Entscheidung über die Verhängung der Verkehrsbeschränkung nach §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 unter anderem die von der Landessanitätsdirektion des Amtes der Tiroler Landesregierung zur Verfügung gestellten Infektionszahlen im politischen Bezirk Schwaz, die auf eine Ausweitung der – als erhöht ansteckend eingestuften – Virusmutation B.1.351 hinwiesen. Der Bezirkshauptmann des politischen Bezirks Schwaz erließ die angefochtene Ausreisebeschränkung als Teil eines Maßnahmenpaketes zur Bekämpfung der (Weiter‑)Verbreitung von COVID‑19, das unter anderem ein verstärktes Testangebot (zB PCR-Gurgeltests, Testschwerpunkte in Schulen in Gemeinden mit hohen Infektionszahlen, kostenlose Betriebstestungen), verstärkte gesundheitsbehördliche und polizeiliche Kontrollen der Einhaltung von COVID‑19-Schutzvorschriften, Contact-Tracing und Absonderungen von Verdachtsfällen umfasste. Aus dem Verordnungsakt geht hervor, dass der Verordnungsgeber (bzw die Landessanitätsdirektion des Amts der Tiroler Landesregierung) die angefochtene Verkehrsbeschränkung anhand der Entwicklung der Infektionszahlen in regelmäßigen Abständen evaluierte und die Notwendigkeit der Verkehrsbeschränkung während des Geltungszeitraums der Ausreiseverordnung laufend überprüfte.
2.4. Zum behaupteten Verstoß gegen §24 iVm §43a EpiG idF BGBl I 33/2021 und das Recht auf Freizügigkeit nach Art4 Abs1 StGG und Art2 4. ZPEMRK:
2.4.1. Die Antragsteller sind der Auffassung, die angefochtenen Verordnungsbestimmungen fänden in §24 iVm §43a EpiG idF BGBl I 33/2021 keine gesetzliche Grundlage und griffen in unverhältnismäßiger Weise in das Recht auf Freizügigkeit der Antragsteller nach Art4 Abs1 StGG und Art2 4. ZPEMRK ein. Die Verordnungsermächtigung in §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 verlange, dass eine Verkehrsbeschränkung zum Schutz vor der (Weiter‑)Verbreitung einer meldepflichtigen Krankheit "unbedingt erforderlich" sei. Eine solche "unbedingte Erforderlichkeit" der Verkehrsbeschränkung sei im Hinblick auf die Infektionszahlen im politischen Bezirk Schwaz bzw im Bundesland Tirol im Vergleich zu anderen Bundesländern nach Ansicht der Antragsteller zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung nicht gegeben gewesen.
Ein Verstoß gegen das Recht auf Freizügigkeit der Antragsteller liege vor, weil die Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz für die Antragsteller durch die in §2 Ausreisverordnung vorgesehene "Testpflicht" vom "Zwang medizinischer Eingriffe" abhängig gemacht werde. Die "Testpflicht" sei zudem in Anbetracht der "breitflächigen Ausnahmeregelung" (§3 Ausreiseverordnung) zur Zielerreichung ungeeignet.
2.4.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Ansicht der Antragsteller nicht:
2.4.2.1. Gemäß Art4 Abs1 StGG unterliegt die Freizügigkeit der Person innerhalb des Staatsgebietes keiner Beschränkung. Dieses Grundrecht schützt davor, durch die Staatsgewalt daran gehindert zu werden, sich an einen bestimmten Ort oder in ein bestimmtes, räumlich begrenztes Gebiet zu begeben. Art2 Abs1 4. ZPEMRK garantiert jeder Person, die sich rechtmäßig in Österreich aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen, somit die Möglichkeit, nach Belieben "zu kommen und zu gehen" (EGMR 22.2.1994, Fall Raimondo, Appl 12.954/87, [Z39]; 1.7.2004, Fall Vito Sante Santoro, Appl 36.681/97 [Z43]). Diese Freiheit, an jeden Ort zu gehen und an jedem Ort zu bleiben, ist ein wesentlicher Teil der Selbstbestimmung des Menschen. Die Freizügigkeit ist aber auch Voraussetzung für die Wahrnehmung einer Reihe anderer Rechte und Freiheiten (siehe Pöschl, Art2 4. ZPEMRK, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. 2003, Rz 6). Schließlich steht es nach Art2 Abs2 des 4. ZPEMRK jedermann frei, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen.
Die Freizügigkeit ist nicht schrankenlos gewährleistet. Schon in VfSlg 3447/1958 hat der Verfassungsgerichtshof mit Blick unter anderem auf behördlich angeordnete Seuchenmaßnahmen ausgeführt, dass diese durch öffentliche Rücksichten geboten sein und sich daher ihrem Inhalt und ihrem örtlichen und zeitlichen Wirkungsbereich nach auf die Wahrung dieser Rücksichten beschränken müssen (in der Folge hat der Verfassungsgerichtshof den, Art4 Abs1 StGG immanenten Gesetzesvorbehalt dadurch begrenzt gesehen, dass der Gleichheitsgrundsatz durch öffentliche Rücksichten nicht gebotene Einengungen der Freizügigkeit mittels willkürlicher Veränderung der Rechtsordnung verhindert, siehe VfSlg 7379/1974, 7686/1975, 8373/1978 und zur Kritik an dieser Rechtsprechung mwN Pöschl, Art4 StGG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg. 2002, Rz 44 f.). Nach dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art2 Abs3 4. ZPEMRK – der besondere Gesetzesvorbehalt des Art2 Abs4 4. ZPEMRK (zu dessen Zielrichtung siehe Pöschl, Art2 4. ZPEMRK, Rz 67) spielt im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Maßnahmen keine Rolle – müssen Einschränkungen der Freizügigkeit gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft unter anderem im Interesse des Schutzes der Gesundheit notwendig sein. Einschränkungen der durch Art4 Abs1 StGG und Art2 Abs1 4. ZPEMRK gewährleisteten Freizügigkeit sind daher verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn sie gesetzlich zum Zwecke eines legitimen öffentlichen Interesses vorgesehen und zur Zielerreichung geeignet, erforderlich sowie verhältnismäßig im engeren Sinn sind (vgl VfGH 14.7.2020, V363/2020).
2.4.2.2. In diesem Sinne ist auch die in §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 vorgesehene Einschränkung der Verordnungsermächtigung zu sehen, wonach Verkehrsbeschränkungen zum Schutz vor der (Weiter‑)Verbreitung einer meldepflichtigen Krankheit nur vorgesehen werden dürfen, soweit sie im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens der Krankheit "unbedingt erforderlich" sind. Die Frage, ob die angefochtenen Verordnungsbestimmungen ihre gesetzliche Grundlage in §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 finden, ist somit im Lichte des Art4 Abs1 StGG und Art2 4. ZPEMRK zu beurteilen.
2.4.2.3. Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen werden dem im Lichte der Anforderungen des Art4 Abs1 StGG und Art2 4. ZPEMRK zu verstehenden §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 gerecht. Die Verkehrsbeschränkung bei der Ausreise aus dem Bezirk Schwaz dient dem Ziel des Gesundheitsschutzes, nämlich der Verhinderung der (Weiter‑)Verbreitung von COVID‑19 (bzw sämtlicher Virusmutationen), im Sinne des Art2 Abs3 4. ZPEMRK. Der in §2 Ausreiseverordnung für die Überschreitung der Grenzen des politischen Bezirks Schwaz (bzw Teilen davon) verlangte Nachweis eines negativen Ergebnisses eines Antigen-Tests oder eines molekularbiologischen Tests auf COVID‑19, der nicht mehr als 48 bzw 72 Stunden zurückliegen durfte, ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet: Der Verfassungsgerichtshof geht – anders als die Antragsteller – davon aus, dass der in §2 Ausreiseverordnung verlangte Nachweis des Infektionsstatus anhand eines hinreichend aktuellen Testergebnisses einer hiezu befugten Stelle (§4 Ausreiseverordnung) ein geeignetes Mittel ist, um die Ausreise von mit COVID‑19 infizierten Personen hintanzuhalten und damit die (Weiter‑)Verbreitung des Virus einzudämmen. Daran vermag auch der Ausnahmenkatalog in §3 Ausreiseverordnung nichts zu ändern: Die in §3 Ausreiseverordnung aufgelisteten Ausnahmetatbestände von der Nachweispflicht eines gültigen negativen Testergebnisses auf COVID‑19 bei der Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz (bzw Teilen davon) stellen allesamt auf den dringenden Bedarf der Überschreitung der Bezirksgrenzen bzw die Aufrechterhaltung des Versorgung des betroffenen (Epidemie‑)Gebietes ab. Die im Übrigen geltende Verpflichtung zur Vorlage eines gültigen Nachweises des negativen Infektionsstatus bei der Ausreise ist auch im Hinblick auf die in §3 Ausreiseverordnung bestimmten Ausnahmen geeignet, die (Weiter‑)Verbreitung von COVID‑19 (bzw der Virusmutation B.1.351) über die Grenzen des politischen Bezirks Schwaz einzudämmen.
Wie bereits unter Punkt 2.3. ausgeführt, ist im Verordnungsakt und in der Äußerung des Bezirkshauptmannes des politischen Bezirks Schwaz nachvollziehbar dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung und während der Geltungsdauer der angefochtenen Ausreiseverordnung(en) von einem erhöhten Auftreten der Virusmutation B.1.351 im politischen Bezirk Schwaz (bzw in Teilen desselben) auszugehen war. Die mit der "Testpflicht" für die Ausreise gemäß §2 Ausreiseverordnung verbundene Einschränkung der Freizügigkeit der im umfassten Gebiet wohnhaften bzw aufhältigen Personen ist im Lichte des verfolgten Ziels der Verhinderung der (Weiter‑)Verbreitung dieser Virusmutation verhältnismäßig. Zunächst handelt es sich bei der in §2 Ausreiseverordnung vorgesehenen Verpflichtung zum Nachweis eines negativen Testergebnisses auf COVID‑19 bei der Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz (bzw Teilen davon) um keinen schwerwiegenden Eingriff in Art4 Abs1 StGG und Art2 Abs1 4. ZPEMRK, zumal die Bewegungsfreiheit für Bewohner bzw Aufhältige innerhalb des Bezirks von der Ausreisebeschränkung unberührt blieb. Der gemäß §2 Ausreiseverordnung für die Ausreise verlangte Nachweis eines negativen Antigen- bzw molekularbiologischen Testergebnisses auf COVID‑19 ist im Hinblick auf die Verfügbarkeit solcher Tests, die angewendeten (Test‑)Verfahren, die Dauer der Gültigkeit des Nachweises über das negative Testergebnis und die Ausnahmetatbestände in §3 Ausreiseverordnung gerechtfertigt.
Ausgehend von den im Verordnungsakt dokumentierten Entscheidungsgrundlagen und festgestellten Tatsachen erweist sich die Verhängung der zeitlich befristeten Ausreisebeschränkung zum Schutz vor der (Weiter‑)Verbreitung von COVID‑19 bzw der Virusmutation B.1.351 zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung und während der Geltungsdauer der angefochtenen Verordnungsbestimmungen als verhältnismäßige Verkehrsbeschränkung im Sinne des §24 EpiG idF BGBl I 33/2021. Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen sind somit – anders als die Antragsteller meinen – im Sinne des §24 EpiG idF BGBl I 33/2021 "unbedingt erforderlich" und damit rechtmäßig.
2.4.2.4. Da zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der angefochtenen Verordnungsbestimmungen am 11. März 2021 weder der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz noch der Landeshauptmann von Tirol eine (Ausreise‑)Verordnung nach §24 EpiG für den politischen Bezirk Schwaz erlassen hatte, war der Bezirkshauptmann des politischen Bezirks Schwaz zur Erlassung der angefochtenen Verordnungsbestimmungen gemäß §43a Abs3 EpiG jedenfalls zuständig.
2.4.3. Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen finden dementsprechend in §24 EpiG iVm §43a Abs3 EpiG idF BGBl I 33/2021 ihre gesetzliche Grundlage und sind mit dem Recht auf Freizügigkeit gemäß Art4 Abs1 StGG und Art2 4. ZPEMRK vereinbar.
2.5. Zum behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art2 StGG und Art7 B‑VG:
2.5.1. Die Antragsteller bringen unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes das Bedenken vor, die angefochtenen Verordnungsbestimmungen behandelten Personen, die – etwa in Folge einer überstandenen Infektion mit COVID‑19 – "neutralisierende Antikörper" aufwiesen, ohne sachlichen Grund gleich wie Personen, die keine Antikörper gegen COVID‑19 aufwiesen: Von beiden Personengruppen werde der gültige Nachweis eines negativen Ergebnisses eines Tests im Hinblick auf COVID‑19 für die Überschreitung der Grenzen (von Teilen) des politischen Bezirks Schwaz verlangt. Dies sei insbesondere deshalb unsachlich, weil der Antigen- bzw molekularbiologische Test lediglich eine "Momentaufnahme" darstelle, während der Nachweis neutralisierender Antikörper eine aktive Immunabwehr gegen COVID‑19 belege.
2.5.2. Wie der Bezirkshauptmann des politischen Bezirks Schwaz in seiner Äußerung nachvollziehbar begründet, war Hintergrund dafür, dass keine Ausnahme für Personen, die wegen einer überstandenen Erkrankung oder Impfung über Antikörper gegen COVID‑19 verfügen, vorgesehen wurde, die Eigenschaft der im politischen Bezirk Schwaz auftretenden Virusmutationen. Es entsprach dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung, dass die Mutation von COVID‑19 B.1.351 die Immunantwort genesener oder bereits gegen COVID‑19 geimpfter Personen zu beeinträchtigen vermochte. Gerade im Hinblick auf die beobachteten – im Verordnungsakt dokumentierten – Reinfektionen ist die Einbeziehung von Personen mit (neutralisierenden) Antikörpern gegen COVID‑19 in die angefochtene Verkehrsbeschränkung sachlich begründet gewesen. Die behauptete unsachliche Gleichbehandlung ungleicher Personen durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen liegt somit nicht vor.
2.6. Zum behaupteten Verstoß gegen die Erwerbs(ausübungs)freiheit gemäß Art6 StGG:
2.6.1. Der Antragsteller zu V90/2021 äußert weiters das Bedenken, die angefochtene Ausreiseverordnung verletze sein Recht auf Erwerbs(ausübungs)freiheit, weil der Antragsteller in Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt daran gehindert werde, Mandanten in seiner Kanzlei in Innsbruck persönlich zu beraten. Er dürfe zwar gemäß §3 Abs1 litj Ausreiseverordnung unaufschiebbare behördliche und gerichtliche Wege außerhalb des politischen Bezirks Schwaz ohne Nachweis eines negativen COVID‑19-Testergebnisses verrichten, für seine übrigen Tätigkeiten, die eine Überschreitung der Grenzen des politischen Bezirks Schwaz erforderten, benötigte der Antragsteller bzw seine Mandanten jedoch einen Nachweis gemäß §2 Ausreiseverordnung.
2.6.2. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes vermag das Vorbringen des Antragstellers keine Verletzung der Erwerbs(ausübungs)freiheit des Antragstellers gemäß Art6 StGG zu begründen. Soweit die angefochtenen Verordnungsbestimmungen die Erwerbs(ausübungs)freiheit überhaupt berühren, überwiegt jedenfalls das Interesse am Gesundheitsschutz die mit dem Nachweis eines negativen Testergebnisses verbundenen allfälligen Beeinträchtigungen der Erwerbsausübung als Rechtsanwalt. Die in §3 Abs1 Ausreiseverordnung normierten Ausnahmen orientierten sich an den (unaufschiebbaren) Grundbedürfnissen der von der Ausreiseverordnung Betroffenen. Im Übrigen kann auf die Ausführungen unter Punkt 2.4.2.3. verwiesen werden.
2.7. Zum behaupteten Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art8 EMRK sowie auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art3 GRC:
2.7.1. Der Antragsteller zu V90/2021 behauptet darüber hinaus, die bekämpfte Ausreiseverordnung greife "massiv" in sein unter Art8 EMRK geschütztes Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper ein. Der Antragsteller müsse sich – um seinen Beruf weiterhin ausüben bzw den Erhalt seiner Familie sichern zu können – alle zwei bis drei Tage einem Test auf COVID‑19 unterziehen und damit sein Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper "aufgeben".
In diese Richtung geht auch das Vorbringen des Antragstellers zu V92/2021 unter Art3 GRC, demnach das Verfahren eines Antigen- oder molekularbiologischen Tests auf COVID‑19 mit "schmerzhaften körperlichen Eingriffen" verbunden sei, weil körpereigenes Untersuchungsmaterial aus der Nase entnommen werden müsse. Die Probenentnahme könne wegen der Verletzung der Schleimhäute zu Nasenbluten führen; vereinzelt führe ein Anwendungsfehler auch zum Austritt von Hirnflüssigkeit.
2.7.2. Dem Vorbringen der Antragsteller unter Art8 EMRK und – seine Anwendbarkeit vorausgesetzt – Art3 GRC ist nicht zu folgen, weil die mit einem Antigen- bzw molekularbiologischen Test auf COVID‑19 allenfalls verbundene Beeinträchtigung der physischen Integrität im Hinblick auf das verfolgte Ziel gerechtfertigt ist. Der Verordnungsgeber verhängte die angefochtene "Testpflicht" bei der Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz (bzw Teilen davon) zum Schutz der Gesundheit anderer, in concreto zum Schutz vor einer Infektion mit COVID‑19 bzw bestimmter Virusmutationen. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes überwiegt – aus den bereits unter Punkt 2.4.2.3. angeführten Gründen – der Gesundheitsschutz die seitens der Antragsteller unter Art8 EMRK und Art3 GRC ins Treffen geführten Interessen.
2.8. Zum behaupteten Verstoß gegen Art56 B‑VG:
2.8.1. Der Antragsteller zu V92/2021 bringt ferner vor, durch die §2 Ausreiseverordnung im Recht auf freie Mandatsausübung als Mitglied des Bundesrates gemäß Art56 Abs1 B‑VG verletzt zu sein.
2.8.2. Ein Verstoß des §2 Ausreiseverordnung gegen Art56 Abs1 B‑VG liegt aus den unter Punkt 2.4.2.3. dargelegten Gründen nicht vor: Im verlangten Nachweis eines gültigen negativen Testergebnisses im Hinblick auf COVID‑19 für die Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz (bzw Teilen davon) vermag der Verfassungsgerichtshof – auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit des vorgesehenen Test(verfahren)s – keinen Verstoß gegen Art56 Abs1 B‑VG zu sehen. Das unter Art56 Abs1 B‑VG geäußerte Bedenken des Antragstellers geht somit ins Leere.
V. Ergebnis
1. Die von den Antragstellern ob der (Verfassungs‑)Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 9. März 2021 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 betreffend die Ausreise aus dem politischen Bezirk Schwaz, in der Stammfassung SZ‑EPI‑9/21‑2021‑1 und in der geänderten Fassung SZ‑EPI‑9/21‑2021‑2, geltend gemachten Bedenken treffen allesamt nicht zu.
Die Anträge sind daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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