VfGH V429/2020

VfGHV429/20201.10.2020

Gesetzwidrigkeit einer COVID-19-Maßnahmenverordnung betreffend Betretungsverbote für Gastgewerbebetriebe zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 mangels ausreichender Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen

Normen

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 Z3
COVID-19-LockerungsV BGBl II 197/2020 §6
COVID-19-MaßnahmenG §1
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:V429.2020

 

Spruch:

I. 1. §6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden, BGBl II Nr 197/2020, war gesetzwidrig.

2. Die als gesetzwidrig festgestellte Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

II. Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, der antragstellenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG gestützten, zu V429/2020 protokollierten Antrag begehrt die antragstellende Partei, §6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (COVID-19-Lockerungsverordnung – COVID‑19‑LV), BGBl II 197/2020, als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen der COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, lauten (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Öffentliche Orte

§1. (1) Beim Betreten öffentlicher Orte im Freien ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.

(2) Beim Betreten öffentlicher Orte in geschlossenen Räumen ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.

(3) Im Massenbeförderungsmittel ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. Ist auf Grund der Anzahl der Fahrgäste sowie beim Ein- und Aussteigen die Einhaltung des Abstands von mindestens einem Meter nicht möglich, kann davon ausnahmsweise abgewichen werden.

 

Kundenbereiche

§2. (1) Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

1. Gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ist ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.

2. Kunden haben eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.

3. Der Betreiber hat sicherzustellen, dass er und seine Mitarbeiter bei Kundenkontakt eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung tragen, sofern zwischen den Personen keine sonstige geeignete Schutzvorrichtung zur räumlichen Trennung vorhanden ist, die das gleiche Schutzniveau gewährleistet.

4. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 10 m2 zur Verfügung stehen; ist der Kundenbereich kleiner als 10 m2, so darf jeweils nur ein Kunde die Betriebsstätte betreten. Bei Betriebsstätten ohne Personal ist auf geeignete Weise auf diese Voraussetzung hinzuweisen.

5. Für baulich verbundene Betriebsstätten (z. B. Einkaufszentren, Markthallen) gilt Z4 mit der Maßgabe, dass die Flächen der Kundenbereiche der Betriebsstätten und des Verbindungsbauwerks zusammenzuzählen sind und dass sich sowohl auf der so ermittelten Fläche als auch im Kundenbereich der jeweiligen Betriebsstätten maximal so viele Kunden gleichzeitig aufhalten dürfen, dass pro Kunde 10 m² der so ermittelten Fläche bzw des Kundenbereichs der Betriebsstätte zur Verfügung stehen.

(2) Kann auf Grund der Eigenart der Dienstleistung

1. der Mindestabstand von einem Meter zwischen Kunden und Dienstleister und/oder

2. vom Kunden das Tragen von einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung nicht eingehalten werden,

ist diese nur zulässig, wenn durch sonstige geeignete Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann.

(3) Abs1 ist sinngemäß auf Einrichtungen zur Religionsausübung anzuwenden.

(4) Abs1 Z1 bis 3 ist sinngemäß auf Märkte im Freien anzuwenden.

(5) Beim Betreten von Pflegeheimen, Krankenanstalten und Kuranstalten sowie beim Betreten von Orten, an denen Gesundheits- und Pflegedienstleistungen erbracht werden, hat der Betreiber bzw Dienstleistungserbringer durch geeignete Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko zu minimieren.

 

[…]

 

Gastgewerbe

§6. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.

(2) Abs1 gilt nicht für Gastgewerbetriebe [Gastgewerbebetriebe], welche innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

1. Krankenanstalten und Kuranstalten,

2. Pflegeanstalten und Seniorenheime,

3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten,

4. Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige genützt werden dürfen.

(3) Abs1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden.

(4) Abs1 gilt nicht für Campingplätze und öffentliche Verkehrsmittel, wenn dort Speisen und Getränke ausschließlich an Gäste des Campingplatzes bzw des öffentlichen Verkehrsmittels verabreicht und ausgeschenkt werden.

(5) Hinsichtlich der Ausnahmen gemäß Abs2 bis 4 ist sicherzustellen, dass gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten wird.

(6) Die Abholung vorbestellter Speisen ist zulässig, sofern diese nicht vor Ort konsumiert werden und gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten wird sowie eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung getragen wird.

(7) Abs1 gilt nicht für beruflich erforderliche Zwecke und für Lieferservice."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.1. Die antragstellende Partei betreibe einen Gastronomiebetrieb (Restaurant) und sei als Restaurantbetreiberin unmittelbar durch das in §6 Abs1 COVID‑19‑LV in der Stammfassung, BGBl II 197/2020, festgelegte Verbot, Betriebsstätten des Gastgewerbes zu betreten, in ihrer Rechtssphäre betroffen.

Die in §6 Abs2 bis 4 COVID-19-LV vorgesehenen Ausnahmen würden nur für spezifische Gastgewerbe, die im Wesentlichen der Versorgung von Personen, die am Ort des Gastgewerbes untergebracht seien (vgl §6 Abs2 Z1 bis 3, Abs3 und Abs4 erster Fall COVID-19-LV), die als Versorgungseinrichtung einem betrieblichen Zweck (§6 Abs2 Z4 COVID-19-LV) oder der Versorgung Reisender (§6 Abs4 zweiter Fall COVID-19-LV) dienen, gelten. Ausnahmen bestünden auch dann, wenn Speisen nicht am Ort des Gastgewerbes konsumiert würden (§6 Abs6 und Abs7 COVID-19-LV). Zwar seien die Ausnahmen des §6 Abs6 und Abs7 COVID-19-LV zur Abholung und Lieferung von Speisen auf die antragstellende Partei anwendbar; der Konsum von Speisen vor Ort sei allerdings auf Grund der angefochtenen Bestimmung untersagt, sodass die antragstellende Partei ihren Betrieb überwiegend nicht ausüben könne. Ein anderer zumutbarer Weg, die Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, sei nicht gegeben.

1.2. Die antragstellende Partei hegt Bedenken, dass die angefochtene Regelung gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art2 StGG, Art7 B‑VG), das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) und das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) verstoße:

§2 COVID‑19‑LV lege Voraussetzungen fest, unter deren Einhaltung das Betreten des Kundenbereiches von Betriebsstätten zulässig sei (zB Abstandsvorschriften, Tragen von Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtungen und Regelung der Kundendichte in Abhängigkeit von der Fläche des Kundenbereiches). Für Gastronomiebetriebe seien derartige Regelungen hingegen nicht vorgesehen. Für diese bestehe auf Grund des angefochtenen §6 COVID‑19-LV ein generelles Verbot, das den überwiegenden Geschäftszweig von Gastronomiebetrieben untersage. Unterschiede, die diese Ungleichbehandlung von Gastronomiebetrieben rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus stelle bei Abwägung aller Interessen eine Betriebsschließung eine unverhältnismäßige Beschränkung zum Schutz der Gesundheit dar. Dem Verordnungsgeber (sowie dem Gesetzgeber) sei zwar ein Spielraum dahingehend zuzugestehen, dynamisch auf aktuelle epidemiologische Entwicklungen zu reagieren, allerdings sei es angesichts der Entwicklung – dem seit Mitte April konstant niedrigen Niveau von Neuinfektionen – unverhältnismäßig, dass mit der Lockerung des generellen Betretungsverbotes im Bereich der Gastronomie zugewartet und eine solche erst für Mitte Mai in Aussicht gestellt werde.

Eine dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Behandlung sowie eine unverhältnismäßige Beschränkung der Unverletzlichkeit des Eigentums und der Freiheit der Erwerbsausübung würden ferner aus der fehlenden Entschädigung resultieren.

2. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (in der Folge: BMSGPK) hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den Bedenken der antragstellenden Partei im Wesentlichen wie folgt entgegentritt (ohne Hervorhebungen im Original):

"[…] Zu[r] behaupteten Verletzung des Gleichheitssatzes (Art2 StGG, Art7 B‑VG, des Grundrechts auf Freiheit der Erwerbstätigkeit (Art6 StGG) und auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1.ZPEMRK)

 

[…] Die Antragstellerin behauptet eine unsachliche Ungleichbehandlung von Betriebsstätten im Sinne des §2 Abs1 der Verordnung BGBl II Nr 197/2020 und Gaststätten im Sinne des §3 leg.cit. Während erstere unter den Voraussetzungen des §2 Abs1 betreten werden dürften, sei das Betreten von Gaststätten nach §6 Abs1 für den überwiegenden Teil der Gaststätten grundsätzlich verboten.

 

[…] Die Differenzierung zwischen den Betriebsstätten im Sinne des §2 Abs1 der Verordnung BGBl II 197/2020 und solchen des Gastgewerbes ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Rechtslage seit Erlassung der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 zu beurteilen: Aufgrund der epidemiologischen Situation und Risikobewertung […] war es zum Schutz der Gesundheit und des Lebens notwendig, flächendeckende Maßnahmen zur größtmöglichen Reduktion der sozialen Kontakte zu ergreifen. Vor diesem Hintergrund normierte die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 weitreichende Betretungsverbote auf der Grundlage des §1 COVID-19-Maßnahmengesetz. Gemäß §2 Abs1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 waren vom allgemeinen Betretungsverbot des §1 leg cit Bereiche ausgenommen, die der Aufrechterhaltung der Grundversorgung dienen. §3 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 untersagte das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe, wobei §3 Abs2 bis Abs5 (mit BGBl II Nr 130/2020 auch Abs6) Ausnahmen vorsah.

 

[…] Die gewählte Regelungstechnik eines zeitlich befristeten, umfassenden Verbots mit Ausnahmen gewährleistete dabei unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit eine kontinuierliche Überprüfung der Erforderlichkeit der Maßnahmen unter Berücksichtigung der epidemiologischen Entwicklungen und etwaiger neuer Erkenntnisse über die Krankheit: So wurde die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 zunächst mit einer Woche befristet (§4 Abs3), mit der Verordnung BGBl II Nr 110/2020 wurde die Geltungsdauer unter Berücksichtigung des weiteren Infektionsanstiegs bis 13.4.2020 verlängert. Mit BGBl II Nr 151/2020 wurde die Befristung bis 30.4.2020 verlängert, wobei erste Lockerungen der Betretungsverbote mit 14.4.2020 erfolgten. Ein nächster großer 'Öffnungsschritt' erfolgte durch die Verordnung BGBl II Nr 197/2020, mit der unter anderem unter bestimmten Voraussetzungen (vgl §2 Abs1 leg cit) das Betreten von Betriebsstätten unabhängig von deren Größe erlaubt wurde. Die Beschränkungen durch die Verordnung BGBl II Nr 197/2020 dienen – ebenso wie jene der Vorgängerregelung der Verordnung BGBl II 96/2020 – weiterhin dem Ziel der Verhinderung aller nicht unbedingt notwendigen sozialen Kontakte und liegen im gewichtigen öffentlichen Interesse des Gesundheitsschutzes.

 

[…] Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Maßnahmen im Sinne des §1 COVID-19-Maßnahmengesetz kommt es (sowohl bei der erstmaligen Verhängung als auch bei der Überprüfung ihrer Verlängerung bzw bei der Beurteilung von 'Lockerungen') notwendiger Weise auf eine Beurteilung ex ante an. Im Rahmen der Gefährdungsprognose (vgl auch Kopetzki, Der Rechtsstaat funktioniert sehr gut, CuRe 2020/21) unterstützt das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) die Mitgliedstaaten bei ihrer Risikoeinschätzung und damit einhergehenden Maßnahmenplanung. In die Risikobewertung des ECDC fließen verschiedene zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbare internationale Quellen mit ein; diese geben einen Überblick zum jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft hinsichtlich der Erforschung der Erkrankung und hinsichtlich der Optionen zur Maßnahmensetzung, wobei zu betonen ist, dass die Situation eine dynamische ist und auf nationaler und internationaler Ebene ständig neu bewertet werden muss. Neben Empfehlungen der WHO und der ECDC fließen auch die Einschätzungen und Erkenntnisse der nationalen Expertinnen und Experten sowie die jeweils aktuelle Datenlage und Prognosen als Entscheidungsgrundlagen ein.

 

[…] Ebenso wie sämtliche 'Lockerungen' der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 wurden auch die Neuregelungen der Verordnung BGBl II 197/2020 unter Berücksichtigung der epidemiologischen Situation und Risikobewertung vorgenommen […]. Auch im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung BGBl II Nr 197/2020 erlaubte die epidemiologische Situation noch keine gänzliche 'Öffnung' des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Auch wenn sich der Erfolg der bisher gesetzten Maßnahmen an rückläufigen neuen bestätigten Fällen pro Tag zeigte, wurden zu rasche Lockerung der Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt weiterhin als zu früh eingestuft. Im Zeitpunkt der Verordnungserlassung war die Risikobewertung des ECDC vom 23.4.2020 […] aufrecht:

 

[…] Darin wurde festgehalten, dass die strengen Maßnahmen wie physical distancing und Ausgangssperren gravierende gesellschaftliche Auswirkungen (ökonomisch und sozial) mit sich bringen, weshalb ein vernünftiger Zugang wichtig sei, die Maßnahmen zu lockern. Jedoch könne ein zu schnelles Aufheben der Maßnahmen ohne ein angemessenes Monitoring- und Gesundheitssystem eine anhaltende Übertragung begünstigen. Generell weist ECDC in dieser Risikobewertung darauf hin, dass die Auswirkungen von Veränderungen der Maßnahmen frühestens nach zwei bis vier Wochen im epidemiologischen Monitoring sichtbar werden.

 

[…] Vor diesem Hintergrund galt es angesichts der Gefahren durch eine voreilige Aufhebung der in Verfolgung des Ziels der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gesetzten Maßnahmen, schrittweise vorzugehen und die jeweiligen Auswirkungen der getroffenen 'Lockerungen' im epidemiologischen Monitoring genau zu beobachten. Mit dem empfohlenen Vorgehen in zweiwöchigen Schritten konnte der BMSGPK einerseits dem wichtigen öffentlichen Interesse des Gesundheitsschutzes Rechnung tragen und andererseits einen gerechten Ausgleich mit den entgegenstehenden Grundrechten insbesondere der Erwerbsfreiheit schaffen. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die entsprechenden Ausnahmen für das Betreten von Betriebsstätten der Gastgewerbe im Rahmen dieses zweiwöchigen Stufenplans der nächste Öffnungsschritt waren: Die entsprechenden Regelungen wurden mit BGBl II Nr 207/2020 mit Wirksamkeit vom 15.5.2020 in die Verordnung aufgenommen.

 

[…] Vor diesem Hintergrund ist die Differenzierung zwischen Betriebsstätten im Sinne des §2 Abs1 der Verordnung BGBl II Nr 197/2020 und solchen der Gastgewerbe aufgrund von Unterschieden im Tatsächlichen gerechtfertigt:

Der Unterschied im Tatsächlichen zwischen Betriebsstätten des Handels und solchen des Gastgewerbes liegt im ungleich höheren Infektionsrisiko: So verweilen Gäste in Betriebsstätten des Gastgewerbes insbesondere länger als in einem Geschäft des Einzelhandels. Auch die mit dem Restaurantbesuch verbundenen Umstände (geselliges Beisammensein, verbale Interaktion) fördern die Verbreitung von Tröpfchen […]. Dieser Unterschied ist im Hinblick auf das mit den Regelungen verfolgte Ziel der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ein wesentlicher. Anders als von der Antragstellerin behauptet, können auch gleichartige Schutzmaßnahmen wie in Betriebsstätten im Sinne des §2 Abs1 der Verordnung BGBl II 197/2020 in solchen des Gastgewerbes nicht sinnvoll eingehalten werden. Insbesondere scheitert das durchgehende Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes an der Unvereinbarkeit mit dem Hauptzweck des Restaurantbesuchs, dort Speisen und Getränke zu konsumieren. Zum einschlägigen Zeitpunkt gab es somit keine tauglichen gelinderen Mittel zur Erreichung des Ziels der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19. Aufgrund des mit der Regelung verfolgten gewichtigen öffentlichen Interesses des Gesundheitsschutzes und der engen zeitlichen Befristung (bis 15.5.2020) wiegt im Ergebnis die Ungleichbehandlung der Betriebsstätten des Gastgewerbes mit jenen des §2 Abs1 der Verordnung BGBl II Nr 197/2020 im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung weniger schwer als das damit verfolgte Ziel des Gesundheitsschutzes.

 

[…] Nach Ansicht des BMSGPK verstößt §6 der Verordnung BGBl II Nr 197/2020 daher weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen das Grundrecht der Freiheit der Erwerbstätigkeit (Art6 StGG) und die Eigentumsfreiheit (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK). […]"

IV. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit

 

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

2. Der Antrag ist zulässig:

2.1. Mit dem vorliegenden, beim Verfassungsgerichtshof am 12. Mai 2020 eingelangten, auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Partei, §6 COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, als gesetzwidrig aufzuheben, weil sie als Restaurantbetreiberin das in dieser Bestimmung angeordnete Betretungsverbot von Gastgewerbebetrieben in ihren Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B‑VG), Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) und Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) verletze.

§6 COVID-19-LV trat mit 1. Mai 2020 in Kraft (siehe §13 Abs1 COVID-19-LV) und stand zum Zeitpunkt der Antragstellung, am 12. Mai 2020, noch in der angefochtenen Stammfassung, BGBl II 197/2020, in Geltung. Mit der am 15. Mai 2020 in Kraft getretenen Verordnung BGBl II 207/2020 (s §13 Abs3 COVID-19-LV) hat der gesamte §6 COVID-19-LV sodann insoweit eine Änderung erfahren, als seither das Betreten von Gastgewerben unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.

2.2. Die antragstellende Partei ist durch das, in §6 Abs1 COVID-19-LV in der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fassung BGBl II 197/2020 geregelte und durch §6 Abs6 COVID-19-LV in der genannten Fassung näher ausgestaltete Verbot des Betretens von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe unmittelbar betroffen. Dass diese Bestimmungen mit der Verordnung BGBl II 207/2020 neu gefasst wurden, schadet mit Blick auf die mit V411/2020 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht (vgl VfGH 14.7.2020, V411/2020; 14.7.2020, G202/2020 ua).

Die von der antragstellenden Partei ebenfalls mitangefochtenen Absätze 2 bis 5 und 7 des §6 COVID-19-LV idF BGBl II 197/2020 knüpfen, großteils ausdrücklich, an das Verbot des §6 Abs1 COVID-19-LV in der genannten Fassung an und stehen mit diesem in einem untrennbaren Zusammenhang.

Der antragstellenden Partei steht angesichts von §3 Abs2 COVID‑19‑Maßnahmengesetz in der im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen Fassung BGBl I 12/2020, demzufolge Inhabern einer Betriebsstätte, die nicht dafür Sorge tragen, dass Betretungsverbote eingehalten werden, eine Verwaltungsstrafe bis zu € 30.000 droht, auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

2.3. Der Antrag ist auch nicht deswegen zu eng gefasst, weil das Bedenken, dass §6 COVID‑19‑LV ein unsachliches bzw unverhältnismäßiges Betretungsverbot anordne, weil, anders als nach dem Epidemiegesetz 1950 für vergleichbare Maßnahmen, keine Entschädigung vorgesehen sei, gegebenenfalls nur durch Aufhebung (auch) des §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmengesetz beseitigt werden könne. Denn sollte der Verfassungsgerichtshof diese Bedenken gegen §6 COVID‑19‑LV teilen, wäre er verhalten, von Amts wegen ein entsprechendes Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten (vgl VfSlg 17.782/2006; VfGH 14.7.2020, G202/2020 ua).

2.4. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.

B. In der Sache

1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2. Soweit die antragstellende Partei geltend macht, die angefochtene Bestimmung des §6 COVID-19-LV idF BGBl II 197/2020 sei deswegen wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz bzw das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verfassungswidrig, weil keine angemessene Entschädigung für das angeordnete Betretungsverbot und die damit bewirkte weitreichende Betriebssperre vorgesehen sei, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 14. Juli 2020, G202/2020 ua, festgestellt hat, kommt dem Gesetzgeber in der Frage der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Wenn sich der Gesetzgeber – statt dem bestehenden Regime des §20 iVm §32 Epidemiegesetz 1950 – für ein alternatives Maßnahmen- und Rettungspaket entscheidet, so ist ihm aus der Perspektive des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art2 StGG sowie Art7 B‑VG nicht entgegenzutreten. Der Umstand, dass auf Grundlage des §20 Epidemiegesetz 1950 wegen COVID-19 geschlossene Betriebe vor Inkrafttreten des COVID-19-Maßnahmengesetzes allenfalls einen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß §32 Epidemiegesetz 1950 hatten, vermag eine unsachliche Differenzierung nicht aufzuzeigen.

Diese Bedenken der antragstellenden Partei treffen daher nicht zu.

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom 14. Juli 2020, V411/2020, ausgesprochen, dass der Gesetzgeber mit §1 COVID-19-Maßnahmengesetz dem Verordnungsgeber (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) einen Einschätzungs- und Prognosespielraum, ob und wieweit er zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 auch erhebliche Grundrechtsbeschränkungen für erforderlich hält, überträgt, womit der Verordnungsgeber seine Entscheidung als Ergebnis einer Abwägung mit den einschlägigen grundrechtlich geschützten Interessen der betroffenen Unternehmen, ihrer Arbeitnehmer und Kunden zu treffen hat. Der Verordnungsgeber muss also in Ansehung des Standes und der Ausbreitung von COVID-19 notwendig prognosehaft beurteilen, inwieweit in Aussicht genommene Betretungsverbote oder Betretungsbeschränkungen von Betriebsstätten zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 geeignete (der Zielerreichung dienliche), erforderliche (gegenläufige Interessen weniger beschränkend und zugleich weniger effektiv nicht mögliche) und insgesamt angemessene (nicht hinnehmbare Grundrechtseinschränkungen ausschließende) Maßnahmen darstellen.

Der Einschätzungs- und Prognosespielraum des Verordnungsgebers umfasst insoweit auch die zeitliche Dimension dahingehend, dass ein schrittweises, nicht vollständig abschätzbare Auswirkungen beobachtendes und entsprechend wiederum durch neue Maßnahmen reagierendes Vorgehen von der gesetzlichen Ermächtigung des §1 COVID-19-Maßnahmengesetz vorgesehen und auch gefordert ist.

Angesichts der damit inhaltlich weitreichenden Ermächtigung des Verordnungsgebers verpflichtet §1 COVID-19-Maßnahmengesetz vor dem Hintergrund des Art18 Abs2 B‑VG den Verordnungsgeber im einschlägigen Zusammenhang auch, die Wahrnehmung seines Entscheidungsspielraums im Lichte der gesetzlichen Zielsetzungen insoweit nachvollziehbar zu machen, als er im Verordnungserlassungsverfahren festhält, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fußt und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt ist. Die diesbezüglichen Anforderungen dürfen naturgemäß nicht überspannt werden, sie bestimmen sich maßgeblich danach, was in der konkreten Situation möglich und zumutbar ist. Auch in diesem Zusammenhang kommt dem Zeitfaktor entsprechende Bedeutung zu.

3.2. All dies hat der Verfassungsgerichtshof bei seiner Prüfung, ob der BMSGPK den gesetzlichen Vorgaben bei Erlassung der angefochtenen Bestimmung des §6 COVID‑19-LV entsprochen hat, zu berücksichtigen. Damit ist für die Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes insoweit der Zeitpunkt der Erlassung der entsprechenden Verordnungsbestimmung und die diesen zugrunde liegende aktenmäßige Dokumentation maßgeblich.

Dass es damit dafür, ob die angefochtene Verordnungsbestimmung mit den Zielsetzungen des §1 COVID-19-Maßnahmengesetz im Einklang steht, auch auf die Einhaltung bestimmter Anforderungen der aktenmäßigen Dokumentation im Verfahren der Verordnungserlassung ankommt, ist kein Selbstzweck. Auch in Situationen, die deswegen krisenhaft sind, weil für ihre Bewältigung entsprechende Routinen fehlen, und in denen der Verwaltung zur Abwehr der Gefahr gesetzlich erhebliche Spielräume eingeräumt sind, kommt solchen Anforderungen eine wichtige, die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns sichernde Funktion zu.

3.3. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 1. Oktober 2020, V405/2020, ausgesprochen, dass §3 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 (COVID-19-Maßnahmenverordnung-96), BGBl II Nr 96/2020, idF BGBl II 130/2020 gesetzwidrig war. Diese Bestimmung – sie entspricht im Wesentlichen §6 COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, – verstieß gegen §1 COVID-19-Maßnahmengesetz, weil es der Verordnungsgeber gänzlich unterlassen hat, jene Umstände, die ihn bei der Verordnungserlassung bestimmt haben, so festzuhalten, dass entsprechend nachvollziehbar ist, warum der Verordnungsgeber die mit dieser Regelung getroffenen Maßnahmen für erforderlich gehalten hat. Insoweit ist es damit ausgeschlossen, dass die Gesetzmäßigkeit des §6 COVID‑19-LV, BGBl II 197/2020, unter Bezugnahme auf die, der inhaltlich gleich lautenden "Vorgängerregelung" des §3 COVID‑19‑Maßnahmenverordnung-96 idF BGBl II 130/2020 zugrunde liegenden Verordnungsakten dargetan werden kann.

Als Grundlagen für die Erlassung (unter anderem) der angefochtenen Bestimmung des §6 COVID-19-LV idF BGBl II 197/2020 finden sich in den – vom BMSGPK in den zu den Zahlen V350-354/2020 geführten Verordnungsprüfungsverfahren vorgelegten und ausdrücklich auch für das vorliegende Verfahren für maßgeblich erklärten – Verordnungsakten nachstehende Unterlagen und Angaben:

Zunächst wird unter der Rubrik "Sachverhalt" ausgeführt:

"Inliegend der Entwurf der LockerungsVO, welche die VO 96/2020 idgF und 98/2020 idgF ablöst. Es sind darin die ab 1. Mai gelten Regelungen hinsichtlich der Maßnahmen in Betriebsstätten, bei Veranstaltungen, in Massenbeförderungsmitteln, etc. geregelt."

In der Folge finden sich Entwürfe der COVID-19-LV vom 28. April 2020 und vom 30. April 2020 sowie die kundgemachte Verordnung im Akt. Darüber hinaus liegen diesem Verordnungsakt keine weiteren, im Hinblick auf die gesetzliche Grundlage des §1 COVID-19-Maßnahmengesetz relevanten Ausführungen oder Unterlagen bei.

Damit genügt der angefochtene §6 COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, den Vorgaben des §1 COVID-19-Maßnahmengesetz schon aus dem Grund nicht, weil es der Verordnungsgeber gänzlich unterlassen hat, jene Umstände, die ihn bei der Verordnungserlassung bestimmt haben, so festzuhalten, dass entsprechend nachvollziehbar ist, warum der Verordnungsgeber die mit dieser Regelung getroffenen Maßnahmen für erforderlich gehalten hat. Entscheidungsgrundlagen Unterlagen oder Hinweise, die die Umstände der zu erlassenden Regelung betreffen, fehlen im Verordnungsakt gänzlich.

4. §6 COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, verstößt daher gegen §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz. Da diese Bestimmung bereits außer Kraft ist, genügt es festzustellen, dass die Bestimmung gesetzwidrig war.

V. Ergebnis

1. §6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden, BGBl II 197/2020, ist durch die mit 15. Mai 2020 in Kraft getretene Verordnung BGBl II 207/2020 geändert worden. Der Verfassungsgerichtshof hat sich daher gemäß Art139 Abs4 B‑VG auf die Feststellung zu beschränken, dass §6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden, idF BGBl II 197/2020 gesetzwidrig war.

2. Der Ausspruch, dass die unter Punkt 1. genannte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, stützt sich auf Art139 Abs6 zweiter Satz B‑VG.

3. Die Verpflichtung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz B‑VG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §61a VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.

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